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Chosrau I.

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Chosrau I. (auch Chosroes, Husrav, Xusro), genannt Anushirwan ("mit der unsterblichen Seele"), war von 531 bis 579 n. Chr. persischer Großkönig aus dem Geschlecht der Sassaniden. Ein Geburtsdatum ist nicht bekannt, doch dürfte der König ein recht hohes Alter erreicht haben, da er als erwachsener Mann auf den Thron gelangte.

Chosrau I. entwickelte sich zum großen Gegenspieler des oströmischen Kaisers Justinian I. (527-565) und führte das Sassanidenreich zu einem Höhepunkt, was auch seinen Widerhall in der Sagenwelt des Orients fand. Sein Name lebt (als Kisra) bis heute als eine arabische Bezeichnung für einen König fort (vergleichbar dem deutschen "Kaiser" von Caesar).

Außenpolitik

Chosrau erscheint in den Quellen zuerst um die Mitte der 520er Jahre, als das Projekt, ihn vom oströmischen Kaiser Justin I. adoptieren zu lassen, um so seine Thronfolge zu sichern, scheitert. Chosrau trat 531 dennoch die Nachfolge seines Vaters Kavadh I. an, dessen jüngster Sohn er war.

Römer und Sassaniden befanden sich seit etwa 526 wieder im Krieg miteinander. Bereits früh kam es zu Kampfhandlungen an der persisch-oströmischen Grenze in Mesopotamien, wo sich der oströmische General Belisar jedoch behaupten konnte. 532 wurde mit Justinian I. der so genannte ewige Frieden geschlossen, der mit hohen (einmaligen) römischen Tributzahlungen an den Großkönig verbunden war. Chosrau brauchte den Frieden, um seine Herrschaft im Inneren zu sichern; so kam es zu einem Usurpationsversuch seines Neffen, des Sohnes seines ältesten Bruders, der bei der Thronfolge übergangen worden war. Eine wichtige Quelle zu diesen Ereignissen stellt der Bericht des oströmischen Historikers Prokopios von Caesarea dar.

540 kam es jedoch zu einem erneuten Ausbruch der Kämpfe, da Chosrau wohl ein altes Ziel verfolgte: die Erreichung des Mittelmeers und Wiederherstellung der Grenzen des alten Perserreiches. Tatsächlich war die byzantinische Grenze von Truppen entblößt, da die meisten schlagkräftigen Verbände in Italien eingesetzt waren, um dort den Widerstand der Ostgoten zu brechen. Inwiefern die Ostgoten die Sassaniden zu einer Neuaufnahme der Kämpfe ermuntert haben, ist umstritten. Chosrau konnte sich auf einen Krieg gegen Justinian I. einlassen, weil seine Stellung im Inneren nun gesichert war und an den anderen Grenzen des Perserreiches Ruhe herrschte: Die Macht der Hephtaliten, die Persien jahrzehntelang bedroht hatten, befand sich im Schwinden. Die Kämpfe mit den Römern begannen in Syrien, wo es Chosrau gelang, neben anderen Städten auch Antiochia zu erobern, eine der wichtigsten Städte des oströmischen Reiches. Ein Teil der Einwohner wurde ins Perserreich deportiert. 544 scheiterte ein großangelegter Angriff auf Edessa. Die Kämpfe, an denen Chosrau meist persönlich teilnahm, weiteten sich jedoch bald auch auf den Kaukasus aus, wo beide Mächte Interessen verfolgten. Letztlich gelang es den Persern nicht, einen Zugang zum Schwarzen Meer zu erzwingen; 562 kam es zu einem erneuten Friedensschluss auf 50 Jahre, der jedoch schon 572 gebrochen wurde. Als Chosrau starb, befanden sich Ostrom und das Sassanidenreich noch immer im Krieg miteinander.

Um 560 gelang es Chosrau an der Nordgrenze, die Hephtaliten endgültig zurückzudrängen; allerdings erschienen mit den Türken dort nun neue, gefährliche Gegner. Auch in Arabien konnte er den Einfluss der Sassaniden bis in den heutigen Jemen hinein erweitern und dabei oströmische Interventionsversuche abwehren.

Innenpolitik

Im Inneren gelang es Chosrau offenbar, den Staat stärker zu zentralisieren. Er ersetzte den alten Feudaladel teilweise durch einen Beamtenadel, der von dem Wohlwollen des Königs abhängig war. Auch drängte er die so genannte mazdakitische Bewegung zurück (eine religiös-soziale Bewegung, die von den unteren Schichten der Bevölkerung getragen worden war). Durch die Schaffung eines Beamtentums sowie steuerliche und landwirtschaftlichen Reformen stärkte er das Reich von Grund auf. Möglichweise hatte seine Steuerreform dabei das spätrömische System der capitatio-iugatio zum Vorbild. Die genauen Reformen, ihr Ausmaß und ihre Wirksamkeit, sind seit langem Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Zumindest kurzfristig scheinen sie zu einer Stärkung der königlichen Stellung geführt zu haben.

Das Reich wurde (wie erst kürzlich endgültig nachgewiesen werden konnte) in vier Militärdistrikte eingeteilt, wobei jeweils dem westlichen und dem östlichen Kommandeur eine besondere Verantwortung zukam; schließlich mussten sie am ehesten mit Invasoren rechnen. Allerdings gab er ihnen damit auch viel Macht in die Hände, was zu Usurpationsversuche (wie in späterer Zeit) ermutigte.

Chosrau galt als gebildeter, kunstliebender Herrscher. Allerdings war die Aufnahme der 529 von Justinian I. aus Athen verbannten heidnischen Philosophen im Jahr 531 kein Erfolg. Sie kehrten ein Jahr später wieder zurück, wobei sich Chosrau im Friedensvertrag mit Ostrom 532 garantieren ließ, dass ihnen bei ihrer Rückkehr kein Leid widerfahren solle. Interessant ist, dass er recht stark auf die Deportation von Gefangenen setzte und mit ihnen neue Kolonien anlegte, so in der Nähe seiner Hauptstadt Ktesiphon die Stadt Veh Antiok Khusrau (etwa: "besser als Antiochia hat Chosrau dies gebaut"). Auch wurden Kriegsgefangene benutzt, um Kanäle, Brücken etc. zu bauen.

In kultureller Hinsicht erlebte Persien unter Chosrau eine enorme Blüte, der Ruf des Königs als Förderer von Kunst und Philosophie (so beschäftigte er sich intensiv mit der Philosophie der Antike) drang bis weit in den Westen. Auch der Hof der Sassaniden entwickelte eine große Ausstrahlungskraft.

Fazit und Nachleben

Chosrau I. gilt als einer bedeutendsten Herrscher der Spätantike. Er hat das sassanidische Perserreich zu einem neuen Höhepunkt geführt, allerdings um den Preis eines von den langen Kriegen erschöpften Landes. Der Großkönig hat mit dem Engagement im Westen, Süden und Norden die Ressourcen Persiens wohl überdehnt. Er hinterließ das Reich seinem Sohn Hormizd IV., der die Kriege des Vaters fortsetzte und nach elf Jahren gestürzt und ermordet wurde. In der Sagenwelt des Orients lebte Chosrau als Anushirwan weiter.

Literatur

  • Klaus Schippmann: Grundzüge der Geschichte des sasanidischen Reiches, Darmstadt 1990.
  • Zeev Rubin: The Reforms of Khusro Anurshiwan, in: Averil Cameron (Hg.), The Byzantine and early Islamic Near East, Bd. 3, Princeton 1995, S.227-298.

Siehe ansonsten die entsprechenden Abschnitte in diversen Geschichtsbüchern zur byzantinischen bzw. oströmischen Geschichte und zu Justinian I. Als eine wichtige Quelle dient Prokopios von Caesarea, der in seinem Geschichtswerk (Bella) in den Büchern 1, 2 und 8 über die Perserkriege berichtet hat und den König im Gegensatz zu den orientalischen Quellen (v.a. Tabari) überwiegend negativ schildert.

Vorgänger und Nachfolger

Vorgänger
Kavadh I. (496 - 498)
Liste der Sassanidenherrscher Nachfolger
Hormizd IV. (579 - 590)