Rudolf John Gorsleben

Rudolf John Gorsleben (eigentlich Rudolf John) (* 16. März 1883 in Metz; † 23. August 1930 in Bad Homburg vor der Höhe) war ein ariosophisch orientierter Runologe und Esoteriker. Seine Spezialgebiete waren die Edda sowie Runen und Runenmagie.
Leben
Gorsleben wuchs im Elsaß auf. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Soldat teil, wurde Leutnant und kämpfte in einer der osmanischen Armee angeschlossenen deutschen Einheit in Arabien. Nach der Rückkehr nach Deutschland bekam er Kontakt mit Dietrich Eckart, durch den er mit der Thule-Gesellschaft in Verbindung kam und wo am 18. Dezember 1920 einen Vortrag über den „arischen Menschen” hielt. Während der Münchener Räterepublik wurde er als Geisel genommen, konnte jedoch flüchten.[1]
Für das Anfang 1919 geschaffene Reichswehrkommando 4, der Nachrichten-, Presse- und Propagandaabteilung, die die politische Aufklärung der Truppe zur Aufgabe hatte, wurde er von dessen Leiter, Hauptmann Mayr, ebenso wie Gottfried Feder und Karl Alexander von Müller als politischer Lehrer angeworben.[2] Für den radikal antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund wurde er im Juni 1921 Gauleiter für Südbayern,[1] überwarf sich bald jedoch mit dem Bund[3]. Daraufhin wandte er sich von der Politik ab und widmete sich vornehmlich seinen ideologischen und literarischen Interessen.[4]
In München übernahm er 1926 ein Wochenblatt, das er in „Deutsche Freiheit”, später in „Arische Freiheit” und schließlich in „Hagal” umbenannte. Er wurde zudem Schriftleiter der „Zeitschrift für Menschenerkenntnis”. Bereits 1922 zog er nach Dinkelsbühl,[3] wo er unter anderem in den Fachwerken Runen zu erkennen glaubte. Hierzu erschien 1928 sein Buch über das Geheimnis von Dinkelsbühl.
Gorsleben gehörte zum Freundeskreis des Lanz von Liebenfels, war - unter dem Namen Fra Rig[5] - Mitglied des von Lanz am 25. Dezember 1900 gegründeten Ordo Novi Templi (Neutemplerorden)[5] und der Guido-von-List-Gesellschaft[6] und wurde von der Ariosophie, wie sie von Guido von List und Lanz von Liebenfels vertreten wurde, inspiriert.[7]
Die Edda hat er ins Deutsche übertragen (sog. „Gorsleben-Edda”). Das Werk erschien zuerst 1920 und in der Folge in weiteren Auflagen. Daneben schrieb er unter anderem Gedichte, eine Komödie und seine Kriegserinnerungen. Von der Edda behauptete er, sie sei in Atlantis erschienen [8]. In der Edda sah er ebenso wie in der Bibel und in den Veden geheime Inhalt urarischer Herkunft, die er deuten wollte[9].
Die Edda-Gesellschaft
Gorsleben gründete am 29. November 1925 in Dinkelsbühl die Edda-Gesellschaft,[5] eine Art Lesegemeinde um die Edda-Übersetzung Gorslebens. Die Edda-Gesellschaft hatte in den folgenden Jahren mehrere hundert Mitglieder.[9] Die Mitgliedschaft war unabhängig von der Mitgliedschaft in (anderen) religiösen Gemeinschaften.[9] Nach dem Tod Gorslebens 1930 wurde Werner von Bülow neuer Vorsitzender, der bereits seit 1929 neuer Schriftleiter der Zeitschrift der Edda-Gesellschaft Hag All (Hagall) war. Die Zeitschrift hatte nach eigenen Angaben über 2000 Abonnenten, die weit über den Kreis der Mitglieder hinausging. Ein großer Teil der Abonnenten trat 1933 dem Kampfbund für deutsche Kultur bei.[9]
Die religiöse Zielsetzung der Edda-Gesellschaft wird aus dem Untertitel ihrer Zeitschrift deutlich: „Arische Freiheit. Monatsschrift für Arische Gottes- und Welterkenntnis, für seelische Läuterung, geistige und körperliche Hochzucht durch artgerechtes Wissen und Weisen, Wirken und Werden, Richten und Raten, Schauen und Schaffen, Helfen und Heilen, Ackern und Ernten, Atmen und Essen zur Lebensmeisterschaft“.[9]
Die Edda-Gesellschaft wirkte in der Anfangszeit der Ende Juli 1933 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung durch mehrere Einzelmitglieder mit.[10]
Rezeption
Seine Edda-Übersetzung wurde unter anderem von Mathilde Ludendorff rezipiert.[9] Sein Werk Hoch-Zeit der Menschheit, das 1930 im Leipziger Verlag Koehler & Amelang erschien, wird noch heute in neopaganistischen[7] und religiös-völkischen Kreisen empfohlen und gilt als Standardwerk der arischen Runen-, Rassen- und Religionskunde. In diesem Buch legte er seine Weltanschauung nieder und „mischte in ariosophischer Manier völkische Elemente, wie Rassismus, Kulturpessimismus, Wissenschaftskritik und Antimaterialismus, mit Versatzstücken aus Werken von List und Lanz”.[4] Gorsleben behauptete, die Ur-Schrift, Ur-Sprache und Ur-Sinn in den Runen entdeckt zu haben.[4] Die Quelle für seine Spekulationen war einerseits die Lieder-Edda, andererseits die Bibel.[11] Das Buch wurde 1981 und 1986 vom Bremer „Faksimile-Verlag/ Versand” neu herausgegeben.[12] Eine weitere Ausgabe von 1993 wurde in der Bundesrepublik Deutschland verboten.
Gorslebens Runenmagie und -symbolik wird heute auch von zahlreichen Esoterikern, weit über den engen Kreis neopaganistisch-völkischer Gruppen hinaus, wenn auch unter Ablehnung der rassistischen Elemente, rezipiert.[7][13] Dagegen werden Gorslebens völkische Ideologeme[14] von Kreisen der Neuen Rechten und von Sigrid Hunke aufgegriffen.[15] Uwe Puschner analysiert anhand Gorsleben, dass das völkische Dogma der Einheit von Religion und Rasse zwangsläufig in den Antisemitismus münde.[14] So heißt es bei Gorsleben: da „in jedem Arier […] noch ein Rest vom Willen zum Guten […] als ein Trümmerstück des Göttlichen aus Rasse und Religion [erhalten ist]“, sei „der Jude […] bereits durch die Geburt wie durch Gesetz und Erziehung vom Willen zum Bösen bestimmt“.[14]
Einzelnachweise
- ↑ a b Peter Orzechowski: Schwarze Magie - Braune Macht, Ravensburg 1987, S. 59 ISBN 3-926532-05-X
- ↑ Peter Orzechowski: Schwarze Magie - Braune Macht, Ravensburg 1987, S.22f. ISBN 3-926532-05-X
- ↑ a b Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle: Thule, 2. Aufl., S. 26 ISBN 3-89657-090-0
- ↑ a b c Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Neugermanisches Heidentum im 20. Jahrhundert, Heidelberg 1992, S.106 ISBN 3-533-04582-X
- ↑ a b c Friedrich Paul Heller und Anton Maegerle: Thule, 2. Aufl., S. 25 ISBN 3-89657-090-0
- ↑ Peter Orzechowski: Schwarze Magie - Braune Macht, Ravensburg 1987, S. 23 ISBN 3-926532-05-X
- ↑ a b c Stefanie von Schnurbein: Göttertrost in Wendezeiten, München 1993, S. 72 ISBN 3-532-64003-1 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „Schnurbein, 1993“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Neugermanisches Heidentum im 20. Jahrhundert, Heidelberg 1992, S.107 ISBN 3-533-04582-X
- ↑ a b c d e f Ulrich Nanko: Die Deutsche Glaubensbewegung. Eine historische und soziologische Untersuchung. Diagonal-Verlag, Marburg 1993, S.52 ISBN 3-927165-16-6
- ↑ Ulrich Nanko: Die Deutsche Glaubensbewegung. Eine historische und soziologische Untersuchung. Diagonal-Verlag, Marburg 1993, S.73, S.149 ISBN 3-927165-16-6
- ↑ Stefanie von Schnurbein: Religion als Kulturkritik. Neugermanisches Heidentum im 20. Jahrhundert, Heidelberg 1992, S.106f. ISBN 3-533-04582-X
- ↑ Stefanie von Schnurbein: Göttertrost in Wendezeiten, München 1993, S. 152 ISBN 3-532-64003-1
- ↑ Karlheinz Weißmann: Druiden, Goden, Weise Frauen. Zurück zu Europas alten Göttern. Herder/Spektrum. Freiburg 1991, S. 153 ISBN 3-89657-090-0
- ↑ a b c Uwe Puschner: Weltanschauung und Religion – Religion und Weltanschauung. Ideologie und Formen völkischer Religion. In: zeitenblicke 5 (2006), Nr. 1
- ↑ Alfred Schobert: Netze, Viren, Ströme – Wurzeln und das Reich oder Wie Alain de Benoist mit Carl Schmitt der „Dampfwalze der Globalisierung“ trotzen will. In: kultuRRevolution – Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie H. 44, S. 23-33
Zeitschrift
- Deutsche Freiheit. Monatsschrift für Arische Gottes- und Welterkenntnis. Herausgegeben von Rudolf John Gorsleben, 1925 bis 1926, München (3.1925 und 4.1926)
- Arische Freiheit. Monatsschrift für arische Gottes- u. Welterkenntnis, 1927, Dinkelsbühl (5.1927)
- Hag-All, All-Hag. Zeitschrift für arische Freiheit, Edda-Gesellschaft, 1930 bis 1934, Mittenwald, Obb. (7.1930 bis 11.1934)
Werke
- Der Freibeuter, Drama, 1913
- Der Rastäquar, Drama, 1913
- Die königliche Waschfrau, Lustspiel, 1918
- Die Überwindung des Judentums in uns und außer uns. 71 S., Deutscher Volksverlag Dr. Ernst Boepple, München 1920
- Die Edda. Übertragen von Rudolf John Gorsleben. Die Heimkehr (W. Simon, Buchdr. u. Verlag), Pasing 1920
- Gedichte, 1921
- Das Blendwerk der Götter (Gylfaginning). Aus d. jüngeren Edda ins Hoch-Deutsche übertr. von Rudolf John Gorsleben. 75 S., Die Heimkehr (W. Simon, Buchdr. u. Verlag), Pasing 1923
- Die Edda, Band 1. Lieder- Edda. Heldenlieder, Sprüche, Götterlieder - was wirklich in der Edda steht. Reprint von 2002 ISBN 3831140006
- Festschrift zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Hammer 1901 - 1926. Den Mitarbeitern zugeeignet, Hammer, Leipzig, 1926. Sammelwerk. Enthält: Rudolf John Gorsleben: Gedanken um Zeit und Ewigkeit
- Das Geheimnis von Dinkelsbühl. Eine tiefgründige und doch kurzweilige Abhandlung über den Ursprung der Stadt, ihre Geschichte, die Herkunft des Wappens, über den Brauch der uralten „Kinderzeche” und über die Bedeutung einer rätselhaften Inschrift der Geheimen Bruderschaft der Bauhütte, hauptsächlich an Hand der Kenntnis der Runen / entdeckt, entziffert u. erklärt von Rudolf John Gorsleben, 70 S., Brückner, Berlin 1928 (Wunder der Heimat, H. 1)
- Das Geheimnis von Dinkelsbühl… Reprint: Antiquariat an der Segringer Straße, Dinkelsbühl 2004.
- Hoch-Zeit der Menschheit. XXV, 689 S., Ill., Koehler & Amelang, Leipzig 1930
- Hoch-Zeit der Menschheit. XXV, 689 S., Ill., Neudr. der Ausgabe Leipzig 1930, Faksimile-Verl./Versand, Bremen 1981 (Historische Faksimiles)
- Hoch-Zeit der Menschheit. XXV, 764 S., Ill., Faks.-Nachdr. der Ausg. Leipzig 1930, Faks.-Verl., Bremen 1993 ISBN 3-8179-0025-2 (Serie Forschungsreihe „Historische Faksimiles”)
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Gorsleben, Rudolf |
ALTERNATIVNAMEN | John, Rudolf (eigentlich) |
KURZBESCHREIBUNG | ariosophisch orientierter Runologe und Esoteriker |
GEBURTSDATUM | 16. März 1883 |
GEBURTSORT | Metz |
STERBEDATUM | 23. August 1930 |
STERBEORT | Bad Homburg vor der Höhe |