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Volker Zotz

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Volker Helmut Manfred Zotz (* 28. Oktober 1956 in Landau in der Pfalz) ist ein österreichischer Philosoph mit dem Fachgebiet "Komparative Philosophie" und Religionswissenschaftler.

Ausbildung und Tätigkeit

Volker Zotz erwarb das Abitur am Max-Slevogt-Gymnasium in Landau in der Pfalz und leistete danach Zivildienst in einem kirchlichen Pflegeheim. Anschließend war er literarisch tätig[1] und studierte 1978–1985 Philosophie, Geschichte und Buddhismuskunde an der Universität Wien. Dort promovierte er bei dem Philosophen Kurt Rudolf Fischer mit einer Dissertation über den Einfluss des Buddhismus auf die deutsche Philosophie und Literatur.[2] Zotz lehrte danach am Philosophischen Institut der Universität Wien indisches Denken und Geschichte der Philosophie. Später habilitierte er sich als Religionswissenschaftler an der Universität des Saarlandes. Er verbrachte einige Jahre in verschiedenen Ländern Süd- und Ostasiens, darunter in Indien und von 1989 bis 1999 in Japan, wo er an den Universitäten Ryukoku und Otani in Kyoto lehrte und forschte. Seit 1999 lehrt er an der Université du Luxembourg Philosophie und Geistesgeschichte.

Themenfelder

  1. Interkulturelle Philosophie: Die Arbeit von Volker Zotz ist der interkulturellen Philosophie und dem interkulturellen Dialog gewidmet. Er übt in diesem Zusammenhang Kritik an europäischen Wirklichkeiten über das Medium asiatischer Traditionen. Aus der Perspektive von Konfuzianismus, Buddhismus und anderen Systemen, die man unter die Östliche Philosophie zählt, bewertet Zotz die westliche Geistesgeschichte und sucht Anknüpfungspunkte für die Begegnung des Westens mit Asien. Er findet sie zum Beispiel in der Tradition des Katholizismus und in der Kunst und Literatur der Moderne, etwa dem Surrealismus André Bretons. Dem interkulturellen Dialog dient die von Zotz 1994 in Wien gegründete Stiftung Komyoji. Zotz ist in interkulturellen Fragen fallweise als Unternehmensberater tätig.
  2. Buddhismus-Forschung: Volker Zotz wurde besonders durch seine Beiträge zur Philosophie des Buddhismus bekannt. Entsprechend würdigt Günther Nenning in seinem Buch Buddha, Jesus und der Rest der Welt Zotz als "einen der bedeutendsten Buddhologen der jüngeren Generation." [3] Allerdings behandelt Zotz den Buddhismus weniger als Buddhologe als im Sinn einer historischen und systematischen Philosophie. Mit Büchern wie Buddha (1991) und Geschichte der buddhistischen Philosophie (1996) legte er Arbeiten vor, die als Standardwerke akademischer buddhistischer Studien gelten.
  3. Geschichte des Buddhismus in Europa: Mit seiner Dissertationsschrift Zur Rezeption, Interpretation und Kritik des Buddhismus im deutschen Sprachraum vom Fin-de-Siècle bis 1930 und der umfassenden Studie Auf den glückseligen Inseln. Buddhismus in der deutschen Kultur (2000) warf er ein kritisches Licht auf die bisherige Geschichte der Beschäftigung mit dem Buddhismus in Europa. Er lieferte damit Beiträge zur Orientalismus-Debatte, indem er untersuchte, welche Projektionen und inhaltlichen Verschiebungen bei der Transmission von Ideen von einer Kultur in die andere auftreten.
  4. Reiner-Land-Buddhismus: Volker Zotz legte zahlreiche Arbeiten über den besonders in China und Japan verbreiteten Buddhismus der Ching-t'u-Schule vor, in der es mythologisch um ein Reines Land des Buddha Amitabha geht. Zotz fragte besonders nach der Rolle der Philosophie in der japanischen Ausprägung der Schule Jodo Shinshu. In diesem Zusammenhang hat er über Shinran und Rennyo geforscht und geschrieben.
  5. Praktische Philosophie: Neben historischen und philologischen Forschungen zum Buddhismus fragte Zotz als Philosoph nach der existentiellen Bedeutung buddhistischer und konfuzianischer Lehren für Europäer. Seine in dieser Hinsicht am meisten verbreitete Arbeit ist das 1987 zuerst erschienene Buch Freiheit und Glück, das seither unter verschiedenen Titeln und Neubearbeitungen durch den Autor in immer neuen Auflagen erschien und derzeit unter dem Titel Mit Buddha das Leben meistern aufgelegt ist. Das Buch Konfuzius für den Westen. Neue Sehnsucht nach alten Werten (2007) aktualisiert den Konfuzianismus für die heutige Situation Europas. Die Lehre des Konfuzius wird darin als Anregung verstanden, sich wieder auf die klassischen Werte Europas zu besinnen.[4]

Schriftstellerisches Werk

Das schriftstellerische Werk von Volker Zotz umfasst mehr als 30 Bücher und Hunderte Beiträge zu Print- und elektronischen Medien. Eine vollständige Bibliographie des Gesamtwerks scheint im Rahmen seines Internet-Auftritts zu existieren.[5] Der in Luxemburg lebende Zotz ist Mitglied der österreichischen Sektion des P.E.N. Club. Er ist zeitweilig auch als Literaturkritiker tätig. So setzte er sich für eine Neubewertung des Schriftstellers Norbert Jacques ("Doktor Mabuse") ein.[6] Volker Zotz ist auch Mitbegründer des Luxemburgischen Kulturverlags Kairos Edition.

Zotz steht seiner Arbeit offenbar selbstkritisch gegenüber, wenn er schreibt: "Eigentlich weiß ich nicht, wovon ich schreibe, weiß ich doch nicht einmal, wer ich bin. Aber da ist zweifacher Trost: Zuviel wissen, war schon immer gefährlich. Und schließlich: Was heißt schon 'eigentlich'?" [7]

Einflüsse

Zotz war in seiner Jugend ein Schüler von Lama Anagarika Govinda, dessen Interpretation des Buddhismus er später inhaltlich kritisierte, aber als kreative Leistung anerkannte. Govindas Sicht des Buddhismus weist laut Zotz "eine starke subjektive Note auf, die ihn vor allem das sehen ließ, was er suchte. Sein Wahrnehmen Asiens und des Buddhismus war schöpferisches Gestalten einer eigenen Wirklichkeit." [8]. Andererseits würdigt Zotz bis in die heutige Zeit Govindas Leistungen: "Die intensive persönliche Begegnung und langjährige Auseinandersetzung mit ihm beeinflusste meine Weise des Lesens der klassischen Literatur Indiens stark, wenn es um die Suche nach praktisch wirksamen essenziellen Aussagen ging." [9] Weiteren starken buddhistischen Einfluss übte in Japan die Zusammenarbeit mit dem Religionsphilosophen Takamaro Shigaraki auf Zotz aus.

Kontroversen

Während seine Beiträge zur Buddhismusforschung in der Fachwelt allgemein gewürdigt werden, diskutiert man einige der kulturphilosophischen Entwürfe von Volker Zotz kontrovers:

  1. Die Euromasochismus-Debatte: Unter anderem im Schlusskapitel seiner Geschichte der buddhistischen Philosophie, kritisiert Zotz die Geschichte und aktuelle Situation Europas als wenig pluralistisch und latent totalitär. Dem wurde von Jens Heise widersprochen, der trotz Wertschätzung der Leistungen von Zotz zur Erforschung buddhistischer Philosophie befürchtete, "daß westliches Denken schlicht auf den Kontrast zum buddhistischen herabgestimmt ist und nur als Totalitarismus auftritt." [10]. Ähnlich urteilte die Süddeutsche Zeitung: "Ein Einwand. So richtig Volker Zotz die Verdienste und die Defizite der europäischen Buddhismusrezeption einordnet, so sehr verrennt er sich ... in einen Euromasochismus. Alles was sich vom christlichen Monotheismus herleitet, ist für ihn totalitär, gefährlich und moralisch minderwertig." [11] Auch Ludger Lütkehaus zufolge tut Zotz “alles, seinen Ruf als 'Euromasochist' zu verdienen, ohne umstandslos zum Buddhophilen zu werden.” [12] Zotz hat solchen Interpretationen seines Werks widersprochen: "Jedes interkulturelle Lernen bedarf wie alles Lernen des Gewahrseins eigener Schwachpunkte. ... Parteilich erwähne ich Mängel Europas und Stärken Asiens. Mich interessieren vor allem eigene Fehler und anderer Vorzüge - eine wichtige Voraussetzung, will ich lernen, statt nur 'objektiv' beschreiben." [13] Dagegen, dass Zotz die europäische Tradition pauschal ablehnen will, sprechen sein Naheverhältnis zum Katholizismus, sein Eintreten für den konservativ-christlichen italienischen Politiker Rocco Buttiglione [14] und sein Entwurf eines "Eurokonfuzianismus", der auf die abendländische Antike und das Christentum fokussiert. [15]
  2. Die Buddhismus-Faschismus-Debatte: Volker Zotz warf die Frage auf, ob es "innere Affinitäten" zwischen Buddhismus und Faschismus gibt. Er sieht einen problematischen Punkt der buddhistischen Philosophie darin, dass diese ohne Metaphysik im abendländischen Sinn nur schwer Werte fundieren könnte. Zum Beispiel betrachtet Zotz kritisch die buddhistische Lehre vom Karma. Wenn dieser zufolge nach vielen Interpretationen alles durch Taten in früheren Leben schon vorbestimmt wäre, gäbe es keine unschuldigen Opfer: Verfolgte und Schwächere hätten sich ihre Situation selbst zuzuschreiben. [16] Wurde dieser Einwand von einigen Buddhisten zurückgewiesen, griffen prinzipielle Buddhismus-Kritiker ihn auf und radikalisierten ihn. So beziehen sich Victor Trimondi und Victoria Trimondi in weiten Teilen auf die Arbeit von Volker Zotz, "der das Thema Nationalsozialismus und Buddhismus in die Debatte einführte und dabei sehr überzeugende Argumente zur Sprache bringt." [17]

Für Zotz selbst scheint diese Kritik am Buddhismus aus europäisch-metaphysischem Blickpunkt das konsequente Gegenstück zu seiner Europa-Kritik mittels eines buddhistischen Blickpunkts ("Euromasochismus") zu sein.

Werke


Quellen

  1. 1978 erschien der Lyrikband Transformation, 1979 der erste Roman Das Projekt Adytum und der Lyrikband Geraunt
  2. Zur Rezeption, Interpretation und Kritik des Buddhismus im deutschen Sprachraum vom Fin-de-Siècle bis 1930. Historische Skizze und Hauptmotive. Wien 1986
  3. Günther Nenning: Buddha, Jesus und der Rest der Welt, S. 184
  4. Volker Zotz: Konfuzius für den Westen. Neue Sehnsucht nach alten Werten. O.W. Barth, Frankfurt am Main 2007.
  5. "Bibliografie Volker Zotz"
  6. Volker Zotz: Der unbequeme Norbert Jacques. In: Luxemburger Forum für Politik, Kultur und Gesellschaft, Ausgabe 242 / Dez. 2004.
  7. Aus der Zeitschrift Ursache und Wirkung, Nr.24, 1998, S. 28
  8. Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln, S. 199
  9. Volker Zotz: Kamasutra im Management (2008), S. 17/18
  10. Jens Heise in Nachrichten der Gesellschaft für die Natur- und Völkerkunde Ostasiens. Zeitschrift für Kultur und Geschichte Ost- und Südostasiens 161-162, 1997)
  11. Süddeutsche Zeitung vom 11. Januar 1997
  12. Ludger Lütkehaus: "Swastika und Hakenkreuz. Volker Zotz kritische Geschichte der deutschen Buddhisten." Neue Zürcher Zeitung vom 8. März 2001
  13. Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln, S. 360
  14. Volker Zotz und Friederike Migneco: Der Fall Buttiglione. Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur. - Luxembourg. - Nr. 241 (Nov. 2004), S. 15-20
  15. Volker Zotz: Konfuzius für den Westen. Neue Sehnsucht nach alten Werten. Frankfurt am Main 2007
  16. Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln, S. 220-229
  17. Victor und Victoria Trimondi: Hitler, Buddha, Krishna: eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute. Wien 2002, S. 323