Kirchenglocke
Dieser Artikel befasst sich mit der klingenden Glocke. Weiteres siehe: Glocke (Begriffsklärung)
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Mit Glocke bezeichnet man meist ein selbsttönendes Musikinstrument (genauer Aufschlagidiophon) mit charakteristischer Haubenform (nach unten offene Halbkugel, die zunächst konkav und dann konvex gewölbt nach unten erweitert ist). Eine Glocke ist meist ein Rotationskörper, das heißt sie besitzt Rotationssymmetrie um ihre Mittelachse.
Siehe auch: Läutemaschine, Läuteanlage, Glockenstube, Schärfe, Wolm, Rezeptionsglocke
Vorkommen
Unter anderem ist sie in Form von Kirchenglocken weit verbreitet.
Sind mehrere Glocken zu einem Instrument verbunden, so spricht man von einem Glockenspiel.
Geschichte
Der Begriff wurde dem Altirischen entlehnt "clocc", soviel wie "Schelle, Glocke", da irische Mönche im 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. die Glocken, zunächst eher Handschellen, in Europa verbreiteten.
Herstellung von Kirchenglocken
Kirchenglocken werden meist durch Gießen in eine Form hergestellt. Das verwendete Gussmaterial heißt Glockenspeise und ist meist eine Zinnbronze aus 76-80 % Kupfer, 24-20 % Zinn. Dabei wird zuerst ein Glockenstumpf gemauert, der mit Lehm bestrichen wird. Die Lehmschicht wird mit einem rotierenden Schaber abgezogen. Auf die Lehmschicht wird eine Wachsschicht aufgebracht, die die Fom der Glocke darstellt. Alle Verzierungen und Schriften werden aus Wachs aufgebracht. Auf die Wachsschicht kommen mehrere Schichten Lehm in unterschiedlicher Feinheit. Das Wachs wird ausgeschmolzen und die Form getrocknet. Nach dem Eingraben kann der Guss ausgeführt werden.
Von 1851 bis 1970 wurden in Bochum vom Bochumer Verein im industriellen Rahmen Glocken aus Gußstahl gegossen. Bis Mitte der fünfziger Jahre wurden über 20.000 Glocken hergestellt und in alle Welt exportiert, darunter so exponierte Exemplare wie die Friedensglocken von Hiroshima. Diese Zahl sank bis Ende der sechziger Jahre so weit ab, dass der damalige Eigentümer Krupp die Produktion einstellen ließ. Vor dem Bochumer Rathaus erinnert noch eine 15.000 kg schwere Gußstahlglocke mit einem Ringdurchmesser von 3,13 m an diese Zeit. Sie wurde bereits 1867 für die Pariser Weltausstellung gegossen.
Klangverhalten
Das Klangverhalten von Glocken weist einige Besonderheiten auf.
Ein Kunstmerkmal des Glockengießens besteht darin, die Tonhöhe vor dem Guss durch die Formgebung und die Legierung so festzulegen, dass ein Nachstimmen durch nachträgliches Schleifen nicht nötig ist.
Die charakteristische lebendige Geläutwirkung entsteht durch den akustischen Dopplereffekt, da durch das Schwingen der Glocke eine Relativbewegung zwischen Schallquelle und Ohr besteht. Das Anschlagen der Glocke erfolgt durch den an einem Leder frei schwingenden, am Glockenhelm angebrachten Klöppel.
Die Glocke hängt traditionell in einem Glockenstuhl aus Eichenholz, der die beim Schwingen auftretenden Kräfte aufnehmen muss. Sie ist dort an ihrer Krone mit Eisenbändern am so genannten Joch (Hölzerne Tragachse) befestigt. Die Belastung des Glockenstuhls lässt sich durch das sog. Kröpfen verringern. Hierbei schwingt die Glocke nicht um ihre Krone, sondern um eine tiefergelegene Achse näher an ihrem Schwerpunkt. Dadurch wird jedoch der Dopplereffekt stark verringert und das Läuten wirkt weniger lebendig.
Feststehende Glocken, die durch eine Art Hammerschlag zum Klingen gebracht werden, heißen Schlagglocken und besitzen einen sterileren Klang.
Charakteristisch für das Klangverhalten von Glocken, Röhren, Gongs, etc. ist, dass neben den harmonischen Obertönen auch weitere oberton-fremde Frequenzen auftreten. Dies rührt daher, dass im Unterschied zu einer (eindimensionalen) Saite oder Orgelpfeife sich stehende Wellen auf der 2 dimensionalen Oberfläche bilden, die sich gegenseitig frequenzmodulieren.
Die Tonhöhe einer Kirchenglocke wird durch den Schlagton (die Prime) charakterisiert, z.B. c' + 7 . Die ergänzende Zahlenangabe bezieht sich auf sechzehntel Halbtonschritte (also je 6,25 Cent) über oder unter dem Nominalton, der seinerseits auf ein Stimm-"a" bei 435 Hz bezogen wird. Die Tonhöhe ist also bei e + 8 dieselbe wie bei f - 8. Der Schlagton ist oft im Frequenzspektrum der Glocke nicht vorhanden. Er ergibt sich durch die akustischen Wahrnehmung beim Anschlagen der Glocke über das Residuumhören, indem aus den Obertönen der zugehörige Grundton ableitet wird.
Die von der Glocke ausgehenden Frequenzen werden in drei Gruppen unterteilt. Untertöne unterhalb des Schlagtons, ??? in der ersten Oktave oberhalb des Schlagtons und Mixturen für noch höhere Frequenzen.
Das Frequenzspektrum der Glocke wird durch die Glockenrippe - die Form, und die Dicke des Glockenmantels - bestimmt. Hierbei ist die so genannte gotische Dreiklangrippe bis heute unübertroffen. Frühere Rippenprofile waren der Bienenkorb und der Zuckerhut. Neben der gotischen Dreiklangrippe fand auch die spätere französische Rippe eine große Verbreitung.
Das Zumklingenbringen der Glocke mit schnell aufeinanderfolgenden Hammerschlägen wird Beiern genannt.
Glockengießereien
- Deutschland
- A. Bachert in Bad Friedrichshall (Baden-Württemberg) (Weblink)
- Glockengießerei in Saarburg (Rheinland-Pfalz)
- Kunstgießerei Lauchhammer (Brandenburg) (Weblink)
- Perner Passau, Glockengiesserei in Bayern (Weblink)
- Glocken- und Kunstgießerei Rincker in Sinn (Hessen) (Weblink)
- Glocken- und Kunstgießerei Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher (Westfalen)(Weblink)
- Österreich
- Frankreich
- Firma Paccard in Sévrier Annecy südlich von Annecy
Glockenmuseen und -archiv
- Deutschland
- Das Deutsche Glockenmuseum ([1]) auf der Burg Greifenstein
- Westfälisches Glockenmuseum in Gescher
- Das Glockenmuseum in Apolda (Thüringen)
- Das Glockenmuseum in der Stiftskirche von Herrenberg, Landkreis Böblingen in Baden-Württemberg
- Laucha
- Siegen
- Das Deutsche Glockenarchiv ist seit 1966 ein Teil des Archivs für Bildende Kunst des Germanischen Nationalmuseums.
- Frankreich
- Sévrier Annecy bei der Firma Paccard [2]
- L'Isle-Jourdain
- Österreich
- Dänemark
Berühmte Glocken
- Liste berühmter Glocken in Handbuch der Glockenkunde, von Klaus Ellerhorst
- Big Ben (London, Vereinigtes Königreich)
- Liberty Bell (Philadelphia, USA)
- St. Petersglocke im Kölner Dom, 1874 gegossen, 1923 Neuguss, die größte freischwingend läutbare Glocke der Welt, ca. 24.000 kg schwer.
- Millenniumsglocke, ca. 33.000 kg Gewicht, ist die schwerste freihängende läutbare Glocke der Welt.
- Maria Gloriosa im Erfurter Dom. Nominalton e0, wurde 1497 durch Gerhard van Wou aus Kampen gegossen, 11.370 kg schwer, Durchmesser 2,58 m.
- Pummerin im Stephansdom in Wien. 1711 gegossen, 1945 zerstört, 1951 neu gegossen. 21.380 kg schwer, davon 813 kg Klöppel. Durchmesser 3,14 m.
- Zarenglocke im Moskauer Kreml. 1733 - 1735 von Ivan Matorin und seinem Sohn Michail gegossen, ca. 200.000 kg. Die Glocke wurde nie geläutet. Bei einem Brand brach durch das kalte Löschwasser ein etwa 12 Tonnen schweres Stück heraus.
Glocken in Mythologie und Brauchtum
Mythologisch stehen Glocken für die Kommunikation mit übersinnlichen Wesen (Gottheiten oder Geister).
Aus vorchristlicher bzw. vorislamischer Zeit sind Skulpturen von Göttinnen in Glockenform erhalten.
Im 2. Buch Mose wird den Priestern des Jahwe geboten, sich mit Glocken zu schmücken. Im Buch Jesaja wird den Frauen dasselbe verboten.
Im Buddhismus werden zur Symbolisierung des Übergangs zwischen den Welten, aber auch ganz weltlich zum Anzeigen der Gebetszeiten, heilige Glocken (ghanta) geläutet.
Auch im Christentum zeigt das Glockengeläut die Zeit zum Gebet an. Des Weiteren sollen sie die Ankunft des heiligen Geistes verkünden. Das Geläut von Kirchenglocken soll zudem Dämonen erschrecken und zum Flüchten bringen, wie Durandus im 14. Jahrhundert schrieb. Aus diesem Grund schmückten sich auch die Menschen in Europa - insbesondere die Kinder - mit Glöckchen: um böse Geister und den bösen Blick abzuwehren.
Auf dieselben Ursprünge gehen viele Bräuche im Alpenraum zurück, wie beispielsweise das Ausläuten des alten und Einläuten des neuen Jahres.
Europäisches Brauchtum, bei dem Glocken eine wichtige Rolle spielen:
- Klausenumzug in Arth
- Pelzmarti in Kandersteg
- Klausjagen in Küssnacht am Rigi
- Übersitz in Meiringen
- Silvesterkläuse in Urnäsch
- Schellenrühren in Mittenwald
- Chalanda Marz im Engadin
- Der Kurent beim Karneval in Slowenien
- Schellerlaufen in Nassereith
- Schleicherlaufen in Telfs
- Alpaufzug und Alpabzug
Literatur
- Glocken. In: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888/89, Bd. 7, S. 437
- Margarete Schilling: Glocken und Glockenspiele. Rudolstadt, 1985
- Friedrich von Schiller: Das Lied von der Glocke
Weblinks
- http://www.glocke.com, Informationsseite der einzigen Glockengießerei in Bayern, Herstellung, Glockenläuten und seine Technik, aktuelle Projekte, Kontaktaufnahme
- http://www.glocken-online.de
- http://www.grabinski-online.de/links/glocken.htm Umfangreiche private Linkliste zum Thema Glocken
- Hardehausener Glockenläutanlagen (sehr informative aber kommerzielle Seite und mit jeder Menge fachlich falscher Behauptungen versehen! Sehr mit Vorsicht zu genießen.)
- Glocken des chinesischen Altertums Bilder und Klangbeispiele, sowie Akustik und musikalische Stimmung des berühmten Glockenorchesters von Zeng von 433 v.u.Z.
- http://www.glocken-online.de.vu Große Glockensammlung mit mehr als 150 Geläuten aus Bayern, dazu Fotos der Kirchen und Download-Möglichkeit