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Enno Littmann

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(Ludwig Richard) Enno Littmann (* 16. September 1875 in Oldenburg, † 4. Mai 1958 in Tübingen) war ein deutscher Orientalist.

Leben und Werk

Littmann studierte ab 1894 Evangelische Theologie, Orientalistik, Germanistik, Anglistik und Klassische Philologie in Berlin (bei August Dillmann), Greifswald und Halle (Saale). 1898 legte er sein Examen als "Oberlehrer" für die Fächer Religion und Hebräisch ab und promovierte in orientalischer Philologie mit Das Verbum der Tigresprache in Abessinien. Von 1898 bis 1900 vertiefte er seine Studien bei Theodor Nöldeke in Straßburg und nahm an einer volkskundlichen Expedition in Syrien und Palästina teil, die 1904 wiederholt wurde. Von 1901 bis 1904 las er an der Princeton University, beteiligte sich 1905 an einer von dort organisierten Expedition zur Erforschung der Sprache und Kultur der Tigre nach Eritrea und leitete 1906 die legendäre Deutsche Aksum-Expedition, die die ersten archäologischen Ausgrabungen in Aksum in Tigray (Nordäthiopien) vornahm.

1906 wurde er zum ordentlichen Professor für Orientalistik nach Straßburg berufen, 1914 nach Göttingen, 1917 nach Bonn, 1921 nach Tübingen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1951 blieb. Er prägte das Fach Äthiopistik durch sein Wirken entscheidend.

Littmann war Mitglied der Arabischen Akademie Kairo, wo er mehrfach als Gastdozent tätig war, und der wissenschaftlichen Akademien von Berlin, Göttingen, Mainz, Kopenhagen, Amsterdam, Brüssel, Rom, Paris und Wien. 1931 wurde er in den Pour le mérite für Wissenschaften und Künste aufgenommen und war von 1952 bis 1955 Kanzler des Ordens.

Er beherrschte Englisch, Französisch, Italienisch, Latein und Griechisch fließend, Hebräisch, Neupersisch, Türkisch und Arabisch bis in einzelne Dialekte sowie die in Äthiopien gesprochene Sprachen Tigre, Amharisch, Ge'ez und Tigrinya.

Littmann hat als Erster die "Erzählungen aus den Tausendundein Nächten" vollständig aus dem Arabischen ins Deutsche übertragen. Seine Edition (sechs Bände mit fast 5.000 Seiten) erschien in den 1920er Jahren im Insel-Verlag, wurde von ihm bis zu seinem Tod immer wieder revidiert und ist bis heute im Buchhandel erhältlich. Seine Bibliographie umfasst mehr als 550 Einträge[1]. 1905/1906 fand die Deutsche Aksum-Expedition unter der Leitung Enno Littmanns statt. Sie führte in Nordäthiopien und der italienischen Kolonie Eritrea archäologische und baugeschichtliche Forschungen durch. Mitarbeiter waren Daniel Krencker und Theodor von Lüpke.

Littmann, dessen Fachgebiet den alten wie neuen Orient in seiner Gesamtheit (einschließlich Alt-Israels und des modernen Palästina) umfasste, gilt als der letzte "der großen europäischen Orientalisten", dessen Lebenswerk nach Breite wie Tiefe unerreicht ist. In Addis Abeba war sein Andenken noch 50 Jahre nach der Aksum-Expedition so lebendig, dass anlässlich seines Todes auf Veranlassung des Kaisers Haile Selassie die Flaggen auf Halbmast gesetzt wurden.

Littmann-Konferenzen

2002 fand die nach ihm benannte Erste Internationale Littmann-Konferenz zum Thema "Archäologie und Geschichte des Horns von Afrika" statt. Im Januar 2006 fand die Zweite Internationale Littmann-Konferenz in Aksum in Tigray statt, exakt einhundert Jahre nach Ankunft der Deutschen Aksum-Expedition. Die Straße, die am archäologisch bedeutenden Wasserreservoir May Shum vorbeiführt, wurde dabei nach Littmann benannt. Die III. Internationale Enno-Littmann Konferenz findet vom 1.-4. April 2009 an der Freien Universität Berlin, veranstaltet durch das Seminar für Semitistik und Arabistik (Rainer Voigt) in Kooperation mit dem Deutschen Orient-Institut in Beirut (Kropp), das Deutsche Archäologische Institut (Gehrke, Vogt) und dem Orbis Aethiopicus (Raunig), die statt. Im Unterschied zu den vorangegangenen Konferenzen, die sich ausschließlich auf Enno Littmann konzentrierten, werden zusammen mit ihm auch die anderen Wissenschaftler berücksichtigt, die mit Enno Littmann an Expeditionen im Vorderen Orient teilgenommen haben. Die Expeditionen sind American Archaeological Expedition to Syria (1899/1900) und Princeton (University) Expedition to Abyssinia (1905/1906). Ein neuer Schwerpunkt ist das Tigre, die zweitwichtigste Sprache Eritreas. Nachdem Littmann die Grundlagen der Erforschung dieser Sprache gelegt hat, befassen sich jetzt auch junge eritreische Wissenschaftler (und auch der Arbeitskreis Äthiopistik an der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Rainer Voigt) mit dieser neuen Literatursprache, die inzwischen im tigrephonen Gebiet Schul- und Unterrichtssprache geworden ist. In der Forschung soll die internationale Zusammenarbeit mit eritreischen Wissenschaftlern, die eingeladen wurden, verstärkt werden. Es konnten für die Konferenz auch Wissenschaftler gewonnen werden, die mit Ausgrabungen in Tigray befasst sind.

Ein weiterer neuer Themenbereich ist die semitische Inschriftenkunde, die durch Littmann entscheidend gefördert wurde. Es wurden mehrere Wissenschaftler aus Jordanien und Saudiarabien eingeladen, die über neue Inschriften berichten werden. Auch in diesem Bereich soll die Zusammenarbeit intensiviert werden.

Werke (Auswahl)

  • Eine amtliche Liste der Beduinenstämme des Ostjordanlandes, in ZDPV 24, 1901, 26-31
  • Neuarabische Volkspoesie, gesammelt und übersetzt, Berlin 1902
  • Semitic Inscriptions, New York 1904 (mit David Magie Jr. und Duana Reed Stuart)
  • Deutsche Aksum-Expedition, Bd. 1, 3, 4, Berlin 1913; Semitic Inscriptions. Section A-D (Syria. Publications of the Princeton University Archaeological Expedition to Syria in 1904-5 and 1909, Division IV), Leyden 1914-49
  • Morgenländische Wörter im Deutschen, Berlin 1920; dsgl., 2. verm. u. verb. Aufl., Tübingen 1924
  • Vom morgenländischen Floh. Dichtung und Wahrheit über den Floh bei Hebräern, Syriern, Arabern, Abessiniern und Türken, Leipzig 1925
  • Ein Jahrhundert Orientalistik. Lebensbilder aus der Feder von E.L., ed. Rudi Paret und Anton Schall, Wiesbaden 1955
  • Wörterbuch der Tigre-Sprache, Lfg. 1-3, Wiesbaden 1956-58
  • Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten (6 Bände), ISBN 3458347437
  • Arabische Beduinenerzählungen, ISBN 3487126036

Literatur

  • Rainer Voigt: Enno Littmanns Tagebuch der Abessinischen Expedition (Deutsche Aksum Expedition) 29. Dezember 1905 - 7. April 1906. In: Steffen Wenig (Hrsg. in Zusammenarbeit mit Wolbert Smidt, Kerstin Volker-Saad und Burkhard Vogt): In kaiserlichem Auftrag: Die Deutsche Aksum-Expedition 1906 unter Enno Littmann, vol. 1: Die Akteure und die wissenschaftlichen Untersuchungen der DAE in Eritrea, Aichwald: Verlag Lindensoft 2006 (Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen [FAAK], Band 3.1, Hrsg. von Burkhard Vogt, Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen [KAAK], Deutsches Archäologisches Institut), ISBN 978-3-929290-33-2
  • Steffen Wenig - Walter Raunig (Hrsg.): Afrikas Horn. Akten der Ersten Internationalen Littmann Konferenz 2. bis 5. Mai 2002 in München, Wiesbaden: Harrassowitz 2005 (meroitica 22)

Einzelnachweise

  1. nach Rainer Voigt 2005