Martin Heidegger
Martin Heidegger (* 26. September 1889 in Meßkirch; † 26. Mai 1976 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Philosoph. Hauptsächliche Bemühung Heideggers war die Kritik der traditionellen abendländischen Philosophie, vor allem in ihrer Ausprägung als Metaphysik. Dazu untersuchte Heidegger die Werke großer Philosophen unter phänomenologischen, hermeneutischen und ontologischen Gesichtspunkten und versuchte, deren „unbedachte“ Voraussetzungen und Vorurteile freizulegen. Ziel dieser Aufarbeitung der Philosophiegeschichte war die Überwindung metaphysischer Auffassungen des Menschen und der Welt.
1927 entstand sein erstes Hauptwerk „Sein und Zeit“, mit dem er die philosophische Richtung der Fundamentalontologie begründete. Damit wollte er einen neuen Blick auf das Verhältnis von Menschen und Welt eröffnen. Ab Mitte 1930 widmete er sich einer Gesamtinterpretation der abendländischen Philosophiegeschichte. Alle bisherigen philosophischen Entwürfe geben laut Heidegger nur eine einseitige Auffassung der Welt. Diese Einseitigkeit bezeichnete er als Merkmal jeder Metaphysik.
Die metaphysisch-einseitige Weltauffassung gipfelte für Heidegger in der modernen Technik. Er verwarf die gängige Auffassung, Technik sei ein neutrales Mittel zum Erreichen von Zwecken. Stattdessen betonte er, dass mit der Technik eine neue Auffassung der Welt einhergehe. Dies zeige sich darin, dass durch Technik die Erde vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Nutzbarmachung in den Blick genommen wird. Der Mensch steht demnach im Zentrum einer Welt, die ihm zu dienen hat. Wegen ihrer globalen Verbreitung und der damit verbundenen schonungslosen „Vernutzung“ natürlicher Ressourcen sah Heidegger in der Technik eine große Gefahr.
Der Technik stellte er die Kunst gegenüber und erarbeitete ab Ende der 1930er Jahre anhand von Hölderlins Dichtungen Alternativen zum rein technischen Weltbezug. Über die Dichtung gelangte er in seinen späten Texten ab 1950 zu Fragen der Sprache. Dem Beziehungsreichtum der geschichtlich gewachsenen Sprache gewann Heidegger eine Auffassung der Welt ab, die metaphysische Einseitigkeiten zu vermeiden suchte. Er versuchte, den Menschen nicht mehr im Zentrum der Welt zu denken, sondern im Gesamtzusammenhang einer Welt, welche er „Geviert“ nannte. Der Mensch herrscht dabei nicht mehr über die Erde, sondern „wohnt“ dort als sterblicher Gast und schont sie.
Eine breite Rezeption Heideggers macht ihn zu einem der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Gleichwohl ist sein Werk inhaltlich umstritten. Insbesondere sein NS-Engagement ist bis heute Gegenstand kontroverser Debatten.
Leben und Werk
Kindheit, Jugend und Studium
Martin Heidegger kam am 26. September 1889 als erstes Kind der Eheleute Friedrich und Johanna Heidegger (geb. Kempf aus Göggingen) in Meßkirch (Baden) zur Welt. Seine Eltern hatten am 9. April 1887 geheiratet. 1892 wurde seine Schwester Maria geboren, 1894 sein Bruder Friedrich (Fritz). Der Vater war Fassbindermeister und versah an der örtlichen katholischen Kirche das Amt des Mesmers. Die Familie lebte in einfachen, aber wohlgeordneten Verhältnissen. Die tiefgläubigen Eltern bemühten sich trotz knapper Geldmittel um eine möglichst gute Ausbildung ihrer Kinder und ließen darüber hinaus die Söhne schon früh in den Ministranten-Dienst berufen. Höhere Bildung jenseits der Gemeindeschule schien unerreichbar, bis der Ortspfarrer 1903 auf die Begabung Martins aufmerksam wurde und ihm ein Stipendium für das Konradihaus in Konstanz ermöglichte, einer Schule zur Heranbildung zukünftiger Geistlicher.
Ab 1906 lebte Heidegger am bischöflichen Seminar in Freiburg und absolvierte das Gymnasium. Nach seinem Abitur trat er im September 1909 als Novize in den Jesuitenorden ein, verließ das Kloster aber wegen Herzbeschwerden schon nach einem Monat wieder. Stattdessen wurde er Priesterseminarist und begann das Studium der Theologie und Philosophie an der Universität Freiburg. Heidegger veröffentlichte erste Artikel und Kommentare. Die geistliche Laufbahn schien ihm sicher zu sein, bis er 1911 das Theologiestudium aufgab und die Philosophie mit Mathematik, Geschichte und Naturwissenschaften ergänzte. Da in dieser Zeit an philosophischen Seminaren vor allem der Neukantianismus und eine durch ihn geprägte Ablehnung der vor-kantischen Ontologie vorherrschten, war Heideggers früher Bildungsweg durch seine Bindung an den Katholizismus eher atypisch.
Zwei Texte prägten Heidegger in dieser Zeit: Franz Brentanos Schrift „Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles“ und „Vom Sein. Abriß der Ontologie“ des Freiburger Dogmatikers Carl Braig, dessen Vorlesungen er besuchte. Daraus entstand ein fruchtbares Spannungsverhältnis zur scholastischen Tradition. Heidegger urteilte später, dass er ohne seine theologische Herkunft nicht auf seinen Weg des Denkens gebracht worden wäre.[1]
Frühe Schaffenszeit

1913 wurde Heidegger mit einer Arbeit über „Die Lehre vom Urteil im Psychologismus“ zum Doktor der Philosophie promoviert. Im Freiburger Kartellverband Katholischer Deutscher Studentenvereine war er bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst sehr aktiv und beteiligte sich regelmäßig an den wöchentlichen Treffen. 1915 hielt er dort einen Vortrag über den „Wahrheitsbegriff in der modernen Philosophie“.
Schon 1915 folgte seine Habilitation bei Heinrich Rickert über „Die Bedeutungs- und Kategorienlehre des Duns Scotus“. Heidegger bezog sich in seiner Habilitation auf die Schrift „Grammatica Speculativa“ – später Thomas von Erfurt und nicht Scotus zugeschrieben – ein Traktat über Typen sprachlicher Ausdrucksweisen und ihnen entsprechender ontologischer Kategorien. Hier zeigt sich ein frühes Interesse Heideggers an dem Verhältnis von Sein und Sprache.
Der Erste Weltkrieg unterbrach seine akademische Laufbahn. Heidegger wurde 1915 einberufen und den Diensten für Post und Wetterbeobachtung zugewiesen. Für Kampfeinsätze war er nicht tauglich. 1917 heiratete er die Protestantin Elfriede Petri. Die Ausmusterung erfolgte 1918. Sein erster Sohn Jörg kam im Januar 1919 zur Welt, im August 1920 wurde Hermann geboren, dessen eigentlicher Vater ein Jugendfreund Elfriedes ist, was Martin aber niemals erfuhr.[2] Heidegger begann eine Affäre mit der Pädagogin Elisabeth Blochmann, mit der er über ihre Berufsentlassung aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 einen Briefwechsel unterhielt. In der Zeit der Weimarer Republik brach Heidegger mit dem „System des Katholizismus“ und widmete sich ausschließlich der Philosophie.[3]
Mit Edmund Husserl kam 1916 der führende Phänomenologe an die Universität Freiburg. Er trat die Nachfolge Rickerts an. Heidegger wurde als Assistent und Privatdozent zu seinem engsten Vertrauten. Husserl gewährte ihm Einblicke in seine Forschung, und Heidegger hob rückblickend den Gewinn hervor, den dieses enge Verhältnis für ihn hatte. Ab 1920 begann der freundschaftliche Briefwechsel mit dem Philosophen Karl Jaspers. Um eine außerordentliche Professur in Marburg erhalten zu können, erstellte Heidegger 1922 für Paul Natorp die Skizze eines Aristoteles-Buches, den so genannten Natorp-Bericht, der viele Gedanken aus „Sein und Zeit“ vorwegnahm. Heidegger bezeichnete seine Philosophie, die hier gerade im Entstehen war, als ausdrücklich atheistisch, erklärte jedoch zugleich in einer Fußnote: Eine Philosophie, die sich als faktische Lebensauslegung verstehe, müsse auch wissen, dass dies eine „Handaufhebung gegen Gott“ bedeute.[4]
Heidegger war durch die tiefe Verwurzelung im süddeutschen Landleben geprägt. Von Freiburg aus entdeckte er für sich den Südschwarzwald. Zwischen Feldberg und Belchen fand er eine intakte Landschaft, gesundes Klima und idyllische Dörfer. In Todtnauberg kaufte Elfriede Heidegger von ihren letzten Ersparnissen ein Grundstück und ließ nach eigenen Plänen von dem Zimmermeister und Bauern Pius Schweitzer eine Hütte erbauen, die am 9. August 1922 bezogen werden konnte und erst 1931 einen Stromanschluss erhielt. Dort schrieb Heidegger zahlreiche seiner Werke. Mit den hektischen Großstädten konnte er sich sein ganzes Leben lang nicht anfreunden.[5]
- „Meine ganze Arbeit (…) ist von der Welt dieser Berge und Bauern getragen und geführt. (…) sobald ich wieder hinaufkomme, drängt sich schon in den ersten Stunden des Hüttendaseins die ganze Welt der früheren Fragen heran, und zwar in der Prägung, in der ich sie verließ. Ich werde einfach in die Eigenschwingung der Arbeit versetzt und bin ihres verborgenen Gesetzes im Grunde nicht mächtig.“[6]
Während einer außerordentlichen Professur in Marburg von 1923 bis 1927 freundete er sich mit dem Theologen Rudolf Bultmann an. Unter den Studenten galt Heidegger bereits als herausragender Lehrer. Zu seinen Schülern zählten Karl Löwith, Gerhard Krüger und Wilhelm Szilasi. Auch die junge Hannah Arendt hörte Vorlesungen bei ihm. Sie erinnerte sich in einem Rundfunkbeitrag 1969 an die Faszination, die damals von seiner Lehrtätigkeit ausging: „Heideggers Ruhm ist älter als die Veröffentlichung von Sein und Zeit (…) Kollegnachschriften [gingen] von Hand zu Hand (…) [und] der Name reiste durch ganz Deutschland wie das Gerücht vom heimlichen König. (…) Das Gerücht, das [die Studierenden] nach Freiburg zu dem Privatdozenten und etwas später nach Marburg lockte, besagte, dass es einen gibt, der die Sache, die Husserl proklamiert hatte, wirklich erreicht.“[7]
Ab 1925 verband ihn eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit seiner neunzehnjährigen Studentin Hannah Arendt. Heideggers Briefe an Arendt und ihre Notizen über diese Beziehung wurden in ihrem Nachlass gefunden, während ihre Briefe nicht erhalten sind. Aus seiner frühen Korrespondenz mit Arendt geht hervor, welche Vorstellung er von einer universitär gebildeten Frau hatte: „Männliches Fragen lerne Ehrfurcht an schlichter Hingabe; einseitige Beschäftigung lerne Weltweite an der ursprünglichen Ganzheit fraulichen Seins.“[8] Am 24. April desselben Jahres schrieb er: „Zerrissenheit und Verzweiflung vermag nie so etwas zu zeitigen wie Deine dienende Liebe in meiner Arbeit.“ Die Beziehung war von einem Ungleichgewicht geprägt: Da Heidegger weder seine Stellung noch seine Ehe gefährden wollte, bestimmte er Ort und Zeit der Treffen. Der Kontakt musste im Geheimen ablaufen und entbehrte nicht konspirativer Elemente. 1925 trennten sich Heidegger und Arendt, sie ging auf seinen Rat hin nach Heidelberg, um bei Jaspers zu studieren. Die Beziehung hatte für Heidegger lebenslange Bedeutung, auch wenn es immer wieder zu langen Zeiten ohne Kontakt kam, so vor allem von 1933 bis 1950. Jedoch hat er in keinem seiner Werke Bezug auf die Veröffentlichungen Hannah Arendts genommen.
1927 erschien sein Aufsehen erregendes Hauptwerk „Sein und Zeit“. Das Buch wurde als eigenständiger Band in der von Edmund Husserl herausgegebenen Reihe „Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung“ veröffentlicht. Die durch die Gesamtausgabe zugänglichen frühen Vorlesungen lassen die Entstehungsgeschichte von „Sein und Zeit“ sehr genau nachvollziehen. Es zeigt sich, dass schon erstaunlich früh die für „Sein und Zeit“ wesentlichen Grundgedanken im Werk Heideggers hervortreten. 1928 wurde er in Freiburg Nachfolger auf Husserls Lehrstuhl. Seine Antrittsvorlesung hielt er über das Thema: „Was ist Metaphysik?“. Daneben sorgten seine Vorlesungen sowie ein öffentliches Streitgespräch mit Ernst Cassirer über Immanuel Kant für die Bekanntheit Heideggers.
Nationalsozialismus
Dieser Abschnitt behandelt die historischen Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus. Für eine Einschätzung von Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus siehe den Artikel
1933 sah Heidegger in dem politischen Umschwung neue Möglichkeiten zur Veränderung. Er wollte sich einschalten, und es schien ihm geboten, die Entwicklung mitzugestalten. Am 21. April 1933 wurde Heidegger Rektor der Freiburger Universität. Für das Amt des Rektors wurde er von seinem Vorgänger Professor von Möllendorf vorgeschlagen. Möllendorf war Sozialdemokrat und einen Tag zuvor – vermutlich auf Druck des NS-Regimes – zurückgetreten. In die NSDAP trat Heidegger am 1. Mai 1933 ein und blieb bis Kriegsende Mitglied. Für Professoren gab es keinen Zwang zur Parteimitgliedschaft, während andere Beamte zum Eintritt in die NSDAP verpflichtet waren.
In seiner Rektoratsrede vom 27. Mai 1933 mit dem Titel „Die Selbstbehauptung der Deutschen Universität“ fand sich das Wort von der „Größe und Herrlichkeit dieses Aufbruchs“. Die Rede war nationalsozialistisch konnotiert und hat bis heute viel Aufsehen erregt: Heidegger forderte darin eine grundlegende Erneuerung der Universität. Sie solle, mit der Philosophie als Zentrum, ihre Ganzheit wiedergewinnen, ähnlich wie in der Antike. Das Verhältnis von Professoren und Studenten solle dem von „Führern“ und „Gefolgschaft“ entsprechen. Weiterhin betonte er die Notwendigkeit der Bindung an die so genannte „Volksgemeinschaft“ und die wichtige Rolle der Universität bei der Ausbildung von kulturellen Führern des Volkes.
Während seines Rektorats beteiligte sich Heidegger an Propaganda und Gleichschaltungspolitik der „Bewegung.“ Zwar untersagte er als Rektor Bücherverbrennungen an der Universität und die Aufhängung des „Judenplakates“, andererseits unternahm er nichts, um die zunehmenden antisemitischen Ressentiments an der Universität einzudämmen. Nach einem fachlichen Streit 1931 mit seinem Kollegen Eduard Baumgarten denunzierte Heidegger diesen 1933 bei der nationalsozialistischen Professorenschaft.[9] Heidegger veranstaltete '33 in Todtnauberg ein Ferienlager für Dozenten und Assistenten, denen die „nationale Umwälzung des Hochschulwesens“ näher gebracht werden sollte.
Am 27. April 1934 trat Heidegger vom Amt des Rektors zurück, da seine Hochschulpolitik weder an der Universität noch bei der Partei genügend Unterstützung fand. Der Grund war nicht – wie er dies später selbst darstellte –, dass er die nationalsozialistische Hochschulpolitik nicht mittragen wollte, vielmehr ging ihm diese nicht weit genug: Heidegger plante eine zentrale Dozentenakademie in Berlin. Alle zukünftigen deutschen Hochschullehrer sollten in dieser Akademie philosophisch geschult werden. Der Marburger Psychologe Erich Jaensch schrieb dazu ein Gutachten, in dem er Martin Heidegger als „einen der größten Wirrköpfe und ausgefallensten Eigenbrötler“ bezeichnete, „die wir im Hochschulleben haben“.[10] Heideggers ehrgeizige Pläne scheiterten, und er zog sich aus der nationalsozialistischen Hochschulpolitik zurück. Eine Vorlesung, welche unter dem Titel „Der Staat und die Wissenschaft“ geplant war und zu der führende Parteimitglieder mit einer gewissen Erwartungshaltung angereist waren, wurde kurzerhand abgesagt. Heidegger zum Auditorium: „Ich lese Logik.“
Von nun ab widmete er sich nur noch der Lehre und Forschung. Heidegger selbst berichtete, er sei nach seinem Rücktritt vom Rektorat von der Partei überwacht worden, und einige seiner Schriften seien nicht mehr im Handel erhältlich gewesen oder nur noch unter der Ladentheke ohne Titelblatt verkauft worden.[11] Von 1935 bis 1942 war Heidegger Mitglied im „Wissenschaftlichen Ausschuss“ des Nietzsche-Archivs. Er trat jedoch 1942 ohne nähere Angabe von Gründen aus. Seine Kritik an der „Historisch-Kritischen Ausgabe“, die er dort hätte betreuen sollen, hat er später in seinem zweibändigen Nietzsche-Buch deutlich dargestellt.
1944 wurde er im Rahmen des Volkssturms zur Schanzarbeit eingezogen, da er bei der Dreiteilung der Dozentenschaft in Ganz-Entbehrliche, Halb-Entbehrliche und Unentbehrliche in die Gruppe der Ganz-Entbehrlichen fiel. Nach schweren Bombenangriffen auf Freiburg rettete Heidegger seine Manuskripte nach Meßkirch. Die Philosophische Fakultät der Freiburger Universität wurde vorübergehend nach Burg Wildenstein ausgelagert.
1946 erlitt Heidegger einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch und wurde von Victor Freiherr von Gebsattel behandelt. Nachdem er sich wieder erholt hatte, nahm Jean Beaufret mit einem Brief Kontakt zu ihm auf. Darin stellte er Heidegger die Frage, wie nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs dem Wort „Humanismus“ noch ein Sinn gegeben werden könne. Heidegger antwortete mit dem „Brief über den »Humanismus«“, der auf große Resonanz stieß: Heidegger war zurück auf der philosophischen Bühne. Ernst Jünger, dessen Buch „Der Arbeiter“ Heidegger stark geprägt hatte – er übernahm den Begriff der „totalen Mobilisierung“ in den „Beiträgen“ – kam 1949 zu Besuch nach Todtnauberg.
Nach dem Ende des Krieges trat ein vorübergehendes Lehrverbot in Kraft. Karl Jaspers hatte diese Lösung in einem im Dezember 1945 gefertigten Gutachten vorgeschlagen. Das Lehrverbot endete am 26. September 1951 mit Heideggers Emeritierung. Die Rezeption von Heideggers Werken war nach dem Krieg schwer belastet durch seine Verstrickung in das nationalsozialistische Regime während des einjährigen Rektorats und sein späteres Schweigen in der Öffentlichkeit.
Späte Jahre
Mit der Emeritierung erhielt Heidegger seine Rechte als Professor zurück. Sogleich kündigte er eine Vorlesung an und las im Wintersemester erstmals wieder in der Freiburger Universität. Seine Vorlesungen hatten großen Zulauf und lösten, wie auch seine Schriften, ein breites Echo aus. Nebenbei hielt er Vorträge im kleineren Rahmen, so zum Beispiel 1950 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften über „Das Ding“ und 1951 bei den Darmstädter Gesprächen des Deutschen Werkbundes zum Thema „Bauen – Wohnen – Denken“. 1953 stellte Heidegger vor der Bayerischen Akademie der Schönen Künste die „Frage nach der Technik“, und 1955 hielt er bei der Conradin-Kreuzer-Feier in Meßkirch den Vortrag „Gelassenheit“.
1947 wurde Heidegger vom Zürcher Psychotherapeuten Medard Boss kontaktiert, woraus eine lebenslange Freundschaft erwuchs. Er hielt die „Zollikoner Seminare“ im Hause von Medard Boss von 1959 bis 1969, wobei er Schweizer Psychiater in der Daseinsanalytik[12] unterrichtete. 1955 lernte René Char den deutschen Philosophen in Paris kennen.
René Char lud Heidegger mehrfach zu Reisen in die Provence ein. So kam es zu den Seminaren in Le Thor 1966, 1968, 1969 und in Zähringen 1973, einem Austausch der Dichter und Denker. [13]
Heideggers Denken entfaltete weltweit Wirkung. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die zahlreichen Übersetzungen von „Sein und Zeit“, unter anderem ins Japanische. Auch bei den fernöstlichen Philosophen hinterließ Heidegger eine dauerhafte Wirkung.[14] Hannah Arendt unterstützte die Herausgabe seines Werkes in den USA. Zum 500-Jahres-Jubiläum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 1957 hielt er den Festvortrag „Der Satz der Identität“. Neben einem Interview für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gab er auch vereinzelt Fernsehinterviews.
Bedeutsam für ihn waren die beiden Reisen nach Griechenland 1962 und 1967, deren Eindrücke er in den „Aufenthalten“ festhielt, die Reisen nach Italien 1952 und 1963 mit Medard Boss sowie seine wiederholten Ferien in der Lenzerheide bei diesem. 1967 traf Heidegger Paul Celan in Freiburg, der sich dort zu einer Lesung aufhielt. Beide fuhren anschließend zusammen nach Todtnauberg.
Heidegger hatte die Ausgabe seiner Gesamtausgabe selbst vorbereitet, deren erster Band 1975 erschien. Am 26. Mai 1976 starb Heidegger in Freiburg. Seinem Wunsch entsprechend wurde er am 28. Mai 1976 in seinem Geburtsort Meßkirch beigesetzt. Zu seiner Beerdigung las sein Sohn Hermann Heidegger Gedichte Hölderlins, die sein Vater ausgesucht hatte. Die Grabrede hielt einer seiner philosophischen Nachkommen, Bernhard Welte.[15]
Heidegger war davon überzeugt, dass die „verstehende Aneignung“ eines denkerischen Werkes sich an dessen Inhalten zu vollziehen hat – die Person des Denkers tritt somit in den Hintergrund. Daher sind autobiographische Daten äußerst spärlich, und vieles ist nur durch Briefe oder Berichte von Zeitgenossen zu erschließen. Die geringe Bedeutung, die Heidegger der Person des Denkers zusprach, lässt sich an den Worten ablesen, mit welchen er einmal eine Vorlesung über Aristoteles eröffnete: „Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb. Wenden wir uns also seinem Denken zu.“[16]
Denken als Weg
- Fragen, nicht Antworten
Zum 80. Geburtstag Heideggers resümierte Hannah Arendt dessen Lebenswerk: „Denn es ist nicht Heideggers Philosophie – von der man mit Recht fragen kann, ob es sie überhaupt gibt – sondern Heideggers Denken, das so entscheidend die geistige Physiognomie des Jahrhunderts mitbestimmt hat. Dies Denken hat eine nur ihm eigene, bohrende Qualität, die, wollte man sie sprachlich fassen und nachweisen, in dem transitiven Gebrauch des Verbums ‚denken‘ liegt. Heidegger denkt nie ‚über‘ etwas; er denkt etwas.“[17]

Arendts Zitat macht deutlich, worum es Heidegger in der Philosophie ging: Das Denken selbst ist schon Vollzug, ist Praxis, und es geht weniger darum Antworten auf Fragen zu liefern, denn vielmehr das Fragen selbst wach zu halten. Heidegger lehnte daher sowohl historische wie auch systematische „Philosophiegelehrsamkeit“ ab.[18] Die Aufgabe der Philosophie ist vielmehr ein Offenhalten dieser Fragen, die Philosophie bietet nicht Gewissheit und Sicherheit, sondern „das ursprüngliche Motiv der Philosophie [entspringt] aus der Beunruhigung des eigenen Daseins“.[19]
Die zentrale Stellung des Fragens in Heideggers Werk hat ihren Grund darin, dass er die Philosophiegeschichte vor allem als eine Geschichte der Verdeckung der grundsätzlichen Fragen interpretierte. Dabei habe die Philosophie nicht nur die Grundfragen – die Frage nach dem Sein – vergessen, sondern auch die Tatsache, dass sie vergessen hat. Ziel des Fragens ist somit nicht eine Antwort zu bekommen, sondern durch das Fragen aufzudecken, was ohne es weiter in Vergessenheit geriete. So wurde für Heidegger das Fragen zum Wesensmerkmal des Denkens: „Das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.“[20]
- Zugang zum Werk und sprachliche Hürden
Gleichwohl bleibt trotz dieser im Fragen angelegten Offenheit der Zugang zu Heideggers Werk überaus schwierig. Dies liegt nicht zuletzt an Heideggers eigentümlicher, wortschöpferischer Sprache – eine durch ihre Unnachahmlichkeit besonders leicht zu parodierende Diktion. Ein „Spiegel“-Journalist schrieb 1950 nach einem Vortrag ironisch, Heidegger habe „die ärgerliche Angewohnheit Deutsch zu sprechen“.[21]
Heideggers Sprache ist – vor allem in „Sein und Zeit“ – geprägt von Neologismen, außerdem erfand er Verben wie nichten, lichten, wesen. Anstoß erregten auch Konstruktionen wie „das Nichts nichtet“ (in „Was ist Metaphysik?“), die Heideggers Versuchen geschuldet sind, die Sachen als sie selbst zu denken: Es ist das Nichts selbst, das nichtet. Zur Erklärung soll kein metaphysisches Konzept herangezogen werden. Durch solche gewaltsamen semantischen Dopplungen wollte Heidegger den theoretisch distanzierten Blick der Philosophie überwinden und auf den Boden springen, auf dem wir – auch wenn wir es nicht sehen – in unserem konkreten Leben immer schon stehen.
In seinem Spätwerk kehrte sich Heidegger zwar von den Neologismen ab, lud dafür jedoch Worte aus der Alltagssprache semantisch bis zur Unverständlichkeit auf, sodass deren Bedeutung nur noch im Gesamtzusammenhang seiner Abhandlungen zu verstehen ist. Wegen seines Umgangs mit der Sprache wurde Heidegger scharf angegriffen: Am prominentesten ist dabei Theodor W. Adornos polemische Schrift „Jargon der Eigentlichkeit“.[22] Heidegger verwandte diesen Jargon jedoch nicht um seiner selbst willen, sondern er wollte sich damit von der philosophischen Tradition lösen. Sprache und Inhalt stehen in untrennbarem Zusammenhang.
Für den Leser bedeutet dies, dass er sich zunächst das Heideggersche Vokabular aneignen, ja zum Bewohner dieses Diskurses werden muss, wenn er sich anschließend gleichsam von innen mit dem Heideggerschen Denken beschäftigen möchte. Dolf Sternberger kritisierte genau dies: Auf die Terminologie Heideggers kann man nur mittels Heideggerscher Begriffe antworten.[23] Um Heideggers Denken nachzuvollziehen, bietet sich ein Mittelweg an: seine Sprache ernst nehmen und gleichzeitig vermeiden bloß einen Jargon nachzusprechen. Heidegger selbst hat daher immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, seine Aussagen nicht „so [zu] verstehen, wie das, was in der Zeitung steht“[24]. Seine Begriffe sollen statt dessen einen neuen Bereich aufschließen, indem sie auf immer schon Vorhandenes, aber stets Übersehenes hinweisen: Was sie formal anzeigen, soll letztlich jeder in der eigenen unmittelbaren Erfahrung finden können. „Der Bedeutungsgehalt dieser Begriffe meint und sagt nicht direkt das, worauf er sich bezieht, er gibt nur eine Anzeige, einen Hinweis darauf, dass der Verstehende von diesem Begriffszusammenhang aufgefordert ist, eine Verwandlung seiner selbst in das Dasein zu vollziehen.“[25]
- Wege, nicht Werke
Betrachtet man Heideggers Schriften, fällt auf, dass die Anzahl der großen, geschlossenen Abhandlungen eher gering ist. Es finden sich statt dessen vor allem kleine Texte und Vorträge – eine Form, die ihm wohl geeigneter erschien sein Denken zu vermitteln, zumal sie sich einer Auslegung als philosophischem System in den Weg stellt.
Dass für Heidegger Denken und Philosophieren eine Bewegung vollzieht und dabei einen Weg zurücklegt, zeigt sich an Werktiteln wie „Wegmarken“, „Holzwege“ und „Unterwegs zur Sprache“. Denken wird so zum Weg und zur Bewegung, weshalb Otto Pöggeler auch vom Denkweg Heideggers spricht.[26] Heideggers Denken ist nicht so sehr als Kanon von Meinungen aufzufassen, sondern bietet verschiedene Ansätze zu den „wesentlichen Fragen“. In hinterlassenen Aufzeichnungen für ein nicht mehr fertig gewordenes Vorwort der Gesamtausgabe seiner Schriften notierte Heidegger daher: „Die Gesamtausgabe soll auf verschiedene Weise zeigen: ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage. Die Gesamtausgabe soll dadurch anleiten, die Frage aufzunehmen, mitzufragen und vor allem dann fragender zu fragen.“[27]
Frühe Phänomenologie: Hermeneutik der Faktizität
Nach einer recht konventionellen Dissertation und Habilitation wurde Heideggers Vertrauen in die damalige Schulphilosophie vor allem durch Denker erschüttert, die wie Kierkegaard, Nietzsche und Dilthey die Geschichte der Metaphysik entgegenstellten.[28] Heidegger kehrte rein theoretischen Philosophiekonzepten den Rücken. Ihn interessierte verstärkt, wie sich das konkrete Leben phänomenologisch beschreiben lässt, als Leben, das in seiner historisch gewachsenen Tatsächlichkeit gegeben ist, jedoch nicht notwendig so werden musste. Mit diesem Ansatz, als phänomenologische Hermeneutik der Faktizität[29] bezeichnet, versucht Heidegger Lebenszusammenhänge und Erfahrungen aufzuweisen, nicht zu erklären. Ziel dieser phänomenologischen Herangehensweise ist es, das eigene Leben nicht zum Objekt zu machen und so als Ding aufzufassen, sondern zum Lebensvollzug durchzustoßen. Exemplarisch erläutert Heidegger dies 1920/21 in der Vorlesung „Einführung in die Phänomenologie der Religion“ an dem Wort des Apostels Paulus „der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht“[30]. In der urchristlichen Lebenserfahrung des Apostels drückt sich für Heidegger ein Lebensgefühl aus, das nicht versucht, die unverfügbare Zukunft durch Festlegungen oder Berechnungen verfügbar zu machen. Es ist die allzeitige Offenheit für das plötzlich einbrechende Ereignis, das unmittelbar gelebte Leben, welches Heidegger einer theoretischen Betrachtung des Lebens entgegenhält.[31]
Nach dem ersten Weltkrieg beschäftigte sich Heidegger als Assistent Husserls besonders intensiv mit dessen phänomenologischer Methode. Husserl gewährte ihm Einblicke in noch nicht veröffentlichte Schriften und hoffte in Heidegger einen guten Schüler gefunden zu haben. Heidegger allerdings verfolgte seine eigenen Interessen, und auch Husserl bemerkte, dass Heidegger „schon in Eigenart [war], als er meine Schriften studierte.“[32]
Vor allem Diltheys Annahme von der historischen Gewordenheit und Kontingenz jedes Welt- und Selbstverhältnisses war es, die Heidegger dazu führte, Husserls Konzept absolut gültiger Wesenheiten des Bewusstseins abzulehnen: „Leben ist historisch; keine Zerstückelung in Wesenselemente, sondern Zusammenhang.“[33] Ausgehend von dieser Sicht auf das Leben als Vollzug, lehnte Heidegger Husserls phänomenologische Reduktion auf ein transzendentales Ich ab, welches der Welt bloß apperzeptiv gegenüberstünde. Diese frühen Überlegungen gipfeln zusammen mit Anregungen aus Kierkegaards Existenzphilosophie in Heideggers erstem Hauptwerk „Sein und Zeit“.
„Sein und Zeit“
- → Dieser Abschnitt behandelt den fundamentalontologischen Ansatz. Für die existenzialistischen Themen, wie das Sein zum Tode, die Möglichkeit zur Individualität (Eigentlichkeit/Uneigentlichkeit), Gewissen, Schuld und Geschichtlichkeit siehe den Hauptartikel Sein und Zeit.
Die Seinsfrage
Thema des 1927 erschienenen Werks ist die Frage nach dem Sinn von Sein. Diese Frage hatte schon Platon beschäftigt. Heidegger zitierte ihn zu Beginn der Untersuchung: „Denn offenbar seid ihr doch schon lange mit dem vertraut, was ihr eigentlich meint, wenn ihr den Ausdruck ‚seiend‘ gebraucht, wir jedoch glaubten es einst zwar zu verstehen, jetzt aber sind wir in Verlegenheit gekommen.“[34] Auch nach zweitausend Jahren ist, so Heidegger, diese Frage noch unbeantwortet: „Haben wir heute eine Antwort auf die Frage nach dem, was wir mit dem Wort »seiend« eigentlich meinen? Keineswegs. Und so gilt es denn, die Frage nach dem Sinn von Sein erneut zu stellen.“[35]
Heidegger fragte nach dem Sein. Wenn er zugleich nach dessen Sinn forschte, dann setzt er voraus, dass die Welt keine formlose Masse ist, sondern es in ihr sinnhafte Bezüge gibt. Das Sein ist also strukturiert und besitzt in seiner Mannigfaltigkeit eine gewisse Einheitlichkeit.[36] So gibt es beispielsweise einen sinnhaften Bezug zwischen Hammer und Nagel – wie aber lässt sich dieser verstehen? „Von wo aus, das heißt: aus welchem vorgegebenen Horizont her verstehen wir dergleichen wie Sein?“[37] Heideggers Antwort hierauf war: „Der Horizont aus dem dergleichen wie Sein überhaupt verständlich wird, ist die Zeit.“[38] Die Bedeutung der Zeit für das Sein wurde Heidegger zufolge in aller bisherigen Philosophie nicht beachtet.
- Kritik an der traditionellen Seinslehre
Zwar hat die abendländische Seinslehre, laut Heidegger, in ihrer Tradition verschiedene Antworten darauf gegeben, was sie unter „Sein“ versteht. Sie hat die Seinsfrage jedoch nie so gestellt, dass sie dessen Sinn nachfragte, also die dem Sein eingeschriebenen Beziehungen untersuchte.[39] Heidegger kritisierte am bisherigen Verständnis, dass Sein stets wie etwas einzeln Seiendes, etwas Vorhandenes charakterisiert worden ist, also im zeitlichen Modus der Gegenwart. Als etwas bloß gegenwärtig Vorhandenes betrachtet, ist Vorhandenes jedoch aller zeitlichen und sinnhaften Bezüge zur Welt entkleidet: Von der Feststellung dass etwas ist, lässt sich nicht verstehen was etwas ist.
Bei einer Bestimmung des Seins als beispielsweise Substanz oder Materie wird das Sein nur in Bezug auf die Gegenwart vorgestellt: Das Vorhandene ist gegenwärtig, jedoch ohne dass es Bezüge zu Vergangenheit und Zukunft hätte. Heidegger versuchte im Verlauf der Untersuchung zu zeigen, dass im Gegensatz dazu die Zeit eine wesentliche Bedingung für ein Verständnis des Seins ist, da sie – vereinfacht gesagt – einen Verständnishorizont darstellt, in dessen Rahmen die Dinge in der Welt erst sinnhafte Bezüge zwischeneinander ausbilden können. So dient beispielsweise der Hammer dazu, Nägel in Bretter zu schlagen, um ein Haus zu bauen, welches Schutz vor kommenden Unwettern bietet. Es lässt sich also nur im Gesamtzusammenhang einer Welt mit zeitlichen Bezügen verstehen, was der Hammer außer einem vorhandenen Stück Holz und Eisen ist.
Der von der philosophischen Tradition gewählte Ausweg zur Bestimmung dessen, was etwas ist, der ontologische Reduktionismus, stellte für Heidegger ebenso eine Verfehlung dar, wenn er versucht, alles Sein auf ein Urprinzip oder ein einzig Seiendes zurückzuführen. Dieses von Heidegger kritisierte Vorgehen ermöglicht es beispielsweise der Onto-Theologie, innerhalb einer linearen Seinsordnung ein höchstes Seiendes anzunehmen und dies mit Gott gleichzusetzen.
- Ontologische Differenz
Diesen Fehler des bisherigen philosophischen Denkens, nicht die Bedeutung der Zeit für das Verständnis des Seins in den Blick zu bringen, sollte eine fundamentalontologische Untersuchung korrigieren. Heidegger wollte also in „Sein und Zeit“ die Ontologie auf ein neues Fundament stellen. Ausgangspunkt seiner Kritik an traditionellen Positionen der Ontologie war das, was er die ontologische Differenz[40] von Sein und Seiendem nannte.
Mit Sein bezeichnete Heidegger in „Sein und Zeit“ grob gesagt den Verständnishorizont, auf dessen Grundlage innerweltlich Seiendes begegnet. Jedes verstehende Verhältnis zu innerweltlich Seiendem muss sich in einem solchen kontextuellen Horizont bewegen, innerhalb dessen das Seiende erst offenbar wird.[41] Wenn uns also etwas begegnet, dann verstehen wir dies immer nur durch seine Bedeutung in einer Welt, dieser Bezug macht erst sein Sein aus. Jedes einzelne Seiende wird demnach immer schon transzendiert, d. h. über-stiegen und als einzelnes in Bezug zum Ganzen gesetzt, vonwoaus es erst seine Bedeutsamkeit empfängt. Das Sein eines Seienden ist daher das im Überstieg gegebene: „Sein ist das transcendens schlechthin. (…) Jede Erschließung von Sein als des transcendens ist transzendentale Erkenntnis.“[42]
Geht man von der ontologischen Differenz aus, dann wird auch jedes einzelne Seiende nicht mehr bloß als gegenwärtig Vorhandenes aufgefasst. Es wird vielmehr überstiegen in Bezug auf ein Ganzes: Im Ausblick auf etwas Zukünftiges und in seiner Herkunft aus der Vergangenheit ist sein Sein wesentlich zeitlich bestimmt.
- Sprachliche Schwierigkeiten
Das Sein als ein solcher zeitlicher Verständnishorizont ist daher die stets unthematische Voraussetzung dafür, dass einzelnes Seiendes begegnen kann. So wie im Gegebenen das Geben und der Gebende nicht enthalten sind, sondern unthematisiert bleiben, wird das Sein selbst nie explizit.[43]
Allerdings ist das Sein stets das Sein eines Seienden, weshalb zwar eine Differenz zwischen Sein und Seiendem besteht, beide aber nie getrennt voneinander auftreten können. Das Sein zeigt sich somit als das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist. Als Verständnishorizont ist es allerdings eigentlich unthematisierbar – denn ein Horizont kann niemals erreicht werden. Wird trotz allem das Sein sprachlich zum Thema erhoben, so wird es gleichzeitig verfehlt. Da sich nämlich die meisten Begriffe der Alltagssprache und auch der Philosophie allein auf Dinge in der Welt beziehen, sah sich Heidegger in „Sein und Zeit“ vor eine sprachliche Hürde gestellt. Dies zeigt sich in der Substantivierung „das Sein“, die Sein als innerweltlich Seiendes vorstellt. Um nicht an metaphysisch vorbelastete Begriffe anknüpfen zu müssen, hat Heidegger in „Sein und Zeit“ viele Neologismen gebildet.
Hermeneutische Phänomenologie
Heidegger geht also davon aus, dass das Sein weder als vorhandenes Ding zu bestimmen ist, noch als struktur- und zusammenhangslose Masse. Die Welt, in der wir leben, stellt vielmehr ein Beziehungsgeflecht aus sinnhaften Bezügen dar. Nun konnte die Untersuchung für Heidegger nicht einfach mit einem Paradigma ansetzen, wenn sie eine wirklich phänomenologische sein soll, denn die Phänomenologie versucht, Sachverhalte aufzuweisen, nicht deduktiv zu erklären.[44] Da er also immer schon in einer Welt lebt, kann der Mensch hinter diesen gegebenen Verständnishorizont nicht zurückgehen, er kann nur versuchen, ihn zu verstehen und einzelne Momente aufweisend hervorheben. Daher wählte Heidegger einen hermeneutischen Zugang.
- Der hermeneutische Zirkel in „Sein und Zeit“
Um die sinnhaften Bezüge in der Welt verstehen zu können, muss nach Heidegger ein hermeneutischer Zirkel durchlaufen werden, der bei jedem Durchgang ein besseres Verständnis zu Tage fördert. Die Bewegung dieses Zirkels verläuft so, dass sich das Einzelne nur im Bezug zum Ganzen verstehen lässt, und das Ganze sich nur am Einzelnen zeigt. Wenn der Verständnisvorgang nur im Durchlaufen eines Zirkels möglich ist, ist trotzdem fraglich, wo dieser Zirkel einsetzen soll. Heideggers Antwort hierauf: Einsatzpunkt ist der Mensch selber, denn er ist es offensichtlich, der die Frage nach dem Sinn von Sein stellt.[45]
Das Sein des Menschen nennt Heidegger Dasein, die Untersuchung dieses Daseins Fundamentalontologie. Die Frage nach dem Sinn von Sein kann nur vom Dasein beantwortet werden, denn dieses allein verfügt über ein Vorverständnis, wie es für jede hermeneutische Untersuchung notwendige Voraussetzung ist. Dieses Vorverständnis über das Sein bezeichnet Heidegger als Seinsverständnis. Es kommt allen Menschen zu, wenn sie die verschiedenen Seinsarten der Dinge verstehen: So versuchen wir nicht mit Bergen zu sprechen, wir gehen mit Tieren anders um als mit unbelebter Natur, wir versuchen nicht die Sonne anzufassen usf.[46] All diese selbstverständlichen Verhaltensweisen beruhen auf Auslegungen darüber, wie und was die Dinge sind. Da dem Dasein diese grundlegende Eigenschaft zukommt, also der Mensch immer schon in einen vorreflexiven Verständnishorizont eingelassen ist, richtet Heidegger seine Befragung folglich an das Dasein.
Durch diese grundsätzlich hermeneutische Ausrichtung geht er nicht mehr von einem erkennenden Subjekt aus, welches (wie etwa bei Kant) hauptsächlich Körper in Raum und Zeit wahrnimmt. Das Dasein ist vielmehr ein verstehendes, welches immer schon in eine Welt eingebunden ist.[47] Heidegger wählte als Eintrittspunkt in den Zirkel denn auch kein besonderes Dasein, sondern das Dasein in seiner Alltäglichkeit. Sein Ziel war, die Philosophie von transzendentalen Spekulationen zurück auf den Boden der gängigen Erfahrungswelt zu bringen.
Dazu sind nach Heideggers Auffassung zwei Schritte des hermeneutischen Zirkels erforderlich: Im ersten soll untersucht werden, wie sich die Sinnbezüge in der Welt für das Dasein darstellen. Die Welt wird demzufolge phänomenologisch beschrieben. Heidegger tat dies anhand des Sinnzusammenhangs von Werkzeugen, wie dem oben erwähnten Hammer. Im zweiten Schritt erfolgt eine „existenziale Daseinsanalyse“, also die Untersuchung der Strukturen, welche das Dasein ausmachen wie etwa Sprache, Befindlichkeit, Verstehen und Endlichkeit des Daseins. Ist so das Verhältnis von Dasein und Welt angemessen verstanden, muss es, wenn das Sein bestimmt werden soll, zugleich ontologisch gefasst werden.
Fundamentalontologie
- Unterwegs zu einer neuen Ontologie
Um die Überwindung der neuzeitlichen auf dem Subjekt-Objekt-Schema basierenden Ontologie voranzutreiben, führte Heidegger den Begriff des In-der-Welt-seins ein. Er sollte die grundlegende Zusammengehörigkeit von Dasein und Welt anzeigen. Welt bezeichnet dabei nicht so etwas wie die Summe alles Seienden, sondern eine sinnhafte Totalität, eine Bedeutungsganzheit, in der sich die Dinge sinnhaft aufeinander beziehen. Ging die Transzendentalphilosophie Kants von einem selbstgenügsamen, in sich ruhenden Subjekt aus, dessen Verbindung zur Außenwelt erst hergestellt werden musste, so ist bei Heidegger einerseits dem Dasein immer schon Welt gegeben, andererseits ist Welt überhaupt nur für das Dasein. Der Begriff des In-der-Welt-seins fasst beide Aspekte zusammen. Nun ist die Welt für Heidegger kein Ding, sondern ein zeitliches Beziehungsgeflecht. Er nennt dieses Geschehen von Welt die Weltlichkeit der Welt. Sie ist nur im Zusammenhang mit dem Dasein zu verstehen. Was also der Hammer als Hammer ist, lässt sich nur in Bezug auf das Dasein begreifen, das ihn gebraucht. Dem Sein ist also ein Sinn eingeschrieben und „Sinn ist das, worin sich die Verständlichkeit von etwas hält.“[48] Der Sinn von Sein und Dasein bedingen einander: „Nur solange Dasein ist, das heißt die ontische Möglichkeit von Seinsverständnis, ›gibt es‹ Sein.“[49] Damit vertrat Heidegger weder einen metaphysischen Realismus („die Dinge existieren so wie sie sind auch ohne uns“) noch einen Idealismus („der Geist erzeugt die Dinge indem wie sie sind“).

So soll die Analyse des Daseins das Fundament für eine neue Ontologie jenseits von Realismus und Idealismus abgeben. Heidegger stellt in „Sein und Zeit“ hierzu verschiedene Strukturen heraus, die das Dasein ein seiner Existenz, also in seinem Lebensvollzug, bestimmen. Diese nannte er Existenzialien: Verstehen, Befindlichkeit, Rede sind grundlegende Weisen, wie sich das Dasein auf sich und die Welt bezieht. Die Existenzialien sind Momente eines Strukturganzen, das Heidegger als Sorge bestimmte. Damit erweist sich das Sein des Daseins als Sorge: Der Mensch ist Sorge. (Diese Bestimmung des menschlichen Seins als Sorge will Heidegger jedoch von Nebenbedeutungen wie »Besorgnis« und »Trübsal« frei halten.)
Wenn die Existenz des Daseins sich als Sorge erweist, dann lässt sich von hier aus die Welt verstehen: der Hammer und anderes Werkzeug dienen zum Hausbau. Die verschiedenen Werkzeuge sind durch ein Um-zu verbunden, welches letztendlich im Um-Willen des Daseins mündet, dieses besorgt Dinge, weil es sich um sich und seine Mitmenschen sorgt. Auch die wissenschaftliche Erfassung der Welt und das Naturverständnis erheben sich letztlich für Heidegger aus dem Dasein als Sorge.[50]
- Zeitlichkeit und Dasein
Da das Dasein als Sorge offensichtlich immer aus einer Vergangenheit her bestimmt ist und sich auf Zukünftiges richtet, folgt im zweiten Teil von „Sein und Zeit“ eine erneute Interpretation der Existenzialien unter dem Aspekt der Zeit. Dabei erweist sich für Heidegger die Zeit zunächst nicht als objektiv-physikalisch ablaufende, sondern als die dem Dasein eingeschriebene Zeitlichkeit, die in engem Zusammenhang mit der Sorge steht. Die enge Beziehung von Zeit und Sorge zeigt sich beispielsweise an alltagssprachlichen Zeitangaben wie „bis dahin ist es ein Spaziergang“. Nach Heidegger ist die an die Sorge gebundene Zeit die ontologisch primäre. Erst aus dem alltäglichen Umgang mit der Zeit heraus entwickelt das Dasein eine objektive (wissenschaftliche) Zeit, mit der es rechnen und planen kann und die sich durch Uhren bestimmen lässt. Dabei bleibt allerdings alles Planen und Rechnen an die Sorge gebunden.
Abkehr von „Sein und Zeit“
„Sein und Zeit“ blieb aus verschiedenen Grünen ein Fragment, von dem nur die erste Hälfte vorliegt. Zwar konnte Heidegger mit dem neuen ontologischem Denken, das auf dem Verhältnis von Dasein und Sein basierte, viele Probleme der überkommenen Ontologie überwinden, allerdings führte sein Ansatz lediglich zu relativ begrenzten Möglichkeiten philosophischen Verstehens. Dies vor allem aufgrund der Sorge-Struktur und der dem Dasein eingeschriebenen Zeitlichkeit. Damit bestand die Gefahr, dass alle Aspekte des menschlichen Lebens nur noch unter diesen Gesichtspunkten interpretiert werden sollten. Heidegger warnte selbst vor einer Überschätzung der Zeitlichkeit, was aber nicht überzeugen konnte.[51][52]
Heidegger hatte zudem in „Sein und Zeit“ seinen Wahrheitsbegriff an das Dasein gekoppelt: Die Welt ist dem Dasein im praktischen Umgang mit ihr immer schon erschlossen. Mit dieser Formulierung wollte er seinem Verständnis von Wahrheit eine ontologische Dimension zuweisen: Erst für das Dasein lichtet sich Welt, erst für es ist Welt und von hier aus bestimmt sich auch, was das Seiende ist. Dabei wird deutlich, wie stark die Sorge-Struktur die Welt und die Dinge zeitlich und inhaltlich um das Um-zu und Um-Willen, also um die praktischen Bedürfnisse des Daseins zentriert. Unter diesem Gesichtspunkt sind geschichtliche Umwälzungen des Selbst- und Weltverständnisses und die Passivität des Menschen im Gang der Geschichte schwer zu verstehen. Hinzu kam die Schwierigkeit, sich von der Sprache der Metaphysik abzugrenzen, wie Heidegger rückblickend 1946 im „Brief über den »Humanismus«“ schrieb.[53]
Die genannten Gründe veranlassten Heidegger schließlich zur Abkehr vom fundamentalontologischen Ansatz. So war „der Weg durch Sein und Zeit ein zwar unumgänglicher und doch ein Holzweg – ein Weg, der plötzlich aufhört“.[54] Es folgte für Heidegger ein Umdenken, welches er als Kehre bezeichnete.
Das Umdenken in den 30er Jahren: Die Kehre
Der Wandel im Wahrheitsverständnis
Im Denkweg Martin Heideggers vollzog sich zwischen 1930 und 1938 ein Umdenken, welches er selbst als Kehre bezeichnete. Er wandte sich von seinem fundamentalontologischen Denken ab und einem seinsgeschichtlichem Ansatz zu. Es ging ihm nach der Kehre nicht mehr um den Sinn von Sein oder dessen transzendentalen Auslegungshorizont (die Zeit), sondern er bezog die Rede vom Sein als solches darauf, wie das Sein sich von sich selbst her sowohl entbirgt als auch verbirgt.
- Vom Wesen der Wahrheit…
„Sein und Zeit“ war bestimmt von der existenzialen Wahrheit: Das Dasein hat im vorreflexiven Weltbezug, der sich im praktischen Umgang mit den Dingen einstellt, den Verweisungszusammenhang des Innerweltlichen immer schon irgendwie entdeckt; außerdem hat es ein vor dem Denken vorhandenes Verständnis von sich selbst und der Unumgänglichkeit, Entscheidungen treffen zu müssen, also sein Leben führen zu müssen. Diese für das Existieren notwendige Zugehörigkeit von Wahrheit und Dasein nannte Heidegger Wahrheit der Existenz.[55] Mit der Kehre verschob er diesen Schwerpunkt. Für ein Verständnis des Welt- und Selbstverhältnisses ist seiner Auffassung nach nicht nur die Struktur unserer Existenz von Bedeutung, sondern auch, wie sich die Welt, das Sein, für uns von sich her zeigt. Es braucht daher auch ein Sicheinlassen auf das Offene der Unverborgenheit.[56] Heidegger vollzog diese Ausweitung seines Wahrheitsbegriffs 1930 im Vortrag „Vom Wesen der Wahrheit“. Zwar fasste er Wahrheit immer noch – wie in „Sein und Zeit“ – als Unverborgenheit auf; jedoch zeigte sich für Heidegger nun, dass der Mensch diese Unverborgenheit nicht von sich aus herstellen kann.[57]
- …zur Wahrheit des Wesens
Das Sein entbirgt sich dem Menschen nicht nur in Bezug zu dessen Existenz, sondern in mannigfaltiger Form. So kann Wahrheit beispielsweise durch die Kunst geschehen, was Heidegger 1935 in seinem Vortrag „Der Ursprung des Kunstwerkes“ beschrieb. Macht ein Kunstwerk vormals Unthematisches oder Verborgenes ausdrücklich und hebt es ins Bewusstsein, dann zeigt sich Wahrheit als ein Prozess: Wahrheit geschieht. Um dies sprachlich zu fassen, ergab sich für Heidegger die Notwendigkeit zu sagen: Wahrheit west; denn da sich ja im Geschehen der Wahrheit als Entbergung erst zeigt, was ist, kann man nicht sagen, „Wahrheit ist.“ Das Wesen der Wahrheit ist also ihr Wesen als Prozess. Wenn nach der Kehre nun Wahrheit nicht mehr starr an die immer schon vorhandene Erschlossenheit von Welt und Selbst durch das Dasein gebunden ist, meint dies ein Zweifaches: Wahrheit wird prozessual, und sie kann Bestimmungen mit einschließen, die sich nicht vom pragmatisch existierenden Dasein her verstehen lassen. Diese Verschiebung des Schwerpunktes drückt sich in der Umkehrung aus: Aus dem Wesen der Wahrheit wird die Wahrheit des Wesens.[58] Heidegger bezeichnete sein eigenes Umdenken als Kehre:
„Indem es das Wort Sinn von Sein zugunsten von Wahrheit des Seins aufgibt, betont das aus Sein und Zeit hervorgegangene Denken künftig mehr die Offenheit des Seins selbst als die Offenheit des Daseins (…) Das bedeutet die ‚Kehre‘, in der das Denken sich immer entschiedener dem Sein als Sein zuwendet.“[59]
- A-letheia: Ver- und Entbergung des Seins
Damit sich nun das Sein in seiner Unverborgenheit von sich her zeigt, bedarf es allerdings immer noch des Menschen als „Lichtung“: Was ist, zeigt sich ihm in verschiedenem Licht (alles ist Geist/Materie, die Welt ist von Gott erschaffen usf). Wesentlich für das Verständnis des Heideggerischen Wahrheitsbegriffs ist, dass er ein ontologischer ist. Heidegger geht es darum, wie überhaupt sich dem Menschen zeigt, was ist. Alle anderen Bestimmungen von Wahrheit, beispielsweise als Aussagewahrheit (richtig/falsch) können erst daran anknüpfen, dass sich dem Menschen das Sein zuvor in einer bestimmten Weise entborgen hat.
Heideggers Rede vom Ent- und Verbergen ist allerdings nicht mit perspektivistischen Wahrheitsauffassungen zu verwechseln.[60] Dies zum einen, da sich Unverborgenheit nicht auf einzelnes Seiendes bezieht, welches aufgrund der Perspektive nur von einer bestimmten Seite her einsehbar wäre, zum anderen möchte Heidegger die Wahrheit auch nicht an sinnliche Erkenntnisweisen, wie die des Sehens, knüpfen. Wahrheit ist vielmehr ein übergreifender Sinnzusammenhang, und so meint die Rede von der Unverborgenheit des Seins ein Ganzes, also eine Welt als Sinntotalität, welche sich dem Menschen eröffnet.
Wenn Heidegger den Entbergungsprozess nun vom Sein selbst her dachte, dann war für ihn damit auch immer ein Verbergen verbunden. Dies meint, dass immer, wenn das Sein sich als bestimmtes zeigt (bspw. „alles ist Materie“), es zugleich einen anderen Aspekt verbirgt. Das Verborgene ist allerdings nicht eine konkrete andere Bestimmung des Seins („alles ist Geist“), sondern was sich verbirgt, ist die Tatsache, dass sich das Sein entborgen hat. Der Mensch hält sich daher meist nur beim entborgenen Seienden auf, vergisst jedoch, wie diese Bestimmung des Seins erst selbst geschehen ist. Er entspricht lediglich dem schon Entborgenen und nimmt davon das Maß für sein Handeln und Besorgen.[61]
Dieses Ausbleiben der Frage nach dem „Sinn von Sein“ und das bloße Aufhalten beim Seienden nannte Heidegger schon vor „Sein und Zeit“ Seinsvergessenheit. Wegen der grundlegenden Zusammengehörigkeit von Ver- und Entbergen erweist sich dies Vergessen des Seins nach der Kehre aber nicht mehr als Verfehlung seitens des Menschen, sondern ist dem Seinsgeschick selbst zugehörig. Heidegger sprach daher auch von der Seinsverlassenheit. Nun ist der Mensch aber darauf angewiesen, sich an das ihm entborgene Seiende zu halten, denn er kann sich nur nach dem richten, was ist. Mit dieser Angewiesenheit des Menschen auf das Sein deutet sich also eine erste Wesensbestimmung des Menschen an. Das Aufhalten beim Seienden jedoch hält den Menschen meist davon ab, einen ursprünglicheren Zugang zu seinem eigenen Wesen als dem Entbergen zugehörig zu erfahren.
Trotz dieser Gewichtsverlagerung zwischen „Sein und Zeit“ und Heideggers Denken nach der Kehre ist es ein übertriebenes, verzerrtes Bild, beim frühen Heidegger von einem heroischen Aktivismus des Daseins zu sprechen, und dem gegenüber beim späten Heidegger von einem gegenüber dem Sein zur Passivität verurteilten Menschen. Ein solcher Vergleich stützt sich auf lediglich zwei aus dem Gesamtwerk gewaltsam herausgetrennte Aspekte, die so in ihrer Vereinzelung bei Heidegger nicht vorkommen.[62]
Verwindung der Metaphysik
- Rückgang in den Grund der Metaphysik
In „Sein und Zeit“ wollte Heidegger die Ontologie auf ihr Fundament zurückführen. Damit blieb er weitestgehend im Bereich der klassischen Metaphysik, verstand er seine Bemühungen ja selbst als Reform und Weiterführung der Ontologie. Nach der Kehre gab Heidegger die Pläne, einen neuen Grund der Ontologie zu finden, auf. Statt dessen widmete er sich in „Was ist Metaphysik?“ der Frage nach dem Grund der Metaphysik:[63] Wie kommt es, dass die Metaphysik nur vom Seienden aus das Sein zu bestimmen versucht und auf das Seiende zu, indem sie je einen letzten oder höchsten Grund für die Bestimmung alles Seienden ausmacht? Mit dieser Frage versuchte Heidegger also nicht selbst wieder eine Bestimmung des Seienden zu geben – dies ist ja das Vorgehen der Metaphysik – sondern er untersuchte die Metaphysik als Metaphysik und die Bedingungen ihres Vorgehens: Wie kamen die verschiedenen Auslegungen des Seins durch die Metaphysik zustande? Diese Frage, welche die Bedingungen der Metaphysik selbst thematisiert, blieb der Metaphysik per Definition verschlossen, die selbst nur das Seiende und dessen Sein zum Gegenstand hat.
- Ab-gründiges Denken
Ziel Heideggers war weiterhin eine Überwindung der Metaphysik. Notwendig hierfür ist als erstes ein Zurückweisen metaphysischer Letztbegründungen. Die Untersuchung darf nicht selbst schon wieder paradigmatische Vorannahmen an ihren Gegenstand herantragen. Ein nicht-metaphysisches Denken hat ohne letzte Gründe auszukommen. Es muss sich selbst in den Ab-grund bringen. Heidegger bezeichnete deshalb sein Denken von nun ab als ab-gründig. Vom Ab-grund aus kritisierte er nun seine frühe Philosophie: „Überall noch in Sein und Zeit bis an die Schwelle der Abhandlung Vom Wesen des Grundes wird metaphysisch gesprochen und dargestellt und doch anders gedacht. Aber dieses Denken bringt sich nicht ins Freie des eigenen Ab-grundes.“[64] Erst von diesem Ab-grund aus, von einer Position aus, die keinen letzten Grund kennt, konnte Heidegger die Geschichte der Metaphysik in den Blick bringen und interpretieren.
- Überwindung des Subjekt-Objekt-Schemas
Vorherrschende philosophische Strömung der neuzeitlichen Philosophie war für Heidegger die von Descartes ausgehende Subjektphilosophie. Heidegger musste, so arguentierte er, dieses Schema zurückweisen, sollte seine Auslegung der Philosophiegeschichte unvoreingenommen sein. Wenn die Metaphysik die Welt und das Sein im Ganzen betrachtet und eine Bestimmung dessen gibt (bspw. „alles ist Geist“: Idealismus oder „alles ist Materie“: Materialismus), dann besteht der Kern ihres Vorgehens darin, dass sie das Seiende vor sich bringt, um es zu bestimmen. Heidegger sprach daher von einem vor-stellendem Denken.[65] Die Eigenart dieses vor-stellenden Denkens ist es aber, dass es das Seiende als Objekt für ein Subjekt vor-stellt und somit die Subjekt-Objekt-Spaltung aktualisiert. Dadurch inthronisiert aber die Metaphysik den Menschen als Maß aller Dinge. Das Seiende hat von nun ab beim Subjekt Mensch vorstellig zu werden: Nur was so fest-gestellt und sicher-gestellt wurde, ist auch. Für Descartes ist allein das, was sich durch den Menschen mathematisch beschreiben lässt.
Auch die kantische Transzendentalphilosophie setzte den Menschen als Subjekt in die Mitte alles Seienden, was Kant als kopernikanische Wende bezeichnete: Nicht das Subjekt hat sich nach der Welt, sondern die Welt nach dem Subjekt zu richten. Kant hatte in der „Kritik der reinen Vernunft“ versucht, durch die der reinen Vernunft gegebenen Kategorien der Erkenntnis dem Erkennen einen sicheren Grund zu geben. Ziel war für Kant demnach nicht die Überwindung der Metaphysik, sondern die Schaffung eines gesicherten Fundaments für anschließende Spekulationen. Heidegger deutet Kant also als Metaphysiker, so das Ziel schon seines Kant-Buchs, wo es gleich zu Beginn heißt: „Die folgende Untersuchung stellt sich die Aufgabe, Kants Kritik der reinen Vernunft als eine Grundlegung der Metaphysik auszulegen […]“. Für Heidegger zeigte sich bei Kant ein metaphysisches Bedürfnis nach einer Letztbegründung: Das Subjekt (die Vernunft) soll zugleich als Grund für alle Erkenntnis dienen. Es be-gründet das Erkannte. Die Metaphysik besteht also ihrem Wesen nach daraus, dass sie das Seiende als Objekt für ein Subjekt vor-stellt und sogleich durch das Subjekt be-gründet.
Hierbei ergibt sich Heidegger zufolge jedoch eine Paradoxie, denn wenn die Metaphysik nur das als begründet anerkennt, was sich dem Subjekt zeigt, aber das Subjekt sich nicht selbst begründen kann, dann ist es ihr unmöglich, sich des eigenen Grundes zu versichern. Auch in der reflexiven Selbstversicherung, in der Selbstreflexion, erfasst sich das Subjekt ja immer nur als Objekt und verfehlt sich somit gerade als Subjekt. Die Unmöglichkeit des doppelten Sich, des Sich-selbst-vor-sich-selbst-Habens wäre nur durch eine gewaltsame Selbst-setzung zu übergehen.[66]
- Verwindung der Metaphysik als Teil der Seinsgeschichte
Da in der Metaphysik das Sein verschiedenartige Bestimmungen durch den Menschen erfahren hat, kommt Heidegger zu dem Schluss, dass das Sein selbst eine Geschichte hat. Heidegger nennt dies Seinsgeschichte. Die Kehre als Verwindung der Metaphysik beschreibt ein Doppeltes:[67]
- Einerseits markiert die Kehre die Abwendung von Metaphysik hin zur Untersuchung der Geschichte der Metaphysik, der Seinsgeschichte.
- Zugleich ist diese Abwendung selbst ein seinsgeschichtliches Ereignis, also ein neuer Teil der Seinsgeschichte. Nicht weil sie die Geschichte der Metaphysik fortsetzt, sondern weil sie in einer Gesamtrückschau diese in den Blick bringt und sie abzuschließen und zu überwinden sucht. Die Überwindung der Metaphysik bleibt selbst auf das bezogen, was es zu überwinden gilt. Heidegger sprach daher von einer Verwindung.
Im Gespräch mit den großen Denkern, nicht durch ablehnende Feinschaft, sollte die Metaphysik an ihre Grenzen gebracht werden: „Darum muß das Denken, um der Verwindung der Metaphysik zu entsprechen, zuvor das Wesen der Metaphysik verdeutlichen. Einem solchen Versuch erscheint die Verwindung der Metaphysik zunächst wie eine Überwindung, die das ausschließlich metaphysische Vorstellen nur hinter sich bringt. (…) Aber in der Verwindung kehrt die bleibende Wahrheit der anscheinend verstoßenen Metaphysik als deren nunmehr angeeignetes Wesen erst eigens zurück.“[68] Im Rückblick besinnt sich Heidegger auf die ersten Anfänge des abendländischen Philosophierens. In ihrer Verwindung sucht er einen anderen Anfang.
Erster und anderer Anfang
Heidegger versuchte in der Geschichte der Metaphysik verschiedene Epochen auszumachen. In Bezug auf die Philosophie der frühen Griechen, sprach er vom ersten Anfang, der die Metaphysik begründete. Sein eigenes Denken und das von ihm angestrebte nach-metaphysischen Zeitalter sah er als anderen Anfang.
- Verfehlungen des ersten Anfangs
Der erste Anfang der alten Griechen teilt sich für Heidegger in zwei Ereignisse, das vorsokratische Denken und die von Platon und Aristoteles ausgehende Metaphysik. Wie sich für Heidegger im Begriff der Aletheia (A-letheia als Un-verborgenheit) ausdrückte, hatten die frühen Griechen eine unverstellte Erfahrung des Seins: sie haben dieses noch als Unverborgenheit zu sehen vermocht. Damit stand für sie noch nicht das Seiende als solches im Zentrum des Interesses, sondern die Entbergung zur Unverborgenheit. Mit Platon und Aristoteles ereignete sich nach Heideggers Auffassung jedoch ein Abfall von diesem unverstellten Wahrheitsbezug, und es begann das Vorherrschen der Metaphysik. Platon suchte in den Ideen Halt, Aristoteles in den Kategorien, womit sich beide nur noch für die Bestimmung des Seienden interessierten und dem metaphysischen Bedürfnis folgend versuchten, es durch letzte Gründe sicherzustellen und festzuschreiben.
- Rückgang auf die Vorsokratiker
Heidegger will mit dem anderen Anfang hinter Platon und Aristoteles zurückgehen. Die Offenheit und frühen Erfahrungen der Vorsokratiker sollten erneut aufgegriffen und für ein zukünftiges Denken nutzbar gemacht werden. So versteht Heidegger den anderen Anfang weder als einen neuen Anfang - da er auf einer konstruktiven Aneignung der philosophischen Tradition und ihrer Verfehlungen beruhe - noch sei der Rückgang zu den Vorsokratikern durch eine romantisch-restaurative Tendenz bestimmt.[69]
Vorherrschend ist hingegen der prospektive Aspekt, der dem Menschen die Wiedereinkehr in sein Wesen ermöglicht, indem er die zurückliegende Geschichte zu verstehen weiß und den metaphysischen Seinsauslegungen ein neues Denken entgegenstellt. Um den Unterschied zwischen anfänglichem Denken und andersanfänglichem Denken deutlich zu machen, führte Heidegger die Unterscheidung zwischen Leitfrage und Grundfrage ein. Dabei bezeichnet die Leitfrage das Fragen nach dem Seienden als Seienden und dem Sein des Seienden, die in der Metaphysik und Ontologie seit Platon und Aristoteles zu verschiedenen Antworten geführt hatte, während Heidegger beanspruchte, mit seiner Formulierung der Grundfrage auf das Sein als solches abzuzielen. Sein Ziel war es nicht, das „Sein“ zu definieren, sondern zu untersuchen, wie es überhaupt zu solchen Bestimmungen in der Philosophiegeschichte gekommen ist. [70]
- Der Sprung
Dieses neue Denken kann – bei allem Rückbezug – aber nicht einfach aus dem alten kompiliert oder hergeleitet werden, denn es enthält sich ja gerade allen Seinsbestimmungen. Um diese radikale Andersheit zu verdeutlichen, spricht Heidegger vom Sprung in ein anderes Denken. Diesen vorzubereiten schickt sich Heidegger in den „Beiträgen zur Philosophie (Vom Ereignis)“ an. Die Arbeit, verfasst 1936–38 und zu Heideggers Lebzeiten nicht veröffentlicht, gilt als sein zweites Hauptwerk.[71] Die „Beiträge“ zählen zu Heideggers privaten Schriften und sind äußerst kryptisch formuliert, weshalb Heidegger empfahl, sich zuvor mit den Vorlesungen der 30er Jahre vertraut zu machen.[72]
Der Sprung ist der Übergang vom ersten zum anderen Anfang und somit ein Vordringen in das seinsgeschichtliche Denken. Im Kontext der „Beiträge“ sind auch die Schriften „Besinnungen“ (1938–39, GA 66), „Die Geschichte des Seyns“ (1938–40, GA 69), „Über den Anfang“ (1941, GA 70), „Das Ereignis“ (1941–42, GA 71) und „Die Stege des Anfangs“ (1944, GA 72) zu verorten.
Eine andere Metapher für den Übergang von der traditionellen Metaphysik hin zum seinsgeschichtlichen Denken ist Heideggers Rede vom Ende der Metaphysik bzw. Ende der Philosophie und dem Anfang des Denkens, wie sie sich in Heideggers Vortrag „Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens“ (GA 14) findet. Um dieses Denken zu ermöglichen, muss nach Heidegger zunächst die Geschichte der Metaphysik konkret nachgezeichnet und anhand der Werke ihrer wesentlichen Denker interpretiert werden. Erst so werde die Seinsgeschichte greifbar.
Philosophiegeschichte als Seinsgeschichte
Unter Seinsgeschichte versteht Heidegger das geschichtliche Verhältnis des Menschen zum Sein. Dabei ist Geschichte nicht der kausal aufeinander bezogene Geschehenszusammenhang, sondern ihr bestimmendes Moment ist die Wahrheit des Seins. Dieser Ausdruck bezeichnet allerdings nicht eine Wahrheit über das Sein. Dies würde bedeuten, dass es nur eine Wahrheit gibt, und diese Vorstellung lehnt Heidegger ab. Vielmehr beschreibt Heidegger mit dieser Wendung seinen neu gewonnenen ontologischen Wahrheitsbegriff. Die Bezeichnung „Wahrheit des Seins“ bezieht sich auf die Weise, wie das Sein als Ver- und Entbergen anwest, sich dem Menschen zeigt. Es handelt sich für Heidegger dabei um einen geschichtlichen Prozess von Ver- und Entbergung, über den der Mensch nicht verfügen kann.
Eine Welt ereignet sich
- Ereignisdenken und Seinsgeschichte
Wenn also das Sein sich im Laufe der Geschichte in unterschiedlicher Weise zeigt, dann muss es laut Heidegger Schnittpunkte zwischen zweier solcher Epochen geben. Was an diesen Schnitt- und Übergangspunkten passiert, nannte er Ereignis. Soll der Verlauf der verschiedenen Zeitalter nachgezeichnet werden, in welchen die Metaphysik jeweils unterschiedliche Bestimmungen des Seins gab, dann darf dieser Interpretation selbst kein metaphysisches, ontologisches oder psychologisches Prinzip untergeschoben werden. Entsprechend des abgründigen Denkens gibt es, so argumentiert er, keinen absoluten und letzten Grund, welcher die Übergange erklären und versichern könnte. Alles, was daher über solche geschichtlichen Umbrüche in der Weltauffassung gesagt werden kann, ist, dass sie sich ereignen.
Seinsgeschichte bedeutet nicht die Geschichte des Seins – denn dies hat keine Geschichte – sondern die Geschichte der Ent- und Verbergungen, durch welche sich epochal eine Welt als Bedeutungsganzheit ereignet und von woher sich dann bestimmt, was wesentlich und was unwesentlich ist, was ist und was nicht ist.[73] Dabei ist die Geschichte als Seinsgeschichte kein Prozess, der von einer zentralen Macht reguliert wäre: Nur das Dass – dass Seinsgeschichte ist – kann gesagt werden.[74]
In diesem Zusammenhang spricht Heidegger auch vom Seinsgeschickt, als die Weise, wie sich das Sein dem Menschen zuschickt. Heideggers Rede vom Ereignis, von Seinsgeschick und Seinsentzug hat ihm durch die Deutung als unabwendbares Schicksal oft den Vorwurf des Fatalismus eingebracht. Dem wird entgegengehalten, dass für Heidegger das Seinsgeschick kein ontisches (in der Welt vorkommendes) Schicksal ist, das über die Menschen herrscht, sondern eben ein Seins- und Weltgeschick, wonach das durchschnittliche Verhalten der Menschen in bestimmten Bahnen verlaufen wird. Hierin drückt sich lediglich die Tatsache aus, „dass nämlich der Mensch nicht als autonomes Subjekt Geschichte macht, sondern dass er (…) immer auch schon selbst von der Geschichte »gemacht« ist in dem Sinne, dass er in ein Überlieferungsgeschehen eingebunden ist, über das er nicht einfach disponieren kann, sondern das ihn in gewisser Weise disponiert.“[75]
Heidegger geht schon gar nicht davon aus, dass alles, was dem Menschen im Einzelnen widerfährt, diesem Geschick zu verdanken ist. Seinsgeschick und Ereignis sind für ihn keine ontischen (also innerweltlichen) Mächte, die über den Menschen verfügten. Da das Sein kein Seiendes ist, kann es weder genealogisch noch kausal aufgefasst werden. Heidegger prägte also den Begriff Ereignis, um den Übergang zwischen seinsgeschichtlichen Epochen anzuzeigen, ohne dabei auf ideologische Termini wie Idealismus oder Materialismus zurückzugreifen. Würde man, führt er diesen Gedanken aus, beispielsweise versuchen, mit diesen Weltanschauungen das geschichtliche Verhältnis des Menschen zur Wahrheit zu denken, so ergäbe sich ein ständiger und nicht aufzulösender Rückbezug zwischen den beiden: die Frage, wie ein neuer idealistischer Verständnishorizont möglich ist, würde auf die veränderten materiellen Bedingungen verweisen. Für eine Veränderung der materiellen Bedingungen ist jedoch ein besseres Verstehen der Naturvorgänge Voraussetzung usf.
- Die Philosophie bringt das Sein zur Sprache
Für die Interpretation der Seinsgeschichte kommt der Philosophie in den Augen Heideggers eine entscheidende Rolle zu, denn sie ist der Ort, an welchem der Zuwurf des Seins zur Sprache kommt indem er von ihr denkerisch erfasst wird. Die großen Philosophen fassen die Weltauffassung ihres Zeitalters in Worte und philosophische Systeme. Dies darf allerdings Heidegger zufolge nicht so missverstanden werden, als würde die Philosophie mit ihren theoretisch-metaphysischen Entwürfen die Geschichte hervorbringen: „Dass sich seit Platon das Wirkliche im Lichte von Ideen zeigt, hat Platon nicht gemacht. Der Denker hat nur dem entsprochen, was sich ihm zusprach.“[76] Da nach seiner Auffassung in den philosophischen Entwürfen das, was ist - das Sein - am klarsten zur Sprache kommt, nutzte Heidegger für das Nachzeichnen der Seinsgeschichte die überlieferten philosophischen Schriften. Dabei markieren die Werke der großen Denker auch die unterschiedlichen Epochen der Seinsgeschichte.
Epochen der Seinsgeschichte
Heidegger machte in der Seinsgeschichte unterschiedliche Epochen aus, wobei er auf die Etymologie des Wortes Epoché als von griechisch „an sich halten“ verweist: Das Sein hält in seinem Zuspruch an den Menschen an sich, was meint, dass sich zwar zum einen Wahrheit entbergend ereignet, aber zugleich auch die Tatsache dieses Entbergens verbirgt.[77]
- Vorsokratiker, Platon und Aristoteles
Seinsgeschichte war für Heidegger überwiegend Verfallsgeschichte, die von einem frühen Zuspruch des Seins bei den Griechen von zunehmender Seinsverlassenheit geprägt ist und ihre höchste Steigerung in der planetarischen Technik und dem Nihilismus findet. Hatten die frühen Griechen, die Vorsokratiker noch eigens die Wahrheit als Unverborgenheit (ἀλἠθεια) gedacht und somit den prozessualen Aspekt von Wahrheit als Entbergen erkannt[78], so tritt für Heidegger mit Platon die Metaphysik auf den Plan.[79] Nachdem die Sophisten die Auffassung von Wahrheit erschüttert hatten, versuchte dieser ihnen durch seine Ideenlehre ein absolut Sicheres entgegenzustellen. Indem er das Seiende in seiner Erkennbarkeit von der Idee abhängig machte, tritt der Bereich des Erscheinenden (und somit Vergänglichen) dem Unvergänglichen und daher einzig wahrhaft Seienden, den Ideen, entgegen. Die Idee selbst verursacht dabei das Seiende und die Unwandelbarkeit der Idee ermöglicht Aussagen von absoluter Gültigkeit. Damit wurde aber Wahrheit, so Heidegger, das erste Mal als vom Menschen unabhängig gedacht. Der Ort der Wahrheit hatte sich somit verschoben. Wahrheit wird zur Angleichung des Vorstellens an ein „Vorgestelltes“, worüber ihre eigentliche Voraussetzung, also Unverborgenheit, vergessen wird.[80]
Von nun ab wurde es Heidegger zufolge möglich, durch methodische Ausrichtung sich dem Vorgestellten anzugleichen. Diese Auffassung schlägt sich in der hohen Bedeutung nieder, die dem Logos beigemessen wird. Der Mensch wird zum vernunftbegabten Tier, zum animal rationale. Sein Werkzeug ist der Logos, mit welchem er über das Vorgestellte verfügt. Der Logos entlässt aus sich die Logik als eigene Disziplin, die nun im Feld des Denkens ausschließliche Geltung beansprucht. Mit ihr lässt sich in wissenschaftlicher Strenge vom als eigentlich Seienden angesetzten, also bei Platon den Ideen, bei Aristoteles die Form, alles andere, was ist, also das Sein ableiten. Nach Platon und Aristoteles kommt es zur Bildung von Schulen, in welchen die Philosophie dogmatisiert wird.[81]
- Christliches Mittelalter
Das christliche Mittelalter blieb im Rahmen dieses metaphysischen Denkens. Die Verstellung wurde sogar noch größer, da zuvor die Römer durch ihre Übersetzung der griechischen Begriffe (a-letheia, idea, energeia usw.) ins Lateinische die ursprüngliche Erfahrung der Denker nicht mehr verstanden hätten. Im Zuge dieses Denkens verlagerte sich das Sein in die Ursachen und folglich wurde im christlichen Mittelalter eine erste Ursache als Schöpfergott gesetzt. Damit wurde Sein zu Geschaffensein (ens creatum). Das Geschaffene, so Heidegger, scheint zugleich von Gott rational bestimmt. Dies bereitete den Rationalismus vor, laut dem der Mensch durch seine Vernunft das Seiende verstehen und beherrschen kann.[82]
- Neuzeit
Als zu Beginn der Neuzeit der Bezug des Seins von Gott nach und nach gelöst wurde, blieb nur noch das moderne cartesische Subjekt, das das Seiende als Objekt erfasste und ihm sein eigenes Maß vorgab. Der in der Subjektivität latent angelegte Wille zur Erfassung und Beherrschung von allem, was er selbst nicht ist, wird besonders in Nietzsches Willen zur Macht deutlich. Um zu beherrschen, setzt der Wille oberste Prinzipien an, denen sich alles unterzuordnen hat: die moralischen Werte. Der Wille ist ein Werte setzender Wille und behauptet sich, indem er seine aus ihm selbst geschaffene Weltdeutung anderem aufzwingt.[83] Heideggers Nietzsche-Deutung ist jedoch uneinheitlich. Zwischen der Rektoratsrede (1933) und noch im ersten Band der Nietzsche-Interpretation stellt sich Heidegger hinter Nietzsches Willensphilosophie, während er im zweiten Band postuliert, es sei gerade der Wille, der die Offenheit verhindere und ein neues Denken unmöglich mache.[84]
- Gegenwart als Weltzeitalter des Nihilismus
Mit dem von Nietzsche ausgerufenen Tod Gottes beginnt für Heidegger das Zeitalter des Nihilismus, welches andauere. Nietzsche habe den Nihilismus durch seine Umwertung aller Werte zu überwinden versucht. [85] Er sah die Welt nicht durch Geist und Ideen bestimmt, sondern fasste umgekehrt Geist, Ideen und Werte als Ausprägungen des Lebens auf. Hiermit blieb er jedoch, so Heidegger, innerhalb der Metaphysik, weil „die Umkehrung eines metaphysischen Satzes (…) ein metaphysischer Satz“ bleibt.[86]
Seinsgeschichte und Technik
Immer mehr war der Mensch ins Zentrum alles Seienden gerückt und zur zentralen Instanz der philosophischen Interpretationen geworden. Zugleich entstand die neuzeitliche Willens-Metaphysik, die in Nietzsche ihren Höhepunkt fand. Heidegger sah diese Tendenzen nicht allein in der Philosophiegeschichte, sondern ebenso in den Ereignissen seiner Zeit, vor allem in Form der sich stetig weiter ausbreitenden Technik. Zunächst stellte er die Frage „Was ist Technik?“, worin besteht ihr Wesen? Seine Antwort hierauf war, dass das Wesen der Technik selbst nichts Technisches an sich hat. Die Technik muss vielmehr aus ihrer Herkunft her gedacht werden. Ihre geschichtliche Herkunft hat sie Heidegger zufolge in der abendländischen Seinsgeschichte.
Indem Heidegger das metaphysische Denken als mit der Technik in Zusammenhang stehend beschreibt, unterscheidet er sich deutlich von gängigen Formen der Technikkritik seiner Zeit. Zwar weist seine Technikkritik viele Parallelen zu anderen Deutungen auf, welche Entfremdung, subjektive Herrschaft, Machtsteigerung und technische Rationalität thematisieren. Allerdings grenzt er sich durch seine seinsgeschichtliche Interpretation grundlegend von diesen ab, da er nicht die Eigenmacht politischer, sozialer und ökonomischer Kräfte als Hauptproblem ausmacht, sondern die Ursache im Entbergen des Seins selbst sucht. Heideggers Technikkritik hat also einen seinsgeschichtlichen Kern über den praktischen Umgang mit Technik im Einzelnen hinaus.
Technikkritik
Naturwissenschaft und Technik
- Weltauffassung der exakten Naturwissenschaften
Heidegger war der Auffassung, dass die Naturwissenschaft erklären könne, wie das Vorhandene, die Dinge arbeiteten – aber nicht, was die Dinge seien: Die Physik kann erklären, warum das Eisen des Hammers dazu geeignet ist harte Objekte zu bearbeiten, nicht jedoch, was ein Hammer ist. Die Bedeutung des Hammers erschließt sich erst in einem Bedeutsamkeitszusammenhang, hinter dessen sinnhafte Totalität das Denken nicht zurückgehen kann.
Heideggers Betrachtung der Wissenschaft stellt einen ihrer Aspekte besonders hervor: Sie ist eine spezifische Art, Seiendes zu entdecken. Eigenschaften des wissenschaftlichen Vorgehens sind Rechnen, Vergegenständlichen, Vorstellen und Sicherstellen. Diese prägen ihre Weise des Sehens und Befragens von Naturvorgängen. Berechnet werden Gegen-Stände. Heidegger betonte beide Teile des Wortes: Was Gegenstand ist, wird gegenüber einem Subjekt zum Objekt, nur „was dergestalt Gegenstand wird, ist, gilt als seiend.“[87] Einzig, was der Mensch in dieser Form vor sich bringen kann, wird als seiend betrachtet. Der zweite Teil des Begriffs Gegenstand betont das Fest- und Sicherstellen als Methode der Wissenschaft. Hierin zeigt sich, führt Heidegger aus, ein der Metaphysik nicht unähnliches Bedürfnis im Subjekt-Objekt-Bezug einen Grund für alles Seiende zu finden. Dadurch wird der Mensch seinerseits „Maß und Mitte des Seienden“[88]. Diese zentrale Stellung des Menschen verstärkt jedoch wiederum die neuzeitliche, mit Descartes einsetzende Subjektivität. Nur was sich in dieser Weise der Welterschließung zeigt, wird anerkannt. Der Art und Weise, wie die Wissenschaft mit ihrem Gegen-Stand umgeht, liegt eine bestimmte Ontologie zu Grunde. Diese Ontologie besteht im Kern aus einem Subjekt welches als vorhanden vorgestellte Objekte wahrnimmt und denkerisch verarbeitet.
- Verwandtschaft von Naturwissenschaft und Technik
Gleiches wie für die Naturwissenschaft macht Heidegger auch für die Technik geltend. Diese entkleidet durch ihre Art, Seiendes zu betrachten, das Seiende von seinen sinnhaften Bezügen innerhalb der Welt. Jedoch gelingt ihr diese Entkleidung des Seienden niemals gänzlich; die Dinge, welche sie entdeckt, werden nicht zu singulären Objekten bar jeglicher Beziehung. Da die Welt nämlich stets eine sinnhafte Totalität ist, bricht auch die Technik niemals alle Bezüge ihrer Gegenstände ab. Stattdessen zwingt sie diese durch Objektivierung zurück auf den Menschen als Subjekt. Damit verliert die Welt an Bedeutungs- und Bezugsreichtum, und das Seiende verkommt zum bloßen Rohstoff für das Subjekt Mensch. Zunächst wird dem Menschen allerdings diese gewandelte Weltauffassung nicht bewusst, ihm bleiben die Voraussetzungen seines eigenen Denkens verschlossen. So wird zum einen technisch immer mehr möglich, zum anderen führt die zentrale Rolle, in welcher sich der Mensch innerhalb des Weltgeschehens wähnt, auch zur Steigerung des Willens zur technischen Beherrschbarkeit und Verfügbarmachung:
„Der Mensch ist auf dem Sprunge, sich auf das Ganze der Erde und ihrer Atmosphäre zu stürzen, das verborgene Walten der Natur in der Form von Kräften an sich zu reißen und den Geschichtsgang dem Planen und Ordnen einer Erdregierung zu unterwerfen. Derselbe aufständige Mensch ist außerstande, einfach zu sagen, was ist, zu sagen, was dies ist, dass ein Ding ist. Das ganze Seiende ist Gegenstand eines einzigen Willens zur Eroberung.“[89]
- Das Wesen von Naturwissenschaft und Technik
Naturwissenschaft und Technik waren damit für Heidegger dem Wesen nach das Selbe, nämlich eine metaphysische Auffassung der Welt. Wie die Metaphysik fassen Naturwissenschaft und Technik das Seiende als bloß Vorhandenes auf. Während Metaphysik eigentlich als eine das klassische und antike Denken bestimmende Figur gilt, welche in der Neuzeit in die Krise gerät, verband Heidegger mit ihr eine Technikkritik, deren Wesen historisch angelegt ist.
Technik und Naturwissenschaften als Phänomene der Moderne werden von Heidegger also mit der Überlieferung der antiken Metaphysik zusammengedacht. Heidegger betrachtet sowohl Naturwissenschaft als auch Technik ihrem Wesen nach als metaphysisch, wobei sich dies in der technischen Auffassung der Welt schärfer offenbare: „[D]as für die historische Feststellung Spätere, die moderne Technik, ist hinsichtlich des in ihm waltenden Wesens das geschichtlich Frühere.“[90]
Während die gängige Interpretation in Neuzeit und Moderne sowie im technischen Zeitalter etwas vollkommen Neues sieht, das als Bruch mit ehemals Gewesenem zu verstehen ist, verlagerte Heidegger den Ursprung der Technik zurück in die metaphyischen Denkformen der Antike. Dies betrifft vor allem den Zeitraum zwischen den Vorsokratikern und der entstehenden Metaphysik bei Platon und Aristoteles.
Überlagerung anderer Weisen des Weltverständnisses
Kern der Heideggerschen Kritik ist, dass das technische Weltverständnis andere Weisen des Verstehens überlagert. Üblicherweise wird davon ausgegangen, Metaphysik betreffe die bleibenden theoretischen Prinzipien, während die Technik den praktischen Bezug zur veränderlichen Umwelt des Menschen bestimme. Heidegger setzte nun beide in eine Beziehung der gegenseitigen Beeinflussung: das Denken bestimmt zum einen, was praktisch umgesetzt wird (Anwendung der Naturwissenschaften), zum anderen legt aber der Praxisbezug auch die Auffassung fest, die der Mensch von der Welt hat. Mehr noch als eine bloße Beeinflussung ist jede der beiden Seiten konstitutiv für die andere, das heißt ohne Denkbestimmung keine Praxis und ohne Praxis keine Interpretation der Welt.
Aufgrund des Erfolges technischer Errungenschaften und der Herrschaft technischer Mittel breitet sich die damit einhergehende Weltauffassung über den ganzen Planeten aus und überlagert alle neben ihr bestehenden Formen des Weltverständnisses. Damit richtet sich die technische Weltauffassung immer fester in der Welt ein, befindet Heidegger, und wird so zum Gestell.
Technik als Gestell
- Der Begriff des Gestells
Heidegger bezeichnete das technische und verobjektivierende Denken als das vorstellende Denken in dem Sinne, dass dieses Denken das Seiende als Objekt vor sich bringt und zugleich damit im zeitlichen Modus der Gegenwart als für es vorhandenes auffasst. So stellt also der Mensch mittels Technik die Natur vor sich als bloße Ressource. Er tut dies in Verwendung technischer Mittel, deren Gesamtheit Heidegger Gestell nannte.
- Stellen und Bestand
Technik bringt Dinge zur Erscheinung, die sich nicht von selbst zeigen. Damit hat sie wesentlich Teil am Prozess der Weltentdeckung. Soweit betrifft dies indes nur eine Seite der Art, wie Technik die Welt entdeckt. Denn, so Heidegger, auf der anderen Seite liefert das technische Weltentdecken die Interpretation dessen, was mit dem Entdeckten zu tun ist, gleich mit: Das Entdeckte wird Objekt der Manipulation oder verkommt zur bloßen Ressource. Heidegger sagte, die Technik stellt die Dinge auf ihre Verwendbarkeit. Daher die Rede von Technik als Ge-stell.
„Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut, wie die alte Holzbrück, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in das Kraftwerk verbaut. Er ist, was er jetzt als Strom ist, nämlich Wasserdrucklieferant, aus dem Wesen des Kraftwerks.“[91]
Technik war für Heidegger ein Herausfordern, das z. B. „an die Natur das Ansinnen stellt Energie zu liefern, die als solche herausgefördert und gespeichert werden kann.“[92] In Bezug auf den Rhein heißt dies für Heidegger, der Rhein wird auf seinen Wasserdruck hin ge-stellt. Selbst wenn der Rhein trotz allem noch als Erholungsgebiet dient, dann wird er auf seine Erholungsqualitäten als touristisches Urlaubsziel hin ge-stellt.
- Verhältnis zu anderen Weltauffassungen
Um den tiefgreifenden Unterschied im Weltbezug deutlich zu machen, kontrastierte Heidegger 1953 in seinem Vortrag „Die Frage nach der Technik“ die technisch-fordernde Art des Weltbezugs zum einen mit dem Dichterischen, wie er beispielsweise in Hölderlins Hymne „Der Rhein“ zum Ausdruck kommt, zum anderen mit dem seiner Auffassung nach traditionellen bäuerlichen Tun, welches den Acker nicht auf Abgabe von Lebensmitteln stellt, sondern die Saat den Wachstumskräften der Natur überlässt. Durch seinen Willen zur Herstellung und Vorstellung der Dinge übergehe der Mensch die eigene Bedeutung der Dinge. Wird alles nur noch unter dem Aspekt der Nützlichkeit und Verwertbarkeit betrachtet, so verkommt Natur zum Bestand, den es zu erschließen und verarbeiten gilt.
- Eigengesetzlichkeit der Technik
Heidegger lehnte es ab, das Wesen der Technik im Verhältnis von Zweck und Mittel zu betrachten.[93] Statt dessen versuchte er darauf aufmerksam zu machen, dass die Technik nicht als verlängertes Werkzeug des Menschen angesehen werden kann, sondern vollkommen eigene Gesetzmäßigkeiten mit sich bringt. Das Problem sieht Heidegger nicht nur darin, dass moderne Technik – anders als traditionelles Werkzeug – für ihren Arbeitsprozess eine von menschlicher Arbeitskraft unabhängige Energiequelle nutzt und damit auch einen davon unabhängigen Bewegungsablauf hat, sondern vor allem der Herrschaftscharakter, der von der modernen Technik ausgehe, bereitete ihm Sorge. So bringe dieser aus sich heraus neue Ansichten und Notwendigkeiten hervor und ein dem entsprechendes Bewusstsein des Sieges: Beispielsweise wenn die Fabrikation von Fabriken, in denen wiederum Fabriken fabriziert werden, als faszinierend empfunden wird. All dieses barg für Heidegger die Gefahr, dass „die Nutzung eine Vernutzung“ wird und die Technik nur noch ihre eigene Ziellosigkeit zum Ziel hat.[94]
- Der Mensch im Gestell
So findet zwar technisches Handeln nicht jenseits menschlichen Tuns statt, aber es vollzieht sich „nicht nur im Menschen und nicht maßgebend durch ihn.“[95] Durch die Verselbstständigung des technischen Prozesses kommt der Mensch im wahrsten Sinne des Wortes selbst unter die Räder, er wird zum Besteller des Bestandes degradiert. Im äußersten Fall führt dies dazu, dass der Mensch selbst zum Bestand wird, als welcher er dann nur noch soweit interessiert, wie er der Sicherung zielloser Möglichkeiten dienbar gemacht werden kann. Ähnlich der Kritik am Begriff des Humankapitals erinnerte Heidegger an die Rede vom Menschenmaterial.[96] Daher ist es nicht der Mensch, der die Dinge stellt, sondern die Technik selbst, welche als Gestell fungiert.
Somit wird der Mensch einerseits zum Herrn der Erde, andererseits wird er durch die Verkehrung der Zweck-Mittel-Relation vom Gestell entmachtet und zum bloßen Moment des alles umspannenden technischen Prozesses. Jeder Winkel des Planeten ist in die technische Beherrschbarkeit integriert, und der Mensch trifft überall nur noch sich selbst, weil er durch die technische Art der Weltentdeckung sich selbst als Maß vorgibt. Lässt er so das Seiende sich nicht mehr von sich selbst her zeigen, geht mit diesem Prozess ein Wahrheitsverlust einher, schlussfolgert Heidegger. Der Mensch steht nicht mehr in seinem ursprünglichen Verhältnis zum Sein als der von der Entbergung Angesprochene. Der Wahrheitsverlust bedeutet also auch einen Selbstverlust.
In einem ZDF-Gespräch von 1969 verdeutlichte Heidegger, dass es keine Technikfeindschaft ist, die ihn zu seinen Überlegungen gebracht hat, dass er aber im unkritischen Umgang mit der Technik die Gefahr eines Selbstverlustes des Menschen sieht: „Zunächst ist zu sagen, dass ich nicht gegen die Technik bin. Ich habe nie gegen die Technik gesprochen, auch nicht über das so genannte Dämonische der Technik, sondern ich versuche das Wesen der Technik zu verstehen.“ Heidegger äußerte weiterhin seine Besorgnis über die Entwicklung in der Biotechnologie: „(…) so denke ich an das, was sich heute als Biophysik entwickelt: dass wir in absehbarer Zeit im Stande sind, den Menschen so zu machen, d. h. rein seinem organischen Wesen nach so zu konstruieren, wie man ihn braucht.“[97]
Auch vor einer Zerstörung der natürlichen Umwelt warnte Heidegger. Die Verwüstung der Erde[98] durch die globalen technischen Machtmittel sei ein doppelter Verlußt: Nicht allein die biologischen Lebensgrundlagen sind der Zerstörung ausgesetzt auch die heimatliche, also geschichtliche, Natur verkommt zur Ressource für die globale Logistik des Gestells. Verlußt der Natur ist so auch Verlußt der Heimat.
Möglichkeiten eines gewandelten Verhältnisses zur Technik
Ob es dem Menschen gelingt, in ein neues und reflektiertes Verhältnis zur Technik zu gelangen, ist, entsprechend des seinsgeschichtlichen Denkens, keine Frage des subjektiven Entschlusses, sondern vom Geschick der Entbergung selbst abhängig.[99] Die Möglichkeit der Änderung des Seinsverständnisses, weg vom technischen hin zum Seinsdenken, lag für Heidegger in der von der Technik ausgehenden Gefahr. Heidegger zitierte Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch.“ Das „Wo“ im Worte Hölderlins zeigt den Ort der Errettung an, welcher mit dem Ursprung der Gefahr zusammenfällt. Das Rettende muss aus dem selben erwachsen, das seinerseits die Verwüstung hervorbringt: „Meine Überzeugung ist, dass nur von dem selben Orte aus, an dem die moderne technische Welt entstanden ist, auch eine Umkehrung sich vorbereiten kann, dass sie nicht durch eine Übernahme von Zen-Buddhismus oder anderen östlichen Welterfahrungen geschehen kann. Es bedarf zum Umdenken der Hilfe der europäischen Überlieferung und deren Neuaneignung.“[100] Ein fruchtbarer Weg bestand für Heidegger zum einen darin, die Technik allgemein mit der Kunst zu vergleichen und so Unterschiede in der Weltauffassung sichtbar zu machen, zum anderen bemühte er sich insbesondere der Dichtung neue Möglichkeiten des Weltbezuges abzugewinnen.
Rückbesinnung auf Kunst und Dichtung
Seit etwa den Jahren 1929/30 wendete sich Heidegger verstärkt Sprache und Dichtung, wie der Kunst überhaupt als geschichtsgründender Macht zu. Heidegger entdeckte in diesen Formen des Weltbezugs Alternativen zum metaphysischen und berechnend-technischen Zugang zur Welt, wie er sich mit der modernen Zivilisation ausbreitet. Die Kunst war für Heidegger ein Mittel, sich mit der Technik auseinanderzusetzen, denn „weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum muss die (…) Auseinandersetzung mit ihr in einem Bereich geschehen, der einerseits mit dem Wesen der Technik verwandt und andererseits doch von ihm grundverschieden ist. Ein solcher Bereich ist die Kunst.“[101]
Verwandt sind Kunst und Technik durch ihren Bezug zum Wahrheitsgeschehen: Beide sind Formen des Entdeckens, bei beiden kommt das Seiende in die Unverborgenheit. Während aber die Kunst einen Bereich eröffnet, indem sich ein neues Selbst- und Weltverhältnis des geschichtlichen Menschen einstellen kann, reproduziert die technische Erfassung der Welt stets das gleiche herrschaftliche Verhältnis gegenüber der Welt. Kunst, Dichtung, Denken, Staatsgründung waren für Heidegger Akte in denen Wahrheit geschieht, indem sich eine neue Weltauffassung verwirklicht, „[d]agegen ist die Wissenschaft kein ursprüngliches Geschehen von Wahrheit, sondern jeweils der Ausbau eines schon offenen Wahrheitsbereichs“.[102] So entwarf beispielsweise die Physik ihren Gegenstandsbereich als die Veränderung von Materie und Energie in Raum und Zeit. Alle Erkenntnis, die sich von nun ab in der physikalischen Wissenschaft vollzieht, verbleibt in diesem einmal als wahr eröffneten Bereich. In der Kunst hingegen vollziehen sich neue Weisen des Fühlens und der Weltauffassung, die sich nicht aus einer vorangehenden Weltauffassung ableiten lassen.
Die Wahrheit und die Kunst
- Die Frage nach der Kunst muß neu gestellt werden
Traditionelle Antworten darauf, was Kunst ist oder zu sein habe, finden sich in der Ästhetik als Kunsttheorie. Um ihren Gegenstand zu erläutern, arbeitet diese mit Begriffen wie „Sinnbild“, „Allegorie“, „Metapher“ und „Gleichnis“. Dabei geht sie aus von einer platonischen Trennung von Materiellem und Geistigem: Das Kunstwerk ist materieller Träger einer geistigen Bedeutung die über es selbst hinausweist. Die Trennung von Materiellem und Geistigen scheidet also metaphysisch das Sein in zwei Seinsbereicht, weshalb Heidegger in der traditionellen Ästhetik eine „metaphysische Kunstlehre“ sah.[103] Entsprechend Heideggers Vorhaben einer Verwindung der Metaphysik, strebte Heidegger auch eine „Überwindung der Ästhetik“ an.[104] Heidegger hat einen ersten und vorläufig gebliebenen Entwurf zu diesem Programm in einem 1935 gehaltenen Vortrag mit dem Titel „Der Ursprung des Kunstwerkes“ vorgestellt.
- Nicht Schönheit, sondern Wahrheit
Im Mittelpunkt des Heideggerschen Interesses am „Rätsel“ der Kunst stand dabei nicht mehr das Ideal der Ästhetik des Klassizismus, die Schönheit, sondern das Verhältnis von Kunst und Wahrheit. Kunst dient bei Heidegger nicht mehr dem Gefallen eines Betrachters, sondern durch sie findet ein Wahrheitsvollzug statt. Anders als der technische Zugang zur Welt, der durch ein pragmatisches und an Nutzen orientiertes Vorgehen gekennzeichnet ist, lässt sich das Kunstwerk nicht durch diese Kategorien erfassen. Da das Kunstwerk nicht zu einem bestimmten Zweck angefertigt wurde, nimmt es in der Welt eine Sonderstellung ein: Es kann nicht ‚benutzt‘ werden. Gerade durch diese Verweigerung zeigt sich an ihm jedoch die Welt als Bedeutungsganzheit innerhalb derer auch erst die Gebrauchsgegenstände ihren Platz haben. Dieses Aufleuchten der Welt als Ganzes kann das menschliche Verhältnis zur Welt ins Bewusstsein heben und ermöglicht so einen anderen Bezug zu ihr.[105] Große Kunstwerke, wie etwa die Dichtung Homers können die Kultur eines ganzen Volkes begründen. Hierin liegt die geschichtsgründende Macht der Kunst, Heidegger sagt „das Werk stellt eine Welt auf“. Weil mit dem Kunstwerk eine Welt erschaffen oder ausgeleuchtet wird, kann Heidegger dann auch sagen, dass die Kunst ein „Werden und Geschehen der Wahrheit“ ist.[106] Wenn so auch in der Vergangenheit geschehen, zweifelte Heidegger, ob es heutzutage noch möglich ist „große Kunst“ mit verbindlichem Anspruch für eine ganze Kultur hervorzubringen. Wege hierzu eröffnete für ihn Friedrich Hölderlins Dichtung, deren Andenken allerdings erst wieder allmählich im Einzelnen geweckt werden muß.
Hölderlin als „Geschick“

Nietzsche war für Heidegger der Denker, welcher die Metaphysik ins Äußerste trieb und so das Denken vor die Entscheidung stellt, ob es dies annehmen kann oder neue Wege abseits der Metaphysik suchen muß. Auch Wissenschaft und Technik sind keine Alternativen zu Metaphysik, sondern tragen diese ebenfalls gleichsam praktisch aus. Bei seiner Suche nach etwas „GANZ ANDEREM“[107] stieß Heidegger auf Hölderlin als den Dichter, der die Gegenwart als Krise auswies und im Rückbezug auf die abendländische Geschichte nach einer neuen Zukunft fragte.
- Seinsverlassenheit als Schicksal
Heideggers Rekapitulation der Philosophiegeschichte und ihre Deutung als Seinsgeschichte fasste den Beginn der Philosophie als Verfehlung auf. Zwar hat sich dem frühen griechischen Denken das Sein in unterschiedlicher Weise entborgen, allerdings so, dass dieses Entborgene fortan das Maß für das menschliche Denken und Handeln abgab. Wesentlich war dabei eine Auffassung des Seins als Vorhandenheit, Gegenständlichkeit, als Objekt für ein Subjekt, welche letztlich in der technischen Herausforderung der Welt mündete. Die Tatsache, dass sich das Sein in dieser Weise entborgen hat, geriet dabei selbst in Vergessenheit. Heidegger nannte dies die Seinsvergessenheit oder auch Seinsverlassenheit. Gerade in seiner Vergessenheit bestimmt jedoch dieser Grundzug des Denkens die abendländischen Geschichte, gleichsam ihr Schicksal oder – wie Heidegger sagt – ihr Geschick: „Indes befällt die Vergessenheit als anscheinend von ihm Getrenntes nicht nur das Wesen des Seins. Sie gehört zur Sache des Seins selbst, waltet als Geschick seines Wesens.“[108]
Für Hölderlin haben die Menschen zwar großes wissenschaftliches Wissen erworben, er nennt sie „die Vielwissenden“, darüber jedoch haben sie verlernt, das menschliche Lebens in seiner Fülle, Vielseitigkeit und Ursprünglichkeit zu erfahren. Dieser Verlust ist der Verlust des Göttlichen. Das Göttliche ist bei Hölderlin kein Jenseitiges, sondern es äußert sich in einer gewandelten Beziehung zwischen den Menschen und im Umgang der Menschen mit der Natur. Es ist eine Lebensauffassung, in deren Zentrum der Jubel über das In-der-Welt-Sein steht.[109]
- Mit Hölderlin Gott denken – als gründenden Grund
Heidegger dachte also das Göttliche nicht scholastisch in Form eines Schöpfergottes, der die Erde geschaffen hat. Damit wäre Gott wieder „Ursache des Seienden“ und das Sein zum ens creatum (Geschaffenen) degradiert. Eine solche traditionelle Vorstellung impliziert ein Kausalitätsprinzip zwischen Gott und dem Geschaffenen und reproduziert somit ein Denken, das auf Letztbegründungen aus ist. Dementgegen wollte Heidegger den Gott nicht als Entstehungs- und Erklärungsgrund denken, sondern von allen genealogischen und kausalen Denkzwängen befreien. Das Göttliche entsprach bei Heidegger eher einer Art Ordnungsprinzip, welches die Dinge sammelt und in einer geordneten Vielfalt hält. Es bringt ein neues Verhältnis der zwischenmenschlichen Beziehungen und bietet so einen Grund für das menschliche Miteinander.
Es fällt auf, dass Heidegger hier einen Begriff besetzt, der zuvor von ihm zurückgewiesen wurde, den Begriff des Grundes. Um anzuzeigen, dass es sich bei der Neuformulierung nicht um den metaphysischen begründenden Grund handelt, spricht Heidegger auch vom „gründenden Grund“, als einen den Gott gewähren muss.[110] Um den gründenden Grund jedoch ohne die oben genannten metaphysischen Erklärungen zu denken, wählte Heidegger in „Der Satz vom Grund“ die Metapher von Gott als Lautenspieler. Hierzu zitierte er den Spruch von Angelus Silesius: „Ein Herze, das zu Grund Gott still ist, wie er will, / Wird gern von ihm berührt: es ist ein Lautenspiel.“[111] Gott ist also der Spieler und das Herz seine Laute. Ohne ihn bliebe das Herz ohne Musik. Dazu aber – „ein Herz das von Grund Gott still ist“ − muss das Herz richtig gestimmt sein, damit es auf Gott anspricht, anklingt.[112] Diesen Übergang bereitet Hölderlin als der Dichter, der das Göttliche „erschweigt“, wie Heidegger sagt. Hölderlins Dichtungen sind also nicht als propositionale Aussagen über Gott aufzufassen, sondern sollen zu allererst einen Raum eröffnen, in dem eine neue Form des Göttlichen begegnen kann.
- Hölderlin als Dichter des Übergangs
Nach Heidegger ist Hölderlin der erste, der die Seinsverlassenheit als geschichtliches Phänomen zur Sprache bringt. Hölderlin begreift unser heutiges Zeitalter als das am tiefsten von der Seinsverlassenheit geprägte, als „Götternacht“. Die Seinsverlassenheit zeigt sich also als Abwesenheit der Götter. Hölderlin war für Heidegger der erste, welcher sich der erschütternden Erkenntnis der Götternacht ausgesetzt hat und der „stellvertretend und deshalb wahrhaft seinem Volke die Wahrheit“ erwirkte.[113] Mit der Entscheidung darüber, ob noch mal ein Gott sein kann, stellt Hölderlin also vor die Entscheidung, ob das Abendland sein eigenes Schicksal meistern wird.[114] Hölderlin ist somit der erste, der erkennt, dass Seinsgeschichte ist. Ihm kommt die geschichtliche Rolle zu, nach der Abkehr von der Metaphysik der Erste zu sein, der „Nähe und Ferne der gewesenen und künftigen Götter zur Entscheidung gestellt“ hat.[115] Seine Dichtung ist „worthafte Stiftung des Seins“[116], rückt also die Seinsverlassenheit ins Blickfeld. Um diesen neuen Bezug zum Sein zu kennzeichnen, schrieb Heidegger nun auch „Seyn“. Sein wird als Seyn ausdrücklich als geschichtliches aufgefasst und nicht mehr als unvergängliches Sein eines Seienden.[117]
- Verhältnis von Dichten und Denken
Hölderlin selbst sah die Aufgabe des Dichters „in dürftiger Zeit“ darin, die von ihm erwartete Ankunft des zukünftigen Gottes in Gestalt von Dionysos-Christus vorzubereiten. Heidegger wiederum sah sich als Denker dazu verpflichtet, das dichterische Werk Hölderlins in die philosophische Reflexion zu heben und so zugänglich zu machen: „Die geschichtliche Bestimmung der Philosophie gipfelt in der Erkenntnis der Notwendigkeit, Hölderlins Wort das Gehör zu verschaffen.“[118] Heidegger sah hierin nicht nur eine Aufgabe, sondern sah sich selbst auch als den ersten Denker, der Hölderlins Dichtung „hören“ kann. Dabei war es Heideggers Anliegen, „uns“ Hölderlin näher zu bringen, da seine Dichtung „uns“ „schicksalhaft angeht.“[119] Um dies herauszuheben, wollte Heidegger Hölderlin von jeglicher literaturwissenschaftlichen, politischen, philosophischen und ästhetischen Betrachtung entkoppeln, um einzig in der von seinen Gesängen eröffneten Wahrheit zum Stehen zu kommen: Es ging daher nicht darum, von außen Interpretationsschemata an Hölderlin heranzutragen, sondern den An- und Zuspruchsbereich des Göttlichen zur Sprache kommen zu lassen, wie er sich in Hölderlins Dichtung ausdrückt. Heidegger selbst war unsicher, ob ihm dies gelingt und inwieweit dies noch möglich ist: „Ob wir es einmal noch erkennen? Hölderlins Dichtung ist für uns ein Schicksal. Es wartet darauf, dass die Sterblichen ihm entsprechen. Was sagt Hölderlins Dichtung? Ihr Wort ist: das Heilige. Dies Wort sagt von der Flucht der Götter.“[120]
Gang der Hölderlin-Interpretation
1934/35 widmet sich Heidegger eingängig den Hölderlinschen Hymnen „Der Rhein“ und „Germanien“. In den 1936-38 abgefassten Beiträgen sprach Heidegger Hölderlin eine wichtige Rolle zu, wenn es um die Möglichkeit eines anderen Anfangs geht. Im Wintersemester 1941/42 bespricht er die Hymne „Andenken“ (GA 52). Er interpretierte das Gedicht als ein Andenken an das Gewesene, an das griechische Götterfest, und weist in einen aus diesem Denken heraus beginnenden anderen Anfang. In seiner Vorlesung 1942 zu Hölderlins Hymne „Der Ister“ (GA 53) setzt sich Heidegger genauer damit auseinander, wie dieser andere Anfang zu erarbeiten sei: als Gang durch das Unheimische, das Griechische, soll er zum Heimischen, dem Deutschen im Speziellen und allgemein zum Abendländischen, gefunden werden. Es soll also am Fremden das Eigene erarbeitet werden, denn nur durch den Abstand zum Eigenen kann dieses erkannt und konstruktiv angeeignet werden. Erst so kann das unterirdisch verlaufende Seinsgeschick, das die eigene Geschichte bestimmte, in den Blick gebracht werden. In in dem 1946 gehaltenem Vortrag „Wozu Dichter?“ weist Heidegger nochmals auf die durch die technische Weltbeherrschung sich ergebende Gefahr hin. Hier brachte Hölderlins Wort „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch“ („Patmos“) Heideggers Denken auf den Weg: Die Gefahr selber ist es, welche zu einer Besinnung drängt. Sich besinnen hieß für Heidegger, über die eigenen Motive des Handelns Rechenschaft abzulegen. Zunächst vermögen dies allerdings nur wenige, die Dichter und die ihnen zugehörigen Denker.[121]
1970 konfrontierte Heidegger dann in „Das Wohnen des Menschen“ (GA 13) das dichterische Wohnen mit der undichterischen Vermessenheit und Maßlosigkeit des technischen Zeitalters, da Gott fehlt. „Heimkehr“ und „Wohnen“ wurden dabei zwei das Spätwerk Heideggers bestimmende Begriffe. Bei aller Nähe dieser Worte zum dichterisch-literarischen waren sie für Heidegger dennoch strenge Beschreibungen eines gewandelten Verhältnisses des Menschen zum Sein, eines Verhältnisses, das sich durch „Nähe zum Sein“ ausdrückt.
Nähe: Das Verhältnis des Menschen zum Sein
Das Wesen des Menschen
Es war Heideggers Überzeugung, dass die drängenden Fragen des „Weltzeitalter des Nihilismus“ nur gelöst werden können, wenn sich nicht allein die Auffassung, welche der Mensch von der Welt hat, ändert, sondern wenn sich zugleich die Auffassung, welche der Mensch von sich hat, einem Wandel unterzieht.
- Frühe Bestimmungen des Wesens des Menschen
Ums sich über die dem Zeitalter eingeschriebene Selbstauffassung des Menschen Klarheit zu verschaffen, rekapitulierte Heidegger historische Weisen Selbstverständnisses des Menschen. In den Anfängen der Philosophie, bei den Vorsokratikern, sei der Mensch demnach noch „zum Wahrer der Unverborgenheit des Seienden be-stimmt“ worden.[122] Damit einher ging ein ursprüngliches Staunen und das Wissen, dass die Unverborgenheit sich nicht von selbst ergibt, sondern dass der Mensch sie zu wahren hat. Diese Wahrung des Seienden vollzieht der Mensch, indem er dem Seienden das Werk entgegenbringt: In den Werken der Schaffenden, Dichtenden, Denkenden und Staatsmänner wird dem Seienden ein Erscheinen gewährt. So zeigt sich das Selbstverständnis des abendländischen Menschen in den Anfängen des Denkens noch durch einen bewußten Bezug zum Sein und dessen Unverborgenheit bestimmt.
- Metaphysische Verstellungen und Humanismus
Mit dem Aufkommen der Metaphysik jedoch wird der Mensch nicht mehr als Wahrer des Seins verstanden, sondern als animal rationale. Der Mensch wird zum denkenden Tier, dessen vornehmlichste Denkform Descartes als mathematische Beschreibung der Welt bestimmt. Mit diesem festen und einseitigen Menschenbild verliert die Metaphysik jedoch die Frage aus den Augen, in welcher Weise das Wesen des Menschen zur Wahrheit gehört. Eine solche metaphysische Bestimmung wird letztlich als überzeitlich und ewig gültig angenommen und jeglicher Wandel des Seins aus dem Denken ausgeschlossen. Damit verschließt sich die Metaphysik jedoch „dem einfachen Wesensbestand, dass der Mensch nur in seinem Wesen west, indem er vom Sein angesprochen wird“, sich also offen hält für den Anspruch des Seins.[123] Letztlich, so Heidegger, kleide sich die Metaphysik noch in das moralische Kleid des Humanismus, der ebenfalls ein festes Bild vom Menschen vertrete, das sich konkret Bestimmen läßt und auf einzelnen aus dem Weltzusammenhang herausgelösten Momenten basiere. Wichtig ist in diesem Zusammenhang Heideggers Brief über den »Humanismus«, den er 1946 an Jean Beaufret schrieb. Der Humanismus beschreibt den Menschen als animal rationale, welches in der Mitte des Seienden stehend, dieses denkerisch erfasse. So bestärkt er letztlich den Menschen nur in seinem herrschaftlichen Gehabe. Er rückt ihn ins Zentrum der Welt und spricht ihm somit eine ausgezeichnete Stellung gegenüber allem anderen Seienden zu. Letztlich jedoch „kreist der Mensch, ausgestoßen aus der Wahrheit des Seins, um sich selbst als animal rationale“.[124] Die Folge ist der Nihilismus, in welchem sich der Mensch zum Herrn des Seienden aufschwingt und der seinen Ausdruck im Gestell findet. Was Heidegger hier kritisiert ist jedoch nicht einfach ein Egoismus des Menschen, denn für den Egoisten gibt es durchaus einen Bezugs- und Geltungsraum außer ihm, der vom Egoisten jedoch gewaltsam übergangen wird. Der neuzeitliche Mensch, der sich selber als animal rationale oder Subjekt betrachtet, sieht hingegen gar keine andere Geltung außer in Bezug des Seienden auf sich selbst. Während also der Egoist durch Selbstüberwindung dahin zurückgelangen kann, das Andere gelten zu lassen, kann das neuzeitliche Subjekt nicht aus sich heraus eine neue Welt schaffen – jeder Versuch dies zu tun, muss wie ein willkürliches Konstrukt wirken und ist zum Scheitern verurteilt. Der Mensch ist vielmehr darauf angewiesen, dass sich ihm vom Sein her eine Welt eröffnet, eine Welt mit einer leeren Mitte, ohne Zentrum.
- Der Hirt des Seins
Ein neues Verhältnis zur Welt muß einem seinsgeschichtlichem Denken entspringen, welches ins Bewußtsein hebt, dass Mensch und Sein aufeinander angewiesen sind. Der geschichtliche Ort des Wahrheitsgeschehens, also der Ver- und Entbergung des Seins ist ja Menschen. So ist das Wesen des Menschen durch die Nähe zum Sein bestimmt, was Heidegger in der oft belächelten Formulierung des Menschen als „Hirt des Sein“ zu verdichten suchte.[125] Dass hierbei vom Hirten und nicht vom Herrn des Seins die Rede ist, zeigt an, dass die Wahrheit des Seins für den Menschen unverfügbar ist; er kann allein achtsam auf das Sein sich richten, im Sinne einer Offenheit für das Ereignis.[126]
Nach dieser Bestimmung des Menschen richteten sich nun auch Heideggers denkerische Anstrengungen: Sie sollen dem Menschen die „Einkehr“ in sein Wesen ermöglichen: „Angesichts der (…) Heimatlosigkeit des Menschen zeigt sich dem seinsgeschichtlichen Denken das künftige Geschick des Menschen darin, dass er in die Wahrheit des Seins findet und sich zu diesem Finden auf den Weg macht.“[127] Mit Beschreibungen wie „Einkehr“ „auf den Weg machen“, „Heimkehr“ versuchte Heidegger dabei deutlich zu machen, dass ein neues Denken nicht aus feststehenden Wahrheiten bestehen kann, die sich in seiner Philosophie fänden, sondern als Weg erst noch vollzogen werden muss.
Heimkehr
Erst die Heimat macht die Unheimischkeit möglich und so galt es für Heidegger, „nur erst eigens dorthin [zu] gelangen, wo wir uns schon aufhalten“[128] Die Einkehr des Menschen in sein Wesen, soll die im Zeitalter des Nihilismus begründete Entfremdung und „Heimatlosigkeit“, wie Heidegger mit Nietzsche und Hölderlin sagte, überwinden. Sie gelingt, wenn der Mensch in der Achtsamkeit auf das Sein, der Ankunft des Ereignis eines anderen Anfangs entspricht. Dabei braucht einerseits das Sein die Achtsamkeit des Menschen, es braucht ihn als „Unterkunft“, andererseits braucht der Mensch das Sein, damit er zu seinem Wesen findet. Den Gedanken dieser „Zusammengehörigkeit“ entdeckte Heidegger schon bei Parmenides in der von diesem ausgesprochenen Identität von Denken und Sein (Der Satz der Identität Vortrag gehalten 1957).
- Selbstinterpretation der frühen Schriften
Um die mit der neuzeitlichen Subjektzentriertheit einhergehende Aufschwingung des Menschen zum „Herrn des Seins“ zu überwinden, muss sich, so Heidegger, der Mensch wieder seiner Endlichkeit und seines Wesens bewusst werden. In diesem Zusammenhang kehren die in „Sein und Zeit“ erarbeiteten Existenzialien wieder, also die Wesensmomente menschlicher Existenz, wie Sorge, Sein zum Tode, Entschlossenheit, Angst usw. Heidegger verlagert jedoch ihren Schwerpunkt: So wird nun die „Sorge um das eigene In-der-Welt-sein“ als „Sorge um die Offenbarkeit des Seins“ verstanden. In einer umdeutenden Selbstinterpretation stellte Heidegger dies nun so dar, als seien sie schon zur Zeit der Abfassung von „Sein und Zeit“ so gedacht worden, bzw. gleichsam unbewußt so gemeint gewesen.
- Der Brauch
War noch in „Sein und Zeit“ das Dasein allein die Lichtung des Seins und musste „Wahrheit (Entdecktheit) (…) dem Seienden immer erst abgerungen werden“, somit eine Aneignung die „gleichsam immer ein Raub“ war[130], so brauchen nun Mensch und Sein einander. Dieser Brauch ist jedoch keiner, der sich als Aneignen oder Verbrauchen äußerte. Im Brauchen schmiegt sich der Mensch vielmehr den Verhältnissen an. Der Mensch ist in diesem Zusammenhang nicht einmal das Subjekt des Brauchens. Heidegger verdeutlichte dies an einem Vers Hölderlins aus dessen Hymne „Der Ister“:
- „Es brauchet aber Stiche der Fels
- Und Furchen die Erd',
- Unwirthbar wäre es, ohne Weile.“
Heidegger erläutert: „»Es brauchet« sagt aber hier: Eine Wesenszugehörigkeit besteht zwischen Fels und Stichen, zwischen Furchen und Erde innerhalb des Wesensbereiches, der sich mit dem Bewohnen der Erde eröffnet. Das Wohnen der Sterblichen hat seinen eigenen Ort.“[131] Über diesen inneren Zusammenhang von Erde und Mensch kann der Mensch nicht verfügen. Das Und, welches die Ortschaft für das Wohnen der Sterblichen gründet, ist vielmehr eine uralte Ordnung. „Der Mensch wohnt, indem er sich diesem Verhältnis anschmiegt. Sich bemächtigen kann sich der Mensch nicht des Und.“[132] Auch kann der Mensch das Und nicht technisch herstellen, oder es herbeiführen. Dass der Mensch sich dem Und anschmiegt, kann sich lediglich ereignen. In der „Achtsamkeit auf das Sein“ kann der Mensch dem Ereigneten entsprechen, als der vom Sein angesprochene und gebrauchte.
- Gelassenheit
Auch für einen kritischen, aber nicht abwehrenden Umgang mit der Technik, erarbeitete Heidegger Ansätze, die er in einem 1955 gehaltenen Vortrag unter den Titel Gelassenheit stellte. Der Begriff „Gelassenheit“ zeigt das gleichzeitige Ja und Nein zur Technik an, durch das sich der Mensch von einer übermächtigen Beanspruchung seiner selbst durch die Technik freihalten kann: „Wir lassen die technischen Gegenstände in unsere tägliche Welt hinein und lassen sie zugleich draußen. Das heißt: auf sich beruhen als Dinge, die nichts Absolutes sind, sondern selbst auf höheres angewiesen bleiben.“[133] Damit einher geht die „Offenheit für das Geheimnis“, also für die weder zu verhindernde, noch abzusehende technische Umwälzung der Lebensbedingungen des Menschen im Laufe der vergangenen und kommenden Jahrhunderte als etwas historisch völlig neues.
Geviert
Heideggers Konstellation der Welt als Geviert ist als Gegenentwurf zu der von ihm konstatierten Heimatlosigkeit und Seinsverlassenheit des modernen Menschen zu sehen. Dieser setzt sich selbst ins Zentrum alles Seienden und erschließt durch seine planend-berechnende Subjektivität alles ihn Umgebende nur im Hinblick auf die Verwertbarkeit als Rohstoff oder Energiequelle. Damit beraubt sich der Mensch selbst seiner Welt, als einer sinnhaften Totalität, welche auch Beziehungen beinhaltet, deren Verweisungskette nicht in das Um-Willen des Menschen mündet. Dies versagt letztlich dem Menschen das Wohnen und macht ihn Heimatlos.[134]
- Vier Weltregionen
Das Geviert ist gleichsam das räumliche Gegenstück zum zeitlichen Ereignis. Es spannt durch vier Dimensionen einen (nicht euklidisch gedachten) Raum auf, bestehend aus Himmel und Erde, Sterblichen und Göttlichen. Die Sterblichen sind nach Heidegger diejenigen Menschen, deren Handeln nicht durch den Willen zur Macht bestimmt ist, sondern die „den Tod als Tod vermögen“.[135] Was nun diesen Raum erst in seiner Räumlichkeit ausmacht, nannte Heidegger das „Wohnen“. Wohnen ist die Räumlichkeit in der Zeit. Die Sterblichen wohnen aufgrund ihrer Endlichkeit. Damit bestimmte Heidegger das Seinsverhältnis der Menschen als „Sterblichkeitsverhältnis“: „Das Wohnen aber ist der Grundzug des Seins, demgemäß die Sterblichen sind.“[136] Die Welt als Geviert, weist Möglichkeiten aus, eine Welt ohne Zentrum zu denken. So erhält jede der vier Weltregionen ihren Sinn nur in Bezug zu den anderen vieren. Heidegger nannte diese dynamische Walten von Sinn „das ereignende Spiegel-Spiel“,[137] Der Bezug der vier „Weltgegenden“ aufeinander ist dabei nicht als bloße Repräsentation der einen in der anderen zu verstehen, sondern als untrennbare Innigkeit. dass die Weltregionen also nicht erst nachträglich zusammengestückt sind, verdeutlichte Heidegger 1950 in seinem Vortrag über „Das Ding“.
- Das Ding
Die Innigkeit der Weltregionen wird durch das Ding gestiftet, welches die Welt versammelt, indem es auf die vier Weltgegenden des Gevierts verweist. Heidegger verdeutlichte dieses Versammeln in seinem Aufsatz „Das Ding“ am Beispiel eines Kruges:
„Ausgießen aus dem Krug ist schenken. (…) Das Krughafte des Kruges west im Geschenk (…) Das Geschenk des Gusses kann ein Trunk sein. Es gibt Wasser, es gibt Wein zu trinken. Im Wasser des Geschenkes weilt die Quelle. In der Quelle weilt das Gestein, in ihm der dunkle Schlummer der Erde, die Regen und Tau des Himmels empfängt. Im Wasser der Quelle weilt die Hochzeit von Himmel und Erde. Sie weilt im Wein, den die Frucht des Rebstocks gibt, in der das Nährende der Erde und die Sonne des Himmels einander zugetraut sind. (…) Das Geschenk des Gusses ist Trunk für die Sterblichen. Er labt ihren Durst. Er erquickt ihre Muße. Er erheitert ihre Geselligkeit. Aber das Geschenk des Kruges wird bisweilen auch zur Weihe geschenkt. Ist der Guß zu Weihe, dann stillt er nicht einen Durst. Er stillt die Feier des Festes ins Hohe. (…) Der Guß ist der den unsterblichen Göttern gespendete Trank. (…) Im Geschehen des Gusses weilt die Einfalt der Vier. Das Geschenk des Gusses ist Geschenk, indem es Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen verweilt. (…) Verweilen ereignet. Es bringt die vier in das Lichte ihres Eigenen.“[138]
Anders als noch in „Sein und Zeit“ ist das Ding hier also nicht mehr durch seine Verweisungskette auf andere Dinge, das Umzu und die Finalität des Um-Willen des Daseins bestimmt. An ihre Stelle rücken nun die reicheren Bezüge des Wesens und Weilens: „Im Wasser der Quelle weilt die Hochzeit von Himmel und Erde.“, die Beziehung von Himmel und Erde und ihr gegenseitiges Durchdringen geschieht durch das Regen- und Quellwasser, und ist in diesem aufgehoben. Wasser ist hier nicht H2O, das sich an einer Stelle in der physikalischen Raumzeit befindet. Heideggers Denken versucht die Dinge dort zu lassen, wo sie sind: in der Welt. „Ausgießen aus dem Krug ist schenken. (…) Das Krughafte des Kruges west im Geschenk (…) Das Geschenk des Gusses kann ein Trunk sein. Es gibt Wasser, es gibt Wein zu trinken.“ Das Wasser ist Trunk. Weil es aus dem Krug gegossen wird, ist es Geschenk. Das Geschenk ist Geschenk, weil es aus dem Krug als Guss kommt, es hat sein Wesen aus dem Krughaften. Umgedreht ist der Krug Krug, weil er den Trunk in der zwischen seinen Gefäßwänden liegenden Leere bewahrt. Beide sind was sie sind nur durch den Bezug aufeinander und nicht als Einzelnes. Die Bezüge sind also vor den Einzeldingen und werden nicht erst durch diese konstituiert.
- Wohnen
Das Ding hat die Eigenschaft zur Versammlung der Weltregionen, wodurch die Welt als Beziehungsganzheit des Gevierts eröffnet wird. Heidegger griff dabei zurück auf die Etymologie des Wortes Ding aus „Thing“, der germanischen Bezeichnung für Versammlung, eine Versammlung die den Menschen angeht. So kann Heidegger auch sagen „Das Ding dingt“[139], d. h. es versammelt eine Welt. Damit gewähren die Dinge dem Menschen ein Verweilen und „schonendes Wohnen“[140] in der durch sie eröffneten Welt. Der Mensch steht dabei nicht mehr im Zentrum der Welt, die sich von ihm aus bestimmt, sondern ist innerhalb dieser selbst be-dingt. Welt ist hier nicht mehr »an sich« und so »für« jemanden, sondern das Geschehen der Offenheit des Seienden im Menschen.[141] Eine solche Welt ereignet sich geschichtlich, sie hat somit kein Zentrum mehr von dem aus sich eine überzeitliche Ordnung etablieren würde. Ein Denken, das dieser Welt entspricht – gelegentlich auch „Ereignisdenken“ genannt – verfährt daher weder deduktiv noch begründend, es ereignet sich vielmehr, wie „Wenn das frühe Morgenlicht still über den Bergen wächst …“[142] Heidegger hat in diesem Zusammenhang nicht allein denkerische Überlegungen angestellt, sondern auch darauf hingewiesen, wie wichtig für einen Wandel des Denkens vorpräpositionale Einstellungen wie Gefühle und Stimmungen sind. Ein anderer Anfang muß daher auch mit einer gewissen simmungsmäßigen Haltung einhergehen, die Heidegger in den Beiträgen als Verhaltenheit bezeichnete. Stimmunge sind in ihrer Offenheit gerade nicht auf einzelne Dinge gerichtet, sondern auf das Ganze der Welt. So kann man das Herz als Mitte des Heideggerschen Denkens ansehen. In seiner Offenheit für das Ereignis schlägt es dem Ganzen entgegen.[143]
Sprache als Haus des Seins
Für Heidegger wurde im Laufe seines Denkweges immer deutlicher, dass das Wahrheitsgeschehen ein Sprachgeschehen ist. Geschieht Wahrheit in Form von Kunst, Wissenschaft oder Technik, dann ist dies immer auch ein sprachliches Ereignis. Es kann daher nicht ausbleiben sich darüber Klarheit zu verschaffen, was überhaupt Sprache ist.
- Die Sprache spricht
Heidegger wehrte sich gegen eine Auffassung der Sprache, welche diese als bloßes Instrument der Mitteilung ansah. Eine solche Ansicht ging für ihn aus dem technischem Zeitalter hervor, dessen rechnendes Denken Informationen lediglich zur Organisation der Beherrschung des Seienden „kommuniziert“. Das rechnende Denken stellt damit den Menschen zugleich in die Mitte alles Seienden – auch gegenüber der Sprache. Wenn der Mensch „die Sprache in seinem Besitz“ wähnt, verfehlt er jedoch gerade ihr Wesen.[144] Heidegger brachte dies auf die Formel: „Die Sprache spricht, nicht der Mensch. Der Mensch spricht nur, indem er geschickt der Sprache entspricht.“[145] Damit wollte Heidegger zum Ausdruck bringen, dass der Mensch Teilnehmer an einer Sprache ist, die er selbst nicht alleine hervorgebracht hat. Er ist eingebunden in einen Überlieferungsprozess und kann sich lediglich zum Überlieferten, der Sprache, verhalten. Heideggers Überlegung ist jedoch keine kulturphilosophische: Die tautologische Formulierung „die Sprache spricht“ soll zugleich verhindern, dass das Phänomen der Sprache auf etwas anderes als die Sprache selbst zurückgeführt wird. Entsprechend Heideggers ab-gründigem Denken, soll eine Begründung der Sprache durch etwas anderes verhindert werden. So kann, was die Sprache als Sprache ist, zum Beispiel nicht durch die Rückführung auf die akustische Verlautbarung, das Sprechen, verstanden werden. Die Sprache ist vielmehr etwas, das aufgrund unserer Nähe zu ihr so schwer zu fassen ist. Heideggers Versuche richteten sich entsprechend darauf, dasjenige zur Sprache zu bringen, welches für gewöhnlich unthematisch bleibt, weil es eben so nah ist. Entsprechend stellt die Abhandlung „Unterwegs zur Sprache“ den Versuch dahin zu gelangen, „in dessen Bereich wir uns je schon aufhalten.“[146]
- Sprache und Welt
Heideggers Überlegungen zur Sprache versuchten sie als das zu beschreiben, was sie über das bloße Mittel der Kommunikation hinaus ist. So hat die Sprache eine welteröffnende Funktion, welche Heidegger vor allem in der Dichtung entdeckte. So wie das Ding eine Welt eröffnet und dem Menschen hierdurch das Wohnen gewährt, gilt dies auch für die Sprache und vor allem für die dichterische. Die nicht-propositionale Sprache der Dichtung lässt die Bezüge der Dinge auf die Weltregionen des Gevierts hervortreten. In einer solchen Form der Sprachlichkeit kommt das Sein als Ganzes zur Sprache. Hieran läßt sich erkennen, dass die Sprache der Ort ist, an welchem das Sein erscheint. Insofern Sprache als Ort gedacht wird, ‚wohnt‘ das Sein gleichsam in ihr, weshalb Heidegger die Sprache auch „das Haus des Seins“ nannte.[147]
Zentral für Heideggers Auffassung von der Sprache war daher nicht, dass diese als Kette von propositionalen Aussagen Wahrheit herleiten kann, sondern ihr Bezug zum Sein, und dass entsprechend der jeweiligen seinsgeschichtlichen Erfahrung des Menschen in ihr eine Welt zur Sprache kommt. Damit brachte sich Heidegger in eine Gegenposition zur philosophischen Tradition: „In der Philosophie lassen sich niemals Sätze anbeweisen; und dies schon deshalb nicht, weil es keine höchsten Sätze gibt, aus denen andere abgeleitet werden könnten, sondern weil hier überhaupt nicht »Sätze« das Wahre sind und auch nicht einfach jenes, worüber sie aussagen.“[148] Heidegger erläutert die gänzlich andere Form der Sprachlichkeit, wie er sie in der Dichtung findet, an einem Fragment Heraklits: „‚Der Herr, dessen Spruchort zu Delphi ist [Apollon] sagt weder, noch verbirgt er, sondern winkt.‘ Das ursprüngliche Sagen macht weder nur unmittelbar offenbar, noch verhüllt es einfach nur schlechthin, sondern dieses Sagen ist beides in einem und als dieses Eine ein Winken, wo das Gesagte auf Ungesagtes, das Ungesagte auf Gesagtes und zu sagendes weist.“[149]
- Die Sprache gewährt ein dichterisches Wohnen
Indem das dichterische Wort die sinnhaften Bezüge in der Welt zur Sprache bringt, stiftet es Welt. Dabei läßt die Dichtung, anders als strenge propositionale Aussagen, auch offene Stellen. Im Ungesagten bleibt Raum für die nicht zur Sprache gekommenen Bezüge der Welt. Durch vielen Nebenbedeutungen, welche die dichterischen Wörter tragen, wird also die Welt erst reich an Bezügen. Es sind semantische Bezüge, weshalb die Welt ein sprachliches Phänomen ist: Wohnen lässt sich nicht in einem stummen Raum; die Dinge in der Welt sind vielmehr beredt. Die reine Funktionalität einer technischen Welt wäre hingegen arm an Bezügen. Die Dichtung macht keine Aussagen über einzelne Dinge, sondern stellt deren Beziehung in den Mittelpunkt. Wie Heidegger zum Ding erläuterte, sind Geschenk und Krug nur durch ihre Beziehung aufeinander zu denken, nicht für sich alleine. Indem nun die Dichtung die Beziehung, die vor den Einzeldingen lieg, zur Sprache bringt, stiftet sie erst die Welt als eine Beziehungsganzheit, die den Einzeldingen vorausgeht. Durch die Stiftung der Welt gewährt die Dichtung den Sterblichen (in dieser) Aufenthalt und Wohnen, wie Heidegger dies einem Spruch Hölderlins ablas: „Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet / Der Mensch auf dieser Erde.“[150] Das Dichtertum ist hierfür auf die Sprache angewiesen. Über die Sprache aber verfügt der Mensch niemals in ihrer Gänze, sondern verhält sich zu ihr. Der Dichter kann also nicht Kraft seiner selbst das Wohnen möglich machen, sondern ist auf das Gewährende der Sprache angewiesen. Es zeigt sich hieran, warum es für Heidegger so wichtig war, dass der Mensch die Vorstellung der Sprache als Kommunikationsmittel überwinde, denn in diesem Spracherständnis drückt sich allein ein technischer Weltbezug aus. Nur wenn erkannt wird, dass Sprache nicht Einzelteil in einer technischen Welt ist, sondern überhaupt als Haus des Seins, kann sich eine neue Welt ereignen.
Wirkung und Rezeption

Überblick
- → Siehe Hauptartikel Heidegger-Rezeption.
Martin Heidegger gilt als einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Seine Gedanken übten direkt und über einige seiner Schüler großen und bleibenden Einfluss auf die moderne Philosophie auch außerhalb Deutschlands sowie auf andere Geisteswissenschaften aus.
Heidegger wurde von vielen als charismatische Persönlichkeit empfunden und übte Zeit seins Lebens eine starke Faszination auf seine Schüler aus.[151] Karl Löwith charakterisierte ihn wie folgt:
„Seiner Herkunft nach ein einfacher Mesnersohn, wurde er durch seinen Beruf zum pathetischen Vertreter eines Standes, den er als solchen negierte. Jesuit durch Erziehung, wurde er zum Protestanten aus Empörung, scholastischer Dogmatiker durch Schulung und existenzieller Pragmatist aus Erfahrung, Theologe durch Tradition und Atheist als Forscher, Renegat seiner Tradition im Gewande ihres Historikers. Existenziell wie Kierkegaard, mit dem Systemwillen eines Hegel, so dialektisch in der Methode wie einschichtig im Gehalt, apodiktisch behauptend aus dem Geiste der Verneinung, verschwiegen gegen andere und doch neugierig wie wenige, radikal im Letzten und zu Kompromissen geneigt in allem Vorletzten – so zwiespältig wirkte der Mann auf seine Schüler, die von ihm dennoch gefesselt blieben, weil er an Intensität des philosophischen Wollens alle andern Universitätsphilosophen weit überragte.“[152]
Zu seinen direkten Schülern zählen Hans-Georg Gadamer, der den hermeneutischen Ansatz weiterführte, Hannah Arendt, die sich in ihren politischen Schriften bewusst auch von Heidegger absetzte und Ernst Tugendhat, der ausgehend von einer kritischen Haltung gegenüber Heideggers Wahrheitsbegriff zur analytischen Philosophie fand. Über Jean-Paul Sartre gab Heidegger den Anstoß für den französischen Existenzialismus. Herbert Marcuse verband die Überlegungen aus „Sein und Zeit“ mit dem Marxismus. Emmanuel Levinas entwickelte in kritischer Abgrenzung zu Heideggers starker Orientierung am Sein seine stärker am Menschen orientierte Ethik. Michel Foucaults denkerische Biographie wurde von einer intensiven Heideggerlektüre begleitet, Jacques Derrida greift die Idee der ontologischen Differenz und der Destruktion in seinem Begriff der Différance auf. Großen Einfluss übte Heidegger auch auf die moderne japanische Philosophie aus – die Heidegger Gesamtausgabe erscheint zeitgleich zur deutschen auch auf Japanisch.
Kritik
- Allgemeine Ablehnung
Heideggers philosophisches Wirken wurde von verschiedensten Seiten als Ganzes verworfen, so zum Beispiel vom empirisch-positivistisch ausgerichtetem Wiener Kreis, der in Heideggers Philosophie eine Rückkehr zur Metaphysik sah. Von seiten sprachanalytisch arbeitender Philosophen wie Rudolf Carnap wurde Heideggers Terminologie schon früh als inhaltsleer angegriffen. Carnap entwickelte 1932 seine Kritik in„Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“. Anhand von Heideggers Begriff des Nichts versucht er aufzuzeigen, dass dieser sinnlos ist, da er sich weder logisch noch empirisch nachweisen lasse. Zwar sind Carnaps strenge Kriterien für sinnhaften Sprachgebrauch von späteren analytischen Philosophen nicht geteilt worden (vor allem aufgrund der erweiternden Arbeiten von Wittgenstein und Popper), aber die Spaltung von kontinentaler und analytischer Tradition geht hierauf zurück und blieb lange bestimmend.[153] Erst Richard Rorty versuchte wieder Brücken zwischen beiden zu bauen.
Von großer Schärfe waren die Attacken seitens der Frankfurter Schule, besonders Theodor W. Adornos „Jargon der Eigentlichkeit“, die das intellektuelle Leben in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts polarisierten. Hier sind es vor allem Fragen, die den Zusammenhang von Philosophie und politischem Engagement betreffen. Heideggers NS-Engagement setzt ihn bis heute dem Verdacht aus, auch seine Philosophie dem Nationalsozialismus dienbar gemacht zu haben.
- Kritik an „Sein und Zeit“
- → Siehe Hauptartikel Sein und Zeit.
Husserl empfand das Werk als Abkehr von den Zielen seiner Phänomenologie, auch wenn Heidegger es noch unter den Titel Phänomenologie stellte und Husserl widmete. Heidegger tendierte in einigen Punkte dazu, diese aufs Äußerste zuzuspitzen, was ihm die Kritik eintrug, dass seine Zeitanalyse die Gegenwart der Zukunft opfere, und dass die Selbsständigkeit, die er für ein bewußtes Leben proklamierte, so sehr sich von Gesellschaft und Mitmenschen lossagt, dass es sich bei ihr letztlich um Solipsismus handle.
Seine Weltanalyse führte Heidegger nur anhand von Werkzeugen für die praktischen Bedeutungszusammenhänge des Lebens durch, nicht verstehen läßt sich so etwa was in diesem Zusammenhang der Ring bedeutet, den wir am Finger tragen. Auch die Rückbindung aller Dinge an das Umwillen des Daseins verenge den Blick auf die Welt.
Die große Bedeutung, die Heidegger dem Tod beimaß stößt in der Rezeption ebenfalls häufig auf Ablehnung. So ist nicht klar, warum Probleme der Existenz nur angesichts des Todes erhellt werden können sollten.[154] Hannah Arendt entwickelte gegen Heideggers Konzept der Sterblichkeit das Gegenmodell der „Geburtlichkeit“. Die fehlende Einbeziehung der Leiblichkeit des Daseins veranlaßte Merleau-Ponty dazu hier weiterzudenken.
- Kritik am Wahrheitsbegriff
Ernst Tugendhat hat sich ausführlich mit Heideggers Wahrheitsbegriff auseinandergesetzt.[155] Tugendhat führt hierzu einen Vergleich mit Husserls Wahrheitsbegriff durch: Bei Husserl eröffnete sich Wahrheit dann, wenn sich das Seiende zeigt „wie es an sich selbst ist“. Diese Formel enthält durch ihr „wie“ einen Abgleich der Sache mit sich selbst. Heidegger deutet hingegen Wahrheit als Entdecktheit. Dabei jedoch lässt er in Abgrenzung zu Husserl den kritischen Abgleich der Sache mit sich selbst weitestgehend fallen, was für Tugendhat heißt: „Wenn Wahrheit Unverborgenheit besagt, so wie Heidegger das Wort versteht, dann kommt es darauf an, dass ein Weltverständnis sich überhaupt eröffnet, nicht dass wir es kritisch prüfen.“[156]
- Kritik am Spätwerk
Am Denkstil des späten Heideggers wird oft kritisiert, dass er viel mit Etymologien arbeitete und diese bisweilen in gewagter Weise ausdeutete.[157] Allerdings betonte Heidegger, dass diese nicht als Beweise fungieren sollen, sondern dazu dienen, der philosophischen Sprache neue Dimensionen zu erschließen.[158] Auch die Deutungen, die Heidegger manchen Gedichten Hölderlins, Trakls, Rilkes und Stefan Georges gab, sind bei Literaturwissenschaftlern auf Kritik gestoßen. An ihnen wird ausgesetzt, dass diese Dichtungen stark von Heideggers eigener Weltsicht her gelesen und in den Kategorien seines Denkens „umgedeutet“ werden. Allerdings beabsichtigte Heidegger ausdrücklich nicht mit seinen Deutungen Beiträge zur Literaturwissenschaft zu leisten.[159]
Der Versuch Heideggers, das Göttliche zu denken, und seine Anrufung Gottes mit Hölderlin wurde auch von Kritikern, die Heideggers Art zu denken durchaus schätzen, als inkonsistenter Teil seiner Philosophie kritisiert, der einem „‚theologischen‘ Zwang“ entspringe.[160]
Von verschiedener Seite wurde darauf hingewiesen, dass Heideggers seinsgeschichtliche Interpretationen, zum Beispiel die Platons oder Nietzsches, einer philosophiegeschichtlichen Nahbetrachtung nicht standhalten. Hinzu kommt, dass für Heideggers Auseinandersetzung mit Nietzsche eine Kompilation aus Nietzsches Nachlass maßgebend war („Der Wille zur Macht“), die in dieser Form nicht von Nietzsche veröffentlicht wurde. Allerdings zielten Heideggers bewusste perspektivische Verengungen und Einseitigkeiten darauf, Grundmuster des abendländischen Denkens freizulegen und so neue Zugänge zum Überlieferungsbestand der Tradition zu erschließen. Es ging Heidegger also weniger um eine historisch richtige Deutung, sondern um eine konstruktive „Zwiesprache“ mit den Denkern, um ein „Gespräch“, dass von vornherein unter eine gewisse Frage gestellt wird.[161]
Dokumente und Quellen
Schriften

Die Martin Heidegger Gesamtausgabe erscheint im Verlag Vittorio Klostermann. Sie ist auf 102 Bände angelegt. Ein Verzeichnis sämtlicher Schriften Heideggers (7609 Nummern) findet sich in: Heidegger-Jahrbuch 1. Freiburg/München 2005, S. 429–578, ISBN 3-495-45701-1.
- Wichtige Werke
- 1912–1916: Frühe Schriften. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 1972, ISBN 978-3-465-00881-1
- 1921/22: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Reclam Verlag, Ditzingen 2003, ISBN 978-3-15-018250-5
- 1927: Die Grundprobleme der Phänomenologie. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 2005, ISBN 978-3-465-03419-3
- 1927: Sein und Zeit. 19. Auflage. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006, ISBN 978-3-484-70153-3
- 1929/30: Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-465-03310-8
- 1929: Kant und das Problem der Metaphysik. 6. Auflage. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 1998, ISBN 978-3-465-02982-3
- 1936–1968: Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung. 6. erw. Auflage. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 1996, ISBN 978-3-465-02907-6
- 1935–1946: Holzwege. 8. unver. Auflage. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 2003, ISBN 978-3-465-03238-0
- 1935/36: Der Ursprung des Kunstwerkes. Reclam Verlag, Ditzingen 1986, ISBN 978-3-15-008446-5
- 1936–1946: Nietzsche I und II. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1998, ISBN 978-3-608-91086-5
- 1936–1953: Vorträge und Aufsätze 10. Auflage. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-608-91090-2
- 1936–1938: Beiträge zur Philosophie. (Vom Ereignis). 3. Auflage. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 2003, ISBN 978-3-465-03281-6
- 1938/39: Besinnung. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2001, ISBN 978-3-465-02955-7
- 1951–1952: Was heißt Denken? Reclam Verlag, Ditzingen 1992, ISBN 978-3-15-008805-0
- 1953: Die Frage nach der Technik. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 978-3608910506
- 1919–1961: Wegmarken. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2004, ISBN 978-3-465-03370-7
- 1955–1956: Der Satz vom Grund. 9. Auflage. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-608-91076-6
- 1955–1957: Identität und Differenz. 12. Auflage, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 978-3-608-91045-2
- 1950–1959: Unterwegs zur Sprache. 9. Auflage, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-7885-0008-5
- 1959: Gelassenheit, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2003, ISBN 978-3608910599
- 1910–1976: Aus der Erfahrung des Denkens 2. durchgesehene Auflage. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 978-3-465-03201-4
- 1910–1976: Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. 2000, ISBN 978-3-465-03040-9 (enthält das „Spiegel-Interview“ Nur noch ein Gott kann uns retten. (1976))
- Sonstiges
- Günter Figal: Heidegger Lesebuch. Verlag Vittorio Klostermannn, Frankfurt a. M. 2006, ISBN 978-3-465-04011-8
- Richard Wisser: Martin Heidegger im Gespräch. Verlag Karl Alber, Freiburg i. Br. / München 1970
- Korrespondenz
- Hannah Arendt / Martin Heidegger: Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse. 3. erw. Auflage. Hrsg. Ursula Ludz. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 978-3-465-03206-9
- Martin Heidegger / Karl Jaspers: Briefwechsel 1920–1963. Hrsg. W. Biemel u. H. Saner. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 1990, ISBN 978-3-465-02218-3
- Nachlass
- In der Jahresgabe der Martin-Heidegger-Gesellschaft erscheinen noch nicht veröffentlichte Schriften von und zu Martin Heidegger.
Sekundärliteratur
Wegweiser durch die Heidegger-Literatur / Universitätsbibliothek Freiburg i.Br.
Philosophiebibliographie: Martin Heidegger – Zusätzliche Literaturhinweise zum Thema
- Einführende Literatur zu Heideggers Denken
- Günter Figal: Martin Heidegger zur Einführung. Junius, Hamburg 2007, 5. Auflage, ISBN 978-3-88506-381-0
- Charles Guignon (Hg.): The Cambridge Companion to Heidegger. Cambridge: Cambridge University Press 1993.
- Byung-Chul Han: Martin Heidegger, Wilhelm Fink Verlag, München 1999, ISBN 3-8252-2069-9 (Interessante Auseinandersetzung, die auch kritische Aspekte beleuchtet.)
- Michael Inwood: Heidegger. Herder, Freiburg 1999, ISBN 3-451-04736-5
- Michael Inwood: A Heidegger Dictionary. Oxford: Blackwell 1999.
- Hans Köchler: Skepsis und Gesellschaftskritik im Denken Martin Heideggers. Meisenheim a.G.: Hain 1978.
- Christopher Macann (Hg.): Critical Heidegger. London: Routledge 1996.
- Stephen Mulhall: Routledge Philosophy Guidebook to Heidegger and Being and Time. London: Routledge 1996.
- Frederick A. Olafson: Heidegger and the Philosophy of Mind. New Haven: Yale University Press 1997.
- George Pattison: Routledge Philosophy Guidebook to the Later Heidegger. London: Routledge 2000.
- Thomas Rentsch: Martin Heidegger - Das Sein und der Tod. Eine kritische Einführung. München/Zürich: Piper 1989.
- John Richardson: Existential Epistemology: A Heideggerian Critique of the Cartesian Project. Oxford: Clarendon Press 1986.
- Dieter Thomä (Hrsg.): Heidegger-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Metzler Verlag, Stuttgart 2003
- Rainer Thurnher: Martin Heidegger; in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie Band XIII, C.H. Beck Verlag, 2002 (Überblick über das gesamte Werk auf ca. 70 Seiten; Schwerpunkt: Seinsgeschichte.)
- Peter Trawny: Martin Heidegger. Einführung. Campus Verlag. Frankfurt und New York 2003
- Julian Young: Heidegger's Later Philosophy. Cambridge: Cambridge University Press 2001.
- Willem van Reijen: Martin Heidegger. München: Fink, 2009 (UTB Profile). ISBN 978-3-7705-4715-9.
- Literatur zur Person und zu spezifischen Aspekten von Werk und Rezeption

- Günther Anders: Über Heidegger. Hrsg. von Gerhard Oberschlick in Verbindung mit Werner Reimann als Übersetzer. Mit einem Nachwort von Dieter Thomä. München: C.H.Beck 2001, ISBN 3-406-48259-7
- Walter Biemel: Martin Heidegger mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlts Monographien Nr. 200, Reinbek bei Hamburg 1973
- Emmanuel Faye: Heidegger. Die Einführung des Nationalsozialismus in die Philosophie. Matthes & Seitz, Berlin 2009, ISBN 978-3-88221-025-5 (dt. Übersetzung) (Kritisch-subjektive Auseinandersetzung mit Heideggers Rolle im Nationalsozialismus, Originalausgabe auf Französisch. Ablehnende Rezension in „Die Zeit“, Antwort Fayes auf die Rezension. Weitere Entgegnung zu Faye von Goedart Palm)
- Hans-Georg Gadamer, Carl Friedrich von Weizsäcker, Werner Marx: Heidegger. Freiburger Universitätsvorträge zu seinem Gedenken. Alber, Freiburg / München 1977, ISBN 3-495-47368-8
- Manfred Geier: Martin Heidegger. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-50665-3
- Karl Lehmann: Vom Ursprung und Sinn der Seinsfrage im Denken Martin Heideggers, Rom 1962 - Freiburg i.Br. 1999
- Karl Löwith: Heidegger – Denker in dürftiger Zeit, Stuttgart 1984 (Sämtliche Schriften Bd. 8) ISBN 3-476-00515-1
- Ernst Nolte: Martin Heidegger: Politik und Geschichte im Leben und Denken, Berlin / Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-549-07241-4
- Heinrich Wiegand Petzet: Auf einen Stern zugehen. Begegnungen und Gespräche mit Martin Heidegger 1929–1976. Frankfurt am Main: Societäts-Verlag, 1983, ISBN 3-7973-0414-5 (die vom Hause Heidegger sanktionierte, apologetische Biographie)
- Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers, Klett-Cotta / Verlag Günther Neske, Stuttgart 1994, ISBN 978-3-608-91112-1
- Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1999 (diese populäre Biographie wirft zugleich einige einführende Schlaglichter auf sein Denken und behandelt auch die Nationalsozialismus-Debatte)
- Hans Dieter Zimmermann: Martin und Fritz Heidegger. Philosophie und Fastnacht. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52881-3
- Anja Lemke: Konstellation ohne Sterne. Zur poetischen und geschichtlichen Zäsur bei Martin Heidegger und Paul Celan. München: Fink, 2002. ISBN 3-7705-3755-6.
- Periodika
- Heidegger Studies / Heidegger Studien / Etudes Heideggeriennes (HeiSt) erscheint im Verlag Duncker & Humblot Berlin
- Heidegger-Jahrbuch. Herausgegeben von Alfred Denker und Holger Zaborowski. Alber, Freiburg / München 2004 ff.
Tondokumente
- Bauen, Wohnen, Denken, Darmstädter Gespräche des Deutschen Werkbundes 1951, in Eduard Führ, Bauen und Wohnen, Waxmann, Münster 2000 (mit Audio CD des Vortrages), ISBN 978-3-89325-819-2
- Von der Sache des Denkens Vorträge, Reden und ein Interview (5 CDs), Der Hörverlag
- Der Satz der Identität (1 CD) Klett-Cotta Verlag
- Martin Heidegger liest Hölderlin (1 CD) Klett-Cotta Verlag
- Hölderlins Erde und Himmel (2 CDs) Klett-Cotta Verlag
- Heidegger (1 CD) Einführung von Otto Pöggeler, gelesen von Frank Arnold; Argon, 2007
- Heidegger verstehen Vorträge u.A. von Hans-Georg Gadamer, Karl Löwith und Rüdiger Safranski (5 CDs und 1 DVD), Terzio 2009
Filme
- Martin Heidegger - Im Denken unterwegs. Dokumentation, 44 Min., Buch und Regie: Richard Wisser und Walter Rüdel, Produktion: SWF, Neske-Produktion, 1975
- Philosophie heute. Der Zauberer von Meßkirch: Martin Heidegger. Dokumentation, 60 Min., Buch und Regie: Rüdiger Safranski und Ulrich Boehm. Produktion: WDR in Zusammenarbeit mit Junius, 1989, ISBN 3-934102-64-6
- Human all too Human: Martin Heidegger. Englischsprachige Dokumentation, 49 Min., Buch und Regie: Jeff Morgan, Produktion: BBC, 1999
- Deutsche Lebensläufe: Martin Heidegger. Dokumentation, 60 Min., Buch und Regie: Thomas Palzer, Produktion: SWR, SFB, ORB, Kick Film, 2002, Erstsendung: 21. November 2002, Inhaltsangabe von 3sat
- Der Ister. Mehrsprachige Dokumentation, 189 Min., Buch und Regie: David Barison und Daniel Ross, Australien 2004 (Ein Film über Heideggers 1942 gehaltene Vorlesung zu Friedrich Hölderlin; zu sehen sind unter anderem Jean-Luc Nancy, Philippe Lacoue-Labarthe, Bernard Stiegler und Hans-Jürgen Syberberg.), Offizielle Film-Website, Vorlage:IMDb Titel
Weblinks
Werk, Person und Forschung
- Vorlage:PND
- Martin-Heidegger-Gesellschaft - Offizielle Homepage der Martin-Heidegger-Gesellschaft e.V. Meßkirch
- Heidegger-Portal der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau – Umfangreichste Literaturnachweise mit ständiger Verzeichnung des unselbständigen Schrifttums (Zeitschriftenaufsätze und Buchbeiträge) und Zugang zum internationalen monographischen Schrifttum über den Online-Katalog
- Heidegger-Jahrbuch Herausgegeben von Alfred Denker und Holger Zaborowski
- www.heidegger.org Martin Heidegger Website von Burghard Heidegger. Biographisches, Aktuelles, Informationen zu: Meßkircher-Martin-Heidegger-Stiftung, Martin-Heidegger-Gesellschaft e. V., Martin-Heidegger-Forschungsgruppe.
- W. J. Korab-Karpowicz: Martin Heidegger (1889-1976). In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
Vortrags-Mitschnitte
- Martin Heidegger: Der Satz der Identität (Vortrag zur 500-Jahr-Feier der Universität Freiburg, 1957)
| Vorgänger | Amt | Nachfolger |
|---|---|---|
| Wilhelm von Möllendorf | Liste der Rektoren der Universität Freiburg im Breisgau 1933–1934 | Eduard Kern |
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Unterwegs zur Sprache (GA 12), S. 91.
- ↑ Erst 2005 äußert sich Herman Heidegger hierzu im Nachwort des Briefwechsels von Elfriede und Martin. Der Vater ist Dr. med. Friedel Caesar. Vgl. Mein liebes Seelchen! Briefe Martin Heideggers an seine Frau Elfride. 1915–1970. Hrsg., ausgew. und kommentiert von Gertrud Heidegger. München 2005, S. 382.
- ↑ Michael Inwood: Heidegger. Freiburg 1999, S. 9.
- ↑ Martin Heidegger, Günther Neumann (Hrsg.): Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles. Stuttgart 2002, S. 28.
- ↑ Michael Inwood: Heidegger. Freiburg 1999, S. 10.
- ↑ Siehe hierzu den Vortrag Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der Provinz? in Aus der Erfahrung des Denkens (GA 13).
- ↑ Hannah Arendt: Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt. in: Günther Neske und Emil Kettering (Hg.): Antwort – Martin Heidegger im Gespräch. Tübingen 1988, S. 232–234.
- ↑ Hannah Arendt / Martin Heidegger: Briefe 1925–1975 und andere Zeugnisse. Frankfurt a. M. 2002, Brief vom 21. Februar 1925.
- ↑ Vgl. Eduard Baumgarten#Denunziation durch Heidegger. Das Gutachten im Wortlaut auf Google-Books.
- ↑ Zitiert nach Hans Dieter Zimmermann: Martin und Fritz Heidegger. München 2005, S. 65.
- ↑ Spiegel-Interview in Reden und Zeugnisse (GA 16), S. 665–666.
- ↑ siehe Daseinsanalyse
- ↑ Erschienen in Band 15 der Gesamtausgabe.
- ↑ Vgl. Hartmut Buchner (Hrsg.): Japan und Heidegger. Verlag Thorbecke, Sigmaringen 1989.
- ↑ Gregor Moser: Neues Grab des Meßkircher Ehrenbürgers auf dem Friedhof wird feierlich geweiht. Bernhard Welte findet seine letzte Ruhe. In: Südkurier vom 28. November 2008
- ↑ Nach einem Bericht von Hannah Arendt in: Hannah Arendt, Martin Heidegger, Ursula Ludz: Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse. Frankfurt am Main 2002, S. 184.
- ↑ Hannah Arendt, 1969 zu Heideggers 80. Geburtstag. Hannah Arendt: Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt. in Günther Neske und Emil Kettering (Hrsg.): Antwort – Martin Heidegger im Gespräch. Tübingen 1988.
- ↑ Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis). (GA 65), S. 86.
- ↑ Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks (Theorie der philosophischen Begriffsbidlung. GA 59, S. 170. Hervorhebung hinzugefügt.
- ↑ Vorträge und Aufsätze GA 7, S. 40
- ↑ „Der Spiegel“, 6. April 1950: Rückfall ins Gestell, S. 35.
- ↑ Vgl. Theodor W. Adorno: Jargon der Eigentlichkeit. in Gesammelte Schriften. Bd. 6, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2003.
- ↑ Vgl. Dolf Sternberger: Schriften. Band VIII Gang zwischen Meistern, 1987, Insel Verlag.
- ↑ GA 29/30, S. 433.
- ↑ (GA 29/30), S. 430.“ Vgl. auch Theodore Kisiel: Die formale Anzeige. Die methodische Geheimwaffe des frühen Heidegger. in: Markus Happel (Hrsg.): Heidegger – neu gelesen. Würzburg 1997.
- ↑ So der Titel von Otto Pöggelers Einführung zu Heidegger: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994.
- ↑ Frühe Schriften (GA 1), S. 437.
- ↑ Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 27ff.
- ↑ So der Titel, den Heidegger dem Ansatz im Natorp-Bericht gibt. Vgl. Martin Heidegger, Günther Neumann (Hrsg.): Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles, Reclam, Stuttgart 2002, S. 29.
- ↑ Erster Brief Paulus' an die Thessalonicher. (4, 13ff.)
- ↑ Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 36ff.
- ↑ Edmund Husserl, Karl Schuhmann (Hrsg.): Briefwechsel. Dordrecht/Boston/London 1993, III, S. 234.
- ↑ GA 56/57, S. 117.
- ↑ Platon ca. 360 v. Chr., Sophistes 244 a.
- ↑ Sein und Zeit, (GA 2) S. 1.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 48.
- ↑ Grundprobleme der Phänomenologie (GA 24), S. 21.
- ↑ Grundprobleme der Phänomenologie (GA 24), S. 22.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 47.
- ↑ Der Begriff selbst wird in Sein und Zeit noch nicht verwendet, jedoch beschreibt Heidegger die damit verbundenen Gedankengänge.
- ↑ Vgl. Byung Chul-Han: Martin Heidegger. §1 „Sein und Seiendes“, München 1999.
- ↑ Sein und Zeit (GA 2), S. 38.
- ↑ Vgl. Byung Chul-Han: Martin Heidegger. München 1999, S. 12.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 24.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 49.
- ↑ Diese Beispiele Hubert Dreyfus' in einer seiner Vorlesungen zu „Sein und Zeit“.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 54.
- ↑ Sein und Zeit (GA 2), S. 151.
- ↑ Sein und Zeit (GA 2), S. 183.
- ↑ Vgl. Sein und Zeit (GA 2), S. 351ff.
- ↑ Vgl. Rainer Thurnher: Martin Heidegger; in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie Band XIII, München 2002, S. 236f.
- ↑ Ebenso: Thomas Rentsch: Sein und Zeit. Fundamentalontologie als Hermeneutik der Endlichkeit. in: Dieter Thomä: Heidegger-Handbuch, Stuttgart 2003, S. 77f.
- ↑ Brief über den Humanismus (GA 9), S. 327f.
- ↑ Unveröffentlichtes Typoskript Der Weg. Der Gang durch SZ, 1945. Zitiert nach Theodore Kiesel: Das Versagen von Sein und Zeit. in: Thomas Rentsch (Hrsg.): Sein und Zeit. Berlin 2001, S. 276.
- ↑ Sein und Zeit (GA 2), S. 221.
- ↑ Vgl. Vom Wesen der Wahrheit (GA 9), S. 188.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 98.
- ↑ Vgl. Vom Wesen der Wahrheit (GA 9), S. 198.
- ↑ Seminar in Le Thor 1969 (GA 15), S. 345.
- ↑ Einen biologistisch gedachten Perspektivismus macht Heidegger hingegen in Nietzsches Deutung des Erkennens als Funktion des Lebens aus. Vgl. Nietzsche I, S. 532ff.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 97f.
- ↑ Vgl. Dieter Thomä: Stichwort: Kehre. in Dieter Thomä (Hrsg.): Heidegger Handbuch, Stuttgart 2003, Seite 139.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 94f.
- ↑ Besinnung (GA 66), S. 322.
- ↑ Vgl. Vorträge und Aufsätze. (GA 7), S. 72.
- ↑ Vgl. Vorträge und Aufsätze. (GA 7), S. 72.
- ↑ Vgl. Oliver Jahrhaus: Martin Heidegger. Eine Einführung. Stuttgart 2004, S. 169.
- ↑ Wegmarken (GA 9), S. 410.
- ↑ Vgl. Wegmarken (GA 9), S. 369.
- ↑ Beiträge zur Philosophie. Vom Ereignis. (GA 65), S. 74ff.
- ↑ Vgl. das Nachwort des Herausgebers, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (GA 65), S.511.
- ↑ Vgl. die Erläuterungen zur Gesamtausgabe, Frühe Schriften (GA 1), S. 437f.
- ↑ Vgl. Rainer Thurnher: Martin Heidegger. in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie. Band XIII, München 2002, S. 248.
- ↑ Vgl. Byung Chul-Han: Martin Heidegger. München, 1999, S. 131.
- ↑ Rainer Thurnher: Martin Heidegger. in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie Band XIII, München 2002, S. 250.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 18.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 197.
- ↑ Vgl. Vom Wesen der Wahrheit (GA 9), S. 189ff.
- ↑ Vgl. Platons Lehre von der Wahrheit (GA 9), S. 203ff.
- ↑ Rainer Thurnher: Martin Heidegger. in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie Band XIII, München 2002, S. 252.
- ↑ Rainer Thurnher: Martin Heidegger. in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie Band XIII, München 2002, S. 255.
- ↑ Rainer Thurnher: Martin Heidegger. in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie Band XIII, München 2002, S. 259.
- ↑ Siehe Heideggers Auseinandersetzung mit: Nietzsche in den zwei Bänden der Gesamtausgabe 6.1 und 6.2. Eine einführende Zusammenfassung von Heideggers Nietzsche-Deutung ist auch sein Text Nietzsches Wort «Gott ist tot» in: Holzwege GA 5.
- ↑ Einzelne Auslegungen Heideggers der Nietzschen Gedanken referiert Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 110ff.
- ↑ Nietzsche selbst spricht von einem „umgedrehten Platonismus.“ Nietzsche 1870/71 (KSA 7, 199): „Meine Philosophie umgedrehter Platonismus: je weiter ab vom wahrhaft Seienden, um so reiner schöner besser ist es. Das Leben im Schein als Ziel.“
- ↑ Wegmarken (GA 9), S. 325.
- ↑ Holzwege (GA 5), S. 87.
- ↑ Holzwege (GA 5), S. 87.
- ↑ Holzwege (GA 5), S. 372.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 23.
- ↑ Die Frage nach der Technik (GA 7), S. 16, 1953.
- ↑ GA 7, S. 15.
- ↑ Vgl. Hölderlins Hymne »Der Ister«, (GA 53), S. 54.
- ↑ GA 7, S. 87f.
- ↑ GA 7, S. 24.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 18.
- ↑ ZDF Gespräch mit Richard Wisser, 25. September 1969.
- ↑ Vgl. Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 71.
- ↑ GA 7, S. 25.
- ↑ Spiegel-Interview in Reden und Zeugnisse (GA 16), S. 679.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 36.
- ↑ Holzwege (GA 5), S. 49.
- ↑ Hölderlins Hymne »Der Ister« (GA 53), S. 21.
- ↑ Beiträge zu Philosophie. (Vom Ereignis) (GA 65), S. 530f.
- ↑ Es gibt zwei Lesarten des Kunstwerkaufsatzes, die eine deutet ihn so, dass Heidegger lediglich im Rückblick auf vergangene Kunst die Stiftung einer Welt durch das Kunstwerk erläutert, die andere hingegen betont, dass für Heidegger in der Kunst auch das Stiften selbst als Akt erkennbar wird. Wichtig für den Fortgang von Heideggers Denkweg ist allerdings in erster Linie nur, dass Heidegger selbst die stiftende Kraft der Kunst zumindest philosophisch Einfängt.
- ↑ Holzwege, GA 5, S. 59.
- ↑ Richard Rorty: Heidegger, Kundera, Dickens. in: Ders.: Eine Kultur ohne Zentrum. Stuttgart 1993, S. 80ff.
- ↑ Wegmarken (GA 9), S. 409.
- ↑ Vgl. Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Frankfurt a.M. 1999, S. 321f.
- ↑ Vgl. Holzwege (GA5), S. 269f.
- ↑ Der Satz vom Grund (GA 10), S. 118.
- ↑ Vgl. Byung Chul-Han: Martin Heidegger. München 1999, S. 126ff.
- ↑ Erläuterungen (GA 4), S. 47f.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 217f.
- ↑ Beiträge (GA 65), S. 463.
- ↑ Erläuterungen (GA 4), S. 41.
- ↑ Vgl. Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 143f.
- ↑ Beiträge zur Philosophie (GA 65), S. 422.
- ↑ Erläuterungen (GA 4), S. 182.
- ↑ Erläuterungen (GA 4), S. 195.
- ↑ Vgl. Holzwege (GA 5), S. 266.
- ↑ Grundfrage der Philosophie (GA 45), S. 189.
- ↑ Brief über den Humanismus (GA 9), S. 322.
- ↑ Brief über den Humanismus (GA 9), S. 342.
- ↑ Brief über den Humanismus (GA 9), S. 342.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 173.
- ↑ Brief über den Humanismus (GA 9), S. 341.
- ↑ Unterwegs zur Sprache (GA 12), S. 10.
- ↑ Der Feldweg (GA 13).
- ↑ Sein und Zeit (GA 2), S. 222.
- ↑ Was heißt Denken? (GA 8), S. 117.
- ↑ Byung Chul-Han: Martin Heidegger. München 1999, S.117.
- ↑ Gelassenheit, Pfullingen 1959, S. 23.
- ↑ Vgl. Rainer Thurnher: Martin Heidegger. in: Heinrich Schmidinger, Wolfgang Röd, Rainer Thurnher: Geschichte der Philosophie. Band XIII, München 2002, S. 272.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 152.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 155.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 127.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 173ff.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 182.
- ↑ Vorträge und Aufsätze (GA 7, S. 151.
- ↑ Vgl. auch Heideggers Ablehnung jeglicher Philosophie der Weltanschauung, beispielsweise in: Das Zeitalter des Weltbildes. 1938, GA 5.
- ↑ Aus den Erfahrungen des Denkens. Stuttgart 1945, S. 6.
- ↑ Vgl. Byung-Chul Han: Heideggers Herz. Zum Begriff der Stimmung bei Martin Heidegger. München 1996, Kap. Herzklopfen für das Ganze, S. 175ff.
- ↑ Wegmarken (GA 9, S. 75.
- ↑ Der Satz vom Grund (GA 10), S. 143.
- ↑ Unterwegs zur Sprache (GA 12), S. 199.
- ↑ Holzwege (GA 5), S. 310.
- ↑ Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (GA 65), S. 13.
- ↑ Hölderlins Hymnen „Germanien“ und „Der Rhein“ (GA 39), S. 127.
- ↑ Hölderlin: In lieblicher Bläue ….
- ↑ Vgl. die Berichte in: Jean Beaufret (Hrsg.): Erinnerung an Martin Heidegger. Stuttgart 1977.
- ↑ Karl Löwith: Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht. Hamburg 2007, S. 44f.
- ↑ Vgl. die philosophiegeschichtliche Studie von Michael Friedman: Carnap. Cassirer. Heidegger. Geteilte Wege. Frankfurt a. M. 2004.
- ↑ So die Hauptthese der Studie von Günter Figal: Martin Heidegger. Phänomenologie der Freiheit. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 190-269.
- ↑ Ernst Tugendhat: Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, Berlin 1967.
- ↑ Ernst Tugendhat: Heideggers Idee von Wahrheit. in Gunnar Skirbekk (Hrsg.): Wahrheitstheorien. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2006, S. 445.
- ↑ Vgl. z. B. Byung Chul-Han: Martin Heidegger, München 1999, S. 175ff.
- ↑ Vorträge und Aufsätze, S. 166f.
- ↑ Vgl. beispielsweise GA 53 (S. 1-2), dort die Unterscheidung zwischen »Anmerkungen« und »Auslegungen«. Heidegger beansprucht nur erstere zu geben, dies auch auf die Gefahr hin, dass sie die „Wahrheit der Hölderlinschen Dichtung“ verfehlen.
- ↑ Byung Chul-Han: Martin Heidegger. München 1999, S. 133.
- ↑ Vgl. Otto Pöggeler:Der Denkweg Martin Heideggers. Stuttgart 1994, S. 203.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Heidegger, Martin |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph |
| GEBURTSDATUM | 26. September 1889 |
| GEBURTSORT | Meßkirch |
| STERBEDATUM | 26. Mai 1976 |
| STERBEORT | Freiburg im Breisgau |