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Kastell Lorch

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Kastell Lorch
Limes ORL 63 (RLK)
Strecke (RLK) Rätischer Limes,
Strecke 12
Datierung (Belegung) um 150 n. Chr.
bis um 260 n. Chr.
Typ Kohortenkastell
Einheit Cohors equitata
Größe 153,5 (154) m × 158,4 (162,8) m = 2,47 ha
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Fundament des nördliche Torturms des Westtores sichtbar
Ort Lorch
Geographische Lage Koordinaten fehlen! Hilf mit. Vorlage:Infobox Limeskastell/Wartung/Breitengrad fehlthf
Vorhergehend Kastelle von Welzheim (nördlich)
Anschließend Kleinkastell Kleindeinbach (östlich)

Das Kastell Lorch ist ein ehemaliges römisches Grenzkastell nahe am Rätischen Limes, der seit 2005 den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes besitzt. Die vermutlich um 150 n. Chr. errichtet Garnison liegt heute mitten in Lorch, einer Stadt im Ostalbkreis, Baden-Württemberg und ist fast vollständig überbaut.

Lage und Forschungsgeschichte

Das ehemalige Kastell wurde auf der Nordseite des in diesem Bereich von Westen nach Osten ausgerichteten Remstales am Ausgang einer kleineren, aber tiefen, von Norden nach Süden laufenden Senke errichtet. Der Rems entlang zog sich in der Antike die Trasse einer wichtigen, von Cannstatt kommenden Fernverbindung hin. Auf den nördlichen Geländeabschnitten hoch über dem Remstal läuft die römische Grenzpalisade, welche aus nördlicher Richtung kommend, nahe bei Lorch, einen starken Knick nach Osten macht. Neben der Limessicherung war Lorch in diesem Abschnitt auch der letzte größere militärische Standort der Provinz Germania Superior. Nur wenige Kilometer östlich begann bereits die Provinz Raetia. Dort lag auf dem südlichen Talhang am Schirenhof das nächste Kohortenkastell.

Erste Vermutungen für einen römischen Lagerplatz wurden an dieser Stelle in der Mitte des 19. Jahrhunderts laut. Durch die Reichs-Limes-Kommission (RLK) unter Major Heinrich Steimle, einem Streckenkommissar, waren 1893 erste Sondierungen erfolgt. Weitere Möglichkeiten boten sich aufgrund der schwierigen örtlichen Situation erst 1895/96, als im Kastellbereich eine Kanalisation erbaut wurde. Insgesamt erfasste die RLK hauptsächlich Abschnitte der Umfassungsmauer.

Bei Bauarbeiten stieß man in der Vergangenheit westlich und östlich des Militärplatzes immer wieder auf antike Überreste des Lagerdorfes. 1954 wurde das Brandgräberfeld angeschnitten. Eine erste Flächengrabung im Kastell selber führte das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg aber erst 1986/87 im Zuge eines Tiefgaragenbaues zwischen Kirchstraße und Rathaus durch. Das angeschnittene Lagerteil gehörte zum südöstlichen Viertel der Anlage. Trotz teilweiser Störung der römischen Baureste durch mittelalterliche und neuzeitliche Eingriffe konnte diese Grabung erste wichtige Ergebnisse zur Struktur der Garnison liefern.

Kastell Lorch gilt heute als archäologisches Denkmal.

Baugeschichte

Die Forschung geht davon aus, dass das 2,47 ha große Kastell von einer namentlich bisher unbekannten teilberittenen Einheit, die zuvor im Kastell Köngen am Neckar stationiert gewesen ist, nach seiner Erbauung belegt worden ist. Die Ost- und Westseite der Anlage war 153,5 und 154 m lang. Die Nordseite maß 158,4 m, die Südseite 162,8 m. Von einem älteren Holzkastell ist nichts bekannt, auch wenn es schon früh Münzfunde gegeben hat, die teils weit vor die Erbauungszeit von Kastell Lorch reichen.[1] Dies ist jedoch nichts ungewöhnliches. So wurden beispielsweise im Bad des Kastell Schirenhofs sogar verlorengegangene Münzen aus voraugusteische Zeit aufgefunden. Dendrochronologische Untersuchungen an der Holzpalisade des nahegelegenen obergermanisch-rätischen Grenzzaunes beim Kleinkastell Kleindeinbach haben ergeben, dass diese höchstwahrscheinlich noch im Jahr 164 n. Chr. erbaut worden ist.[2] Ähnliche Befunde wurden an der Palisade aus Schwabsberg gemacht.[3] Ein am Limestor Dalkingen aufgedeckter einfacher Zaun, der laut dem dortigen Ausgräber Dieter Planck noch vor der Palisade um 130/135 n. Chr. errichtet wurde, bestätigt die Angaben aus Lorch, die dieses Kastell nach Räumung von Köngen um 159 n. Chr. in die Zeit „um 150“ betten. Wirklich eindeutige Angaben könnte u. a. nur ein Holzbefund aus dem Kastell selber machen.

Die bis zu 1,3 m breiten Wehrmauern, welche mit sorgfältig bearbeitete, bis zu 0,3 m breite Mauerschalen aus dem örtlich anstehenden Stubensandstein verblendet wurden, umfassen einen fast quadratischen Garnisonsort. Dieser Standort war mit seiner Länge und Breite fast genau in west-östliche bzw. nord-südliche Richtung ausgerichtet. Die Lage der Prätorialfront ist bisher jedoch unbekannt. Die Principia, das Stabsgebäude, konnte nur in geringen Resten aufgedeckt werden. Über ihr liegt heute ein Friedhof. Es wurde jedoch angenommen, dass die Porta Praetoria, das Hauptausfalltor, in Richtung Westen, nach Bad Cannstatt gezeigt haben soll. Zugleich ist dieses westliche Tor mit seiner von zwei Türmen flankierten Doppeldurchfahrt auch der bisher einzig bekannte Einlass ins Lagerinnere. Während der Grabung 1986/87 wurden im südöstlichen Kastellviertel mindestens zwei hölzerne Mannschaftsbaracken (centuriae) aufgedeckt, die mit ihrer Längsseite fast genau in Nord-Südrichtung wiesen. Der Kopfbau dieser Baracken, in dem einst der Centurio und eventuell noch weitere Offiziere, Unteroffiziere sowie Personal gelebt haben[4], lag nördlich. An ihn schloss sich eine der Hauptlagerstraßen an. In die dazugehörige Grabungszeichnung trug man für diese Straße den Namen Via Praetoria ein, da man in einer zweiten Theorie zur Ausrichtung des Kastells auch an dessen Ostseite, Richtung Rätien, dachte. Die in den Baracken freigelegten, aus Ziegelplatten errichteten Herdstellen der einzelnen Contubernien waren teilweise gut erhalten.

Vicus, Kastellbad und Brandgräberfeld

Das Kastelldorf, der vicus, wurde bisher nur in vereinzelten Spuren östlich und westlich der Fortifikation bekannt. Seine Ausmaße sind daher nicht zu fassen. Die denoch zahlreich geborgene Keramik aus dem Wohngebiet stammt aus dem 2. und 3. Jahrhundert. Bekannt wurde die Abbildung der ursprünglich keltischen Göttin Epona, die Beschützerin der Pferde und des heimischen Herdes, auf einem kleinen Sandsteinrelief. Außerdem ist aus dem Lorcher vicus die Inschrift eines Tonwarenhändlers überliefert.

Das Kastellbad lag vermutlich vor dem Osttor.

Rund 500 m südwestlich der Garnison sind die Reste eines der beiden Gräberfelders ermittelt worden. Dabei stießen die Archäologen u. a. auf Urnen und Beigabengefäße.

Cohors equitata

Durch den in Loch getätigten Fund eines Bronzeanhängers mit eingepunzter Inschrift, der die Form eines römischen Votivblechs hatte, wurden die Vermutungen deutlich bestätigt, dass höchstwahrscheinlich eine Cohors equitata dort stationiert gewesen ist. Diese teilberittenen Einheiten, welche zu den regulären Hilfstruppen (Auxilia) zählten, besaßen eine faktische Gesamtstärke von rund 480 Mann, zu der ein Drittel Kavallerie zählte.[5]

Da mit der Vorverlegung des Limes nun eine Vielzahl von Kastellen sehr abgelegen und militärisch nutzlos waren, wurden sie aufgelassen und die Besatzungen nach vorne an die neue Grenze verlegt. Wohl im Jahre 159 n. Chr. ist das ebenfalls von einer bisher unbekannten Cohors equitata besetzte Kastell Köngen geräumt worden. Im Zuge der Erforschung einzelner Einheiten des römischen Militärs haben sich die Vermutungen dahin verdichtet, dass ein Wechsel der teilberittenen Köngener Einheit über die verbindende Römerstraße nach Lorch als sehr wahrscheinlich betrachtet wird.

Militaria

In Lorch wurde qualitätvolle Militaria geborgen. Dazu zählen ein nahe des Kastells entdecktes Siegeszeichen (tropaeum) aus dem 2. Jahrhundert sowie ein während der Grabung 1986 aufgefundener Bronzebeschlag mit Gorgonenhaupt. Außerdem kamen damals eine Vielzahl von Kleinfunde wie Schwertriemenhalter aus Eisen und Bronze ans Licht.

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Planck, Willi Beck: Der Limes in Südwestdeutschland. 2. völlig neubearbeitete Auflage, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0496-9.
  • Stefan Pfahl: Das römische Bronzetropaeum von Lorch und verwandte Stücke in Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 18. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3806212643, S. 117–135.

Einzelnachweise

  1. Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Institut. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1896, S. 207.
  2. Bernd Becker: Fällungsdaten Römischer Bauhölzer anhand einer 2350jährigen Süddeutschen Eichen-Jahrringchronologie in Fundberichte aus Baden Württemberg Band 6, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 380621252X, S. 369–386.
  3. Wolfgang Czysz, Lothar Bakker: Die Römer in Bayern, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3806210586, S. 123.
  4. Anne Johnson (dt. Bearbeitung von Dietwulf Baatz): Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 188 ff.
  5. Anne Johnson (dt. Bearbeitung von Dietwulf Baatz): Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 36.

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