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Nilometer von Roda

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Die Nilometer (arab. miqyas), offene, über Kanäle mit dem Nil verbundene Schächte mit einer Pegelsäule in der Mitte, dienten bis zum Bau des Staudamms bei Assuan zur alljährlichen Messung des Nilstands. Vom Stand der Hochwassers hingen nicht nur die Ernteerträge Ägyptens ab, sondern nach der Nilhöhe richtete sich auch die Besteuerung der Felder.

So bedeuteten, wie der römische Naturforscher Plinius in seiner Naturgeschichte berichtet, für die Ägypter "zwölf Ellen Hunger, dreizehn Genügen, vierzehn Freude, fünfzehn Sicherheit und sechszehn Überfluss". Ab diesem Wert wurde es jedoch schon bald bedrohlich: Stieg der Nil höher als die sechszehn Ellen des Überfluss, drohten katastrophale Überschwemmungen.

Auf dem Tempelgelände in Karnak sind Reste eines Nilometers aus pharaonischer Zeit erhalten, daneben befanden sich Nilometer in Memphis, Dendera und auf der Insel Elephantine.

Der bedeutendste Nilometer aus islamischer Zeit wurde unter der Ägide des Umayyadenkalifen Sulaiman Ibn Abd al-Malik 715/716 auf der Südspitze der Insel ar-Rauda errichtet. Nachdem dieser durch ein Hochwasser zerstört wurde, ließ ihn der Abbasidische Kalif al-Mutawakkil 861 neu aufbauen.

Das Gebäude besteht aus einem im oberen Teil quadratischen, im unteren runden Schacht, in dessen Mitte früher eine Säule, heute ein Pfeiler aufragt, der oben von einem Balken gestützt wird. An den Seitenwänden, die der Architekt Ahmad Ibn Muhammad al-Chasib kunstvoll mit Koraninschriften verziert hat, führt eine Treppe hinunter. Durch einen waagrechten Kanal, der regelmäßig vom Schlamm befreit werden mußte, war der Schacht mit dem Nil verbunden. Der Pfeiler trug die Markierungen für den Nilstand.

Während auch nach der islamischen Eroberung Ägypten noch lange Jahre koptische Christen das Amt des "Pegelwärters", des qayas, innehatten, wurde das Amt beim Neubau einem Muslim, einem gewissen 'Abdallah Ibn ar-Raddad übertragen, in dessen Familie sich das Amt bis ins 20. Jahrhundert weitervererbte.

Neben der Pflege des Gebäudes und der regelmäßigen Reinigung des Kanals, war die wichtigste Obliegenheit des qayas das Ablesen des Pegelstands. Während früher der Nilstand öffentlich verkündet wurde, verbot der Fatimidenkalif al-Mu'izz 973 diese Praxis aus Sorge vor Unruhen. Der Pegelwärter erstattete nur dem Kalifen und dem Wesir Bericht; erst wenn der Nil eine Höhe erreicht hatte, bei der keine Hungersnot mehr zu befürchten war, wurde der Stand öffentlich bekanntgegeben. So wollte man die Hamsterkäufe und Preissteigerungen verhindern, die eintraten, wenn das Nilhochwasser auszubleiben drohte.

Das Erreichen der sechzehnten Elle (nach arabischem Maß, entspricht der vierzehnten von Plinius) wurde in einer Zeremonie gefeiert. An diesem Tag begab sich der Kalif in feierlicher Prozession zum Nilometer und verrichtete am Schacht das Gebet. Anschließend mischte er eigenhändig Safran und Moschus, mit denen der Pegelwärter sich nun in den Schacht hinunterließ und die Säule salbte.

Am Folgetag wurde der Pegelwärter vom Kalifen im Palast mit einem golddurchwirkten Ehrengewand bekleidet und zog, von Trommlern, Trompetern und seiner ganzen Sippe begleitet, durch Kairo wieder zurück zum Nilometer.


Literatur

  • Heinz Halm: Die Fatimiden in Kairo. München 2003, S.54ff