Zum Inhalt springen

Verstärkte Zusammenarbeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. April 2009 um 00:07 Uhr durch Guidod (Diskussion | Beiträge) (anderer artikel). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Verstärkte Zusammenarbeit (engl. enhanced co-operation) ist ein politischer Mechanismus der Europäischen Union.

Wesen

Aufgrund unterschiedlicher europapolitischer Vorstellungen und Leitbilder streben die Mitgliedstaaten häufig ein unterschiedliches Maß an Integration an bzw. favorisieren hierbei unterschiedliche Geschwindigkeiten. Von jeher strebten die integrationsbereiteren Mitgliedstaaten daher danach, in bestimmten Politikbereichen ggf. auch ohne Mitwirkung der skeptischeren Länder zu kooperieren.

Ursprünglich geschah dies auf der Grundlage des EU-Primärrechts. Das bekannteste Beispiel ist das Schengener Abkommen, an dem ursprünglich von den damals 10 EG-Staaten nur fünf teilnahmen (D, F, BENELUX). Auch heute ist es nur in 22 von mittlerweile 27 Mitgliedstaaten gültig; nicht beteiligt sind das 2004 beigetretene Zypern, die 2007 beigetretenen Länder Rumänien und Bulgarien sowie Großbritannien und Irland, für die Sonderregelungen gelten. Als weiteres Beispiel ist die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu nennen, an der lediglich 15 von 27 EU-Mitgliedern teilnehmen.

Mit dem durch den Amsterdam- 1997 bzw. Nizza-Vertrag 2001 wurde indes ein spezielles Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit geschaffen, das den Mitgliedern eine stärkere Nutzung des institutionellen Rahmens der EU ermöglicht.

Genehmigungsvoraussetzungen

Die materiellen Voraussetzungen für eine verstärkte Zusammenarbeit sind heute in Art. 43ff. EUV geregelt. Es sind dies:

  • Ausrichtung der Zusammenarbeit auf eine Förderungen der Ziele der EU, den Schutz ihrer Interessen und die Stärkung des Integrationsprozesses,
  • Beachtung der Verträge und des einheitlichen institutionellen Rahmens der EU,
  • Beachtung des Besitzstands der Gemeinschaft,
  • Gegenstand der Zusammenarbeit fällt in Zuständigkeitsbereich der EU, ohne in ihre ausschließliche Zuständigkeit zu fallen,
  • keine Beeinträchtigung des Binnenmarkts,
  • keine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der EU,
  • keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten,
  • keine Verzerrung des Wettbewerbs,
  • Keine Beeinträchtigung des Protokolls über die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in die EU,
  • Teilnahme von mindestens 8 Mitgliedstaaten,
  • Beachtung der Zuständigkeit, Rechte und Pflichten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten,
  • Offenstehen der verstärkten Zusammenarbeit für alle Mitgliedstaaten.
  • Verstärkte Zusammenarbeit ist ultima ratio; ihre Ziele können im allgemeinen Rahmen nicht oder nicht in vertretbarem Zeitraum erreicht werden

Genehmigungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren für die verstärkte Zusammenarbeit ist in Art. 11 EGV-Vertrag geregelt.

Nach Art. 11 EGV reichen die betreffenden Mitgliedstaaten den Antrag auf Genehmigung der verstärkten Zusammenarbeit bei der Kommission ein, die ihn ggf. dem Rat zur Entscheidung vorlegt. Der Rat entscheidet hierüber mit qualifizierter Mehrheit und nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Soweit die Zusammenarbeit einen Bereich betrifft, der dem Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV unterfällt, ist sogar die Zustimmung des Parlaments erforderlich.

Durchführung der verstärkten Zusammenarbeit

Die auf einem bestimmten Gebiet verstärkt zusammenarbeitenden Mitgliedstaaten können hierfür die Organe, Verfahren und Mechanismen der EU in Anspruch nehmen, Art. 43 EUV. Für die Beschlussfassung gelten gemäß Art. 44 EUV grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften, jedoch nehmen an ihr nur die Vertreter der an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten teil. Die Vorschriften über die qualifizierte Mehrheit werden für den Bereich der verstärkten Zusammenarbeit entsprechend modifiziert. Die nichtbeteiligten Mitgliedstaaten können lediglich an den Beratungen teilnehmen.

Die gefassten Beschlüsse binden dementsprechend auch nur die teilnehmenden Staaten. Die übrigen EU-Mitglieder dürfen ihre Durchführung aber nicht behindern.

Die Finanzierung der operativen Kosten der verstärkten Zusammenarbeit werden grundsätzlich nur von den teilnehmenden Staaten getragen; der Rat kann aber nach Anhörung des Parlaments einstimmig etwas anderes beschließen. Die Verwaltungskosten der beteiligten Organe werden indes, auch soweit sie durch verstärkte Zusammenarbeit entstehen, aus dem allgemeinen Haushalt finanziert, Art. 44a EUV.

Ausschüsse im Europäischen Parlament

Das Wort "verstärkte Zusammenarbeit" beschreibt ebenfalls die Zusammenarbeit von Ausschüssen im Europäischen Parlament. EP-Geschäftsordnung Artikel 47 "Verfahren mit assoziierten Ausschüssen" reguliert die Zusammenarbeit zwischen Ausschüssen in Sachen Zeitplan, Berichterstatter, betroffenen Vorsitzenden, Änderungsanträge und Vermittlungsverfahren.

Literatur