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Transkranielle Magnetstimulation

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Die transkranielle Magnetstimulation, kurz TMS ist eine nicht-invasive Technologie, bei der mithilfe starker Magnetfelder Bereiche des Gehirns stimuliert werden. Bisweilen noch nicht vollständigkeit erforscht, stehen Neurologie und Psychiatrie der TMS erwartungsvoll gegenüber. Für die Neurologie eröffnen sich neue diagnostische Möglichkeiten, aber auch in der Behandlung von Erkrankungen wie des Tinnitus, der Epilepsie oder der Parkinson-Krankheit könnte die TMS eine neue Option sein. In der Psychiatrie lassen Erfolge in der Therapie affektiver Störungen, allen voran der Depression, aber auch psychotischer Erkrankungen (u.a. Schizophrenie) auf eine weitere (für den menschlichen Körper gut/besser verträgliche) Behandlungsmöglichkeit hoffen.

Geschichte der TMS

Erste transkranielle (lat. transkraniell = duch den Schädel hindurch) Magnetstimulationen gelangen dem Arzt und Physiker Arsène d'Arsonval Ende des 19. Jahrhunderts an der französischen Wissenschaftsakademie in Paris. Er nutzte Starkstromspulen, wie sie in elektrischen Kraftwerken benutzt werden, um sich selbst und seine Probanden zu stimulieren und konnte so nachweisen, dass ein sich veränderndes Magnetfeld in menschlichen Geweben einen Stromfluss induziert. Die Probanden sahen lebhafte Phosphene, erlebten Schwindelattacken bis hin zu Bewusstlosigkeit.

An der Universität von Sheffield wurde von Antony Barker 1985 eine schonendere Variante der Magnetstimulation vorgestellt. Sie ist auf die technische Entwicklung leistungsfähiger Kondensatoren zurückzuführen und verwendet deutlich kleinere Spulen, die die Großhirnrinde nur in einem kleinen Bereich stimulieren. Die Magnetstimulation des schädelnahen Kortex ist seitdem nahezu ohne Unannehmlichkeiten für die Probanden bzw. Patienten und technisch "simplicity itself" (A. Barker).

Technische Grundlagen

Die TMS nutzt das physikalische Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Eine tangential am Schädel angelegte Magnetspule erzeugt ein ultrakurzes Magnetfeld der Dauer von 200-600 µs mit einer Magnetfeldstärke von bis zu 3 Tesla. Nach dem Induktionsgesetz führt das sich verändernde Magnetfeld zur Induktion eines, ebenfalls ultrakurzen, elektrischen Feldes in stromleitenden Geweben im Schädel-Inneren. Die Stärke dieses elektrischen Feldes, und somit die Wirkung der TMS, hängt von den Eigenschaften des Kondensatorstromes und der Spule ab. Verwendet werden sogenannte Rundspulen und Doppelspulen. Letztere bestehen aus zwei Rundspulen, die sich jeweils am Rand berühren oder überlagern. Dadurch wird das Magnetfeld beider Teilspulen in diesem Bereich überlagert, und somit verstärkt.

Elektrotechnisch werden bei gängigen Magnetstimulatoren grundsätzlich monophasische von biphasischen Schaltungen unterschieden. Ein Schwingstromkreis wird von einem hochleistungsfähigen Kondensator gespeist und über einen starkstromkompatiblen Gleichrichterschalter (Thyristor) geschlossen. Nach einer halben Schwingung kehrt sich die Stromrichtung des Schwingkreises um (der Strom "schlägt zurück"). In der monophasischen Schaltung wechselt der Kondensator nach einer viertel Schwingung seine Polarität, und kann deshalb nicht durch den zurückschwingenden Strom wieder aufgeladen werden. Stattdessen wird die Stromschwingung über eine gleichrichtende Diode und einen elektrischen Widerstand abgefangen und exponentiell vermindert. In der biphasischen Schaltung hingegen wird der Kondensator vom zurückschwingenden Strom über eine gleichrichtende Diode auf submaximale Kapazität wieder aufgeladen und nach einer halben Schwingung abgeschalten. In der Spule resultiert daher in der monophasischen Schaltung ein exponentiell abklingender Strom, in der biphasischen Schaltung ein Strom, der einer gedämpften Sinus-Vollschwingung ähnelt.

Ebenfalls unterschieden wird die Stimulation mit einzelnen Magnetfeld-Pulsen von der Stimulation mit Impuls-Salven, die sogenannte repetitive Magnetstimulation (rTMS). Für die rTMS werden vor allem biphasische Strompulsformen verwendet. Technisch sind heute Salven von bis zu 100Hz möglich. Grenzen werden der rTMS heute vor allem durch die Erhitzung der Spule gesetzt. An der Entwicklung gekühlter Spulen wird gearbeitet.

Wirkung

Die Magnetstimulation führt im Gehirn zur Auslösung von Aktionspotentialen. Der genaue Mechanismus ist leider trotz intensiver Forschung seit Einführung der Methode 1985 nach wie vor nicht in allen Einzelheiten verstanden.

Ab einer bestimmten Magnetfeldstärke wird ein ausreichend großes elektrisches Feld in der schädelnahen Großhirnrinde erzeugt, um Neuronen zu depolarisieren. Diese Depolarisation findet am ehesten am Axon statt. Verläuft das induzierte elektrische Feld in Verlaufsrichtung des Axons, so ist die benötigte Magnetfeldstärke am kleinsten. Die Magnetfeldstärke, die gerade benötigt wird, um eine Wirkung am Neuron zu bewirken nennt man in der Neurophysiologie Erregungs-Schwelle. Nervenenden, -verzweigungen und vor allem -biegungen haben eine besonders niedrige Erregungs-Schwelle.

Anwendung

Verwendet wird die TMS in der neurowissenschaftlichen Forschung, in der Neurologie und in der Psychiatrie. Von wissenschaftlichem Interesse ist vor allem die kurzfristige Störung einer keinen Hirnregion, um deren physiologische Funktion zu untersuchen. So kann man mit der Magnetstimulation über dem motorischen Kortex Muskelzuckungen auslösen, über der Sehrinde kann man Phosphene, aber auch Skotome erzeugen. Die rTMS von Hirnregionen, die für Sprache zuständig sind, kann für einige Minuten zur Verschlechterung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Probanden führen.

Die Auslösung von Muskelzuckungen durch Stimulation des motorischen Kortex wird in der Neurologie diagnostisch genutzt. Sie führen zu elektrischen Potentialen (motorisch evozierte Potentiale; MEP), die mit Elektroden relativ einfach abzuleiten sind. Bestimmte Erkrankungen des Gehirns und des Rückenmarkes, wie die Multiple Sklerose führen zu Veränderungen der MEP, die deshalb eine wichtige diagnostische Stütze darstellt. Ebenso von diagnostischem Interesse ist die Veränderung von Reizschwellen bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie der Migräne oder der Epilepsie. Auch die Anwendung von Psychopharmaka oder Drogen führt zu Veränderungen der Reizschwelle, die mit der TMS messbar sind.

Die rTMS kann zu einer Gewöhnung (Habituation) an die Stimulation führen, wodurch es zu einer längerfristigen Veränderung der Aktivität der Gehirnrinde im stimulierten Bereich kommen kann. So kann man die Bewegungsfähigkeit von Probanden durch rTMS des motorischen Kortex für einige Minuten verschlechtern. Ebenfalls verändern kann man die Aktivität des präfrontalen Kortex, was bei der Behandlung der Depression in der Psychiatrie zu nutzen versucht wird. Die antidepressive Wirkung hält bei den Patienten für einige Tage an, ist jedoch noch durch nicht ausreichend wissenschaftlich gesichert.

Risiken und Nebenwirkungen

Probanden und Patienten, die vor einer TMS stehen, sollten ihren behandelnden Arzt auf Risiken und Nebenwirkungen ansprechen. Die hier beschriebenen Risiken und Nebenwirkungen können nur einen Überblick verschaffen. Der behandelnde Arzt wird in jedem einzelnen Fall entscheiden müssen, ob eine Person für die TMS geeignet ist, oder nicht.

Seit Einführung der Magnetstimulation 1985 sind kaum Nebenwirkungen beobachtet worden. Die häufigste Nebenwirkung, vor allem bei Mit-Stimulation von Muskulatur auftretend, sind vorübergehende Kopfschmerzen. Am gefürchtetsten ist jedoch das sehr seltene Auftreten eines epileptischen Anfalles bei rTMS. Deshalb wurden 1998 in einem Konsens strenge Anwendungsvorschriften für die TMS erarbeitet.

Weitere, vor allem seltene Nebenwirkungen müssen durch die weitere sorgfältige wie langfristige Beobachtung während und nach Anwendung der TMS in Forschung und Klinik herausgefunden werden. Schon aus diesem Grund kann diese Liste nicht vollständig sein.

rTMS bei Depressionen