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Paul Ricœur

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Paul Ricoeur (*27. Februar 1913 in Valence, +20. Mai 2005 in Châtenay-Malabry) ist ein französischer Philosoph.

Ricoeur beschäftigt sich vor allem aus phänomenologischer Perspektive mit den Grundbegriffen der Geschichtswissenschaft. Martin Heidegger, Edmund Husserl und Karl Jaspers beeinflussen sein Denken stark, so dass er 1950 über der christlichen Existenzialphilosophie Marcels und der phänomenologischen Methode Husserls an der Sorbonne promoviert. 1957 erhält er dort eine Professur für Allgemeine Philosophie. Zunehmend rückt für Ricoeur das Problem der Sprache und deren Phänomene in den Fokus seiner Arbeit. 1966 wechselt Ricoeur an die Universität Paris-Nanterre und wird dort 1969 Rektor. Infolge der Studentenrevolten greift der Staat massiv in die Hochschulautonomie ein, sodass Ricoeur 1970 zurücktritt. In Chigago erhält Ricoeur 1970 als Nachfolger den Lehrstuhl Paul Tillichs, wobei er aber die Lehrtätigkeit in Paris mit Unterbrechungen beibehält.

1975 verfasst er das philosophische Werk La metaphore vive (Die lebendige Metapher), worin er die poetische Funktion der Sprache behandelt. 1983 folgt anknüpfend an die Poetik des Aristoteles das dreibändige Opus Temps et récit (Zeit und Erzählung), indem er Gemeinsamkeiten bei der Zeitlichkeit von Historiographie und Dichtung herausarbeitet. Auch nach seiner Emeritierung 1987 (Paris) und 1990 (Chigago), widmet sich Ricoeur weiter geschichtsphilosophischen Untersuchungen im sprachlich-phänomenologischen Kontext. Die Debatte um das Gedächtnis und Gedächtniskultur bereicherte er mit dem im Jahre 2000 erschienenen Buch La Mémoire, l'histoire, l'oubli (Gedächtnis, Geschichte, Vergessen). Aus historischer, erkenntnistheoretischer und phänomenologischer Sicht untersucht er das Problem des Erinnerns und den Zusammenhang mit dem (kulturellen) Gedächtnis.

Zweifelsohne ist Paul Ricoeur neben Reinhart Koselleck u.a. einer Jener die es sich zur Aufgabe gemacht haben Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur zu untersuchen, und den Mangel an Selbstreflexion der Historiographie herauszuarbeiten. Auch war er stets bemüht, ein Vermittler zwischen den Kulturen und Denktraditionen im angelsächsischen, deutschen und französischen Sprachraum zu sein. Für sein Lebenswerk wurden Ricoeur zahlreiche Preise verliehen, u.a. die Ehrendoktorwürde der Pariser Universität, der Karl-Jaspers-Preis der Universität Heidelberg und der Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen.

Publikationen