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Himmelsmeister-Daoismus

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Die Himmelsmeister (Tianshi) sind eine religiöse daoistische Organisation, deren Ursprünge in der späteren Han-Zeit liegen. Die Bewegung der Himmelsmeister wurde durch Zhang Daoling gegründet und es handelt sich um die erste Erscheinungsform des organisierten Daoismus, die bis in die heutige Zeit in China fortbesteht.

Geschichte

Die historischen Vorläufer der Himmelsmeister sind die Bewegung der Gelben Turbane (Taiping Dao) in Zentral- und Ostchina und der Fünf Scheffel Reis(Wudoumi Dao) in der Provinz Sichuan. Die Gelbturbane nahmen große Scharen an Anhängern auf und es handelte sich um eine messianische Bewegung. Im Jahre 184 wurde durch die Gelbturbane ein Aufstand angezettelt, der die für dekadent gehaltenen Han stürzen sollte und das Zeitalter des großen Friedens (Taiping) anbrechen lassen sollte. Die Praktiken der Gelbturbane wie Heilung durch Sündenbekenntnis, Exerzitien, Rezitation heiliger Texte und Hirarchien waren den Praktiken der Himmelsmeister sehr ähnlich, die darüber hinausgehend auch eine Schrift der Gelbturbane, das Taiping Jing, den Klassiker vom großen Frieden, übernahmen.

Dem Gründer der Himmelsmeister Zhang Daoling war im Jahr 142 Laozi erschienen, der im Volk als Heiliger verehrt wurde. Zhang Daoling verkündete daraufhin das 'Gesetz des rechtmäßigen Einen aufgrund der Autorität eines abgelegten Eides' (Zhengyi), welcher die Herrschaft der drei Himmel einleiten, die Welt vom Verfall befreien und in einem vollkommenene Staat das auserwähte Volk wieder einsetzen sollte. Auch hier schien es um den Sturz der Han zu gehen, denn die Himmelsmeister, insbesondere der erste Himmelsmeister Zhang Daoling, gelten als irdische Stellvertreter des Laojun, des vergöttlichten Laozi, einem der drei Reinen. Von diesem erhielt Zhang Daoling die Autorität böse Kräfte zu bannen und die Menschen zu führen. Da die Anhänger fünf Scheffel Reis (Wudou Mi Dao) zu entrichten hatten, bekam die Bewegung zunächst aufgrund dieser Steuer ihren Namen.

In Sichuan organisiserten dann der Sohn und der Enkel Zhang Daolings, Zhang Lu, ein unabhängiges Staatswesen, das dank der erhobenen Steuer politisch und finanziell autonom war. Im Jahr 215 ergab sich Zhang Lu dann Cao Cao, den er als neuen durch Laozi legitimierten Kaiser anerkannte und im Gegenzug erkannte Cao Cao die Himmelsmeister an und stattete Zhang Lu mit Einkünften und Titeln aus. Die Erben Zhang Daolings und Zhang Lus trugen fortan den Titel Tianshi, Himmelsmeister.

Die religiösen Praktiken der Himmelsmeister waren vielfältig. Sie verehrten bereits ein relativ vielfältiges und volkstümliches Pantheon. Sie empfingen im Laufe ihrer Ausbildung "Register" mit den Namen göttlicher Mächte, die sie anrufen und aktivieren konnten. Es herrschte eine Vermischung von Recht und Moral. Vergehen wie Trunkenheit, Laster und Diebstahl wurden durch die Götter beobachtet und verzeichnet und durch zumeist öffentliche Bekenntnisse und Bestrafungen gesühnt. Die Bestrafungen waren wohltätige Handlungen oder Sühne durch Zurückgezogenheit und es gab auch Bußrituale. Krankheiten wurden durch Beichte und mit magischem Wasser behandelt, da sie als Strafe für Vergehen galten. Die Gläubigen rezitierten heilige Texte wie das Daodejing, praktizierten Atemübungen und enthielten sich zwecks Langlebigkeit des Getreides. Es gab auch kollektive, dutrch die Himmelsmeister ausgeführte Zeremonien und sogenannte Fastenzeremonien, welche die Vorläufer späterer daoistischer liturgischer Zeremonien waren. Dreimal im Jahr fanden Feste statt, um Krankheiten durch Petitionen an die verwaltenden Götter zu heilen.

Verrufen waren die sexuellen Rituale der Himmelsmeisterbewegung, die vom Buddhismus als Orgien angeprangert wurden. Jeder Teilnehmer eines solchen Rituals mußte sich mit einem vom Himmelsmeister vorgeschriebenen Partner, der gemäß einer Rangordnung ausgesucht wurde, nach drei Fastentagen vereinigen. Das Ritual wurde begleitet von Fasten, Gebeten, Atemübungen, visueller Meditation und Beschwörungen der Götter. Das Ziel dieser Rituale war es die Namen der Teilnehmer in 'die Register des Lebens' einzuschreiben.

Obwohl die Himmelsmeisterbewegung viele volksreligiöse Elemente übernommen hatte, kämpfte sie doch immer gegen die anderen Volksreligionen an, die niemals die Bedeutung der Himmelsmeister erlangten.

Während des 4. bis zum 6. Jh. spalteten sich die Himmelsmeister auf, in die südlichen und die nördlichen Himmelsmeister. Die südlichen Himmelsmeister bezeichnen die Gruppe, die sich in der Region von Jiangnan im südöstlichen China bildete. Diese Gruppe stand zwar in der Tradition der Himmelsmeister, hatte aber niemals eine eigene kirchliche Organisation und vermischte sich mit anderen daoistischen Strömungen wie dem Shangqing.

Die nördlichen Himmelsmeister bezeichneten jene Gruppe, die die Tradition Zhang Daolings direkt unter der Wei-Dynastie der Toba (Hunnen) fortsetzten. Sie erreichten politische Macht am Hofe, wo sie neben dem Buddhismus ihre Ideen präsentierten. Die Wei-Dynastie war aus einem Volk hervorgegangen, dessen Religion, eine Mischung aus Schamanismus und Animismus, es aufnahmebereit für die magisch-religösen Praktiken der Himmelsmeister machte und so erlangte der Himmelsmeister Kou Qianzhi auch politische Macht und die Kaiser ließen sich von ihm ihr Mandat unter der Regierungsdevise "Vollkommener Herrscher des großen Friedens" bestätigen und ein daoistischer Altar wurde am Rand der Hauptstadt errichtet, wo einhundertzwanzig Priester ihren Kult zelebrierten.

Nach dem Tod Kou Qianzhis und dem Auftreten neuer Strömungen des Daoismus konnten sich die Himmelsmeister jedoch nicht mehr am Hofe halten und in den folgenden Jahrhunderten hatten sie nur einen geringen Einfluß.

Im 8. und 9. Jahrhundert bildeten sich dann neue Zentren und eine neue Linie der Himmelsmeister. Die Zhengyi-Kirche bildete Zusammenschlüsse und Gilden, die zu Zentren der lokalen Kulte wurden und bis in die Gegenwart bestehen. Unter den Song und den Ming wurden die Priester der Zhengyi in den Rang von Oberhäuptern sämtlicher daoistischer Richtungen gesetzt und heutzutage gehört die Sekte der Himmelsmeister bzw. die Zhengyi-Kirche zu den blühendsten und aktivsten daoistischen Richtungen, die noch existieren.


Die Himmelsmeister entsprachen in ihrer Geschichte den Bedürfnissen des Volkes nach Heilung, guter Ernte, Regen und ähnlichem. Es entwickelten sich Schriften, die der Rezitation dienten, der Meditation und dem Gebet, was mit der Sphäre des Göttlichen (Shen-ming) verbinden sollte. Nur wer dieses vollkommen beherschte, war in der Lage, die Liturgien richtig auszuführen. Dem Berufsstand eines Himmelsmeisters kam Exklusivität zu, da ihm auch geheime Formeln (Mi-jue) mitgeteilt wurden, die bei den Liturgien zu sprechen waren.

Gemeinsames Gebet oder Lieder und Choräle einer Gemeinde von Gläubigen, wie sie im westlichen Religionsverständnis eine Rolle spielen, sind Phänomene die im Daoismus der Himmelsmeister nie eine Bedeutung hatten.

Die Himmelsmeister im heutigen China

Die Zhengyi bestehen noch heute fort in der VR China, jedoch sind ihre Rituale heutzutage natürlich modifiziert und komplexer und es wird bezweifelt, daß die heutigen Himmelsmeister, die in Taiwan residieren, echte Nachfahren der ursprünglichen Himmelsmeister der Familie Zhang sind. Der amtierende Himmelsmeister ist jedoch im Besitz des überlieferten Jadesiegels und des Zauberschwertes, deren Ursprünge sich bis in die Yuan-Zeit zurückverfolgen lassen. In Taiwan gibt es viele eindrucksvolle Tempel der Zhengyi und jedes Dorf hat seinen eigenen Tempel, der das Zentrum der Gemeinde bildet.

Der Daoismus der Himmelsmeister wird von Priestern getragen, die ihr Amt professionell ausüben und die eine lange Ausbildung, die oft schon mit dem siebten Lebensjahr beginnt, erfahren. Der Beruf wird oft vom Vater zum Sohn verebt und das Lehrer-Schüler-Prinzip bestimmt die individuellen Traditionslinien. Für die Ausbildung zum Priester der Zhengyi sind 20 Jahre Studium notwendig. Die Rituale und Texte der Himmelsmeister entwickelten sich nach diesen Traditionslinien, Orten und Epochen unterschiedlich weiter und die Texte werden oft in einer Priesterfamilie vererbt. Diese Priester üben auch oft in großer Toleranz eine Art geistiger Aufsicht über das religiöse Leben im Volk aus, in dem Zauberer, Magier und Schamanen beliebt sind, welche nach ihren Kappen Rotköpfe oder Schwarzköpfe gennant werden und im allgemeinen zu den Gegnern der orthodoxen Daoisten zählen.

Die heutigen Himmelsmeister glauben an Götterhierarchien, die einem Verwaltungsapparat ähneln. Mythologisch wurde aus dem Buddhismus ein System von Himmeln und Höllen übernommen und im Pantheon sind viele buddhistische Bodhisattvas und Gottheiten zu finden, aber auch historische herausragende Persönlichkeiten.

Die Himmelsmeister bieten einen Ritualservice für Privatpersonen und Tempel an, so etwa bei Hochzeiten, Begräbnissen oder dem Geburtstag eines Lokalgottes. Auch Exorzismen und Heilungen werden durchgeführt. Ihre Rituale sind komplex und elaboriert und im den komplexen mystischen Systemen gibt es rituelle Initiationen, Reinigung und Erneuerung. Eines der Rituale ist z.B. das Verbrennen von Papiertalismanen manchmal auch mit Gebeten. Das höchste Ritual ist das der kosmischen Erneuerung, das zur Wintersonnenwende durchgeführt wird und kosmische Wiedergeburt symbolisiert. Vor den Ritualen wird oft gefastet und ein Geist der Vergebung invoziert. Einige der Priester sind auch Schamanen oder Geistmedien, die Kontakt mit den Toten aufnehmen und astrologisch geschult sein können.

Die übliche Form der Verehrung durch Gläubige ist das Darbringen von Weihrauch in einem mit Asche gefüllten Dreifuß. Manche Tempel unterhalten auch eigene Amateurtheater, die für die Götter und Zuschauer Aufführungen veranstalten.

In der VR China ist der Daoismus mit dem Makel des Aberglaubens behaftet und wurde jahrzehntelang mit dem Hinweis darauf, es handele sich nicht um Religion, sondern um primitiven Schamanismus, unterdrückt, breitete sich aber im letzten Jahrzehnt wieder weiter aus und Tempel wurden restauriert und wieder mehr Priester ausgebildet, sowie universitäre Forschungsstellen eingerichtet. Auf Taiwan ist der Daoismus weiterhin sehr verbreitet.

Siehe auch: Neidan, Shangqing, Lingbao Pai

Literatur

Livia Kohn (Hg.): Daoism Handbook (Handbook of oriental studies, section four, China), ISBN 90-04-112081,

Isabelle Robinet: Geschichte des Daoismus ISBN 3-424-01298-X