Paul Felix Lazarsfeld
Dr. Paul F. Lazarsfeld (* 13. Februar 1901 in Wien; † 30. Juni 1976 in New York City (USA) war österreichisch-amerikanischer Soziologe.
Lebenslauf
Frühe Jahre in Wien
Paul Felix Lazarsfeld wurde als Sohn des Juristen Robert Lazarsfeld und der Individualpsychologin Sophie Lazarsfeld (geb. Munk) in Wien geboren. Er wächst dort auf und besucht eine Wiener Schule, die er 1919 mit der Matura abschließt. Er wurde bereits früh als Aktivist des linken Flügels der "Vereinigung sozialistischer Mittelschüler" politisch aktiv. Später wurde er Mitglied der "Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs". Nach Beendigung der Schule begann er ein Studium der Mathematik an der Universität Wien. Er schreibt 1924 seine Dissertation "Über die Berechnung der Perihelbewegung des Merkur aus der Einsteinischen Gravidationstheorie" und erhält anschließend den Doktorgrad des Dr. phil.
Von 1924 bis 1925 absolviert er ein Post-Graduierten-Studium in Frankreich. Er wird Mitglied der Parti Socialiste. Section Française de l'Internationale Ouvrière. Im August 1925 nimmt Lazarsfeld am 2. Kongress der "Sozialistischen Arbeiter-Internationale" in Marseille teil.
1925 kehrt er nach Wien zurück. In den Jahren 1925 bis 1929 arbeitet Lazarsfeld als Gymnasiallehrer für Mathematik in Wien. Von 1929 bis 1933 ist er Mitabeiter am Psychologischen Institut der Universität Wien, wo er als Assistent von Karl Bühler (1879-1963) und Charlotte Bühler (1893-1974) einen Lehrauftrag für Psychologie erhält. Von 1930 bis 1933 war er Leiter der "Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle" in Wien.
Im Jahr 1926 heiratet er die Soziologin Marie Jahoda. Die Ehe, aus der die Tochter Lotte Lazarsfeld (*1930) hervorgeht, wird bereits 1934 wieder geschieden.
Emigration in die USA
Lazarsfeld emigriert 1933 in die USA. Von 1933 bis 1935 ist er ein Stipendiat der Rockefeller Foundation. 1935 beschliesst Lazarfeld, in den USA zu bleiben. Nach Wien kehrt er nur kurz zurück, um ein Immigrantenvisum anstatt des bisherigen Studentenvisums zu besorgen. Die amerikanische Staatsbürgerschaft erhält er schließlich 1943.
Von 1935 bis 1936 arbeitet Lazarsfeld als Supervisor bei der National Youth Administration in New Jersey. Von 1936 bis 1937 ist Lazarsfeld Direktor des Research Center der University of Newark, New Jersey.
Die zweite Ehe mit der Sozialwissenschaftlerin Herta Herzog wird bereits 1936 wieder geschieden.
Von 1937 bis 1939 ist er Direktor des von der Rockefeller Foundation geförderten Office of Radio Research an der Princeton University, welches 1939 an die Columbia University verlegt wurde und später den Namen Bureau of Applied Social Research erhielt. Lazarsfeld ist ab 1939 bis zu seinem Tode Fakultätsmitglied der Columbia University in New York City. Zuerst ist er Associate Professor, ab 1940 dann schließlich Full Professor of Sociology. Im Jahre 1963 erhält er den Titel des Quetelet Professor of Social Science.
Von 1940 bis 1949 leitet Lazarsfeld als Direktor das Bureau of Applied Social Research. 1949 legt er die Leitung nieder und verbleibt dort ab 1949 als Associate Director. Darüber hinaus ist er seit 1949 Chairman des Graduate Department of Sociology. Neben seiner Professur verfolgt er zahlreiche weitere Tätigkeiten. Unter anderem arbeitet er während des Zweiten Weltkriegs als Berater des War Production Board im US-Verteidigungsministerium (damals War Department). 1949 arbeitet er als Berater der New York Public Service Commission on Canned Music. In den Jahren 1948 bis 1949 hatte er eine Gastprofessor an der Universität Oslo inne.
Ab 1949 ist er in dritter Ehe mit der Sozialwissenschaftlerin Patricia Louise Kendall verheiratet. Ihr Sohn Sohn Robert Lazarsfeld wird 1953 in New York City geboren.
Von 1962 bis 1963 und von 1967 bis 1968 ist Lazarsfeld als Gastprofessor an der Sorbonne in Paris tätig. Außerdem arbeiter er an zahlreichen T.V. Research Commissions und am T.V. Bureau of Advertising mit.
Im Alter von 70 Jahren wird Lazarsfeld 1971 emeritiert. Er arbeitet bis 1976 als Professor of Sociology an der University of Pittsburgh, Pennsylvania. Paul Felix Lazarsfeld stirbt am 30. Juni 1976 in New York City.
Sein Werk
Paul F. Lazarsfeld gilt als der Begründer der modernen empirischen Sozialforschung.
Als wesentlich gilt, die mit Marie Jahoda und Hans Zeisel durchgeführte Studie über die "Arbeitslosigkeit im Marienthal". Hier wurden Daten aus unterschiedlichsten Quellen unter der leitenden Fragestellung interpretiert. Wobei man verschiedenste sinnvoll erscheinende Erhebungsmethoden kombinierte. Auf diese Art und Weise entstand ein eindrigliches Bild eines von kollektiver Beschäftigungslosigkeit geprägten Industriedorfes.
In den USA erwies er sich als äußerst produktiver Co-Autor. Organisation und Durchführung von Forschungsprojekten bilden den Kern seiner Aktivitäten.
Nach Lazarsfeld benannt
Das Paul F. Lazarsfeld-Archiv im Institut für Soziologie in Wien wurde am 11. März 1983 eröffnet. Es befindet sich in den Räumlichkeiten des Instituts für Soziologie der Universität Wien.
Bibliografie
Eine Auswahl seiner Publikationsliste
- Über die Berechnung der Pendelbewegung des Merkur aus der Einsteinischen Gravidationstheorie. Wien: Selbstverlag 1925, 10 Blatt. Zugleich phil. Diss. Wien 1925.
- (mit Ludwig Wagner) Gemeinschaftserziehung durch Erziehungsgemeinschaften. Bericht über einen Beitrag der Jugendbewegung zur Sozialpädagogik. Wien–Leipzig: Anzengruber-Verlag 1925 (= Der Aufstieg. 30/31.), 23 S.
- Statistisches Praktikum für Psychologen und Lehrer. Mit einem Geleitwort von Charlotte Bühler. Mit 45 Abbildungen im Text. Jena: G. Fischer 1929, VIII, 180 S.
- (Herausgeber) Jugend und Beruf. Kritik und Material. Jena: G. Fischer 1931 (= "Quellen und Studien zur Jugendkunde". 8.), IV, 206 S. Mit Beiträgen von Charlotte Bühler, Bronyslav Biegeleisen, Hildegard Hetzer und Karl Reininger.
- (mit Marie Jahoda und Hans Zeisel) Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit. Herausgegeben und bearbeitet von der Oesterreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle. Leipzig: S. Hirzel 1933 (= Psychologische Monographien. 5.), 123 S.
- (mit Arthur W[illiam] Kornhauser) The techniques of market research from the standpoint of a psychologist. (Presented at the Institute of management meeting, Hotel Pennsylvania, May 24, 1935.) New York: American Management Association [1935] (= Institute of management series. Institute of management. 16.), 24 S.
- (mit Samuel A[ndrew] Stouffler) Research memorandum on the family in the depression. With the assistance of A[bram] J. Jaffe. Prepared under the direction of the Committee studies in social aspects of the depression. New York: Social Science Research Council [1937] (= Bulletin Social Science Research Council (U.S.). 29. / Studies in the social aspects of the depression. 3.), x, 221 S. Umschlagtitel: The family in the depression.
- (mit Frank Stanton) Radio and the printed page. An introduction to the study of radio and its role in the communication of ideas. (1st edition.) New York: Duell, Sloan, and Pearce 1940 (= History of broadcasting, radio to television.).
- (Herausgeber mit Frank N[icholas] Stanton) Radio research, 1941. New York: Duell, Sloan, and Pearce 1942 (= Essential books.), 333 S.
- Radio research. Volume 2: 1942-1943. New York: Arno Press 1979 (= Perennial works in sociology.), xvi, 599 S. Reprint.
- (mit Bernard R[euben] Berelson und Hazel Gaudet) The people’s choice: How the voter makes up his mind in a presidential campaign. New York: Duell, Sloan, and Pearce 1944, vii, 178 S.
- (mit Harry Field) The people look at radio. Report on a survey conducted by the National Opinion Research Center, University of Denver, Harry Field, director. Analyzed and interpreted by the Bureau of Applied Social Research, Columbia University, Paul F. Lazarsfeld, director. Chapel Hill: The University of North Carolina Press [1946], ix, 158 S.
- The psychological and sociological implications of economic planning in Norway. (This project was outlined and gotten under way by Paul F. Lazarsfeld.) Oslo: Universitet [1948], 120 S. (Maschinschrift hektografiert).
- What is sociology? Oslo: Universitetets studentkontor 1948, 20 S. (Maschinschrift hektografiert).
- (mit Patricia L[ouise] Kendall) Radio listening in America. The people look at radio – again. Report on a survey conducted by the National Opinion Research Center of the University of Chicago, analyzed and interpreted by Paul F. Lazarsfeld and Patricia L. Kendall of the Bureau of Applied Social Research, Columbia University, a second survey sponsored by the N[ational] A[ssociation of] B[roadcasters]. New York: Prentice-Hall 1948, v, 178 S.
- (mit Frank N[icholas] Stanton) Communications research, 1948-1949. (1st edition.) New York: Harper & Brothers 1949 (= Publications of the Bureau of Applied Social Research, Columbia University.), xviii, 332 S.
- Communications research, 1948-1949. (1st edition.) Ann Arbor, Mich.: UMI 1967 (= Publications of the Bureau of Applied Social Research, Columbia University.), xviii, 332 S. Reprint der Ausgabe 1949.
- (mit Samuel A[ndrew] Stouffer, Louis Guttman, Edward A[llen] Suchman, Shirley A. Star und John A. Clausen) Measurement and prediction. Princeton, N.J.: Princeton University Press 1950 (= Studies in social psychology in World War II. IV.), x, 756 S.
- (Herausgeber mit Robert K[ing] Merton) Continuities in social research. Studies in the scope and method of "The American soldier". Glencoe, Ill.: The Free Press 1950, 255 S.
- Continuities in social research. Studies in the scope and method of "The American soldier". New York: Arno Press 1974, 255 S. Reprint.
- (Hg.) Mathematical thinking in the social sciences. Glencoe, Ill.: The Free Press 1954, 444 S.
- (mit Elihu Katz) Personal influence. The part played by people in the flow of mass communications. A report of the Bureau of Applied Social Research, Columbia University. Glencoe, Ill.: The Free Press 1955 (= Foundations of communications research. 2.), xx, 400 S.
- (Herausgeber mit Morris Rosenberg) The language of social research. A reader in the methodology of social research. Glencoe, Ill.: The Free Press 1955, xiii, 590 S.
- (mit Robert K[ing] Merton) Mass communication, popular taste and organized social action. (Reprint from Mass Culture.) Indianapolis, Ind.: Bobbs-Merrill [1957?] (= Bobbs-Merrill reprint series in the social sciences. 163.), S. 458-473.
- (mit Wagner Thielens jr.) Academic mind. Social scientists in a time of crisis. With a field report by David Riesman. (A report of the Bureau of Supplies Social Research, Columbia University.) Glencoe, Ill.: The Free Press 1958 (= The Academic profession.), xiii, 460 S.
- (mit Robert A[lan] Dahl und Mason Haire) Social science research on business. Product and potential. New York: Columbia University Press 1959, 185 S.
- (mit Lawrence R[obert] Klein und Ralph W[infred] Tyler) The behavioral sciences. Problems and prospects. Three papers. Boulder, Col.: University of Colorado, Institute of Behavioral Science 1964, 40 S.
- (mit Raymond Boudon) Le vocabulaire des sciences sociales. Concepts et indices. Paris: Mouton 1965 (= Maison des sciences de l’homme, Paris. Méthodes de la sociologie. 1.), 309 S.
- (Herausgeber mit Neil W. Henry) Readings in mathematical social science. Chicago: Science Research Associates 1966, 371 S.
- Readings in mathematical social science. (1st M.I.T. paperback edition.) Cambridge, Mass.–London: The M.I.T. Press 1968 (= M.I.T. 98.), 371 S. Reprint.
- (Herausgeber mit William H[amilton] Sewell und Harold L. Wilensky) The uses of sociology. New York: Basic Books [1967], xi, 902 S.
- The use of panels in social research. Oslo: Universitet 1968, 10 Blatt.
- (mit Neil W. Henry) Latent structure analysis. Boston: Houghton, Mifflin 1968, ix, 294 S.
- Am Puls der Gesellschaft. Zur Methodik der empirischen Soziologie. (Deutsch von Helga und Philipp Schwarzer.) Wien–Frankfurt–Zürich: Europa Verlag 1968 (= Europäische Perspektiven.), 184 S. Mit einem Vorwort von Gertrude Wagner.
- Qualitative analysis. Historical and critical essays. Boston: Allyn and Bacon 1972, xvii, 457 S. Mit Beiträgen von James S[amuel] Coleman, Raymond Boudon und C[harles] Wright Mills.
- Main trends in sociology. (Originally published as Chapter 1 in Main trends of research in the social and human sciences, Part 1, Mouton / UNESCO 1970.) New York–London: Harper & Row 1973 (= Harper torchbooks. 1781. / Sociology.), 115 S.
- (mit Jeffrey G. Reitz und Ann K. Pasanella) An introduction to applied sociology. New York: Elsevier 1975, vii, 196 S.
- (mit Talcott Parsons und Edward Shils) Soziologie – autobiographisch. Drei kritische Berichte zur Entwicklung einer Wissenschaft. Geleitwort von Heinz Hartmann. (Übersetzung der Beiträge von Talcott Parsons und Edward Shils Modeste zur Nedden Pferdekampf, des Beitrags von Paul F. Lazarsfeld Heinz Hartmann.) Stuttgart: Enke 1975 (= Flexibles Taschenbuch.), X, 232 S. Darin von Paul F. Lazarsfeld: Eine Episode in der Geschichte der empirischen Sozialforschung.
- Soziologie – autobiographisch. Drei kritische Berichte zur Entwicklung einer Wissenschaft. Geleitwort von Heinz Hartmann. (Übersetzung der Beiträge von Talcott Parsons und Edward Shils Modeste zur Nedden Pferdekampf, des Beitrags von Paul F. Lazarsfeld Heinz Hartmann.) München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1975 (= dtv. 4160. / Wissenschaftliche Reihe.), X, 232 S.
- On social research and its language. Edited and with an introduction by Raymond Boudon. Chicago–London: The University of Chicago Press 1993 (= The heritage of sociology.), vii, 333 S.
Über Lazarsfeld
- Paul Lazarsfelds Wiener RAVAG-Studien 1932. Der Beginn der modernen Rundfunkforschung. Desmond Mark (Herausgeber). Wien–Mülheim an der Ruhr: Guthmann-Peterson 1996 (= Schriftenreihe Musik und Gesellschaft. 24.), 119 S.
Literatur
- Allerbeck K.: Paul F. Lazerfeld. In: Kaesler D. (Hrsg.) Klassiker der Soziologie 2. (4. Aufl.); München 2003; Beck'sche Reihe: S. 7 - 23.
Weblink
- Nachlass-Sammlung des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich
- Paul F. Lazarsfeld-Archiv im Institut für Soziologie in Wien
Personendaten | |
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NAME | Lazarsfeld, Paul F. |
KURZBESCHREIBUNG | Österreichisch-amerikanischer Soziologe |
GEBURTSDATUM | 13. Februar 1901 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 30. Juni 1976 |
STERBEORT | New York City (USA) |