Zum Inhalt springen

Femeiche

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 7. April 2009 um 23:26 Uhr durch Rainer Lippert (Diskussion | Beiträge) (Femegerichte: erg.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Femeiche

Die Femeiche (früher auch Ravenseiche oder Erler Eiche genannt) in Raesfeld im Kreis Borken ist eine der ältesten Eichen in Deutschland. Die Stieleiche (Quercus robur) steht im Gemeindeteil Erle in der Nähe der Pfarrkirche. Das Alter wird auf über 1.500 Jahre geschätzt. Sie gilt als bekannteste Gerichtsbaum (Femegericht) in Mitteleuropa und ist seit etwa dem Jahre 1900 als Naturdenkmal bei der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Borken gelistet.[1]

Beschreibung

Der Stamm der Eiche ist komplett ausgehöhlt, bis auf drei Stammteile, die sich in etwa vier Meter Höhe vereinen, zerstört. Der Reststamm bildet eine Sekundärkrone, die von mehreren Holzstangen, die teilweise auf Steinplatten ruhen, gestützt wird. Ohne diese Stützen würde der komplette Baum umstürzen. Der Stamm besteht nur noch aus Rinde, die teils nach innen eingerollt ist. Der Stamm ist nachweislich seit etwa 250 Jahre hohl. Die übriggebliebene Stammhülle, die mit Haltestangen zusammengehalten werden, umschließt im inneren einen Hohlraum von mehr als drei Meter Durchmesser. Die Gesamthöhe des Baumes betrug im Jahre 2005 elf Meter, bei einem Kronendurchmesser von acht Metern.[2] Die Krone ist im Sommer gut belaubt und steht gut in Blüte oder Fruchtansatz.[3]

Standort

Erle liegt am Rande des Westmünsterlands und liegt in einer typischen Heidelandschaft innerhalb des Naturparks Hohe Mark. Erle liegt drei Kilometer südöstlich von Raesfeld, direkt an der Bundesstraße 224, zwischen den Städten Borken und Dorsten. Das Ruhrgebiet liegt etwa 30 Kilometer südlich. Die Eiche steht südwestlich der Ortsmitte in einem Neubaugebiet auf etwa 60 Meter Höhe über Normalnull.

Stamm

Vollständig erhalten hätte der Stamm einen Umfang von etwa 14 Metern.[2] 1989 betrug der Umfang des Stammes, in ein Meter Höhe gemessen, zwölf Meter.[4] Die Eiche liegt mit diesen Maßen nach dem Deutschen Baumarchiv, dem der Stammumfang in einem Meter Höhe als wichtigstes Auswahlkriterium dient, über dem unteren Grenzwert, der national bedeutsamen Bäume (NBB).[4] Der Durchmesser des Stammes in Brusthöhe wird im Jahre 1892 mit etwa 4,5 Meter angegeben.[2] Im Jahre 1902 wird der Umfang des Stammes in Mannshöhe mit 12,5 Meter angegeben.[4] Im Jahre 1927 wird der Umfang des Stammes mit 14 Metern angegeben.[5]

Alter

Die Altersschätzungen der Eiche reichen von 600 bis 1500 Jahre. Da das älteste Holz aus dem Zentrum des Stammes fehlt, ist weder eine Jahresringzählung[6] noch eine Radiokohlenstoffdatierung[7] möglich. Das tatsächliche Alter der Eiche kann deshalb nur grob geschätzt werden. Hinzu kommt, dass die Hauptkrone der Eiche fehlt, und es sich eine vollständige Sekundärkrone bildete. Dadurch ist das Alter höher anzusetzen. Ein Vertreter des Deutschen Baumarchivs schätzte im Jahr 2008 ihr Alter auf 600 bis 850 Jahre.[4] Weitere Altersangaben reichen von etwa 1000 Jahren[8][9], über 1300 Jahren[2] bis teilweise zu 1500 Jahren[10]. Damit wäre sie die älteste Eiche in Deutschland.[11] Ein Grund für das hohe Alter der Eiche könnte die Feststellung sein, dass die Eiche in der Region als erste Eiche ihre Blätter entfaltet. Der Eichenwickler, ein Laubschädling, konnte der Eiche deswegen noch nichts anhaben, da dieser sich erst nach dem Austrieb der übrigen Eichen entwickelt.[5]

Geschichte

Der alte Name Ravenseiche und der Name der Gegend „Aßenkamp“ deuten auf eine Verbindung zur germanischen Mythologie hin. Der Rabe ist das Symbol des germanischen Toten- und Kriegsgottes Odin und als Asen bezeichnet man ein germanisches Göttergeschlecht. So wird vermutet, dass die Eiche schon zu germanischer Zeit als Kultstätte genutzt wurde. [12]

Femegerichte

Unter der Eiche tagte das Erler Femgericht als Freistuhl, „den vryen Stoel tum Aßenkampe“, welcher zum Ende des Mittelalters seine größte Macht hatte. Er unterstand bis zum Jahre 1335 dem Stuhlherrn von Heiden und richtete über das Gebiet der Kirchspiele Erle, Raesfeld, Alt-Schermbeck und die nördlich Lippe liegenden Dorstener Stadtteile Rhade und Holsterhausen. Der Freigraf bildete mit sechs Freischöffen das Femegericht. Im Jahre 1335 verpfändete der Stulherr seine Freigrafschaft an den Grafen von Cleve. Im Jahre 1375 war der Burgherr der Burg Raesfeld Inhaber der Freigrafschaft. Das Femgericht urteilte im Namen des Kaisers über Schwerverbrechen wie Mord, Raub, Brandstiftung und Meineid; sein Schuldspruch zog stets den Tod am Strang nach sich. Überliefert ist, dass 1441 der Freigraf Bernt de Duiker unter dieser Eiche Gert von Diepenbrock und zwei seiner Knechte wegen Schöffenmord verfemte und erklärte sie in Abwesenheit für vogelfrei. Im Jahre 1442 wurden Femegerichte am Reichstag stark eingeschränkt, so dass diese danach an Bedeutung verloren. Im 16. Jahrhundert verlor das Femgericht seine Befugnisse an den Fürstbischof Münster, bis es Ende des 18. Jahrhunderts völlig aufgelöst wurde. [13] Bis zum Jahre 1589 wurde unter der Eiche Femegerichte abgehalten.Referenzfehler: Es fehlt ein schließendes </ref>.</ref>

Geschichtliche Überlieferungen

Die Hauptkrone der Eiche brach vermutlich im 17. Jahrhundert heraus[14], und es bildete sich im Laufe der Jahrhunderte die heutige Krone. In der Pfarrchronik von Erle ist überliefert, dass die Enten des Pfarrers ihre Eier in der hohlen Eiche legte, die vom Junge des Nachbarhofs, da der Pfarrer selbst zu dick war, herausgeholt worden sind.[14] Da der Baum von Pilz befallen war, rückte der örtliche Pfarrer dem kranken Baum um das Jahre 1750 mit scharfem Gerät zu Leibe. Er kratzte das morsche Mittelstück heraus, um dem Baum so das Überleben zu sichern. Es entstand ein schmaler, mannshoher Eingang.[14] Der Hohlraum war von da an für Personen zugänglich. Wie groß die entstandene Aushöhlung ist, erzählt die Geschichte, dass der Kronprinz von Preußen, der spätere König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., am 26. September 1819 während eines Manövers mit 18.000 Soldaten in der Erler Heide 36 voll ausgerüsteten Infanteristen in der Eiche Aufstellung nehmen ließ.[14] Auch soll der Bischof von Münster, Bernard Georg Kellermann, im Jahre 1851 bei einer Firmung mit elf Geistlichen an einem runden Tisch in der Eiche gespeist haben.[14] Im Jahre 1892 wurde die angeschlagene Eiche mit mehreren Balken gestützt, um so ein umfallen entgegenzuwirken. Ebenfalls wurden zwei Eisenringe um den Stamm angebracht, um die Stammteile zusammenzuhalten.[14] Im Jahre 1897 sangen der Überlieferung nach 40 Mitglieder des Forstvereins aus dem Hohlraum der Eiche ein Lied.[3] Im Jahre 1927 kam es bei der Krone zu einem Wipfelbruch, wobei sich die Höhe, die zuvor 18 Meter betrug, reduzierte.[5]

Sanierungen

Im Jahre 1965 wurde die Eiche aufwendig vom Baumpfleger Michael Maurer saniert. Hierbei wurden der letzte noch verbliebene Eisenring, der inzwischen eingewachsen war und den Saftfluss im Stamme mehr und mehr einschnürte, entfernt. Im Stamm wurde das gesamte faule, morsche und pilzbefallene Holz entfernt. Vom Stamm blieben danach drei Fragmente übrig, die in vier Meter Höhe ineinander zweigen. Ebenfalls wurden die Holzstützen aus dem Jahre 1892 durch sechs neu ersetzt, um damit die Sekundärkrone vor Bruch zu schützen. Zusätzlich wurden die Stammteile innen durch Haltestangen miteinander verbunden. Der um die Eiche fest getretene Boden wurde bis in vier Meter tiefe ausgehoben und durch neuen Boden, Humus und Baumfutter ersetzt. Darüber wurde eine Kiesschicht für bessere Belüftung und guten Wassereinzug angebracht. Ein betreten des Wurzelbereiches wurde daraufhin untersagt. Die Sanierungskosten beliefen sich auf etwa 20.000 Deutsche Mark. [15]

In den Jahren 1986 und 1987 fand eine zweite Behandlung des Baumes statt.[16] Im April 1994 wurde zum Schutz des Baumes eine Umzäunung errichtet.[1] Um damit ein Klettern auf die Eiche und Beschädigungen der Äste und Zweige zu unterbinden. Dieser Maßnahme ging im Jahre 1993 eine Unterschriftenaktion zuvor. Jugendliche sammelten 2000 Unterschriften, um somit einen besseren Schutz der Eiche durchzusetzen. Bedingt durch die Einzäunung erholte sich die Eiche. Die Krone der Eiche reicht jetzt teilweise wieder bis zum Boden herunter. Die Eiche erlitt bei einem Sturm im Mai 2000 einige Schäden. Die Krone, die sich seit dem Anbringen des Zaunes vergrößert hatte, musste zurück geschnitten werden. Zusätzlich wurden drei neue Stützen angebracht, um die vergrößerte Krone zu tragen.[17] Um an die Femegerichte unter der Eiche zu erinnern, wurde im Sommer 2006 außerhalb der Einzäunung ein Gerichtstisch aus Granit, auf dem ein Henkersseil und Schwert liegt, angebracht.[18] Im Jahre 2008 wurden die Pfosten vom Zaun aus dem Jahre 1994 ersetzt. Diese waren im Übergang zum Boden abgefault. Sie wurden durch neue Holzpfosten ersetzt, die nun auf Edelstahlstützten ruhten. Die Kosten von etwa 2800 Euro trug der Kreis. [19]

Siehe auch

Literatur

  • Norbert Stuff: Die Femeiche in Raesfeld-Erle, nach über 1000 Jahren vital wie ein junger Baum. 2000, in Westmünsterland 2001, S. 70-72
  • Michael Hübbeker, Daniel Stenmans: Die Femeiche. 2009, interaktives Hörbuch / Roman

Einzelnachweise

  1. a b Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 113.
  2. a b c d Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 110.
  3. a b Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 130.
  4. a b c d Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5, S. 174.
  5. a b c Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. BLV Verlagsgesellschaft, München 2007, ISBN 978-3-8354-0183-9, S. 37.
  6. Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 22.
  7. Michel Brunner: Bedeutende Linden: 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt Verlag AG, Bern/Stuttgart/Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7, S. 316.
  8. Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 499.
  9. Hans Joachim Fröhlich: Band 4, Nordrhein-Westfalen. In: Wege zu alten Bäumen. WDV-Wirtschaftsdienst, Frankfurt 1992, ISBN 3-926181-18-4, S. 59.
  10. Hartwig Goerss: Unsere Baumveteranen. Landbuch, Hannover 1981, ISBN 3-7842-0247-0, S. 140.
  11. Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5.
  12. Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 110–111.
  13. Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 114.
  14. a b c d e f Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. BLV Verlagsgesellschaft, München 2007, ISBN 978-3-8354-0183-9, S. 36.
  15. Hartwig Goerss: Unsere Baumveteranen. Landbuch, Hannover 1981, ISBN 3-7842-0247-0, S. 57–58.
  16. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen 1000jährige Femeiche in Raesfeld.
  17. Stützen für eine 1000-Jährige: Erler Femeiche trägt zu schwer an ihrer Krone. Bocholter-Borkener Volksblatt, 29. Juni 2000, abgerufen am 7. April 2009.
  18. Die Erler Femeiche: Vom Gerichtsplatz zum Touristenmagnet. Westmünsterland – Kreis Borken, abgerufen am 7. April 2009.
  19. Massnahmen/100: Neuer Zaun rund um die Femeiche in Erle (Kreis Borken). Schattenblick, 25. Oktober 2008, abgerufen am 7. April 2009.

Koordinaten: 51° 44′ 43″ N, 6° 51′ 44″ O