Windschatten
Mit Windschatten bezeichnet man die Zone geringer Windgeschwindigkeit auf der windabgewandten Seite (Lee) eines Strömungshindernisses.
Anwendungen
Schifffahrt
Hierbei machte sich sehr wohl seit Menschengedenken der negative Einfluss von windabgewandten Seiten von Inseln oder Küste aus, aber auch der positive Effekt beim Wettsegeln, wobei gewissermaßen das sich zwischen den Kontrahenten und die Windrichtung schiebende Schiff nunmehr dem Gegner einen Windschatten beschert, im sozusagen "den Wind aus den Segeln nimmt."
Radsport
Allgemein
So spielt der Windschatten im Radsport eine wichtige Rolle, da ab ca. 20 km/h der Luftwiderstand alle anderen Widerstände hinter sich zurücklässt. Dadurch wird gleichermaßen ein vorausfahrender Radfahrer als "Windbrecher" benutzt, in dessen Schatten bis zu 30 Prozent Energieleistung gespart werden kann.
Bei den meisten Disziplinen ist dies erlaubt und auch erwünscht, da die großen mehrwöchigen Touren, wie z.B. die Tour de France, und selbst die Tagesrundfahrten (Lüttich-Bastogne-Lüttich) ohne diesen Trick nicht zu bewältigen wären. In der perfekten Form, dem so genannten "Belgischen Kreisel", wechseln sich ständig die Fahrer eines Teams oder mehrerer Mannschaften ab, so dass die Last möglichst gleichsam auf alle Schultern verteilt wird. Bei Seitenwind ergibt sich sogar ein seitliche Spirale, in der die Fahrer leicht versetzt fahren.
Ausreißer, die sich vom Hauptfeld absetzen wollen, haben in der Regel nur dann eine reelle Chance gegenüber dem Peloton auf Erfolg, wenn sie sich im Windschattenfahren gegenseitig abwechseln.
Triathlon und Einzelzeitfahren
Lediglich beim Triathlon und beim Einzelzeitfahren ist das Windschattenfahren verboten und wird mit Disqualifikation bestraft, da es als Verfälschung der eigenen Leistung angesehen wird. Insbesondere bei den langen Geraden der Ironman-Strecke auf Hawai durch die Vulkan-Wüste bei starken Gegenwinden und hohen Temperaturen tritt Windschattenfahren aufgrund des sehr unterschiedlichen Leistungsniveaus aller Beteiligten sehr häufig auf und wurde gerade in den beiden letzten Jahren zum Reizthema, da regelrechte Sicherheitsabstände vorgeschrieben waren.
Steherrennen
Durch den Windschatten schuf man auch sportliche Sonderdisziplinen wie z.B. das Steherrennen, bei dem hinter speziellen Motorrädern, die mit einer stählernen "Andock"-Vorrichtung, der Rolle, ausgerüstet sind, auf Steilwandrennkursen Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h im Rennen erzielt werden. Da die Fahrer der Motorräder, die so genannten Schrittmacher, dabei im Sattel stehen, wurde diese Disziplin so genannt. In Deutschland erfreute sich dieser Sport einer besonderen Beliebtheit seit den 1920er-Jahren bis hin in die 1980er-Jahre, währenddessen meist Deutsche den Weltmeister stellten. Eine Steherbahn existiert z.B. heute noch in Solingen.
Rekordversuche
1988 erreichte John Howard auf einem Fahrrad hinter einem Rennwagen mit einem regelrechten Windschild eine Geschwindigkeit von 245 km/h.
Inlieskating
Beim Inlineskaten hat der Windschatten - trotz der geringeren Geschwindigkeit – durch den geringeren Abstand zum Vordermann noch eine größere Sogwirkung als beim Radsport. Allerdings ist zum optimalen Ausnutzen des Windschattens ein einheitlicher Schritt der Beteiligten nötig. D.h. die Skatebewegungen müssen in einem einheitlichen Rhythmus ausgeführt werden, damit die Windschattengruppe den Abstand zum Vordermann minimieren und damit die Geschwindigkeit maximieren kann. Günstige Positionen innerhalb einer Windschattengruppe sind die ersten Positionen nach dem Führenden. Nicht nur bei Tempowechseln kommt es im hinteren Teil der Windschattengruppe zum so genannten „Ziehharmonika Effekt“. Geringe Geschwindigkeitsdifferenzen in der Gruppe erzeugen weiter hinten in der Gruppe Löcher zwischen den Skatern. Bei Tempoverschärfungen können die Skater oft die Lücke zum Vordermann nicht mehr schließen und reißen ab.
Wie beim Radfahren hat der Windschatten beim Inlineskaten einen entscheidenden Einfluss auf den Rennverlauf.
Motorsport
In allen Kategorien des Motorsports wurde der Windschatten stets genutzt, um beim Überholvorgang nahezu gleichwertiger Rennwagen oder Motorräder sich in der "ruhigen Zone" des Vordermanns gleichsam heranzusaugen und dann mit der überschüssigen Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h an ihm vorbeizukommen.
Bei langen Geraden, Steilwandkurven bzw. Kursen oder den Ovalrennen, wie heute noch in der Indycar-, Champcar- oder NASCAR-Serie kann es daher auf der einen Seite zu packenden Windschatten-Duellen kommen, andererseits aber auch zu gefährlichen Karambolagen, sobald der Strömungsabriss die Fahrzeuge unberechenbar ausbrechen lässt.
Bei den Sportwagenrennen, wie z.B. dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist das Windschattenfahren angesichts der immer noch langen Geraden ein wichtiges Element, um vor allem Sprit zu sparen, da dort jeder zusätzliche Boxenstopp ins Gewicht fällt.
In der Formel 1 hatte der Windschatten bis zur Mitte der 1980er-Jahre eine größere Bedeutung, da bis zu dieser Zeit etwa der Diffusor unter dem Unterboden der Fahrzeuge noch keinen Unterdruck direkt hinter dem Fahrzeug bewirkte, wodurch Nachfolgende, die sich zuvor bis an das Heck des Kontrahenten herangesaugt hatten, nunmehr in tückische Verwirbelungen hereingeraten, welche die Fahrzeugkontrolle speziell auf der Vorderachse und somit den Überholvorgang unmöglich machen.
Sprachgebrauch
Sehr häufig findet man im deutschsprachigen Bereich die Verwendung, dass Person B im "Windschatten" von Person A zum Erfolg gefunden hätte, was in der Regel bildlich nichts anderes besagen soll, dass Person A für B den Weg gleichsam vorbereitet hätte und B weniger Widerstand zu überwinden hatte.
Der Hang der Journalisten zu einer bildlichen Sprache prägt allerdings auch einen nicht unbedingt passenden Gebrauch, wenn damit nur im Sinne von "im Gefolge von" gemeint ist, wie z.B. "Sozialpläne im Windschatten von Hartz IV".