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Boris Jefimowitsch Jefimow

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Boris Efimowitsch Efimow, russisch Борис Ефимович Ефимов (* 15./28. September 1900), ist ein russischer Künstler und Karikaturist.

Leben

Frühe Jahre

Er wurde unter dem Namen Boris Fridland als zweiter Sohn eines jüdischen Schuhmachers am 28. September 1900 in Kiew geboren. Seine Familie zog wenige Zeit später nach Belostok, damals russisch, heute polnisch Białystok, wo er gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Michail aufwuchs. Während des Ersten Weltkriegs floh die Familie vor den Deutschen und ging wieder zurück in die ukrainische Hauptstadt.

Efimow begann 1917 ein Studium der Rechtswissenschaft in Kiew. Obwohl mit einem großen Zeichentalent ausgestattet, hegte er zu diesem Zeitpunkt keine Ambitionen, sich sein Brot als Künstler zu verdienen. Die Oktoberrevolution und die neuentstandenen Machtverhältnisse durchkreuzten seine Pläne. Bereits nach einem Jahr musste er die akademische Laufbahn beenden und statt dessen versuchen, die leidvolle Zeit des Bürgerkriegs unbeschadet zu überstehen. Regelmäßig wechselten die Machthaber, Greueltaten der Bolschewiki oder Weißen waren an der Tagesordnung. Indem er Karikaturen von Politikern zeichnete, konnte Efimow seinen Emotionen freien Lauf lassen. Seine ersten professionellen Arbeiten wurden 1919 in der Kiewer Krasnaya Armiya veröffentlicht.

Nachdem die Bolschewiki 1920 die Stadt endgültige unter Kontrolle hatten, arrangierte er sich mit dem neuen Regime. Ihm fiel diese Entscheidung deutlich schwerer als seinem Bruder, der aktiv am Kampf gegen die monarchische Ordnung beteiligt war, denn Efimow hatte den Zar lange Zeit verehrt. Gemeinsam war beiden, daß sie ihren jüdisch klingenden Familiennamen änderten. Boris hieß nun nach seinem Vater Efim mit Nachnamen Efimow, Michail nannte sich Koltsov.

Beruflicher Aufstieg

Datei:Efimow-Zeichnung.jpg
Der Kapitän der SU führt uns von Sieg zu Sieg, Iswestija, 1933

Von 1920 bis 1921 entwarf Efimow in Kiew und Odessa Plakate bzw. Broschüren für YugROSTA, eine Abteilung der KPdSU-Propagandaorganisation Agitprop. Ein Jahr später zog er nach Moskau. Sein Bruder arbeitete dort als Redakteur bei der Prawda und bot ihm an, für dieselbe Karikaturen zu zeichnen. Auf diese Weise konnten beide, die ein sehr inniges Verhältnis zueinander hatten, zusammenarbeiten. Efimows erstes Werk kam sehr gut an, weshalb weitere folgen konnten. Bald war er ein gefragter Cartoonist und arbeitete regulär für Zeitungen wie die Prawda, Iswestija und Krasnaya zvezda sowie für Magazinen wie die Krokodil und die von seinem Bruder 1923 gegründete Ogonyok. Hauptsächlich beschäftigten sich die jeweiligen Karikaturen mit der internationalen Politik und übten scharfe Kritik an der westlichen Welt. Eine Ausnahme bilden die 1924 bis 1934 erfolgten Veröffentlichungen in der Zeitung Prozhektor, wo er sich mit lokalen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzte.

Mit Politicheskiye karikatury (deutsch Politische Karikaturen) erschien 1924 in Moskau das erste Album mit seinen Karikaturen. Das Vorwort steuerte Leo Trotzki bei. Mit 18 Jahren hatte Efimow zum ersten Mal von ihm gehört. Während Trotzki in Kiew eine Rede hielt, stand Boris inmitten einer Menschenmenge, lauschte seinen Worten und fühlte sich von der Sprache und den Ideen dieses Mannes in den Bann gezogen. Im Gegenzug hatte Trotzki viel für seine Cartoons übrig und erklärte sich einverstanden, das Buch einzuleiten. Der Iswestija-Chefredakteur und Herausgeber Yuri Steklow konnte sich allerdings nicht dafür begeistern, daß am Anfang ein "L. Trotski. 20. Juli 1924." prangte, und stimmte dem Vorwort nur widerwillig zu. Es war zu dieser Zeit eine gefährliche Angelegenheit, die Gegner des aufstrebenden Stalin auch nur ansatzweise zu unterstützen.

Steklow bezahlte diese Entscheidung später mit dem Leben, während Efimow, obwohl von Trotzki hoch gelobt, unangetastet blieb. Kurz bevor dieser in die Verbannung nach Alma-Ata ging, trafen beide 1928 noch ein letztes Mal zusammen. Nach außen hin war von der Freundschaft nichts zu spüren, Trotzki wurde von Efimow als Mörder, Verräter, Faschist und Kollaborateur mit dem Dritten Reich dargestellt. So hatte man es ihm befohlen, und der Gehorsam rettete seine Haut vor dem stalinistischen Terror.

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Goebbels-Karikatur von 1941

Weniger Glück hatte sein Bruder Michail. Er war bei Stalin in Ungnade gefallen, nachdem er dessen Warnungen 1923 ignoriert und eine Seite mit Fotos von Trotzki publiziert hatte. Fünfzehn Jahre später sollte ihn die Rache des Diktators erteilen. Am 12. Dezember 1938 trafen Boris und Michael das letzte Mal zusammen. Kurze Zeit später wurde er in der Prawda-Redaktion von der russischen Geheimpolizei verhaftet und im Februar 1940 exekutiert. Üblicherweise ließ man die Familienmitglieder eines Verschleppten ebenfalls aus dem Verkehr ziehen. Ein Haftbefehl für Efimow lag zwar bereits vor, doch Stalin unterschrieb ihn nicht und befahl, ihn in Ruhe zu lassen. Er mochte die Zeichnungen und benötigte im Kampf mit dem Westen auch einen talentierten und erfahrenen Karikaturisten. Bereits 1937 hatte er ihm über den damaligen Chefredakteur der Prawda, Lew Mekhlis, den kuriosen Wunsch zukommen lassen, japanische Samurai nicht mehr mit langen, aus dem Mund herausragenden Zähnen darzustellen, weil er damit die Würde der Japaner verletze. Zweimal wurde Efimow für seine Werke von Stalin ausgezeichnet.

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Die Geschichtsstunde, 1941

Nach dem Tod seines Bruders entließ ihn sein Hauptarbeitgeber Iswestija, er fand jedoch nach achtzehn Monaten wieder eine feste Anstellung bei der Trud. Efimow gehörte nunmehr zu den wichtigsten Propagandisten der Sowjetunion. Er arbeitete während des Zweiten Weltkrieges für eine Armeezeitung, seine Karikaturen wurden massenhaft an der Front in Form von Handzetteln verteilt. Einer der Hauptangriffspunkte waren die Nationalsozialisten. Hitler war er in den frühen 30ern erstmals begegnet, als er von Frankreich in die UdSSR zurückkehren wollte und dabei in Deutschland einen Zwischenstopp einlegte. Noch am selben Tag entstand seine erste Hitler-Karikatur. Efimows Stil war keineswegs besonders subtil, er bot genau die klischeehafte Kunst, die man in der Führungsriege sehen wollten: Nazis mit Raubvogelnasen und langen Fingern, geradezu vor Habgier tropfend, mollige, selbstzufriedene und untätige Politiker aus den anderen westlichen Nationen und sowjetischen Soldaten, die tapfer allein gegen die faschistische Bedrohung kämpften. Diese aggressiven Darstellungen schlugen natürlich auf der Gegenseite hohe Wellen, Hitler ordnete an, ihn zu exekutieren, sobald Moskau eingenommen wäre.

Nach dem zweiten Weltkrieg

Eine der großen Aufgaben, die nach Kriegsende auf Efimow warteten, waren die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Dank seiner Vertrauenswürdigkeit wurde ihm die Reise in den Westen ermöglicht. Er saß direkt im Gerichtssaal und konnte somit die angeklagten Verbrecher des Naziregimes karikieren.

1947 meldete sich Stalins Berater Andrei Zhdanow bei Efimow und beauftragte ihn mit einem neuen Cartoon, den Stalin als eine erste Attacke im Kalten Krieg gegen die Vereinigten Staaten haben wollte. Er sollte so aussehen: General Eisenhower kommt kampfbereit mit einer großen Armee am Nordpol an und wird von einem einfachen US-Amerikaner gefragt "Was ist los, General? Wozu die große Militärpräsenz in diesem friedlichen Gebiet?", worauf er "Siehst du die russische Bedrohung nicht?" antwortet. Die sowjetische Seite, die er frei gestalten konnte, stellte er in Form einer armen und primitiven Eskimofamilie den bis an die Zähne bewaffneten Amerikanern gegenüber. Bereits am nächsten Nachmittag um drei Uhr erhielt er einen Anruf von Stalin, der ihm mitteilte, er müsse um sechs Uhr fertig sein. Normalerweise hätte er den ganzen Tag benötigt, doch Efimow zeichnete um sein Leben, stellte die Karikatur punktgenau fertig und rettete sich davor, daß nächste Opfer der stalinistischen Willkürherrschaft zu werden. Dieser wiederum war zufrieden und hatte außer ein paar Kleinigkeiten nichts zu ergänzen.

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Karikatur gegen Adenauer: So wiederholt sich die Geschichte

Nach dem Tod Stalins 1953 wurde Efimows Leben unter den neuen Machthabern wieder einfacher und berechenbarer. Er verbrachte viel Zeit auf Konferenzen, reiste u.a. in den 60ern nach China. Seine künstlerischen Fähigkeiten waren aber nach wie vor gefragt, so arbeitete er 1966 als federführender Redakteur bei Agitplakat, einer Organisation, die Propagandaposter herstellte. Drei Jahre später erschien das Buch Boris Efimow in Iswestija, welches viele seiner Arbeiten vorstellte. Noch bis 1980 war er für die Prawda aktiv. Anerkennung erhielt er von Michail Gorbatschow, der ihn als einziger Präsident in den Kreml einlädt. Mit seiner Karikatur Stalin - der rote Gott wirft er 1990 zum ersten Mal in der Öffentlichkeit einen kritischen Blick auf seinen früheren Auftraggeber. Acht Jahre später gibt er die 318-seitige Autobiographie Moi Vek (deutsch Mein Jahrhundert) heraus.

Die viele Arbeit forderte jedoch ihren Tribut, sein Augenlicht wurde über die Jahre hinweg stark in Mitleidenschaft gezogen. 1999 unterzog er sich aufgrund eines Grauen Stars einer Augenoperation, wodurch seine Sehkraft im rechten Auge zumindest teilweise wiederhergestellt werden konnte. Heute lebt er in Moskau.

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