Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde
Das gemeinschaftliche Leben der Jerusalemer Urgemeinde wird im Allgemeinen als urchristliche Gütergemeinschaft bezeichnet. Im Laufe der Kirchengeschichte hat dieses in der Apostelgeschichte beschriebene Gemeindemodell immer wieder inspirierend gewirkt und zahlreiche Versuche hervorgebracht, als überzeugte Christen ganz oder teilweise in Gütergemeinschaft zu leben.
Der neutestamentliche Hintergrund
Der Evangelist Lukas beschreibt in Apostelgeschichte 2,24-47 die Anfänge der Jerusalemer Urgemeinde wenige Wochen nach der Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi mit folgenden Worten:
- Diejenigen, die nun bereitwillig sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und es wurden an jenem Tag etwa 3000 Seelen hinzugetan. Und sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und in den Gebeten. Es kam aber Furcht über alle Seelen, und viele Wunder und Zeichen geschahen durch die Apostel. Alle Gläubigen waren aber beisammen und hatten alle Dinge gemeinsam; sie verkauften die Güter und Besitztümer und verteilten sie unter alle, je nachdem einer bedürftig war. Und jeden Tag waren sie beständig und einmütig im Tempel und brachen das Brot in den Häusern, nahmen die Speise mit Frohlocken und in Einfalt des Herzens; sie lobten Gott und waren angesehen bei dem ganzen Volk. Der Herr aber tat täglich die zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. (Schlachterbibel 2000)
In Apostelgeschichte 4,32-37 werden uns weitere Einzelheiten dieser Gütergemeinschaft mitgeteilt:
- Und die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seinen Gütern sein Eigen sei, sondern alle Dinge waren ihnen gemeinsam. Und mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war auf ihnen allen. Es litt auch niemand unter ihnen Mangel; denn die, welche Besitzer von Äckern oder Häusern waren, verkauften sie und brachten den Erlös des Verkauften und legten ihn den Aposteln zu Füßen; und man teilte jedem aus, so wie jemand bedürftig war. Joses aber, der von den Aposteln den Beinamen Barnabas erhalten hatte (das heißt übersetzt: »Sohn des Trostes«), ein Levit, aus Zypern gebürtig, besaß einen Acker und verkaufte ihn, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.(Schlachterbibel 2000)
Es gab offensichtlich einige in der Jerusalemer Gemeinde, die sich der Gütergemeinschaft zu entziehen versuchten; die Apostelgeschichte berichtet davon in Kapitel 5,1-11:
- Ein Mann aber mit Namen Ananias verkaufte ein Grundstück zusammen mit seiner Frau Saphira, und schaffte etwas von dem Erlös für sich beiseite mit Wissen seiner Frau; und er brachte einen Teil davon und legte ihn den Aposteln zu Füßen. Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, so dass du den Heiligen Geist belogen hast und von dem Erlös des Gutes etwas für dich auf die Seite geschafft hast? Hättest du es nicht als dein Eigentum behalten können? Und als du es verkauft hattest, war es nicht in deiner Gewalt? Warum hast du denn in deinem Herzen diese Tat beschlossen? Du hast nicht Menschen belogen, sondern Gott! Als aber Ananias diese Worte hörte, fiel er nieder und verschied. Und es kam große Furcht über alle, die dies hörten. Und die jungen Männer standen auf, hüllten ihn ein, trugen ihn hinaus und begruben ihn. Und es geschah, dass nach ungefähr drei Stunden auch seine Frau hereinkam, ohne zu wissen, was sich ereignet hatte. Da richtete Petrus das Wort an sie: Sage mir, habt ihr das Gut um so und so viel verkauft? Sie sprach: Ja, um so viel! Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr übereingekommen, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür, und sie werden auch dich hinaustragen! Da fiel sie sogleich zu seinen Füßen nieder und verschied; und als die jungen Männer hereinkamen, fanden sie sie tot und trugen sie hinaus und begruben sie bei ihrem Mann. Und es kam große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle, die dies hörten. (Schlachterbibel 2000)
Dass die Gütergmeinschaft auch zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen der Jerusalemer führte, berichtet die Apostelgeschichte in Kapitel 6,1-4:
- In jenen Tagen aber, als die Zahl der Jünger wuchs, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Hilfeleistung übersehen wurden. Da beriefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen, um bei den Tischen zu dienen. Darum, ihr Brüder, seht euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die ein gutes Zeugnis haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind; die wollen wir für diesen Dienst einsetzen, wir aber wollen beständig im Gebet und im Dienst des Wortes bleiben! (Schlachterbibel 2000)
Eine Reihe von Bibelauslegern vermuten mit dem Hinweis auf Römer 15,25-29 , dass das Projekt der urchristlichen Gütergemeinschaft letztendlich gescheitert sei:
- Jetzt aber fahre ich hin nach Jerusalem, um den Heiligen zu dienen. Denn die in Mazedonien und Achaja haben willig eine gemeinsame Gabe zusammengelegt für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem. Sie haben's willig getan und sind auch ihre Schuldner. Denn wenn die Heiden an ihren geistlichen Gütern Anteil bekommen haben, ist es recht und billig, daß sie ihnen auch mit leiblichen Gütern Dienst erweisen. Wenn ich das nun ausgerichtet und ihnen diesen Ertrag zuverlässig übergeben habe, will ich von euch aus nach Spanien ziehen. Ich weiß aber, wenn ich zu euch komme, daß ich mit dem vollen Segen Christi kommen werde. (Schlachterbibel 2000; vgl.2. Korinther, 8 und 9; Galater 2,10)
Deutungsvarianten
Die Frage, warum die Jerusalemer Urgemeinde als einzige der bekannten neutestamentlichen Gemeinden Gütergemeinschaft praktiziert hat, wird in der Forschung unterschiedlich und zum Teil auch kontrovers beantwortet.
Manche Ausleger erklären die Gütergemeinschaft mit der Annahme, dass die Mitglieder der Jerusalemer Gemeinde durch ihre Bekehrung zum Christentum aus dem traditionellen jüdischen Sozialsystem herausgefallen sind und dadurch mittellos wurden. Die Gütergemeinschaft wäre demzufolge eine Antwort auf die soziale Not bestimmter Gemeindeschichten gewesen.
Eine weitere These versucht die Gütergemeinschaft mit der Lebensgemeinschaft zwischen Jesus und seinen Jüngern zu erklären. Dieses Vorbild habe aus Gründen der Zeit- und Ortsnähe anfangs noch eine prägende Kraft entfaltet.
Die kritische Sicht von Reichtum und Besitz in der Verkündigung Jesu (http://www.bibel-online.net/buch/40.matthaeus/19.html#19,24)) sieht ein weiterer Erklärungsversuch als Hauptursache für das Leben in ganzheitlicher Gemeinschaft.
Eine intensive Naherwartung der Wiederkunft Christi, wie sie in der Anfangspahse des frühen Christentums überall vorhanden war, geben Andere als Begründung für die Gütergemeinschaft an. Angesichts "des Endes aller Dinge" (1. Petrus 4,7ff) verloren materieller Besitz und persönlicher Reichtum an Bedeutung.