Stärke als nachwachsender Rohstoff

Stärke, vor allem Kartoffelstärke, Maisstärke und Weizenstärke, gehört aufgrund seiner vielfältigen Anwendungen in der chemisch-technischen Industrie neben Holz und Zucker zu den wichtigsten nachwachsenden Rohstoffen. Die Hauptanwendungsbereiche für Stärke liegen in der Herstellung von Papier und Wellpappen als Papierstärke sowie in der Fermentationsindustrie als fermentierbares Substrat zur Herstellung verschiedener Plattformchemikalien und Bioethanol als Biokraftstoff.
Aufbau und Eigenschaften


→ Hauptartikel: Stärke
Stärke ist als Polysaccharid ein natürliches Biopolymer, das in Form von Stärkekörnern als Energiespeicherstoff in die Zellen von Pflanzen eingelagert wird. Sie besteht aus α-D-Glucose-Einheiten (Monomere), die über glykosidische Bindungen miteinander verknüpft sind. Dadurch ergibt sich die chemische Formel (C6H10O5)n, wobei C für den enthaltenen Kohlenstoff, H für den Wasserstoff und O für für den Sauerstoff steht. Im Normalfall besteht ein Stärkemolekül aus 104 bis 106 Glucoseeinheiten, wobei es zwei verschiedene Typen gibt:
- 20–30 % der Stärke besteht aus Amylose, linearen Ketten mit helikaler (Schrauben-)Struktur, die nur α-1,4-glykosidisch verknüpft sind und
- 70–80 % besteht aus Amylopektin, stark verzweigten Strukturen, mit α-1,6-glykosidischen und α-1,4-glykosidischen Verknüpfungen.
Aufgrund der OH-Gruppen sowie der glykosidischen Bindung der einzelnen Monomere lässt sich Stärke auf unterschiedliche Arten chemisch modifizieren und so für unterschiedliche Zwecke nutzbar machen. So gewinnt man durch verschiedene Substitutionen Stärkeether (Stärke-O-R) oder Stärkeester (Stärke-O-CO-R), außerdem lassen sich verschiedene Moleküle mit dem Stärkepolymer verknüpfen (R-O-Stärke-O-R und/oder R-OC-O-Stärke-O-CO-R). Durch Oxidation der primären OH-Gruppen lassen sich oxidierte Stärken sowie Stärkemoleküle mit vermehrten COOH- oder CHO-Gruppen gewinnen, bei einer Oxidation der sekundären OH-Gruppen resultieren vermehrte CHO- und CO-Gruppen sowie Ringbildungen der Moleküle C2 und C3. Bei der Thermolyse und der Pyrolyse lässt sich unter Abscheidung von Wasser Laevoglucosan gewinnen, das als Ausgangsstoff für eine Reihe von Produkten genutzt werden kann.[1]
Durch Hydrolyse mit Hilfe von Enzymen oder Säuren können die glykosidischen Bindungen aufgebrochen werden, wodurch verschiedene modifizierte Stärken, Dextrine sowie stärkebasierte Zuckerstoffe entstehen. Zu letzteren gehören vor allem Glucose (Dextrose), Maltodextrin, Glucosesirup, Maltose, Fructose und Sorbitol.
Herkunft und Zusammensetzung

Stärke für technische Anwendungen wird aus verschiedenen Nutzpflanzen gewonnen. Die international wichtigsten stärkeliefernden Pflanzen stellen dabei Kartoffeln, Mais und Weizen dar, national können Stärkepflanzen wie Maniok (Tapioka, auch Cassava), Reis und Süßkartoffel eine größere Rolle spielen. Diese Pflanzen stellen den Hauptteil der Stärkeweltproduktion von etwa 45 Millionen Tonnen. Hinzu kommen weitere Getreidesorten (Gerste, Roggen, Triticale), Erbsen, Sagopalmen (Sago) und Yamswurzeln, die vor allem als Stärkelieferanten in der Ernährungs- und Futtermittelversorgung genutzt werden.
Die Anteile der Stärkearten Amylose und Amylopektin variieren je nach Art und Sorte der Stärkepflanze. Da für die industrielle Verwertung vor allem Amylopektin benötigt wird, werden Stärkepflanzen mit möglichst hohem Amylopektingehalt bevorzugt. So befindet sich in der EU derzeit die gentechnisch veränderte Stärke-Kartoffelsorte Amflora im Zulassungsverfahrern, deren Stärke fast ausschließlich aus Amylopektinen besteht[2]. Die Züchtung der Gerstensorte "waxyGerste" dagegen, deren Stärke zu 95% aus Amylopektin besteht, beruht auf konventionellen Methoden[3].
Die verschiedenen Pflanzen unterscheiden sich nicht nur in ihrem Stärkegehalt sondern auch in der Zusammensetzung der Stärke sowie dem Gehalt an anderen Inhaltsstoffen wie Proteinen, Lipiden und Mineralstoffen sowie im Feuchteghalt der unbehandelten Stärke. Diese Inhaltsstoffe machen im Regelfall etwa ein Prozent aus, die Feuchte liegt zwischen 10 und 20% der Stärkemasse. Feuchtegehalt und Gehalt der Inhaltsstoffe werden über verschiedene nationale und internationale Standards geregelt.
In der unten stehenden Tabelle werden die Stärkegehalte verschiedener Stärkepflanzen dargestellt (Stärkegehalt der genutzten Pflanzenteile). Außerdem sind der Gehalt an Proteinen, Lipiden und Mineralstoffen in der Stärke sowie der durchschnittliche Feuchtegehalt dargestellt:[4]
Rohstoffpflanze | Stärkegehalt (in % der genutzten Pflanzenteile) |
Proteingehalt (in % der Stärke) |
Lipidgehalt (in % der Stärke) |
Mineralgehalt (in % der Stärke) |
Feuchte (in % der Stärke) |
Bild |
---|---|---|---|---|---|---|
Erbse | 40 | 0,55–1,0 | 0,08 | 0,45 | 14-16 | ![]() |
Gerste | 75 | 0,5 | 0,1 | 0,2 | 11–14 | ![]() |
Kartoffel | 82 | 0,06–0,2 | 0,05 | 0,4–0,5 | 17–21 | ![]() |
Mais | 71 | 0,3–0,5 | 0,6–0,7 | 0,1–0,2 | 11–14 | ![]() |
Maniok | 77 | 0,1–0,3 | 0,01 | 0,2–0,5 | 12–18 | ![]() |
Reis | 89 | 0,4–0,5 | 0,5–0,8 | 0,5 | 12–14 | ![]() |
Roggen | 72 | 0,14–0,3 | 0,4–1,5 | 0,15–0,25 | 11–14 | ![]() |
Sorghum | 74 | 0,2–0,3 | 0,2–1,8 | 0,04–0,13 | 11–14 | ![]() |
Süßkartoffel | 72 | 0,2 | Spuren | 0,1–0,5 | 13–18 | ![]() |
Triticale | 74 | 0,2–0,3 | 0,2–1,8 | 0,04–0,13 | 11–14 | ![]() |
Weizen | 74 | 0,4–0,5 | 0,5–0,8 | 0,15–0,2 | 11–14 | ![]() |
Verwendung
Der Hauptteil von Stärke und deren Produkte wird in der Herstellung von Süßwaren, Backwaren, Milchprodukten und insbesondere Getränken in Form von stärkebasierten Zuckerstoffen (vor allem Glukosesirup, Dextrose und Isoglukose) verwendet. Deren Bedarf orientiert sich vor allem an der Einkommens- und Werbungsinduzierten Nachfrage, wobei für keinen dieser Bereiche wesentliche Steigerungsraten erwartet werden. Aufgrund der Eigenschaften der Stärke als modifizierbares Polymer sowie seiner Zusammensetzung aus fermentierbaren Zuckereinheiten wird Stärke allerdings auch als nachwachsender Rohstoff in der chemisch-technischen Industrie vielfältig eingesetzt.
Stärke in der Papierindustrie
Die Verwendung von Stärke im technischen Bereich ist durch Anwendungen im Papier- und Pappebereich dominiert, die derzeit etwa 700.000 t pro Jahr ausmachen. Die Verwendung ist stark steigend, der jährliche Zuwachs betrug in den vergangen fünf Jahren 3-5%. Vor allem Verpackungen zeigen erhebliches Wachstum und aktuell gibt es keine Anzeichen, dass dieses in den kommenden Jahren signifikant abnehmen wird.

Stärke wird bei der Papierherstellung zur Behandlung der Papieroberfläche, der so genannten Leimung bzw. Imprägnierung, eingesetzt. Sie verschließt aufgrund der Polymerisierung des enthaltenen Gluten die Oberfläche und verbessert damit die Eigenschaften des Papiers, um es beschreib- oder mit wässrigen oder alkoholischen Tinten bedruckbar zu machen. Der Effekt beruht auf einer Hydrophobierung des Papiers, das in seinem Normalzustand hydrophil ist. In ungeleimtem Zustand würden wasserbasierte und niedrigviskose Schreibmaterialien wie Tinte oder Tusche verlaufen, und die Kapillarität des Papieres würde so ein sauberes Schriftbild behindern, wie bei ungeleimten Produkten wie etwa Toilettenpapier oder Küchenkrepp der Fall ist. Ähnliche Effekte können auch durch den Einsatz von modifizierter Cellulose (beispielsweise Carboxymethylcellulose) oder Polyvinylalkohol erreicht werden.
Bei der Herstellung von Wellpappe wird Stärke vor allem als Stärkekleister eingesetzt, um die Papierschichten miteinander zu verkleben.
Stärke als Fermentationssubstrat

Stärke stellt als Glucosepolymer einen natürlichen Energiespeicher für Pflanzen dar, der entsprechend im Stoffwechsel von fast allen Organismen abgebaut werden kann. In der Fermentationsindustrie bzw. Biotechnologie stellt Stärke entsprechend neben Saccharose das wichtigste Substrat zur Gewinnung verschiedener Produkte dar, die von Bakterien oder Pilzen produziert werden. Das Spektrum reicht dabei von Bioethanol über verschiedene Aminosäuren, Organische Säuren wie Zitronensäure und Essigsäure, Enzymen und Antibiotika bis zu Biomonomeren und -polymeren wie Polyhydroxyalkanoate (PHA; u.a. Polyhydroxybuttersäure, PHB) oder Polymilchsäure (PLA).
Die Produktion ist in der Regel unabhängig vom Substrat, bei fast allen Fermentationsprozessen können also sowohl Stärke als auch Saccharose sowie verschiedene zuckerhaltige Produkte (in der Regel Dicksaft und Melasse) genutzt werden. Da auch die Cellulose als Hauptbestandteil des Holzes ein Zuckerpolymer darstellt, steht diese für zukünftige Anwendungen, v.a. der Produktion von Cellulose-Ethanol sowie der Verwendung in der Bioraffinerie, ebenfalls als alternatives Substrat zur Diskussion.
Stärkebasierte Kunststoffe

→ Hauptartikel: Biokunststoff
Für biobasierte Kunststoffe werden international hohe Zuwachsraten prognostiziert, vor allem für den Bereich der Verpackungsindustrie. Dabei spielt neben den Celluloseacetaten vor allem Kunststoffe auf der Basis von Zucker und Stärke eine große Rolle. Die Wachstumsraten sind zweistellig und erreichen in einigen Bereichen bis zu 50% pro Jahr. Wichtigste Biokunststoffe sind dabei Thermoplastische Stärken (TPS) und Stärkeblends, extrudierte Stärke und Polymilchsäure (PLA) (in der Reihenfolge ihrer Marktanteile). Alle weiteren Biokunststoffe wie Polyhydroxyalkanoate (PHA) machen zusammen weniger als 5% aus.
Wichtig werden zudem international Kunststoffe, die traditionell petrochemisch hergestellt werden und für die heute Wege einer Herstellung auf biogener Basis bestehen. Dazu gehören vor allem Polyethylen (PE), Polyethylenterephthalat (PET), Polypropylen (PP) und zukünftig wahrscheinlich auch Polyvinylchlorid (PVC) und Polymethylmethacrylat (PMMA).
Während Thermoplastische Stärke, Stärkeblends und stärkegefüllte Polyolefine eine direkte Nutzung von Stärke bzw. modifizierten Stärken darstellen, werden PHAs und PLA fermentativ produziert. Das Fermentationssubstrat kann dabei – wie oben dargestellt – auf unterschiedlichen Rohstoffen aufbauen. Dabei wird aktuell für die Herstellung von PLA vor allem Maisstärke genutzt (NatureWorks in den USA).
Sonstige Anwendungen von Stärke

Neben den dargestellten Hauptverwendungen für Stärke gib es eine Reihe weiterer Verwendungen, vor allem im Bereich der chemischen Industrie, bei der Herstellung von Kosmektikprodukten und Klebstoffen (Stärkekleister) sowie in der Textilindustrie in Form von Wäschestärke. Für diese Anwendungen wird Stärke gegenüber den oben dargestellten Nutzungen nur in vergleichsweise geringen Mengen eingesetzt.
In der Pharmazie verwendet man Stärke in der Tablettenherstellung, bei der sie als Füllstoff, Sprengmittel, Bindemittel und als Pudergrundlage dienen kann.
Sie dient darüber hinaus unter anderem zum Beizen von Baumwolle, zur Färbung mit Anilinfarben, zum Leimen von Papier, sowie zum Verdicken von Farben in der Zeugdruckerei. Im Offsetdruck wird ein Stärkepuder-Luftgemisch, häufig aus Mais, mittels Puderapparaten auf die frisch bedruckte Oberfläche aufgetragen. Das Puder wirkt als Abstandhalter zwischen den übereinandergestapelten Papierbogen und fördert wegen der mit eingeschlossenen Luft das oxidative Trocknen der Druckfarbe.
Belege
Zitierte Belege
- ↑ Artikel Starch, Chemical Properties. In: Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seiten 266-267. ISBN 3-527-30114-3.
- ↑ www.bioSicherheit.de: Gv-Stärkekartoffel als Nachwachsender Rohstoff: Amflora - eine Kartoffel für die Industrie. Abgerufen am 200904-08.
- ↑ http://www.dieckmann-seeds.de/page-de-57/waxygerste.html Dieckmann Seeds: waxyGerste. abgerufen am 2009-04-08.
- ↑ Artikel Starch und Starch, Composition. In: Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seiten 265-266, 267. ISBN 3-527-30114-3.
Literatur
Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seiten 265-266, 267. ISBN 3-527-30114-3.