Zum Inhalt springen

Camptothecin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Mai 2009 um 22:55 Uhr durch Sven Jähnichen (Diskussion | Beiträge) (+Biosynthese (kurz)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Strukturformel
Strukturformel von Camptothecin
Allgemeines
Name Camptothecin
Andere Namen
  • IUPAC: S-4-Ethyl-4-hydroxy-1H-pyrano[3',4':6,7]indolizino[1,2-b]chinolin-3,14-(4H,12H)-dion
Summenformel C20H16N2O4
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 7689-03-4
PubChem 2538
Wikidata Q419964
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Zytostatikum

Eigenschaften
Molare Masse 348,35 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

260 °C[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung{{{GHS-Piktogramme}}}

H- und P-Sätze H: {{{H}}}
EUH: {{{EUH}}}
P: {{{P}}}
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Camptothecin ist ein zytotoxisches Alkaloid aus Camptotheca acuminata, welches 1966 im Rahmen eines Screenings nach natürlich vorkommenden potenziellen Therapeutika maligner Tumoren entdeckt wurde[2]. Dieses chemisch zu den Chinolinalkaloiden zählende Alkaloid hemmt das Enzym Topoisomerase I und zeigte eine zytostatische Wirksamkeit in klinischen Studien. Aufgrund ungünstiger physikochemischer und pharmakologischer Eigenschaften findet Camptothecin jedoch keine Anwendung in der Krebstherapie. Weiterentwicklungen des Camptothecins, Topotecan und Irinotecan, sind für die Behandlung maligner Tumoren zugelassen.

Vorkommen

Camptotheca accuminata

Camptothecin wird aus der Rinde, den Samen und aus dem Holz von Camptotheca acuminata, einem zu den Tupelogewächsen (Nyssaceae) gehörender chinesischen Straßenbaum, isoliert. Auch in den übrigen Teilen dieser Pflanze kann das Alkaloid nachgewiesen werden. Der höchste Camptothericingehalt ist in den Blättern enthalten (0,5%). Etwas geringer ist der Alkaloidgehalt in den Samen (0,33%) und in der Rinde (0,2%).

Abgesehen von seinem Vorkommen in Camptotheca acuminata konnte Camptothecin sporadisch bei einzelnen Vertretern kaum miteinander verwandter Familien innerhalb der Samenpflanzen nachgewiesen werden. So fand gelang ein positiver Nachweis in Pyrenacantha klaineana, Merrilliodendron megacarpum, Nothapodytes foetida (Icacinaceae), Ophiorrhiza pumila (Rubiaceae) sowie Ervatamia heyneana und Mostuea brunonis (Gelsemiaceae). Camptothericin kann darüber hinaus auch in Wurzelkulturen, sogenannten Hairy Root Cultures, von Camptotheca acuminata oder Ophiorrhiza pumila produziert werden[3].

Biosynthese

Wenngleich Camptothecin keine Indolstruktur sondern eine Chinolinstruktur besitzt, gehört Camptothecin biogenetisch zu den iridoiden Indolalkaloiden. Wie alle Vertreter dieser Gruppe leitet sich auch Camptothecin von der Aminosäure Tryptophan und den des Terpenstoffwechsels entstammenden Secologanin ab. Nach der intermediären Bildung von Strictosidin und enzymatischer Oxidation des vom Secolaganin stammenden Rings E erfolgt eine Umlagerung zum Camptothericin als Endprodukt der Biosynthese[4].

Pharmakologie

Wirkmechanismus

Datei:CPT enzyme binding.jpg
Bindung von Camptothecin an Aminosäurereste der Topoisomerase I und an die DNA

Camptothecin ist ein Hemmstoff der Topoisomerase I, deren physiologische Funktion darin besteht, Scherungsstress des DNA-Doppelstranges zu mindern. Diese hemmende Wirkung vermittelt das Alkaloid durch gleichzeitige Anbindung an die Topoisomerase I und die an das Enzym gebundene DNA über Wasserstoffbrückenbindungen. An der Interaktion mit der Topoisomerase I sind insbesondere der Ring E des Camptothecins, der mit den Aminosäureresten Asparaginsäure-533 und Arginin-364 des Enzyms interagiert, und der für eine Wechselwirkung mit Cytosin-Gruppen der DNA verantwortliche Lactam-Sauerstoff des Rings D beteiligt[5][6]. Damit stabilisiert Camptothecin den Topoisomerase-I-DNA-Komplex und verhindert somit den Wiederverschluss (Re-Ligation) der DNA nach deren Entwindung. Dies führt zu Strangbrüchen in der DNA und zum programmierten Zelltod (Apoptose). Die Wirksamkeit von Camptothecin ist auf die S-Phase des Zellzyklus, der Phase in der auch die DNA-Synthese stattfindet, beschränkt.

Chemie

Stereochemie

Camptothecin ist ein chiraler Arzneistoff mit einem Stereozentrum in Position 20 im Ring E. Für seine pharmakologische Wirkung ist eine S-Konfiguration essenziell; R-Camptothericin ist pharmakologisch inaktiv.

Struktur-Wirkungsbeziehungen

Nummerierung des Camptothecins

Um die zytostatische Wirksamkeit des Camptothecins zu optimieren und zugleich seine unerwünschten pharmakologischen und physikochemischen Eigenschaften zu reduzieren wurden zahlreiche Modifikationen an der Molekülstruktur vorgenommen. Als essenziell für eine zytostatische Wirksamkeit haben sich die S-konfigurierte Hydroxylgruppe in Position 20, die Pyridongruppe im Ring D, die Lactonstruktur im Ring E und die weitgehende Planarität des gesamten Ringsystems herausgestellt. Änderungen dieser Parameter führen zu einem drastischen Wirkungsverlust [7].

Die am meisten versprechenden Veränderungen der Molekülstruktur des Camptothecins betreffen die Substituenten an den Ringen A und B. Diese spielen auch bei den therapeutisch eingesetzten Camptothecinderivaten Irinotecan und Topotecan die entscheidende Rolle. Eine Mono- oder Disubstitution an den Positionen 9 und 10 mit elektronenreichen Substituenten, wie OH-, NH2- oder Halogengruppen, führt ebenso wie eine Monosubstitution an Position 11 zu einer Wirkungssteigerung. Eine Disubstitution in den Positionen 10 und 11 ist hingegen mit einem Wirkungsverlust verbunden. Als eine Ausnahme von dieser Regel sind die hexazyklischen Camptothecinderivate anzusehen, die an den Positionen 10 und 11 über Methylendioxy oder Ethylendioxy miteinander verbunden sind und eine gesteigerte Topoisomerase-I-hemmende Wirkung besitzen. Eine Substitution an Position 12 ist generell mit einem drastischen Wirkungsverlust verbunden. Über den Substituenten in Position 7 lässt sich die Löslichkeit und die Affinität zur DNA modulieren.

Deutlich kritischer als die beschriebenen Substitutionen am Chinolinringsystem sind die Substitutionen an den Ringen C und D. Substitutionen in den Positionen 5 und 14 führen im allgemeinen zu einer Reduktion der Topoisomerase-I-inhibitorischen Wirksamkeit.

Deutlich mehr Modifikationen erlaubt der Ring E. Ein Austausch der für die relative Instabilität des Lactonrings verantwortlichen Hydroxylgruppe in Position 20 gegen eine Amino- oder Halogengruppe führt zu einem Wirkungsverlust. Dem gegenüber hat eine Ringerweiterung unter Bildung eines β-Hydroxylactons nicht nur eine Erhöhung der physikochemischen Stabilität sondern auch eine Steigerung der Topoisomerase-I-hemmenden Wirkung zur Folge[8].

Derivate

Einzelnachweise

  1. a b c Sicherheitsdatenblatt (Sigma-Aldrich), abgerufen am 11. Mai 2009
  2. M.E. Wall, M.C.Wani, C.E. Cook, K.H.Palmer, A.I.McPhail, G.A.Sim: Plant antitumor agents. I. The isolation and structure of camptothecin, a novel alkaloidal leukemia and tumor inhibitor from camptotheca acuminate. In: J. Am. Chem. Soc. 88. Jahrgang, 1966, S. 3888–3890, doi:10.1021/ja00968a057.
  3. Lorence A, Nessler CL: Camptothecin, over four decades of surprising findings. In: Phytochemistry. 65. Jahrgang, Nr. 20, Oktober 2004, S. 2735–49, doi:10.1016/j.phytochem.2004.09.001, PMID 15474560 (elsevier.com).
  4. Yamazaki Y, Kitajima M, Arita M, et al: Biosynthesis of camptothecin. In silico and in vivo tracer study from [1-13C]glucose. In: Plant Physiol. 134. Jahrgang, Nr. 1, Januar 2004, S. 161–70, doi:10.1104/pp.103.029389, PMID 14657405, PMC 316296 (freier Volltext) – (plantphysiol.org).
  5. D. J. Adams, M. L. Wahl, J. L. Flowers, B. Sen, M. Colvin, M. W. Dewhirst, G. Manikumar, M. C. Wani: Camptothecin analogs with enhanced activity against human breast cancer cells. II. Impact of the tumor pH gradient. In: Cancer Chemotherapy and Pharmacology. 57. Jahrgang, Nr. 2, 2005, S. 145–154, doi:10.1007/s00280-005-0008-5.
  6. M. R. Redinbo, L. Stewart, P. Kuhn, J. J. Champoux, W. G. J. Hol: Crystal structure of human topoisomerase I in covalent and noncovalent complexes with DNA. In: Science. 279. Jahrgang, 1998, S. 1504–1513, doi:10.1126/science.279.5356.1504.
  7. Verma RP, Hansch C: Camptothecins: a SAR/QSAR study. In: Chem. Rev. 109. Jahrgang, Nr. 1, Januar 2009, S. 213–35, doi:10.1021/cr0780210 (doi.org).
  8. Lesueur-Ginot L, Demarquay D, Kiss R, et al: Homocamptothecin, an E-ring modified camptothecin with enhanced lactone stability, retains topoisomerase I-targeted activity and antitumor properties. In: Cancer Res. 59. Jahrgang, Nr. 12, Juni 1999, S. 2939–43, PMID 10383158 (aacrjournals.org).