Wunderwege
"Wunderwege" erschien 1938 in der 1. Auflage im Verlag Walter Loepthien Meiringen. Das Büchlein war unter dem Mädchennamen Elisabeth Schlachter verfasst. Die Kurzgeschichten sind im Inhaltsverzeichnis wie folgt aufgeführt:
-Statt Vorwort, Eine ganz wahre, kleine Geschichte -Mein Vater ist reich Der Meccanokasten Das geheimnisvolle Weihnachtspäcklein Mütterchen Regeli Pro Juventute Hallo Radio! Meta´s Erlebnis
Im Prolog "Eine ganz wahre, kleine Geschichte" erzählt sie uns eine kleine Geschichte ihrer Jugend, als Tochter des bekannten Predigers der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern Franz Eugen Schlachter. Es folgt diese kleine rührende Geschichte:
„Wir hatten mit unserm Vater eine herrliche Spätherbstwanderung auf den Jurahöhen gemacht. Es war einer jener wunderschönen, lockenden Martinssommertage gewesen, die aber schon etwas von der Rauheit und Tücke des Winters in sich tragen, weil dem leuchtenden Licht so schnell und früh das Dunkel des Abends folgt. Eigentlich hätten wir beim Vernachten schon der Stadt zuwandern sollen, aber nun waren wir noch hoch oben in einem Tannenwald und hatten den Weg verloren. Meinem wander- und wegekundigen Vater passierte das sozusagen nie. Aber jetzt stapften wir Kinder schon eine ganze Zeit hinter ihm her, hierhin – dorthin – und die Müdigkeit schlich hinter den jungen Füßen, wie ein hindernder Wandergeselle. Durch den engen düstern Tannenwald, in den sich schon Schatten der Nacht schlichen, gelangten wir an einen jäh abfallenden Abhang – aber da war auch nicht Weg und Steg zu finden. „Papa, wir wollen doch beten!“ kam es weinend aus unseren gepressten Kinderherzen. Vielleicht hatte das unser Papa im stillen schon getan, obschon ja große, starke Männer nicht so schnell verzagt sind, wie müde Kinder. Unser großer, gescheiter Papa tröstete uns aber nicht mit klugen, sichern Worten: „Seid nur ruhig, wir werden den Weg schon finden!“ Nein, unser Papa nahm mitten im dämmrigen Walde seinen Hut ab, und faltete die Hände. Er wusste, dass der liebe Gott ein König und Herr aller Herzen ist, dem man ehrerbietig begegnet. Und weil der liebe Gott nicht nur ein König und ein Herr ist, sondern auch unser Freund, so fragte Papa ihn in einigen schlichten Worten um den Weg, so wie man einen eben angetroffenen Freund um den Weg fragt. Darauf ging er noch einmal suchend einige Schritte am steilen Waldabhang hin und her. Plötzlich rief er fröhlich: „Da Kinder, hier geht´s! Es ist zwar nur eine Holzschleife, die ziemlich stark abfällt, aber da unten muss dann die große Straße sein“. Sorgfältig, ein Schritt vor den andern ging´s die steile, steinige Rinne hinab, aber wir waren alle so zuversichtlich und froh, denn der liebe Gott hatte uns doch diesen Weg gezeigt. Freilich waren wir noch weit, weit von zu Hause weg und würden wohl noch sehr müde werden, bis wir dort anlangten, denn eine Fahrgelegenheit gab es nicht. – Und sieh da! Schon leuchtete die Fahrstraße weißlich unten am wilden, steilen Hange auf, und als wir auf festen Füßen auf ihr standen, wollten wir nach der überwundenen Angst doch gerne und mit Mut diesen Weg unter die Füße nehmen. Kaum ein paar Schritte gegangen, hörten wir hinter uns einen rollenden Wagen, ein Licht blinkte um die Wegbiegung. Mein Vater hält den Fuhrmann an und der lässt uns alle freundlich auf seinen großen Brückenwagen steigen, mit dem er sonst Steine führt. Nun geht es heimzu, durch die schwärzer und schwärzer werdende Nacht. Tief unten liegt die schaurige Taubenlochschlucht ; das Wasser braust unheimlich herauf. Einmal müssen wir sie auf schwindelnd hoher Brücke überqueren, weil die Straße an der andern Bergseite weitergeht. Wir Kinder aber sitzen ganz vergnügt und geborgen hinten auf dem Wagenboden, derweil der Papa mit dem Fuhrmann auf dem Bock ein gemütliches Gespräch führt. Ja, seht so macht es einem der liebe Gott! Hat man ihn um den Weg gebeten, schickt er gleich auch noch einen Wagen dazu!“
Die Erlaubis zur Nutzung der Geschichte wurde freundlicherweise vom Sohn Elisabeth Schlachters, Pfarrer i.R. Franz Baumann aus Hiltgerfingen, erteilt