Yasukuni-Schrein
Yasukuni (jap. 靖国神社 Yasukuni jinja, wörtlich: Schrein des friedlichen Landes) ist ein Shintō-Schrein in Tokio. Hier werden die Angehörigen des japanischen Militärs als kami und "Heldenseelen" (eirei) verehrt, die in den Bürgerkriegen nach der Meiji-Restauration von 1868 auf der Seite der kaiserlichen Armeen ihr Leben ließen oder in den Kriegen Japans in Asien bzw. gegen die USA im Kampf gefallen sind.

Geschichte
Der heutige Yasukuni-Schrein war ursprünglich unter dem Namen shōkonsha (Schrein zum Herbeirufen der Totengeister) in der ehemaligen Kaiserstadt Kyōto gegründet worden. Im Schrein sollte allen Opfern der innenpolitischen Wirren der Zeit vor der Meiji-Restauration 1868 sowie den auf der Seite der kaiserlichen Truppen im Boshin-Krieg gefallenen Militärs gedacht werden. 1875 wurde er nach Tokyo in den Stadtteil Chiyoda (unmittelbar nördlich des Kaiserpalastes) überführt, wo er noch heute steht, und 1879 bestimmte ihn der Tennō zum „Reichsschrein der Sonderklasse“ und gab ihm den Namen Yasukuni; fortan sollten in ihm alle für den Kaiser und damit für Japan gefallenen Soldaten verehrt werden.
Zahl der heute im Yasukuni-Schrein verehrten Gefallenen
- Restaurationswirren 1855-1868: 7.751
- Taiwan-Expedition 1874: 1.130
- Südwest-Krieg (Satsuma-Rebellion) 1877: 6971
- 1. Sino-Japanischer Krieg 1894-95: 13.619
- Boxer-Aufstand 1901: 1.256
- Russisch-Japanischer Krieg 1904-05: 88.429
- Erster Weltkrieg und Sibirien-Intervention 1914-1922: 4.850
- Sainan-Zwischenfall 1928: 185
- "Mandschurischer Zwischenfall" 1931: 17.176
- "China-Zwischenfall" (2. Sino-Japanischer Krieg) 1937-1945: 191.243
- "Großostasiatischer Krieg" 1941-1945: 2.133.885
Aufgrund der in der Nachkriegsverfassung verfügten Trennung von Staat und Religion musste der Schrein entweder säkularisiert oder aus staatlicher Trägerschaft entlassen werden; er entschied sich für letzteres und wird heute als "unabhängige religiöse Körperschaft" (dokuritsu gyôsei hôjin) bezeichnet. Der immer wieder von konservativen Kreisen erhobenen Forderung, den Yasukuni-Schrein zur nationalen Gedenkstätte zu erheben, steht bislang noch die japanische Verfassung entgegen. Nichtsdestotrotz wird er jedes Jahr von etwa sechs Millionen Japanern besucht, vornehmlich von Hinterbliebenen, den einflussreichen Veteranenverbänden, aber auch auch von nationalistischen, rechtsextremen Vereinigungen.

Politische Debatte
Japaner aus meist rechtsextremischen Kreisen weisen darauf hin, dass es sich hier nicht um ein Kriegerdenkmal im Sinne nationalistischer Propaganda handelt, wie einige Kritiker behaupten, sondern eher um einen Schrein, in dem die wütenden Seelen Verstorbener besänftigt werden sollen, damit sie keinen Unfrieden im Land stiften. Die Kritiker des Schreins betonen dagegen, daß die auf den Kriegsverbrecherprozesse von Tokio als Kriegsverbrecher verurteilten Militärs sowie auch etwa Angehörige der Einheit 731 verehrt werden Daher wird der Besuch von offiziellen Vertretern der japanischen Regierung in den Nachbarländern als Affront oder Provokation angesehen, vor allem von Korea und China gibt es immer wieder heftige Proteste gegen diese Besuche. Wurden auf japanischer Seite die offiziellen Besuche seit den 1980er Jahren eingeschränkt, so hat Preminierminister Junichiro Koizumi das Thema wieder auf die Tagesordnung gebracht, indem er seit Amtsantritt 2000 jährlich zum Yasukuni-Schrein gepilgert ist und damit vor allem die Beziehungen zu China nachhaltig beeinträchtigt hat.
Die japanischen Kaiser Hirohito und Akihito haben sich durchgängig geweigert, den Schrein zu besuchen, seit 1979 bekannt wurde, dass im Vorjahr Kriegsverbrecher der "Kategorie A" ("Verbrechen gegen den Weltfrieden") in die Liste der kami aufgenommen worden waren. Der Schrein selbst bezeichnet in Broschüren und heute auch auf seiner Webseite die Tokioter Prozesse, die 1946 von den Allierten ähnlich den Nürnberger Prozessen organisiert worden waren, als "Schauprozesse" und gilt somit als revisionistisch.
Museum
Das Museum Yushukan, das direkt neben dem eigentlichen Schreingebäude liegt, verklärt den Zweiten Weltkrieg völlig im Sinne der konservativen Revisionisten: der Große Ostasiatische Krieg wird nicht als Invasions- oder Angriffkrieg bezeichnet, sondern als heiliger Krieg dargestellt, der das Ziel hatte, Asien vom westlichen Kolonialismus zu befreien.
Vor dem Museum werden Waffen, die von den „Heiligen des Schreins mit Liebe und Sorgfalt gepflegt und benutzt“ werden zur Schau gestellt. Das Leiden vor allem der japanischen Gefangenen (gerade in russischen Lagern) wird dargestellt.
Im Museum wird das Selbstopfer für Kaiser und Vaterland als sakrales Opfer dargestellt. Der Tenor des Museums, wie überhaupt der gesamten Schreinanlage, kommt auf einer anlässlich des 40. Jahrestages des Angriffs auf Pearl Harbor enthüllten Bronzetafel zum Ausdruck: „Fast sechstausend Männer starben bei Selbstmordangriffen, deren tragischer Heldenmut kein Beispiel kennt und der die Herzen unserer Feinde vor Angst erstarren ließ. Die ganze Nation hat angesichts ihrer unerschütterlichen Treue und ihrer Selbstaufopferung Tränen der Dankbarkeit vergossen.“
Literatur
- Antoni, Klaus: Der Himmlische Herrscher und sein Staat. Essays zur Stellung des Tennô im modernen Japan. München: iudicium, 1991.
- Ducke, Isa und Sven Saaler (Hg.): Japan und Korea am Beginn des 21. Jahrhunderts. Aufgaben und Perspektiven. München: Iudicium (= Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien, 36), 2003.
- Lokowandt, Ernst: Zum Verhältnis von Staat und Shintô im Heutigen Japan. Wiesbaden: Otto Harrassowitz (Studies in Oriental Religions 6), 1981.
- Pye, Michael: Religion and Conflict in Japan with Special Reference to Shinto and Yasukuni Shrine. In: Diogenes 50:3 (2003), S. 45-59.
- Saaler, Sven: Ein Ersatz fur den Yasukuni-Schrein? Die Diskussion um eine neue Gedenkstatte fur Japans Kriegsopfer. In: Nachrichten der Gesellschaft fur Natur- und Volkerkunde Ostasiens (NOAG) 175/176 (2004), S. 59-91.