Utopie
Als Utopie bezeichnet man einen als unausführbar geltenden Plan oder eine so geartete Vorstellung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie auf ihrem jeweiligen historisch-kulturellen Hintergrund nicht zu realisieren ist. Herkömmlich wird Utopie als Synonym für Wunschtraum, Konzept und/oder Vision benutzt. Semantisch leitet sich der Begriff "Utopie" vom griechischen:outopos, also Nicht-Ort ab, es handelt sich um eine Welt, die bisher keinen Ort hat, und nur als Gedanke und Idee existiert.
Die Utopie liegt fast immer in der Zukunft, selten auch in einer vermeintlichen Vergangenheit. In der Gegenwart bereits vorhandene Ansätze werden weitergedacht oder hinterfragt, somit haben Utopien meistens einen gesellschaftskritischen Charakter,
- entweder indem sie behaupten, eine bessere Gesellschaft sei möglich (s. Kleist, Das Erdbeben in Chili: Das Tal der Gerechten)
- oder indem sie bestehende Ansätze gedanklich weiterbilden, in Dystopien, pessimistische Negativutopien also, verkehren und somit scharf kritisieren (s. Visionen des Cyberpunk-Genres oder Orwell, 1984).
In diesem Sinne ist Hauptinhalt einer Utopie häufig eine Gesellschaftsvision, in der Menschen ein alternatives Gesellschaftssystem praktisch leben. In ihrer Präsentation bezeichnet der Begriff Utopie auch literarische oder filmische Werke, die eine solche utopisch-bessere oder -schlechtere Gesellschaft vorstellen. Einer der ersten utopischen Romane war Utopia von Thomas Morus, geschrieben 1516, der das Idealbild eines humanistischen Zusammenlebens skizziert.
Obgleich man den Begriff Utopie herkömmlich als Synonym für optimistisch-fantastische Ideale benutzt, kann eine Utopie in ihrem gesellschaftskritischen Aspekt durchaus gegenwärtig-praktisch ausgelegt werden und erlangt somit neben ihrer fantastischen Perspektive eine gegenwartsbezogen-kritische. Die Dichotomie möglich - unmöglich ist dabei Gegenstand von Diskussionen: Befürworter sehen neue Möglichkeiten am Horizont heraufziehen. Gegner verneinen diese und warnen vor unerwünschten oder unbedachten möglichen Folgen.
Realisierbarkeit
Dennoch zeichnet sich eine Utopie im engeren Sinne dadurch aus, dass sie zur Zeit ihrer Entstehung als nicht sofort realisierbar gilt. Diese Unmöglichkeit der schnellen Realisierung gründet sich stets in einem (oder beiden) der folgenden Gründe:
- Die Utopie ist technisch nicht ausführbar, d.h., die technischen Möglichkeiten sind noch lange nicht soweit, als dass sie den in der Utopie dargestellten Umstände gerecht werden könnten (s. Orwell, 1984 und auch Werner von Siemens, Über das naturwissenschaftliche Zeitalter).
- Die Utopie ist aufgrund menschlichen Versagens nicht ausführbar, d.h., die Menschen sind in ihrem Verhalten so angreifbar oder schlecht, dass der beschriebene Idealzustand nicht erreicht werden kann, oder sie sind so gut, dass die dystopische Vorstellung sich nicht durchsetzen kann (s. Stephen Hawking).
Weil die Utopien jedoch nur aus ihrem jeweiligen historischen Kontext als unrealistsisch zu verstehen sind, gleichen schon manche Aspekte des Alltagslebens am Beginn des 21. Jahrhunderts technischen und sozialen Utopien aus den 1950er Jahren (Internet, Raumfahrt, ) oder übertreffen diese noch (Gentechnik). Auch Elemente von Dystopien (Big Brother) finden sich (Überwachung).
Verschiedene Arten von Utopien
Es existieren utopische Vorstellungen auf technischem, gesellschaftlichem, und religiösem Gebiet. In der Praxis stellen sie aber auch Mischformen dar (z.B. Technokratie).
Gesellschaftliche Utopien
Sozialistische und kommunistische Utopien behandeln bevorzugt die gerechte Verteilung von Gütern, oft bei gleichzeitiger Abschaffung des Geldes ("jedem nach seinen Bedürfnissen"). Es existieren sogar Vorstellungen der Abschaffung von der Arbeit an sich (Muße, Paul Lafargue, Situationismus). Die Bürger gehen nur noch solchen Tätigkeiten nach, in denen sie sich selbstverwirklichen können.
Es bleibt viel Zeit, die Künste und Wissenschaften zu pflegen (Siehe auch utopischer Sozialismus, Freizeit).
Ob das von Francis Fukuyama behauptete Ende der Geschichte auch eine Utopie darstellt, ist fraglich, da diese in der bereits vorhandenen Welt bestände.
Religiöse Utopien
Christliche und islamische Vorstellungen vom Himmel sind utopischer Natur, speziell in volkstümlichen Vorstellungen, die ein Leben ohne Sorgen und Leid enthalten. Es existieren auch utopische Vorstellungen, das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen (Gottesstaat).
Die christlichen Zukunftsvorstellungen vom Paradies bzw. Garten Eden auf der Erde, dem durchgesetzten Reich Gottes also, sind nach christlicher Ansicht jedoch nicht als Utopie zu bezeichnen. Zwar bezeichnen sie eine ideale Wunschvorstellung für die Zukunft, jedoch werden sie nicht durch das Wirken des Menschen erreicht, sondern allein durch Gottes Gnade. Des Weiteren lässt die christliche Theologie in ihrem Glauben, dass mit der Deszendenz Jesu Christi, der Menschwerdung Jesu also, das Reich Gottes schon begonnen habe. Die christliche Zukunftsvorstellung ist also keine rein futuristische, sonder bezeichnet ein gleichzeitiges "schon" und "noch nicht": Das Reich Gottes hat mit Jesus Christus "schon" begonnen, wird in der Kirche fortgesetzt und ist im Himmel bereits durchgesetzt. In der gesamten Welt jedoch ist diese Vorstellung noch nicht akzeptiert und wartet somit noch auf Vollendung. Es wird dementsprechend keine neue Welt gepredigt, sondern die Erneuerung der alten Welt. Diese Vorstellung bezeichnet man in deutlicher Abgrenzung zu der Utopie als Eschatologie.
Utopische Strömungen sind jedoch im Christentum der Millenarismus oder die Dominionisten, und vor allem auch im Islam gibt es vergleichbare Strömungen, die einen ganz realen Gottesstaat (Theokratie) errichten wollen, der stark utopische Züge trägt (Siehe auch: Iran, Islamische Revolution).
Wissenschaftlich-technische Utopien
Laut wissenschaftlich-technischen Utopien werden dank technischem Fortschritt die menschlichen Lebensbedingungen und die Menschen manipulierbar. So sollen Krankheit, Hunger und Tod durch technische Mittel besiegt und auch das Wesen des Menschen soll gezielt verändert werden. Sie sind eine ideologische Überhöhungen der realen wissenschaftlichen und technischen Entwicklung, die gesellschaftliche Zusammenhänge bewusst ausblenden. In ihrer übersteigerten Darstellung technischer Möglichkeiten stehen sie unfreiwillig auch neueren apokalyptischen Szenarien nahe, in denen die Menschheit den Weltuntergang selbst herbeiführt. (Siehe auch Science Fiction, Atomkrieg, Automatisierung, Technizismus)