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Drehgestell

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Das von der UIC standardisierte Y25-Drehgestell mit 1,80 m Achsstand ist das häufigste Drehgestell bei Güterwagen, hier an einem Res-Wagen der PKP
Drehgestell des Typs Y25 geschweißt mit 22,5-Tonnen-Radsätzen
Das Drehgestell der DB-Bauart 652, hier an einem Shimmns708-Wagen wurde von LHB entwickelt und ab 1986 gebaut
Drehgestell an einem Seitenkippwagen

Das Drehgestell ist eine Bauform des Laufwerks von Schienenfahrzeugen, bei dem zwei oder mehr Radsätze in einem mit dem Fahrzeug beweglich verbundenen Rahmen gelagert werden. Aufgrund des kürzeren Radstandes erlauben Drehgestelle die Konstruktion längerer Fahrzeuge bei gegebenem Bogenradius. Die bewegliche Lagerung des Drehgestells und die möglichkeit einer zweistufigen Federung verbessert zudem die Laufruhe und damit den Fahrkomfort.

Grundlagen

Schematische Darstellung eines Drehgestells
Typisches amerikanisches Güterwagen-Drehgestell (Bauart Bettendorf), heute verwendet man Wälzlager
Diamond-Drehgestell eines Personenwagen der MPSB um 1890

Die Fixpunkte, von denen her ein Drehgestell betrachtet werden muss, sind die Achslager. Für außengelagerte Güterwagendrehgestelle ist ihr Querabstand, um Radsätze und Gestelle kompatibel zu halten, mittlerweile von der UIC auf genau zwei Meter genormt. Außengelagert heißt dabei, dass die Achslager und die Rahmenteile sich außerhalb der Radscheiben befinden; bei innengelagerten Drehgestellen befinden sie sich zwischen ihnen.

Güterwagendrehgestelle werden meist einstufig gefedert, Personenwagen- und Lokomotivdrehgestelle zweistufig, also sowohl zwischen den Radsätzen und dem Drehgestell (Primärfederung) als auch zwischen dem Drehgestell und dem Wagenkasten (Sekundärfederung).

Auf den Achslagern sitzen die Primärfedern auf. Dies sind klassischerweise Blattfedern, mittlerweile sind jedoch Drehgestelle vor allem mit Schraubenfedern oder (Metall-) Gummifedern ausgestattet.

Im einfachsten Falle (Güterwagen) hängt man nun mit Schaken einen aus Seitenwangen und einem (H-Rahmen) oder mehreren Querträgern bestehenden Rahmen an den Federn auf und montiert in die Mitte des Ganzen eine ggf. zusätzlich gefederte Drehpfanne, auf die sich der Fahrzeughauptrahmen mit einem Drehzapfen abstützt.

Die Sekundärfederung bei Personenwagen besteht im allgemeinen aus Schraubenfedern oder Luftfedern, bei Lokomotivdrehgestellen aus Schraubenfedern.

Drehgestelle können jedoch weit komplizierter werden. Statt der einfachen Schakenaufhängungen sind auch andere Anlenkungen der Radsätze möglich, zum Beispiel über ungefähr dreieckige Achslenker (untere äußere Ecke: Achslager; untere innere Ecke: Exzenterbolzen im Drehgestellrahmen; obere Ecke: Ansatz der Feder), so dass die vertikalen Bewegungen der Radsätze horizontal angeordnete Schraubenfedern zusammendrücken.

Bei schraubengefederten Drehgestellen gibt es die Flexicoil-Bauweise, bei der ein Block von Schraubenfedern nicht nur vertikal einfedert, sondern auch (durch Krümmung der Federn) seitliche Bewegungen aufnimmt.

Zur Verbesserung der Laufeigenschaften kann ein schraubengefedertes Drehgestell eine Wiege erhalten. Dabei nimmt dann ein an seinen Enden beweglich mit dem Gestellrahmen verbundener Querträger die Wagenkastenkräfte auf. Typischerweise ruht der Wagenkasten dabei außen auf Gleitplatten, so dass Drehzapfen und -pfanne nur noch die Längskräfte übertragen und kein Gewicht mehr zu tragen haben.

Die Schwingungen zwischen den verschiedenen Drehgestellteilen werden bei simplen Bauformen durch die Reibungsvorgänge in den Schakengehängen mehr oder weniger gut gedämpft. Modernere Gestellbauarten sind mit Stoßdämpfern für die Primärfederung, für die Schwingung der Wiege und für seitliche Wankbewegungen des Wagenkastens ausgestattet.

Bauarten

Drehgestell Württemberger Bauart von 1845

Kaum eine andere Schienenfahrzeugkomponente kennt so viele verschiedene Bauformen und Ausführungen wie Drehgestelle. Insbesondere muss man zwischen Drehgestellen für Lokomotiven, Güter- und Reisezugwagen unterscheiden, die beispielsweise in Belastbarkeit, Geschwindigkeit und Komfort sehr unterschiedlichen konstruktiven Anforderungen genügen müssen.

Achszahl

Der Löwenanteil aller heute eingesetzten Drehgestelle ist zweiachsig. Es gibt jedoch auch einachsige Drehgestelle (beispielsweise bei den Triebwagen der ČSD-Baureihe M 152.0) und dreiachsige Drehgestelle (u. a. bei Lokomotiven). Bei letzteren ist der mittlere Radsatz normalerweise seitenverschiebbar angeordnet und wird im Bogen mechanisch nach außen gedrückt. Trotzdem haben dreiachsige Gestelle einen Ruf als „Schienenfresser“ oder „Schienenmörder“: Der durch sie verursachte Verschleiß ist überdurchschnittlich groß. Ein bekanntes Beispiel aus der Schweiz ist die SBB Ae 6/6.

Für besonders schwere Lasten, vor allem für Tiefladewagen, sind Drehgestelle auch mit vier oder mehr, teilweise sogar bis zu sieben Radsätzen gebaut worden. Man spricht allerdings dann besser von Unterwagen: Es handelt sich nicht mehr um bloße Laufwerke, sondern quasi komplett ausgerüstete vielachsige Wagen, auf die eine Ladebrücke aufgelegt wird.

Lauf- und Triebdrehgestelle

Triebdrehgestells des ICE-1

Drehgestelle können Laufachsen oder Triebachsen enthalten, gegebenenfalls (bei Triebfahrzeugen mit Elektroantrieb oder elektrischer Kraftübertragung) mit Fahrmotoren oder mit mehr oder minder großen Fahrgetrieben bei Kraftübertragung über Gelenkwelle. Man spricht bei Gestellen mit mindestens einer angetriebenen Achse von Triebdrehgestellen, ansonsten von Laufdrehgestellen.

Jakobs-Drehgestelle

Speziell für längere, fest verbundene Züge oder Gelenktriebwagen wurde das Jakobs-Drehgestell entwickelt. Hierbei stützen sich zwei Wagenkästen zusammen auf ein Drehgestell, sodass das Drehgestell mittig zwischen ihnen sitzt. Bei längeren Zugeinheiten reduziert sich somit die Anzahl der Drehgestelle, jedoch kann die Zugeinheit betrieblich nicht getrennt werden, und die Radsatzlast erhöht sich.

Maximum-Drehgestelle

Bei Straßenbahn-Triebwagen um 1900, beispielsweise in München, Nürnberg, Augsburg und Berlin, auch bei der Filderbahn, fanden aus antriebstechnischen Gründen Maximum-Drehgestelle Verwendung. Diese besitzen Radsätze mit unterschiedlicher Raddurchmessern. Die Hauptlast des Drehgestells liegt dabei auf dem größeren, angetriebenen Radsatz. Der kleinere Radsatz dient vor allem dem Anlenken bei Kurvenfahrten. Die höhere Belastung des großen Rades durch Fahrmotor und verschobenen Stützpunkt bewirkt, dass man das „Maximum“ an Kraft über eine Achse übertragen kann, und durch das Anlenken können sehr kleine Radien gefahren werden (in München 15 Meter). Damit war es möglich, einen vierachsigen Triebwagen mit einer konventionellen Steuerung und nur zwei Fahrmotoren auszurüsten und trotzdem nicht 50% der Reibungsmasse für den Antrieb zu verlieren. Einen echten Drehzapfen gibt es bei Maximumdrehgestellen nicht, durch die Form der Gleistsücke liegt der Drehpunkt auf der angetriebenen Achse. Nachteilig sind die schlechteren Laufeigenschaften gegenüber gewöhnlichen Drehgestellen, da die auf die Treibachsen wirkenden Stöße nicht halbiert werden. Außerdem neigt die vorauslaufende Laufachse des hinteren Drehgestelles wegen der geringen Achslast bei schlechter Gleislage zu Entgleisungen. Durch die Weiterentwicklung der Steuerungstechnik und der daraus resultierenden Möglichkeit, vier Fahrmotoren pro Wagen zu verwenden, wurden Maximumdrehgestelle nach dem Ersten Weltkrieg wieder bedeutungslos, blieben aber noch bis weit in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts im Einsatz.

Einzelraddrehgestelle

Prinzipiell sind auch Einzelradfahrwerke, die keine konventionellen Radsätze, sondern frei auf Achsen rotierende Radscheiben haben, als Drehgestelle anzusehen, solange diese Achsen drehgestellmäßig gelagert sind. Die Laufphysik von Einzelradradfahrwerken ist jedoch ganz anders als die herkömmlicher Radsatzdrehgestelle. Durch die fehlende Verbindung der rechten und linken Seite der Räder können diese mit unterschiedlichen Drehzahlen laufen, und beim Bogenlauf werden keine Schlupfkräfte in Längsrichtung erzeugt, weshalb kein Wellen- bzw. Sinuslauf entsteht.

Bauform

Es gibt verschiedene Bauformen von Drehgestellrahmen:

  • Kastenrahmen
  • H-Rahmen
  • O-Rahmen

Literatur