Unternehmenssoftware
Unternehmenssoftware ist ein aus dem englischen übernommener, insbesondere für Marketingzwecke verwendeter Begriff (Business Software) mit wechselnder, unscharfer Bedeutung. Allgemein ist Unternehmenssoftware jede Art von Anwendungssoftware, die in Unternehmen oder anderen Organisationen im Einsatz ist. Teilweise wird verallgemeinernd Unternehmenssoftware für betriebswirtschaftliche Unternehmenssoftware gesagt. Das Gegenteil von Unternehmenssoftware ist Software für den Privatbereich. Eine scharfe Trennung ist nicht möglich, weil z.B. die großen Büroanwendungen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbanken sowohl privat als auch geschäftlich genutzt werden.
Arten von Unternehmenssoftware
Betriebswirtschaftliche Anwendungen
Die folgende Unterteilung zeigt nur die Schwerpunkte, nicht eine scharfe Abgrenzung, weil die Sachgebiete ineinander übergreifen und es in unterschiedlichen Softwarepaketen eine mehr oder weniger starke Integration und Überlappung gibt.
Materialwirtschaft
Materialwirtschaftssysteme - im Handel auch Warenwirtschaftssysteme genannt - werden eingesetzt für verbrauchgesteuerte Disposition, Einkauf bzw. Beschaffung allgemein, Materialbestandsführung der Lagerzu- und Abgänge und Inventur, Rechnungsprüfung und Lagerverwaltung. In Produktionsbetrieben ist sie Bestandteil der Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme. Materialmengen haben einen Materialwert, entsprechend werden in der Regel Menge und Wert parallel behandelt. Über die Preise ist die Materialwirtschaft verzahnt mit der Betriebswirtschaft, über die Werte mit der Finanzwirtschaft.
Eine Teilfunktion der Materialwirtschaft decken System für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen über das Internet ab. Sie heißen neudeutsch "E-Procurement" oder Elektronische Beschaffung. Die Materialwirtschaft ist Bestandteil von PPS-Systemen, ERP- und Logistiksystemen. Teilfunktionen der Materialwirtschaft decken Einkaufssysteme, Lagerverwaltungs- und Kommissioniersyteme ab.
Personalwirtschaft
Die Themen, die Systeme für die Personalwirtschaft abdecken sind die Aufgaben der Personalverwaltung, die Personalzeiterfassung und –auswertung, die Lohn- und Gehaltsabrechnung, Bearbeitung von steuer-, sozial- oder arbeitsrechtlichen Aufgaben, Reisekostenabrechnung, Personalplanung und Personalentwicklung. Auskunftsmöglichkeiten aus den Personaldaten bieten sog. Personalinformationssysteme. Für des englischen kundige Mitbürger heißt Personalwirtschaft neuerdings auch Human Resources Management (HR).
Finanz- und Betriebswirtschaft
Das Rechnungswesen mit Finanzbuchhaltung und Betriebsbuchhaltung waren sehr frühe Beispiele von Computeranwendungen, mit denen Tabelliermaschinen und Buchungsautomaten in den 1960er und 1970er Jahren abgelöst wurden. Heute gehören zu diesem Anwendungskreis unter dem Sammelbegriff Controlling: Hauptbuchhaltung, Bilanz und GuV, Kreditoren-, Debitoren-, Anlagenbuchhaltung, Erlös- und Kostenartenrechnung, Gemeinkostenrechnung, Kostenträger- und Ergebnisrechnung.
Absatzwirtschaft
Zur Absatzwirtschaft zählen Vertrieb und Marketing. Vertriebssoftware unterstützt den Verkauf bei der Erfassung der Aufträge, der Preisfindung und Rabattierung. Nach Prüfung der buchmäßigen Verfügbarkeit der bestellten Artikel und Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden erfolgt die Lieferung, der Versand und die Fakturierung. Speziell in diesem Bereich gibt es vielerlei Sonderformen, die zu vielerlei branchenspezifischen Lösungen führten: unterschiedliche Vertriebswege, unterschiedliche Produkte (Kaugummi vs. Werkzeugmaschine), usw.
Als Instrument für Vertrieb und Marketing dient Customer Relationship Management-Software für die Pflege der Kundenbeziehungen. Dazu gehören z.B.: Verwaltung der Kundenkontakte, Kampagnenverwaltung, Verkaufschancensteuerung, Vertriebsprozesssteuerung, Auftragsmanagement, Serienbriefe und E-Mails.
Produktionsplanung und -steuerung
Zu Softwarepaketen für die Produktionsplanung und -steuerung gehören Teile der Absatzwirtschaft, insbesondere die Kundenauftragsverwaltung, große Teile der Materialwirtschaft, insbesondere aber die Kernfunktionen Verwaltung der Konstruktions- und Produktionsdaten, Bedarfsermittlung, Fertigungs- und Kapazitätsplanung und Werkstattsteuerung.
Anfänglich (vor 1970) bestand PPS nur aus der Materialplanung (MRP). Nach 1970 wurde es ergänzt um die Termin- und Kapazitätsplanung. Die MRP II-Begeisterung begann ca. 1980. MRP II ist im Kern Material-, Termin- und Kapazitätsplanung, aber ergänzt um vorgelagerte Planungsstufen und erweitert um die Berücksichtigung weiterer Ressourcen, z.B um das benötigte Kapital, so wie es im Ansatz bereits in COPICS von IBM 1970 konzipiert wurde.
Logistik
Enterprise-Resource-Planning
Enterprise-Resource-Planning-Systeme als Marketingbegriff umfassen je nach Anbieter alle Softwareanwendungen, die der jeweilige Hersteller anzubieten hat, das reicht von der Materialwirtschaft über die Fertigung, Finanz- und Rechnungswesen, Personalwirtschaft, Verkauf bis zu Forschung und Entwicklung.
Technische Anwendungen
Zu den Technischen Anwendungen gehören die mit den Buchstaben "CA" (für "Computer Aided") beginnenden Softwaresysteme, die in den technichen Bereichen der Unternehmen eingesetzt werden. Man spricht deshalb auch von "C-Techniken". In dem Begriff CAE (Computer Aided Engineering) sind diese "C-Techniken" für Ingenieure zusammengefaßt.
Diese eher ingenieurtechnisch orientierten Anwendungen stehen nicht isoliert im Betriebsgeschehen sondern sind gleichzeitig Empfänger und Lieferant von Informationen der betriebswirtschaftlichen Anwendungen im Unternehmen..
CAD - Rechnergestützte Konstruktion
CAD- (Computer Aided Design-) Systeme verwendet man für Konzeption, Entwurf und Detaillierung (in Form einer technischen Zeichnung) von Produkten. CAD benötigt Daten aus PPS-Systemen, darunter Kundenaufträge, Arbeitspläne, Material- und Stücklistendaten, Informationen über Betriebsmittel. Sie liefert Daten an PPS-Systeme, z.B. Stücklisten, Informationen für die Kalkulation, Technische Dokumentationen und sebstverständlich Zeichnungen.
CAP - Rechnergestützte Arbeitsplanung
CAP (Computer Aided Planning) umfaßt Arbeitsplanung für konventionelle Bearbeitung und für NC-Maschinen. Unter Umständen empfängt sie Daten direkt aus CAD-Systemen. Ergebnis der Arbeitsplanung ist der Arbeitsplan, der für die Produktionsplanung und die Fertigung bestimmt ist.
CAM - Rechnergestützte Fertigung
CAM (Computer Aided Manufacturing) ist ein sehr weiter Begriff, entsprechend gibt es Software für unterschiedlichste Aufgaben der Automatisierung und Flexibilisierung der Fertigung. DNC (Distributed Numerical Control zur Steuerung von Werkzeugmaschinen, Handhabungssystemen und Robotern. Zu CAM zählen auch automatisierte Lager- und Transportsysteme.
CAQ - Rechnergestützte Qualitätssicherung
CAQ (Computer Aided Quality Assurance) beginnt bei der rechnergestützten Planung der Prüfungvorgänge. Sie begleitet den Materialfluß von der Prüfung im Wareneingang über die Fertigung bis zur Prüfung des fertigen Erzeugnisses. Technische Hilfsmittel sind automatisierte Einrichtungen wie Analyseinstrumente, Zähler und Sensoren.
Weitere "C-Techniken"
Sie seinen hier nur erwähnt, um die Fülle der unterschiedlichen Aufgabenstellungen für Unternehmenssoftware im technischen Bereich anzudeuten: CAR Computer Aided Robotics Rechnerunterstützter Robotereinsatz, CAI Computer Aided Inspection Rechnerunterstützte Instandhaltung, CAT Computer Aided Testing Rechnerunterstütztes Testen, EDM Engineering Data Management Produktdatenmanagement.
Informations- und Managementsysteme
Zu diesen Systemen zählen u.a. Projektplanungssysteme, Management-Informationssysteme (MIS) und Simulationssysteme. Management-Informationssysteme greifen auf Datenbanken der einzelnen opeartiven System zu oder sie finden die benötigten Daten Data-Mining in Datensammlungen, die aus verschiedenen Quellen gespeist werden Datawarehouse.
Übergreifende Unterstützung der betrieblichen Abläufe
[[[Workflow-Management-Systeme]]] (WfM) spezifizieren und überwachen die bereichsübergreifende Abstimmung der Arbeitsabläufe in Unternehmen. Groupware unterstützt die Zusammenarbeit in Gruppen.
Um Enterprise Content Management, Contentmanagement, Dokumentenmanagement etc. hat sich inzwischen eine eigene Wissenschaft entwickelt, aud die hier nicht eingegangen wird, siehe dort.
Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbanken auf Personalcomputern, Präsentationsprogramme und E-Mail-Programme spielen heute eine nicht mehr wegzudenkende Rolle in Unternehmen jeder Größenordnung.
Historische Entwicklung
MRP
Was mit Geldkonten geht, geht auch mit Lagerbuchungen. Damit war die Lagerbestandsführung geboren. Der nächste Schritt war die Stücklistenauflösung. In der Stückliste wird hinterlegt, aus welchen Bestandteilen in welchen Mengen ein Produkt gefertigt wird. Soll es dann gefertigt werden, löst ein Stücklistenprozessor die Stückliste in die so genannten Sekundärbedarfe auf. Diese können wiederum Stücklisten haben usw. Dieses Prinzip wurde als MRP (Material Requirements Planning) bekannt.
Produktionsplanung
Ein Produkt besteht jedoch nicht nur aus seinen Bauteilen, man muss auch einen Plan haben, wie man es zusammenbaut. Das ist der Arbeitsplan mit seinen Arbeitsfolgen. So eine Arbeitsfolge sagt einem, was zu tun ist, welche Maschinen und welche Personen mit welchen Qualifikationen wie lange dazu brauchen. Weiß man dann noch, wie viele Maschinen und Menschen wann wie lange zur Verfügung stehen, könnte man planen. Dies ist die Produktionsplanung (PPS). Kapazitäten werden Bedarfen gegenüber gestellt und möglichst zur Deckung gebracht. Kernstück des PPS ist die Terminierung. Es gibt die Vorwärts-, Mittelpunkts-, Engpass- und Rückwärtsterminierung. Bei der Vorwärtsterminierung wird ein Fertigungsauftrag (die Summe aller Arbeitsfolgen) ab einem Zeitpunkt versucht in die freien Kapazitäten der Fertigung zu legen und heraus kommt der Endezeitpunkt. Bei der Rückwärtsterminierung legt man fest, wann der Auftrag fertig sein soll und bekommt heraus, wann man spätestens anfangen muss.
Zu ihrer Blütezeit wurde der Begriff CIM (Computer integrated Manufacturing) im Zusammenhang zwischen Produktionsplanung und -steuerungssystemen auf der einen Seite und CAD (Computer Aided Design), CAM (Computer Aided Manufacuring) etc. geprägt. Alles schien möglich, Optimierungsverfahren nach Belieben, je nach Strategie.
Grenzen des PPS
In der Praxis gab es jedoch Probleme. Die Planung war sehr anfällig für Änderungen. Ungeplante Ereignisse (Maschinenbruch, Materialengpass, Personalausfall, Änderungswünsche des Kunden, Eilauftrag) erzeugten durch Neuplanung eine komplett andere Situation. Mit Grobplanung und lokalen Leitständen wurde das zentralistische System wieder abgeschwächt. Das Ziehprinzip (Kanban) und Total Quality Management (TQM) waren die nächsten Ansätze.
Verschiebung des Fokus
Mit der Zeit verloren die Lieblingsargumente für PPS, nämlich Reduzierung der Lagerhaltung (weniger Kapitalbindung) und optimale Auslastung der Fertigung an Zugkraft. Qualität, Liefertreue, Flexibilität und Realisierung individueller Kundenwünsche gewannen an Bedeutung. Die Zeiten der absoluten Arbeitsteilung neigten sich dem Ende zu, Gruppenarbeit und Eigenverantwortung schien den neuen Produktionsprozessen angemessener. Der Wertschöpfungsprozess verlagerte sich in die Bereiche um die eigentliche Produktion herum.
Vom PPS zum ERP
Die Software machte diese Entwicklung mit. So siedelten sich um das PPS herum vor- und nachgelagerte Funktionskomplexe an als logische Erweiterungen. Im Vorfeld kam der Einkauf mit Lieferantenstamm dazu. Der Einkauf muss das beschaffen, was am Ende der Stücklistenauflösung übrig bleibt, nämlich Kaufteile und Rohmaterial. Das soll natürlich möglichst günstig geschehen, weshalb man Einkaufskonditionen, Einkaufshistorie führt, Mengen zusammenfasst, das richtige Bestellverfahren wählt und Lieferantenbeziehungen pflegt. Zu entscheiden, was man wann kauft oder selbst fertigt, ist Aufgabe der Disposition. Nachgelagerte Funktionen betreffen den Vertrieb und die Kundenbeziehungen. In diesem Komplexitätsgrad bürgerte sich der Begriff ERP (Enterprise Resource Planning) ein. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Software die Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Material plant.
Best of Breed
Bis vor kurzem galt die "best of breed"-Strategie als der Königsweg, sich seine Unternehmenssoftware zusammenzustückeln. Sie besagt, für jeden Teilbereich den jeweils besten Anbieter zu wählen und die Produkte mit Schnittstellen zu verbinden. Mittlerweile kommt man wieder davon ab, weil das Operating eines solchen Flickenteppichs zu komplex und teuer ist, zu viele Beziehungen zu den Anbietern unterhalten werden müssen und zu viel Spezial-Know-How benötigt wird.
Outsourcing
Zurzeit ist das Outsourcing ein Trend. Man beauftragt ein Unternehmen, sich um den ganzen Kram zu kümmern, sprich Hardware betreiben, Operating durchzuführen, Software auswählen, beschaffen, einführen, warten und anpassen. Die Hoffnung ist, dass das beauftragte Unternehmen die ganze Sache besser im Griff hat. Oft geht die IT-Abteilung zum Outsourcing-Dienstleister, d.h. die selben Menschen machen die gleiche Arbeit wie früher.
Standard- und Individualsoftware
Vor 1972 baute jedes Unternehmen seine Software selbst von Grund auf. Das geschah im Allgemeinen in Assembler, COBOL oder einer speziellen problemorientierten Sprache.
Standardsoftware hat diese Vorteile:
- Sie wird von einer Gruppe entwickelt, die mehr Know How hat als die Programmierer eines einzelnen Unternehmens, dessen Kerngeschäft ein ganz anderes ist. Es besteht eine bessere Chance, dass die Standardsoftware die bewährtesten Verfahren in den besten Algorithmen implementiert.
- Da Standardsoftware von mehreren Abnehmern identisch eingesetzt wird, verteilen sich die Kosten. Die Software wird für den einzelnen Abnehmer billiger.
- Standardsoftware entwickelt sich schneller weiter; die Erfahrungen aller Anwender fließen ein und kommen jedem Anwender zu gute.
Dem stehen diese Nachteile gegenüber:
- Jeder Anwender braucht immer auch individuelle Funktionalität, die nicht im Standard ist. Diese muss dazu programmiert werden, was unter Umständen intime Kenntnisse der Standardsoftware erfordert und die Kosten der Standardsoftware übersteigen kann.
- Der Standardsoftware-Hersteller lebt von den verkauften Lizenzen und versucht mit technischen Mitteln seine Lizenzpolitik zu sichern. Regelmäßig geht dies einher mit der Versperrung des Zugangs zum Quellcode, Datenmodell und Unternehmensdaten. Der Anwender wird an den Hersteller gekettet.
- Um attraktiv zu sein, baut der Hersteller möglichst viel in den Standard ein. Bis der Anwender mit der Software arbeiten kann, geht ein Einführungsprojekt über die Bühne, wo aus dem Berg der Funktionen das zusammenkonfiguriert wird, was der Anwender braucht. Dies beinhaltet einen Lernprozess beider Seiten und übersteigt leicht die Kosten der Standardsoftware.