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Bisamratte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Bisam
Bisam (Ondrata zibethicus)
Systematik
Reich: Tiere (Animalia)
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: höhere Säugetiere (Eutheria)
Ordnung: Nagetiere (Rodentia)
Unterordnung: Mäuseverwandte (Myomorpha)
Familie: Wühler (Cricetidae)
Unterfamilie: Wühlmäuse (Microtinae)
Gattung: Ondatra
Art: Ondatra zibethicus

Der Bisam (Ondatra zibethicus) ist eine ursprünglich ausschließlich in Nordamerika beheimatete Nagetierart (Rodentia), die sich ausgehend von Böhmen (heute: Tschechien) und später Frankreich über fast ganz Europa und Asien ausgebreitet und als neue Art (Neozoon) etabliert hat. Obwohl häufig auch als Bisamratte bezeichnet, handelt es sich beim Bisam keineswegs um eine Rattenart, vielmehr gehört er zu den Wühlmäusen. In Nordamerika gibt es noch 14 weitere Subspecies.

Bisams erreichen ein Alter von rund 3 Jahren. Bei guten Umweltbedingungen pflanzen sie sich mit einer enormen Rate fort: sie werfen dreimal im Jahr nach nur 4 Wochen Tragzeit jeweils 4-9 Junge. Im folgenden Jahr sind die Jungtiere wiederum geschlechtsreif. Ihre - sehr rasche - Ausbreitung erfolgt in Intervallen entlang ihres natürlichen Lebensraums, also stromauf und stromab entlang von Bächen und Flüssen.


Bedeutungen des Wortes "Bisam"

Das Wort Bisam leitet sich aus dem hebräischen "besem" (zu deutsch "Wohlgeruch") her. Zudem ist es eine andere Bezeichnung für Moschus, einen vom Moschustier (Moschus moschiferus) erzeugten Duftstoff. Der Bisam verdankt seinen Namen folglich einem stark nach Moschus duftendem Sekret, das die Geschlechtsanhangdrüsen der Männchen absondern.

In der Kürschnerei wird das Fell des Bisams als Bisam bezeichnet.

Morphologie und Merkmale

Der Bisam ist mit einer Kopf-Rumpf-Länge von rund 35 cm und einer Schwanzlänge von etwa 22 cm kleiner als ein Nutria (Myocastor coypus) oder ein Biber (Castoridae) und größer als eine Wanderratte (Rattus norvegicus). Das Gewicht liegt i.d.R. zwischen 0,8 und 1,6 kg (maximal: 2,3 kg). Er ist von gedrungener, rattenartiger Gestalt, sein Schwanz ist fast nackt und seitlich abgeplattet.

Der Bisam hat wasserdicht verschließbare Ohren, deren Ohrmuscheln tief im Fell versteckt liegen. Obwohl seine hinteren Pfoten im Gegensatz zu Bibern und Nutrias keine Schwimmhäute aufweisen, ist der Bisam ein geschickter Schwimmer und Taucher. Statt der Schwimmhäute besitzen Bisams sog. Schwimmborsten: steife Haare, die als Saum an den Rändern der Zehen wachsen und so die Zehen paddelartig vergrößern. Der Hauptantrieb für die Fortbewegung im Wasser rührt von den langen kräftigen Beinen und dem weit gespreizten fünfzehigen Hinterfüßen her. Zur Steuerung und Unterstützung der Schwimmbewegung nutzt der Bisam seinen Schwanz, den er in horizontaler Ebene nach rechts und links bewegt.

Da Bisams sich sehr häufig im Wasser aufhalten, besitzen sie ein sehr dichtes wasserabweisendes Fell, das für die Pelzindustrie sehr wertvoll ist. Daher gelten Bisams, deren Fleisch eßbar ist, in einigen Länder wie z.B. den USA als wertvolles Nutz- und Jagd- und Zuchttier. Das Fell variiert von schwarz über dunkelbraun bis cremefarben, vereinzelt gibt es auch Albinos.

Ökologie und Lebensweise

Bisam vor seiner Winterburg

Bisams sind hervorragend an das Leben im Wasser angepasst. Sie sind ausgezeichnete Schwimmer und können bis zu 10 Minuten tauchen. Als Unterschlupf graben sie sich in Böschungen Erdbauten, deren Eingänge unter Wasser liegen. Hierbei unterminieren sie häufig Deiche, Dämmen und Befestigungsanlagen, wodurch sie der Wasserwirtschaft große Probleme bereiten können. Im Winter bauen Bisams 0,5 bis 2 Meter hohe Behausungen aus Röhricht und anderen Wasserpflanzen wie Binsen und Schilf, die sogenannten "Winterburgen". Das darin verborgene Nest befindet sich nur knapp über dem Wasserspiegel. Neben Erdbauten und Winterburg werden auch hohle Bäumen als Unterkunft benutzt.

Bisams ernähren sich hauptsächlich von Wasser- und Uferpflanzen, fressen aber auch häufig Muscheln, Larven von Wasserinsekten, Krebse, Wasserschnecken und seltener auch Frösche und Fische. Die Behauptung, sie würden auch Vögel oder deren Gelege verzehren, konnte nicht bestätigt werden.

Als Prädator (Freßfeind) des Bisams gilt vor allem der ebenfalls aus Nordamerika eingeführte Mink (Mustela vison). Auch der Fischotter (Lutra lutra) macht Jagd auf den Nager.

Der Bisam als "Schädling"

Zeichnung eines Bisam im Nest

Trotz seines wirtschaftlich wertvollen Pelzes mit den langen, glänzenden Deckhaaren gilt der Bisam in Deutschland, im Gegensatz zu manchen anderen Ländern, die ihn tolerieren oder sogar schützen, als Schädling.

Wirtschaftlich ist er gefürchtet wegen der massiven Schäden die seine unterminierende Wühltätigkeit an Ufern, Dämmen und Deichbauten anrichtet. Hierdurch entstehen dem Tief- und Wasserbau hohe zusätzliche Kosten für Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten.

Aus ökologischer Sicht gravierender sind die vom Bisam verursachten Fraßschäden. Durch das Abknabbern ganzer Bestände von Röhrichtpflanzen kann der Nager die Struktur eines gesamten Ufer-Ökosystems entscheidend verändern. Gelegentlich macht er sich auch über Feld- und Gartenanlagen her oder er zerstört Korbweidekulturen.

Insbesondere wenn im Winter das pflanzliche Nahrungsangebot nicht ausreicht, frisst der Bisam auch Muscheln und Krebstiere deren Bestand in Deutschland durch Gewässerverschmutzung und Flussbegradigungen ohnehin schon stark bedroht ist. Er gilt als der Haupt-Fraßfeind der großen Süßwassermuscheln (Überfamilie: Unionacea), zu denen z.B. die mittlerweile sehr seltene Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) zählt.

Ein weiteres ökologisches Problem ist, daß der Nager ein Zwischenwirt des gefürchteten Fuchsbandwurmes (Echinococcus multilocularis) ist: wird ein befallener Bisam von einem Fuchs erbeutet, dann wird dieser ebenso mit dem Parasiten infiziert.

Trotz massiver Bekämpfungsmaßnamen widersteht der Bisam fast überall seiner Ausrottung. Sowohl die Bejagung als auch der Einsatz von bakteriellen Krankheitserregern konnten den Bisam nicht durchschlagend dezimieren. Aufgrund der enormen ökonomischen und z.T. auch ökologischen Schäden die der Bisam in manchen Ländern verursacht, wurde eigens die "Organisation Européenne pour la Lutte contre le Rat Musqué" mit Sitz in Paris ins Leben gerufen. Bekämpft wird der Bisam hauptsächlich in Deutschland, den Benelux-Ländern, Frankreich und Großbritannien. Bisher ist nur in Großbritannien, aufgrund seiner abgegrenzten Insellage, die vollständige Ausrottung gelungen.

Ausbreitung in Eurasien

Die Erstbesiedelung Europas und Asiens ging von Böhmen, dem heutigen Tschechien, aus. Ein gewisser Fürst Colloredo-Mansfeld brachte 1905 drei Weibchen und zwei Männchen des Bisams von einer Jagdreise nach Alaska mit. Diese ließ er auf seinem Gut Dobrisch, rund 40 km südwestlich von Prag, aussetzen. Von dort breiteten sie sich mit atemberaubender Geschwindigkeit in alle Richtungen aus: 1912 haben sie fast ganz Böhmen besiedelt, 1915 erschienen die ersten am Regen in Bayern, 1927 haben sie auf breiter Front die Nachbarländer erreicht und sich auf eine Fläche von etwa 200 000 km² ausgebreitet. 1935 sichtet man sie in Stendal, 1936 in Magdeburg. Die Ausbreitung erfolgte entlang von Bächen und Flüssen wie der Elbe und der Weser. Ganz Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen, Rumänien, der nördliche Teil von Jugoslawien und weitere Länder wurden ausgehend von der "Colloredo-Mansfeldschen" Population infiziert.

Eine zweite wichtige Invasion ging 1930 von einer heruntergekommenen Zuchtanlage im Teichgebiet von Leval bei Belfort in Frankreich aus, wo etwa 500 Bisame entliefen. Von dort aus wurden unter Nutzung des Rhein-Rhône-Kanals und der Ill bald Nordwestfrankreich besiedelt und über Pfalz und Baden weite Teile des Westens von Deutschland.

Diese und weitere Auswilderungen in Belgien, Schweden, Finnland und Rußland beschleunigten die nunmehr unaufhaltsame Ausbreitung der Bisame. Von Sibirien aus erreichten sie die Mongolei, China und die Mandschurei, von dort war es nur noch ein Katzensprung bis nach Japan, wo der Bisam 1945 eingeführt wurde. So eroberte diese überaus erfolgreiche Art in wenigen Jahrzehnten weite Teile des eurasischen Kontinents und hat dort heute ein größeres Verbreitungsgebiet als in ihrer angestammten Heimat Nordamerika.

Einzig auf den britischen Inseln, wo der Bisam seit 1929 stark verbreitet war, gelang 1939 nach rund 6 Jahren intensiver Bekämpfung die vollständige Ausrottung.

Trivialnamen

Bisamratte (so wird fälschlicherweise auch die Biberratte oder Nutria genannt), Moschusratte, Zwergbiber, Bisambiber, Zibetratte, Sumpfkaninchen, Sumpfhase