Bundestagswahl 2005
Die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag sollte ursprünglich im Jahre 2006 stattfinden.
Nach der deutlichen Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 erklärte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering noch am Wahlabend, weniger als 20 Minuten nach der ersten Hochrechnung, in Absprache mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, Neuwahlen schon im Herbst 2005 herbeiführen zu wollen. Dieses Verfahren ist verfassungsrechtlich zwar nicht direkt möglich, da der Bundestag nicht über ein Selbstauflösungsrecht verfügt, aber es gibt Möglichkeiten, dies zu umgehen.
Verfahren zur Herbeiführung von vorgezogenen Neuwahlen
Das Grundgesetz sieht zwei Verfahren vor, nach denen der Bundestag aufgelöst werden kann:
Verfahren nach der Vertrauensfrage
Siehe Hauptartikel: Vertrauensfrage (Grundgesetz)
Bundeskanzler Schröder kann die Vertrauensfrage stellen. Er müsste diese absichtlich verlieren, das heißt, die Kanzlermehrheit absichtlich verfehlen (das würde erzielt werden, indem sich die Abgeordneten der Regierungsparteien der Stimme enthalten), um anschließend den Bundespräsidenten bitten zu können, den Bundestag aufzulösen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer diesbezüglichen Entscheidung festgestellt, dass es keineswegs der freien Disposition der Bundesregierung unterliege, vorzeitige Neuwahlen herbeizuführen, indem die Vertrauensfrage absichtlich verloren wird. Vielmehr muss der Bundeskanzler in seiner Amtsführung tatsächlich der Meinung sein, dass er die Unterstützung der Mehrheit des Mitglieder des Bundestages nicht mehr besitzt. Angesichts der knappen Mehrheit der Regierungsparteien von nur drei Sitzen scheint diese Argumentation möglich. Es hatte auch bereits im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Spekulationen gegeben, dass im Falle der dann tatsächlich eingetretenen Niederlage einige linke SPD-Abgeordnete die Fraktion verlassen würden. Auch hatten die Regierungsparteien einmal während einer Abstimmung des Bundestages keine Mehrheit zustande gebracht.
Es wäre nach den Anträgen von Willy Brandt (1972) und Helmut Kohl (1983) das dritte Mal, das der Bundeskanzler die Vertrauensfrage mit dem Ziel stellt, sie zu verlieren (siehe Hauptartikel).
Verfahren nach der gescheiterten Kanzlerwahl
siehe Hauptartikel: Bundeskanzler (Deutschland)#Wahl des Bundeskanzlers
Die zweite Möglichkeit ist die, dass Bundeskanzler Schröder zurücktritt, die anschließende Neuwahl eines Bundeskanzlers in drei Wahlphasen absichtlich zum Scheitern gebracht wird und der Bundespräsident anschließend den Bundestag auflöst. Gerhard Schröder wäre bis zur Neuwahl eines Nachfolgers durch den 16. Bundestag geschäftsführender Bundeskanzler und als solcher mit den Befugnissen des Bundeskanzlers ausgestattet.
Weiteres Vorgehen
In jedem Fall müsste Bundespräsident Horst Köhler der Auflösung des Bundestages zustimmen. Sodann müssten innerhalb von sechzig Tagen Neuwahlen stattfinden. Der Wahltag wird vom Bundespräsidenten festgelegt; er tut dies in der Regel im Einvernehmen mit Bundes- und Länderregierungen.
Es ist wahrscheinlich, dass eine Auflösung des Bundestages etwa im Juli stattfinden würde, sodass im September 2005 die Bundestagswahl durchgeführt werden könnte.
Personelle Zusammensetzung
Auch der 16. Deutsche Bundestag wird aus 598 Abgeordneten zuzüglich eventueller Überhangmandate bestehen. Obwohl es theoretisch möglich ist, diese Zahl im Bundeswahlgesetz noch so zu ändern, dass die Änderung bereits für die nächste Wahl gültig ist, ist die Praxis, dass eine Änderung des Bundestagswahlrechtes immer erst für die übernächste Wahl, also hier die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag, Anwendung findet. Die Wahlkreiszusammensetzung wird allerdings in einigen Gebieten im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 verändert. Thüringen wird (von 10 auf 9) einen Wahlkreis verlieren, Bayern (von 44 auf 45) einen hinzugewinnen. Die Gefahr von Überhangmandaten wird damit etwas verringert.
Politische Konstellation
SPD/Grüne
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat im Jahr 2003 angekündigt, 2006 wieder als Bundeskanzler kandidieren zu wollen. Er strebt nach eigener Aussage die Fortsetzung der Koalition seiner Partei mit Bündnis 90/Die Grünen und Vizekanzler Joschka Fischer an. Die Aussage widerspricht Schröders ursprünglicher Ankündigung, höchstens acht Jahre regieren zu wollen. Bundeskanzler Schröder ist soeben zurückgetreten.
FDP
Durch diese Aussage entfällt für die FDP die Möglichkeit, nach der Bundestagswahl 2006 eine Koalition mit den Sozialdemokraten einzugehen. Es wird daher erwartet, dass die Partei, die vor der Wahl 2002 keine Koalitionsaussage gemacht hatte, bei der Wahl 2006 wieder eine Koalition mit der CDU/CSU anstreben wird. Die Aufstellung eines eigenen Kanzlerkandidaten kommt für die FDP - anders als 2002 - offenbar nicht mehr in Frage.
CDU/CSU
Die CDU/CSU strebt für (spätestens) 2006 die Ablösung der gegenwärtigen Bundesregierung an. Als Kanzlerkandidaten sind insbesondere die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, sowie der Vorsitzende der CSU und bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber, im Gespräch. Dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch wurden zeitweise ebenso Chancen eingeräumt wie dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Letzterer hat im März 2005 eine Kandidatur für die Wahl 2006 jedoch ausgeschlossen und sich für Angela Merkel ausgesprochen. Die Kommentare vieler Tageszeitungen räumen ihr spätestens seit der Bundespräsidentenwahl 2004 ebenfalls die größten Chancen ein.
PDS
Die PDS, die mit nur zwei Abgeordneten im 15. Deutschen Bundestag vertreten ist, möchte 2006 wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen. Die Partei hofft, dass der beliebteste PDS-Politiker, Gregor Gysi, als Spitzenkandidat antritt.
Rechtsextreme
Im Oktober 2004 kündigten NPD und DVU an, bundesweit gemeinsam antreten zu wollen. Begründet liegt dies vor allem darin, dass in verschiedenen Bundesländern meist nur eine der rechten Parteien Erfolge verzeichnen konnte. Einer Listenverbindung steht allerdings das Wahlgesetz entgegen, das nur Parteien, nicht aber Parteiverbindungen zur Wahl zulässt. Daher will formal nur die NPD antreten, auf den Landeslisten kandidieren aber auch DVU-Kandidaten. Bei der Europawahl tritt dann die DVU an.
Andere Parteien
Im Januar 2005 hat sich die Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative gegründet, der im Falle eines Antretens zur Wahl einige Chancen eingeräumt werden, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen. Die anderen Parteien werden aller Voraussicht nach bei der Bundestagswahl 2006 keine Chance auf einen Einzug in den Bundestag haben.
Vom Einzug von Parteien, die derzeit nicht (in Fraktionsstärke) im Bundestag vertreten sind, kann abhängen, ob das rot-grüne Lager mit SPD und Grünen oder das schwarz-gelbe Lager mit CDU/CSU und FDP eine eigene Mehrheit im Bundestag erhalten werden. Sollte dies für keins der beiden Lager der Fall sein, so besteht die Möglichkeit einer Großen Koalition oder einer von der PDS unterstützten rot-grünen Koalition.
Siehe auch
Weblinks