Helmut Pfeiffer (Jurist)
Heinrich Pfeiffer (* 2. November[ [1907]] in Eiringhausen bei Plettenberg, Westfalen; († 17. April[ [1945]] in Kopenhagen) war ein deutscher Jurist und SS - Offizier und rettete Menschen, die vom NS-Regime verfolgt wurden.
Pfeiffer wurde als Sohn des kaufmännischen Werkmeisters Heinrich Pfeiffer und seiner Frau Selma geb. Breddermann geboren. Nach dem Abitur am Realgymnasium in Altena studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Köln. 1931 Referendarexamen, 1935 Assessorexamen.
Beruflicher Werdegang
Ab 1932 Geschäftsführer des Gaurechtsamtes Westfalen-Süd der NSDAP, ab 1933 zusätzlich Rechtsberater des Arbeitsdienstes Gau 20B. Ab 1934 Organisationswalter des NS-Rechtswahrerbundes, anschließend Hauptstellenleiter in der Reichsleitung der NSDAP im Reichsrechtsamt. Seit 1934 zusätzlich ehrenamtliche Mitarbeit in der Organisation der gewerblichen Wirtschaft u.a. als Vorsitzender der Schiedsstelle der Wirtschaftsgruppen Metallwarenindustrie und Eisen-, Stahl- und Blechwarenindustrie. Ab 1939 Leiter der Hauptabteilung Wirtschaft beim Bevollmächtigten des Generalgouvernements. 1941 Gründung der Internationalen Rechtskammer und deren erster Generalsekretär. Ab November 1941 Führer beim Stab des SS-Hauptamtes, ab November 1942 Führer im Reichssicherheitshauptamt. Im Winter 1944 war er SS-Hauptsturmführer im RSHA Amt VI-III-Kult.
Politischer Werdegang
1927 kam Pfeiffer in Köln zum ersten Mal mit dem Nationalsozialismus in Berührung, vielleicht bei einer Studentenverbindung. Von 1929 bis 1931 war er in den Ferien als Rechtsberater des Ortsgruppenleiters der NSDAP tätig. Am 1. Februar 1932 Beitriit zur NSDAP (Mitgliedsnummer 894 201). Möglicherweise SA-Mitgliedschaft von 1933 bis 1934. Am 9. November 1938 auf Empfehlung von Obergruppenführer Friedrich-Wilhelm Krüger Aufnahme in die SS (SS-Nummer 310 479) mit dem Dienstgrad Hauptsturmführer im RSHA. Pfeiffer war ein Schüler und später enger Mitarbeiter des Staatsrechtlers und Rechtstheoretikers Prof. Dr. Carl Schmitt (1888 Plettenberg – 1985 Plettenberg), mit dem er auch privaten Kontakt hatte. Auch zu Hans Frank hatte Pfeiffer große Nähe, anfangs im Rechtswahrerbund, dann bei der Arbeit für das Generalgouvernement und schließlich in der Internationalen Rechtskammer.
Im Frühsommer 1943 war Pfeiffer in die Weitergabe eines Separatfriedensangebotes Stalins involviert : „Von Bormann zur abschließenden Besprechung meiner beabsichtigten späteren Publikation von ‚Hitlers Tischgesprächen’ in sein Haus am Obersalzberg bestellt, nahm ich mir deshalb ein Herz und informierte ihn im Auftrag eines Berliner Freundes, des Generalsekretärs der Internationalen Rechtskammer, Dr. Helmut Pfeiffer, von einem gerade in Stockholm vorliegenden ‚Separatfriedensangebot Stalins’.“
Auszeichnungen
- Ehrenwinkel der Alten Kämpfer
- Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze
- Kriegsverdienstkreuz II. Kl
- Ritterkreuz des Kgl. Dänischen Danebrogordens
Militärischer Werdegang
Wegen eines Herzfehlers dienstbefreit, später uk gestellt (Wehrpass Berlin VIII 07/179/14/4 vom 21. 4. 1939 Ers. Res. bd. tgl. II b.). Wegen politischer Unzuverlässigkeit wurde seine uk-Stellung etwa Anfang 1944 gestrichen, er konnte die Einberufung jedoch weiter hinausschieben. Der Einberufung zur SS-Panzerjäger-Ausbildungs- und Ersatz-Abteilung 1 (Rastenburg/Ostpreußen) zum 5.1.1945 entzog er sich durch Flucht nach Dänemark.
Lebensende
Zum Schutz vor der Gestapo wurde er von Freunden zu einer fingierten Blinddarmoperation in ein Kopenhagener Spital aufgenommen. Spitalsaufenthalt durch fiebererzeugende Injektionen verlängert. 10./11. April 1945 Fluchtversuch nach Schweden per Boot, jedoch missglückt und Aufbringung des Schiffes durch Wasserschutzpolizei oder Marine-Küsten-Polizei. Einlieferung ins Gestapo-Hauptquartier (Dagmarhaus), anschllessend Überführung ins Westgefängnis. Am 17. April 1945 in seiner Zelle stranguliert aufgefunden. Begraben am Kopenhagener Vestre Kirkegaard (E / 1 / 3071 1314). Nach Bernhard Lorentz : „Während der mit Dräger eng zusammenarbeitende Anwalt Pfeiffer aufgrund dieser Aktivitäten für Juden noch am 17. April 1945 in Kopenhagen von der Gestapo ermordet wurde, konnte der Unternehmer sein Engagement bis zum Kriegsende verbergen.“
Rettungsaktionen
Im Herbst 1942 erfuhr der jüdische Berliner Apotheker Dr. Ernst Silten, „dass (Pfeiffer) meine Abwanderung verhindern könne, wenn ich für die Lösung wirtschaftlicher Aufgaben angefordert würde.“ Sein langjähriger Geschäftspartner, der Lübecker Industrielle Dr. Heinrich Dräger, beauftragte den Anwalt zu dieser Anforderung. Dazu kam es allerdings nicht mehr, da Dr. Ernst Silten im März 1943 anlässlich eines Gestapo-Einsatzes Selbstmord beging.
Ernst Siltens Sohn Dr. Fritz Silten hatte bereits 1938 mit seiner Frau Ilse, seiner Tochter Gabriele und seiner Mutter Deutschland verlassen und sich in Amsterdam niedergelassen. Nach dem Überfall Hollands durch die Deutsche Wehrmacht wurde ihnen die angestrebte Auswanderung nach Argentinien verwehrt und die Familie im Juni 1943 in das Konzentrationslager Westerbork transportiert, im Jänner 1944 weiter nach Theresienstadt . Pfeiffer versuchte über seine Kontakte, zuerst den Transport nach Westerbork und anschließend die Weiterverschickung nach Theresienstadt zu verhindern oder hinauszuzögern oder wenigstens eine befristete Beurlaubung zu erreichen. Dank seiner und Dr. Drägers Bemühungen überlebten Fritz, Ilse und Gabriele Silten das NS-Regime.
Pfeiffer setzte sich weiters für den Juristen Dr. Philipp Kozower (1894 – 1944) ein, Vorstandmitglied der Jüdischen Gemeinde in Berlin, der mit Frau und vier kleinen Kindern im Jänner 1943 nach Theresienstadt gebracht wurde. Allerdings kamen seine Rettungsversuche zu spät, denn die Familie wurde im Herbst 1944 nach Ausschwitz weitertransportiert und ermordet.
Aus Zeugenaussagen sind weitere Vorfälle bekannt, die glaubwürdig sind, aber noch nicht mit Dokumenten gestützt werden konnten: 1942 oder 1943 strengte Pfeiffer eine Klage gegen Gestapo-Beamte in Polen an, die sie sich das Vermögen eines Nicht-Ariers angeeignet hatten. Für diese Klage wurde Pfeiffer seinerseits von der Gestapo geklagt.
Pfeiffer engagierte sich außerdem für die rund 2000 dänischen Polizisten, die im September 1944 von der deutschen Besatzungsmacht verhaftet und über das KZ Neuengamme ins KZ Buchenwald gebracht wurden. Wie Pfeiffers Rettungsversuche im Detail aussehen, ist nicht bekannt, doch wird auf sein Eingreifen im Protokoll der Parlamentarischen Untersuchungskommission vom 25. Oktober 1950 mehrfach hingewiesen .
Weiters gibt es den Augenzeugenbericht von Dr. Mirjana Tomljenovic-Markovic, der bis jetzt anhand der Datenlage noch nicht aufgeklärt werden konnte: Seine letzte Rettungsaktion betraf vier Polen unbekannten Namens, drei davon jüdisch, die Pfeiffer zuvor nach Dänemark eingeschmuggelt hatte. Bei seinem missglückten Fluchtversuch im April 1945 nach Schweden nahm er sie mit. Sie wurden ebenfalls ins Gestapo-Hauptquartier von Kopenhagen und anschließend weiter ins Westgefängnis gebracht, wo sie am 27. April 1945 erschossen werden sollten. Aufgrund der bereits einsetzenden Auflösungserscheinungen des Dritten Reiches fanden diese Exekutionen nicht mehr statt.
Wegen der lückenhaften Beweislage konnte Helmut Pfeiffer bisher nicht in entsprechende Datenbanken und Gedenkstätten aufgenommen werden.
Schriften von Helmut Pfeiffer
- Der Versicherungsmakler. Inaugural-Dissertation, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Köln, Würzburg 1932
- Rechtsaufklärung, in: Unser Wille und Weg/Heft 5, Mai 1939, Seite 113. Monatsblätter der Reichspropagandaleitung der NSDAP. Die parteiamtliche * Propagandazeitschrift der NSDAP. Herausgeber: Dr. J. Goebbels.
- Tagungsbericht der internationalen Juristenbesprechung in Berlin vom 3. bis 5. April 1941 aus Anlass der Gründung der internationalen Rechtskammer, Herausgeber: Helmut Pfeiffer, Deutscher Rechtsverlag, 1941
- Das Generalgouvernement und seine Wirtschaft Herausgegeben von Staatssekretär Dr. Josef Bühler, Chef des Amtes des Generalgouverneurs, Reichsamtsleiter Dr. Wilhelm Heuber, Bevollmächtigter des Generalgouverneurs in Berlin. Bearbeitet von Rechtsanwalt Dr. Helmut Pfeiffer, Leiter der Wirtschaftsabteilung des Bevollmächtigten des Generalgouverneurs in Berlin. Deutscher Verlag für Politik und Wirtschaft, Abteilung Wirtschaftsordnung, Berlin-Halensee,
- Die Aufgaben der Internationalen Rechtskammer, in: Arch. f. Urheber-, Film- und Theaterrecht 15, 1, 2-5 (1942) Archiv der Internationalen Rechtskammer 1942 / mit einem Geleitwort von Dr. Ohnesorge; bearbeitet und zusammengestellt von Helmut Pfeiffer. Berlin. Jamrowski. 1943. 174 S
- Organisationsbericht, in: Protokoll der Arbeitssitzung der internationalen Rechtskammer, Hohe Tatra, Juni 1943, Vervielfältigte Maschinschrift
Quellen
- Bernhard Lorentz: Industrieelite und Wirtschaftspolitik 1928 - 1950. Heinrich Dräger und das Drägerwerk. Schöningh, Paderborn 2001, ISBN 3-506-75255-3 (Zugl.: Dissertation Humboldt-Universität Berlin 1998/99), p. 232
- R. Gabriele Silten: Between Two Worlds, Fithian Press, 1995, ISBN 1-56474-126-5, p. 76 ff
- Süderländer Tageblatt vom 15. Februar 2008
- Beretning til Folketinget afgivet af den af tinget under 25. Oktober 1950 Nedsatte Kommission i henhold til Grundlovens § 45, Supplement XI
- Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, Seewald Verlag, 1976, p. 32 f., ISBN-10: 3442112346
- Akte aus dem Rasse- und Siedlungs-Hauptamt-SS vom November 1944/Bundesarchiv Berlin
Fotonachweis
- Berlin.- Internationale Juristenbesprechung in Berlin im Haus des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes, 5. April 1941, Bundesarchiv Bilddatenbank, Signatur: Bild 183-B02082