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Mingrelische Grammatik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Dieser Artikel beschreibt die Grammatik der mingrelischen bzw. megrelischen Sprache. Die wenigen schriftlichen Quellen zu dieser Sprache sind lückenhaft und teilweise sogar widersprüchlich, vielleicht beziehen sie sich auch stillschweigend auf unterschiedliche Dialekte; zweifelhafte Aussagen sind daher im Folgenden durch (?) gekennzeichnet.

Lautlehre

(Hörbeispiele: siehe Weblinks)

Das Mingrelische ist keine Schriftsprache. Es kann mit dem georgischen Alphabet zuzüglich einiger Zusatzbuchstaben für 'j' (entstanden aus 'l'), Schwa und Knacklaut niedergeschrieben werden. Weiterhin existiert eine Umschrift mit lateinischen Buchstaben, die sich an Umschriften für andere kaukasische Sprachen orientiert.

  • Die Betonung liegt gewöhnlich auf der ersten Silbe eines Wortes.

Konsonanten

Die häufigsten Konsonanten sind r, n, k, m, d, t, s, sh, l, g.
In der Umschrift werden einige Laute oder Lautkombinationen als im IPA gesprochen:

  • Der Knacklaut [ˀ] wird im Folgenden durch ´ wiedergeben. Er steht vor Vokalen und oft am Wortanfang.
  • [γ] (andere Umschrift: ġ) steht für das stimmhafte Gegenstück zu x; es hört sich ähnlich wie ein deutsches Reibe-R an.
  • r wird gerollt (wie im Italienischen).
  • x [χ] entspricht dem Deutschen ach-Laut.


  • sh [ʃ] (andere Umschrift: š) steht für den deutschen sch-Laut.
  • zh [ʒ] (andere Umschrift: ž) wird wie 'j' in 'Journal' gesprochen.
  • dzh [d͡ʒ] (andere Umschrift: ǯ) wird wie 'dsch' in 'Dschungel' gesprochen.

Aspirata und Ejektive

Stimmlose Plosive und Affrikata kommen entweder aspiriert oder ejektiv vor. Ejektive sind die einzigen Laute des Mingrelischen, die im Deutschen gar nicht vorkommen. Sie werden mit zusätzlichem Stimmlippenverschluss gesprochen; vor einem Vokal ist der Stimmlippenverschluss deutlich, gewissermaßen als kurze Unterbrechung zwischen Konsonant und Vokal, zu hören. Gekennzeichnet wird der Stimmlippenverschluss durch einen nachgestellten Apostroph (´), manchmal auch durch einen Punkt über oder unter dem jeweiligen Buchstaben.

 Aspiriert Ejektiv 
 p    [ph]        [p']
 t    [th]        [t']
 k    [kh]        [k']
 ts   [tsh]    ts´  [ts'] (andere Umschrift: c)
 tsh  [tʃh]     tsh´ [tʃ'] (andere Umschrift: č)
 
 Der Laut  [χ'] ist das ejektive Gegenstück zu x.

Konsonantencluster

Von besonderer Gewöhnungsbedürftigkeit sind lange Konsonantencluster. Bei mehr als 2 Konsonanten gilt die Reihenfolge Liquid + Dental/Palatal + Velar/Uvular + Labiodental. Für die Anfügung von Präfixen gilt diese Regel jedoch nicht, sodass hier auch andere Verbindungen vorkommen. Zu beachten ist, dass m, n, l, r nie silbenbildend sind.

Vokale

Mingrelisch kennt die 5 Grundvokale a, e, i, o, u, und zusätzlich ə (Schwa); am Wortende wird Schwa häufig gar nicht ausgesprochen.

  • i, o, u sind eher geschlossen [i, o, u], e kommt auch offen vor als [ε].
  • Die langen Vokale [a:, e:, u:], die im Nordwestdialekt vorkommen, werden durch Doppelschreibung gekennzeichnet (in anderer Schreibweise durch übergeschriebenes ¯), haben aber keinen Phonemstatus.
  • i und u werden einem anderen vor Vokal als Halbvokale [j, w] gesprochen.

Deklination

  • Deklinierbare Wortarten im Mingrelischen sind: Substantive, Verbalnomina, Adjektive, Partizpien, Pronomen.
  • Mingrelisch hat keine Artikel. Als Ersatz können stehen das Zahlwort art-i "eins" oder ein Demonstrativpronomen (s.u.).
  • Im Mingrelischen werden keine Genera unterschieden, nicht einmal bei Personalpronomen.

Kasus und Numerus

Mingrelisch verfügt über ein System von 9 Kasus, für die zum Teil unterschiedliche Bezeichnungen existieren.

Kasusbezeichnungen Verwendung im Mingrelischen Endung Mingrelisch Endung Georgisch
Nominativ(-Akkusativ) [NOM]
Absolutiv
Subjekt
direktes Objekt
-i bei konsonantischem Stamm
sonst keine Endung
<--
Ergativ
Narrativ [ERG]
Subjekt -(ə)k -m nach Vokal
-ma nach Konsonant
Dativ(-Akkusativ) [DAT] Indirektes Objekt
direktes Objekt
Experiencer
Orts- und Zeitangaben
-s -s(a)
Genitiv [GEN] Attribut
Subjekt/Objekt zu einem Verbalsubstantiv
-ish(i) -is(a)
Instrumental [INS] Mittel -it(i) -ti nach Vokal
-it(a) nach Konsonant
Transformativ
Adverbialis [ADV]
Zu was etwas/jemand wird -t nach Vokal
-o(t) nach Konsonant
-ad(a)
Vokativ Direkte Anrede (= Nominativ) -(w) nach Vokal
-o nach Konsonant
Aus dem Genitiv
abgeleitete Kasus:
Direktiv
Allativ [ALL]
Handlungsziel, Richtung -isha (? s. Adverbialis)
Ablativ [ABL] Herkunft -ishe
Finalis
Designativ
-isho(t)
  • Hochgestellte Laute stehen nur direkt nach einem Konsonanten.
  • Laute in runden Klammern sind optional.
  • In der Emphase können mit Konsonant auslautende Endungen durch -i oder Schwa verstärkt werden (z. B. k´otshkə "dem Manne").


  • Die Dativ-Endung -s verschmilzt mit einem konsonantischen Stamm je nach dessen Auslaut, zum Beispiel: k´otsh-i "Mann" > k´ots / k´os "(dem) Manne", dud-i "Kopf" > dus "(dem) Kopfe".

Das Pluralinfix (das nach einem Zahlwort nicht nötig ist) wird zwischen Stamm und Kasusendung eingeschoben, wobei es in einigen Kasus zu Assimilationen kommt:

  • Ergativ: -e(n)k
  • Dativ: -e(n)s, -ents

Kongruenz

Subjekt und Objekt

Mingrelisch ist eine erweiterte Split-Ergativ-Sprache. Je nachdem, in welchem Screeve ein finites Verb steht, erscheinen Agens, Patiens usw. in unterschiedlichen Kasus (näheres siehe im Abschnitt 'Screeves').

Zu einem finiten Verb gehören maximal drei Nominalphrasen:

  1. NP1: etwa Subjekt (Agens, Quelle, Thema, Patiens)
  2. NP2: etwa indirektes Objekt (Adressat, Rezipient, Experiencer, Benefaktor)
  3. NP3: etwa direktes Objekt (Patiens, Ziel, Instrument)

Zuordnung nach Q7:

              NP1         NP2     NP3
 TAM I, IV    Nominativ   Dativ   Dativ
 TAM II       Ergativ     Dativ   Nominativ
 TAM III      *           **      Nominativ
 
 *:  Nominativ bei Verben der 1. und 3. Klasse, sonst Dativ
 **: wird mit einer Postposition umschrieben)

Zuordnung nach Q4:

                                 TAM I,IV    TAM II      TAM III
 Konjugation A Subjekt     (v-)  Nominativ   Ergativ     Dativ
               Objekt      (m-)  Dativ       Nominativ   Dativ
 Konjugation B Subjekt     (v-)  Nominativ   Ergativ     Dativ
 Konjugation C Subjekt     (v-)  Nomiantiv   Ergativ     Nominativ
 Konjugation D Ursache     (v-)  Nomimativ   Ergativ     Nominativ
               Experiencer (m-)  -->         Dativ       <--
               

Subjekt und Verb

Für die Subjekt-Verb-Kongruenz nach einem Zahlwort gilt:

  • Wird das Pluralinfix ausgelassen, steht auch das Verb meist im Singular.
  • Wird das Pluralinfix benutzt, steht das Verb nur sehr selten im Singular.

Bei einem unbelebten Subjekt im Plural steht das Verb im Singular (z.B. dzhalepi kotsh´ans (Baum-PL-NOM stehen:3.SG) "die Bäume stehen").

(?) Bei mehreren Verben zu einem Pluralsubjekt (auch belebt) kann das erste von ihnen auch im Singular stehen. Anscheinend hängt die Numeruskongruenz mit der Topikalität zusammen.

Attribute zu einem Nomen

  • Im Mingrelischen herrscht Gruppenflexion: Nur das letzte Wort bei einer Kette aus Nomen und nominalen Attributen erhält Kasusendungen, während die vorausgehenden Attribute im Nominativ stehen.
  • Teilweise steht sogar das Bezugsnomen unmarkiert im Nominativ, wenn ein Attribut nachgestellt wird (z.B. tshxom-i tsh´itsh´e-k (Fisch-NOM klein-ERG) "ein kleiner Fisch").
  • Nachgestellte Genitive kongruieren oft mit dem Bezugssusbtantiv (z.B. k´eteba-s ´ude-shi-s (Bau-DAT Haus-GEN-DAT) "dem/den Bau des Hauses")

Adjektive

Adjektive können wie Nomen dekliniert werden (s. aber den Abschnitt 'Attribute zu einem Nomen'). Ableitungen aus Adjektiven beinhalten keine Steierungsformen; die Bildung von Adverbien ist gemeinhin aus dem Adverbialis oder Dativ entstanden:

 Positiv:  mangar-i "stark",            tshkar-i  "schnell"
 Adverb:   mangar-o "auf starke Weise", tshkar-as "bald"
 
 utsha "schwarz" > mo-utsh-e "schwärzlich"

Zahlen

  1 art-i
  2 zhir-i
  3 sum-i
  4 otx-i
  5 xut-i
  6 amshv-i
  7 shkvit-i
  8 ruo
  9 tshxoro
 10 viti
 11 vit-a-art-i
 20 etsh-i
 30 etsh-do-vit-i (20 + 10)
 40 zhar-n-etsh-i (2mal 20)
100 osh-i

Pronomen

[Nach Q7,Q8 u.a.]

Personalpronomen

Kasus 'ich' 'du' 'er/sie' 'wir' 'ihr' 'sie'
Nominativ ma mu si tshki tkva munepi
Ergativ muk (?) munenk
Dativ-Akkusativ mus (?) munens
Possessiv tshkimi skani mushi tshki tkvani (?) mushi
  • Häufiger als mu sind die Demonstrativpronomen.

Demonstrativpronomen

  • Bei Demonstrativpronomen wird zwischen Nahdeixis (das Bezeigte ist nahe beim Sprecher, "dies hier") oder Ferndeixis (das Bezeigte ist weiter weg, "jenes da") unterschieden.
  • Das Pronomen der Nachdeixis ist ena, das der Ferndeixis ina (Plural: inepi).
  • In der Emphase können beide erweitert werden: ena > tena > atena, ina > tina > etina.
  • (?) Kurzformen sind e- (Ergativ ek) und i-.
    • Deklination von tena: tenak, tenas, tenash...
    • Deklination von atena: atek, ates, ateshi...; atenepi, atenenk, atenens, atenepishi...

Konjugation

Mingrelisch ist eine Split-Ergativ-Sprache mit der besondere Eigentümlichkeit, dass nicht mehr zwischen transitiven und intransitiven Verben unterschieden wird. Der Ergativ als Subjekt dient also lediglich noch als Aorist-Marker.

Verbklassen

Zuordnung nach Q7:

  • Klasse A:
    • 1. Konjugation (meist transitiv)
    • 3. Konjugation (mediale Verben; Verben atelischer Aktivität, meist intransitive Verben)
  • Klasse P:
    • 2. Konjugation
      • Verben mit Präfix (Vorwurzelvokal i/e-)
      • Verben mit Suffix (Suffix -n/d)
      • meist inchoative Wurzeln (unmarkiert)
    • 4. Konjugation (stative Passiva)

Zuordnung nach Q4:

  • Klasse A: Transitiva
    z.B. bxant´unk "ich male", vashenenk "ich baue"
  • Klasse B: meist aktive Intransitiva
    z.B. vmushenk "ich arbeite", vibirk "ich singe"
  • Klasse C: meist inaktive Intransitiva
    z.B. vorek "ich bin", bg´uruk "ich sterbe", voxek "ich sitze"
  • Klasse D: Affektive Verben
    z.B. mok´o "ich will", mio´rs' "ich liebe", maciens "ich habe kalt"

Affixe

[Nach Q4.] Im Mingrelischen können sich zahlreiche Affixe in fester Reihenfolge um eine Verbwurzel herum gruppieren; es gibt im Prinzip kein bedeutungsloses Element für unbesetzte Stellen. In der folgenden Aufzählung wird die Verbwurzel mit '0' bezeichnet, die Präfixe mit negativen, die Suffixe mit positiven Zahlen:

 -5        Affirmativ / Negation
 -4        Präverb
 -3        Imperfektivierendes Präverb
 -2        Subjekt / Objekt
 -1        Versionalisierer
  0        Wurzel
  1        Kausativ
  2        Inchoatives Passiv
  3        Serien-Markierung
  4        Imperfekt
  5        Subjunktiv
  6,7      Subjekt
  8        Konditional

Affirmativ und Negation

[Nach Q6.] Die mingrelischen Wörter ko "ja" und va "nein" werden auch als Präfixe verwendet, oft mit anderen Vokalen.

  • Das Affirmativpräfix hat folgende Aufgaben:
    • Aspekt/Zeit (z.B. sxap´uns "springt" > ko-sxap´uns "wird springen")
    • Kontakt oder Trennung (z.B. ga-mk´osxap´u "sprang von Y herab" > ki-mk´asxap´u "sprang auf Y")
    • Numeruskongruenz (z.B. uts´u "X erzählte Y(Plural) Z" > k-uts’u "X erzählte Y(Singular) Z")
    • Deiktische Bedeutung eines Folgepräfixes und evidentielle Bedeutung bei stativen Verben (z.B. muto-re "ist hier", mito-re "ist dort" > ki-mto-re "ist erwiesenermaßen ...")
    • Kommunikativer Status (z.B. mortu "kam", va-mortu "kam nicht" > ku-mortu "kam wirklich")
    • Diskurskohärenz (z.B. ... do mortu "... und kam" > ...do ku-mortu... "...und kam..." - eine Fortführung ist erforderlich")
  • Negationspräfix kommt in den Formen va, ve-, vu- vor.
  • Beide kommen in einem Fall auch zusammen vor, z.B. va-ku-mortuo? "Wie kommt es, dass X nicht (an)gekommen ist?".

Subjekt und Objekt

Personal-Präfixe stehen in Position -2, Personal-Suffixe in Position 6 bzw. 7 (Plural-Marker). Das Subjekt wird durch folgende Suffixe und Präfixe gekennzeichnet:

Person Subjekt (Präfix) Subjekt Präsens/Futur Subjekt Präteritum
ich v- -k
-
-[i]
-e
du -
er/sie - -s/ts
-
-u/ə/-
wir v- --t -[i]-t
-e-t
ihr -
sie - -a(n) -es
  • v- erscheint asimiliert als b/p/p´-

Das Objekt bekommt ebenfalls Personalaffixe:

   OBJEKT    1. Person                  2. Person
 Singular    m-                         g/r-
  • m- erscheint assimiliert als b/p/p´-
  • g- erscheint assimiliert als k´- (?)
  • Bei einem Objekt im Plural tritt zusätzlich der Plural-Marker -t hinzu (?? und/oder -an/es).

Zu beachten ist:

  • Er kommen nie mehr als 2 Personalzeichen gleichzeitig an derselben Wurzel vor.
  • Subjekt und Objekt sind verschieden (z.B. gxant´unk hat die Subjektendung -k, die für die 1. und 2. Person Singular gilt, die Form kann nur heißen "ich male dich").
  • Die Formen sind nicht immer eindeutig und müssen ggf. durch Personalpronomen gestützt werden, vor allem, da der Pluralmarker -t sich auf Subjekt und/oder Objekt beziehen kann.

Versionalisierer und Serienmarkierung

[Nach Q4.] Der Versionalisierer (-a/i/o/u-) steht direkt vor der Verbwurzel, die Serienmarkierung (-an/en/in/un-)) an Position 3. Beide erfüllen verschiedene Aufgaben:

 Neutral:       -tsh´ar-un-s   "X schreibt [etwas]"
 Lokal:        o-tsh´ar-un-s   "X schreibt [seine Signatur] auf [etwas]" (+Dativ)
 Subjektiv:    i-tsh´ar-un-s   "X schreibt etwas an/für sich selbst"
 Objektiv:     u-tsh´ar-un-s   "X schreibt etwas an/für Y"
 Passiv:           i-tsh´ar-u(n)   "es wird geschrieben"
 Potentialis:      i-tsh´ar-e(n)   "es kann geschrieben werden"
 Rel. Passiv:      a-tsh´ar-u(n)   "es wird von (für ?) X geschrieben"
 Rel. Potentialis: a-tsh´ar-e(n)   "es kann von (für ?) X geschrieben werden"

Die Serienmarkierung steht nur in TAM I. Daher:

 Aorist:              tsh´ar-  u      "er/sie schrieb"
 Optativ:             tsh´ar-a-s      "er/sie möge schreiben"
 Konditional II:      tsh´ar-  u-k´on "(?)"
                      usw.

Der Kausativ

[Nach Q4.] Das Kausativsuffix steht direkt nach der Verbwurzel:

   -tsh´ar-    un-s   "er/sie schreibt [etwas]"
   -tsh´ar-      -u   "er/sie schrieb  [etwas]"
 
 Kausativ:
  o-tsh´ar-apu-an-s   "er/sie lässt schreiben, hilft zu schreiben"
  o-tsh´ar-apu-  -u   "er/sie ließ schreiben, half zu schreiben"
  u-tsh´ar-apu-an-s   "er/sie lässt für Z schreiben, hilft für Z zu schreiben"
  i-tsh´ar-apu-an-s   "er/sie lässt für sich schreiben, hilft für sich zu schreiben"
 
 Kausativ Passiv, das auch für unabsichtliche Handlungen benutzt wird:
  u-     -apu-ap(u)-
  a-tkual-apu-apu      "er/sie kann nicht anders als es zu sagen/erzählen"
  a-tkual-apu-apu-d-u  "er/sie konnte nicht anders als es zu erzählen"

Imperfekt

Das Suffix des Imperfekts ist -d- (Position 4):

 -tsh´ar- "schreiben":
   tsh´ar-un-d-u "er/sie schreibt"

Subjunktiv

Der Subjunktiv hat das Suffix -a- (Position 5):

 -tsh´ar- "schreiben":
   tsh´ar-a-s   "er/sie möge schreiben, auf dass er/sie schreibt"
   p-tsh´ar-a-t "lasst uns schreiben,   auf dass wir schreiben"

Konditional

Gemeinsames Suffix der Konditionalformen ist -k´on (Position 8; entstanden aus dem Debitivpartikel ok´o):

 -tsh´ar- "schreiben":
   tsh´ar-un-d-u-k´on "er/sie würde schreiben"

Suffigiertes Passiv

Ein suffigiertes Passiv -d- ist nur eingeschränkt vorhanden, z.B. -tan- "erleuchten" > go-tan-du "es wurde hell", tsh´ita "rot" > tsh´ito-n-d- "rot werden" > go-tsh´iton-du "er/sie/es wurde rot".

Screeves

Eine Unterteilung in Zeiten, Aspekte und Modi ist im Mingrelischen (und anderen Kaukasussprachen) nicht sinnvoll. Stattdessen verwendet man ein System aus 21 Screeves. Die Screeves werden in 4 Tense-Aspekt-Modi-Gruppen (TAMs) unterteilt - je nachdem, in welchem TAM ein Screeve enthalten ist, stehen Subjekt und direktes Objekt in unterschiedlichen Kasus:

Gliederung in TAMs

[Nach Q1.]

 TAM I:   Präsens, Subjunktiv I (Präsens/Futur), Konditional I (Präsens/Imperfekt/Futur),
          Imperfekt, Futur (Imperfekt/Perfekt), Habitualis
 TAM II:  Aorist, Subjunktiv II (Optativ), Konditional II
 TAM III: Resultativ 1/2, Subjunktiv III, Konjunktiv III
 TAM IV:  Resultativ 3/4, Subjunktiv IV,  Konjunktiv IV

Verwendung einzelner Screeves

  • Einen Imperativ gibt es nicht, stattdessen wird der Aorist verwendet.
  • Mit dem Resultativ oder Evidentialis drückt der Sprecher aus, dass er ein Ereignis nicht selbst erlebt hat, sondern er davon nur durch Erzählung oder bei der Hand liegende Ergebnisse etwas weiß.
  • Der Habitualis steht immer im Konsequenzsatz nach einem irrealen Konditional.

Eine vollständige Übersicht s.u. bei den Beispieltabellen.

Infinite Formen

[Nach Q1.]

Partizipien

  • Partizip Aktiv:
    Affixe: ma- -al/ar/u/endzhi/e, mo- -u
    Zum Beispiel im Präsens: matsh´arali "schreibend", maxant´ali "malend".
  • Partizip Passiv:
    Affixe: -il/ir/el/er/ul, na- -a/i/e/endzhi/dzha
    Zum Beispiel: natsh´ara (kag´ardi) "geschrieben(er Brief)", naxant´a "gemalt".
  • Partizip Futur:
    Affixe: o- -al/ar/ur/e/endzsi
    Zum Beispiel als Gerundivum: oxantali "zu malend".

Infinitiv/Verbalsubstantiv

 tsh´arua "schreiben, das Schreiben", xant´ua "malen, das Malen".

Infinitive Konstruktionen

  • Das Subjekt oder Objekt zu Infinitiv/Partizip steht im Genitiv.
 Mit einem Partizip:
   te     surati-sh maxant’ali  k’otsi    kobdzhiri
  (jener [Bild-GEN  malend      Mann-NOM] sah:ich:AOR)
   "ich sah den Mann, der das Bild gemalt hatte"
 
   momec’onu       ti-sh   na-xant’-a   suratik
  (mochte:ich:AOR [er-GEN  gemalt       Bild-ERG])
  "ich mochte das Bild, das er gemalt hat"
 
   midartu      c´q´ariß    ma-g´al-u-sha
  (ging:er:AOR [Wasser-GEN  zu-holend-ALL)
  "er ging, um Wasser zu holen"
 
   boßi-k    getsh´opu k´alami    kag´ardiß otsh´aral-o
  (Junge-ERG nahm:AOR  Stift-NOM [Brief-GEN zu-schreibend-ADV])
  "der Junge nahm den Stift, um einen Brief zu schreiben"
 Mit einem Infinitiv im Nominativ:
   osur-s ok´o buneba-sh xant´ua        "die Frau will eine Landschaft malen"
  (ebenso: osur-s ok´o betsh´ed-i "die Frau will einen Ring")
 
   mop´c´ons Nino-sh sk´vami tsh´arua   "ich mag Ninos schönes Schreiben"
   mop´c´ons sk´vamo tsh´arua           "ich mag es, schön zu schreiben"
 
 Mit einem Infinitiv im Dativ:
   ap´irens ´ude-sh tshkar-as sheneba-s "er beabsichtigt, das Haus schnell zu bauen"
   itsh´q´ans fizika-sh gurapa-s        "er beginnt Physik zu studieren"

Unflektierbare Wörter

Das Mingrelische kennt folgende Wortarten ohne Flexion: Adverbien, Postpositionen, Konjunktionen, Partikeln, Interjektionen.

Satzbau

Entscheidungsfragen

Entscheidungsfragen können mit dem Suffix -o gebildet werden (z.B. Vanok mortuo? "Ist Vano gekommen?").

Satzstellung

  • Megrelisch ist eine freie SOV/SVO-Sprache (S=Subjekt, O=Objekt, V=Prädikat). Die Satzstellung scheint im Übrigen wenn überhaupt, dann auf der Phrasenebene grammatikalische Beziehungen zu vermitteln.
  • Die Satzstellung scheint in langen Sätzen oder bei einem langen Objekt eher SVO zu sein als in kurzen.
  • Auch im Imperativ wird die Satzstellung VO bevorzugt (z. B. komutshiAOR paraNOM / paraNOM komutshiAOR "gib mir das Geld!").
  • Einführende Verben stehen gerne an der ersten Position, wenn das Referenzsubjekt auf dem Schauplatz erscheint oder verschwindet (z.B. ko´ope arti g´alieri k´otshi "es war [einmal] in reicher Mann").

Adjunkte

  • Demonstrativa, Possessiva und Quantifizierer werden vorangestellt (z. B. ina k´otshi "jener Mann", tito k´otshi "jeder Mann"). In den Nordwestdialekten werden aber vor allem Possessiva auch nachgestellt (und erhalten dann eine Kasusendung!).
  • Zahlwörter können auch nachgestellt werden (z.B. zhiri k´otshi = k´otshi zhiri "zwei Männer").
  • Diskontinuität [nach Q5]:
  maran-s   did-i lagvan-ep-i rd-ə  g´vin-ishi epsha "es gab große Weinkrüge im Keller"
 (Keller-im groß  Krüge       waren Wein-GEN   voll)

Nebensätze

Mingrelisch verwendet wenig Konjunktionen. Am häufigsten ist das Suffix -n(i).

Konditionalsätze

Konditionalsätze können mit -da gebildet werden (z.B. Vano kəmursəda, domizhaxi "Falls Vano kommen wird, ruf mich!" [Q4]).

Temporalsätze

[Beispiele aus Q4.] Temporalsätze können bei Gleichzeitigkeit -ni verwenden, oder, meist stellvertretend, das Adverb mudrosətə "zu jener Zeit":

 giidzhinu  ni, ´ude kozhiru
 (herumschaute:AOR KJ,     Haus sah:AOR)
 "als er sich umschaute, gewahrte er ein Haus"
 
 Vanok kəmortu mudrosətə     dzhimalenk mdinare ginilesə(n)
   (Vano  kam     zu jener Zeit Brüder-ERG Fluss   überquerten:AOR (KJ)
 "Vano kam, als seine Brüder den Fluss überquerten"

Relativsätze

[Nach Q5.] Relativsätze werden 1. mit -ni oder 2. mit dem Relativpronomen namu-KASUS-[i]t gebildet. Im ersten Fall können Relativsätze vor- oder nachgestellt werden:

 1. Mit -ni:
    vezirepi      la´apis   udzhinedesni
   (Wezir-PL-NOM  Spiel-DAT sehen:IMPF-REL)
   "die Wezire, die das Spiel sahen"
 
    g´orontisha  idənini        ti      k´otshi
   (Gott-ALL     gehen:AOR-REL  dieser  Mann-NOM)
   "dieser Mann, der zu Gott ging"
 
 2. Mit namu-ti:
    almasi,      namu--ti        g´ir sumi sopeilishave
   (Diamant-NOM, welcher-NOM-REL wert drei Dorf-ALL)
   "der Diamant, der drei Dörfer wert ist"
 
    k´otshi,  namu-shen-it    ma  pikrendi,    dog´uru
   (Mann-NOM, welchen-ABL-REL ich denken:IMPF, sterben:AOR)
    = dog´uru k´otshi, namu-shen-it ma pikrendi
   "der Mann, an den ich gedacht habe, ist gestorben"
 
    Ndiik   mitxuu k´otshi,  namu-k-it       tina      gak´urtsxinuni
   (Div-ERG fragte Mann-NOM, welcher-ERG-REL jenen-NOM wecken:KAUS:PLUSQ
   "der Div fragte den Mann, wer ihn geweckt hat"

Beispieltabellen

Deklination

Beispiele für die einzelnen Kasus:

 oxvames       (Dativ)        "in der Kirche"
 bolos         (Dativ)        "zum Schluss"
 ts´q´arisha   (Allativ)      "ins Wasser"
 kalaksha      (Allativ)      "in die Stadt"
 otsh´opusha   (Allativ)      "um zu fangen"
 xvirat´eshe   (Ablativ)      "aus dem Loch"

Paradigmen [nach Q3] mit den Substantiven tq´a- "Wald" und k´otsh- "Mann", sowie mit den Adjektiven tsh´ita "rot" und did- "groß" (Zahlwörter werden wie Adjektive dekliniert); die Reihenfolge entspricht der Tabelle im Abschnitt 'Kasus und Numerus'.

 Deklinationstyp I (vokalisch):
 << tq´a, tq´ak, tq´as, tq´ashi, tq´at, tq´asha, tq´ashe, tq´ashax, tq´at.
 << k´otshi, k´otshik, k´otshis,
    k´otshish(i), k´otshit(i), k´otshisha, k´otshishe, k´otshishax, k´otsho.
 << tsh´ita, tsh´itak, tsh´itas,
    tsh´itash, tsh´itat, tsh´itasha, tsh´itashe, tsh´itashax, tsh´itat
 
 Deklinationstyp II (konsonantisch); Unregekmäßigkeiten sind unterstrichen:
 << k´otsh(i), k´otsh(ə)k, (k´otshs)/k´os/k´oc,
    k´otshish, k´otshit, k´otshisha, k´otshishe, k´otshishax, k´otsho
 << did(i), didik/ditk, didis/dis,
    didish, didit, didisha, didishe, didishax, dido

Beispiel für Gruppenflexion (art- "eins", skvam- "schön", shkiru- "grau"):

 Nominativ:  art(i) skvam(i) shkiru geri   "ein schöner grauer Wolf"
 Genitiv:    art(i) skvam(i) shkiru gerish "eines schönen grauen Wolfes"
 Dativ-Akk.: art(i) skvam(i) shkiru gers   "einem/n schönen grauen Wolf"
             usw.

Konjugation

[Paradigmen nach Q4.]

Präsens

 -tsh´ar[un]- "schreiben":
   btsh´arunk, tsh´arunk, tsh´aruns/tsh´arunts, btsh´arunt, tsh´arunt, tsh´aruna(n)
   "ich schreibe, du schreibst, er/sie schreibt..."
 
 -...r...- "sein":
   vorek, [o]rek, [o]ren, rena(n)
   "ich bin, du bist, er/ist ist, sie sind"

Aorist

 -tsh´ar- "schreiben":
   btsh´ari, tsh´ari, tsh´aru/tsh´arə, btsh´arit, tsh´arit, tsh´ares
   "ich schrieb, du schriebst, er/sie schrieb..."
 
 -k´at- "sammeln":
   bk´ate, k´ate, k´atu, bk´atet, k´atet, k´ates
   "ich sammelte, du sammeltest, er/sie sammelte..."

Subjunktiv

 -tsh´ar- "schreiben":
   btsh´ara, tsh´ara, tsh´aras, btsh´arat, tsh´arat, tsh´aran
   "sodass ich schreibe, sodass du schreibst, sodass er/sie schreibt..."
 
 -d- (?) "gehen":
   ibda, ida, idas, ibdat, idat, idan
   "sodass ich gehe, sodass du gehst, sodass er/sie geht..."

Kasus für Subjekt und Objekt

Beispiel für Subjekt und Objekt in TAM I bis IV (osur- "Frau", buneba- "Landschaft", xant´- "malen") [nach Q1]:

 TAM I:   osuriNOM bunebasDAT xant´unsPRÄSENS     "Die Frau malt eine Landschaft"
 TAM II:  osurkERG bunebaNOM  doxant´uAORIST      "Die Frau malte eine Landschaft"
 TAM III: osursDAT bunebaNOM  uxant´u(n)RES. 1    "Die Frau hat (offensichtlich) eine L. gemalt"
 TAM IV:  osuriNOM bunebasDAT noxant´ueduRES. 4   "Die Frau hatte (offensichtlich) eine L. gemalt"

Screevetabelle

Die mingrelischen Screeves am Beispiel xant´- "malen" [nach Q1] und tsh´ar- "schreiben" [nach Q2]:

Screeve Verbform von "malen"
mit Affixtrennung
Verbform von "schreiben"
ohne Affixtrennung
Infinitiv
Verbalsubstantiv
xant´-ua "malen" tsh´ar-ua "schreiben"
TAM I
Präsens    -xant´un-s "er malt" tsh´aruns
Futur: do-xant´un-s "er wird malen" (do)tsh´aruns
Imperfekt:    -xant´un-d-u tsh´arundu
Konditional I Präsens:    -xant´un-d-u-k’on tsh´arunduk´o(n)
Konditional I Imperfekt:    -xant´un-d-u-k’on i´uapudu
Habitualis: do-xant´un-d-u "er malt immer / jedesmal"
Konditional I Futur: do-xant´un-d-u-k’on "[wenn] er (später) malen würde"
Subjunktiv I Präsens:    -xant´un-d-a-s tsh´arundas
Futur Imperfekt:    -xant´un-d-a-s i´uapu
Subjunktiv I Futur: do-xant´un-d-a-s
TAM II
Aorist: do-xant’-u "er malte" tsh´aru
Optativ (Subjunktiv II): do-xant´-a-s "er möge malen, auf dass er male" tsh´aras
Konditional II: do-xant´-u-k’on "er hätte gemalt" tsh´aruk´o(n)
TAM III
Resultativ 1 (Perfekt): (du)-u-xant´-u-n er hat (offensichtlich) gemalt" utsh´aru
Resultativ 2 (Plusquampf.): (du)-u-xant´-u-d-u "er hatte (offensictlich) gemalt" utsh´arudu
Subjunktiv III: (du)-u-xant´-u-d-a-s utsh´arudas
Konditional III: (du)-u-xant´-u-d-u-k’on utsh´aruduk´on
TAM IV
Resultativ 3: (do)-no-xant´-u-e-n notsh´arue
Resultativ 4: (do)-no-xant´-u-e-d-u notsh´aruedu
Subjunktiv IV: (do)-no-xant´-u-e-d-a-s notsh´aruedas
Konditional IV: (do)-no-xant´-u-e-d-u-k’on notsh´arueduk´on

Quellen

Q1: 'On Subordinate Clauses in Megrelian', Vamling & Tchantouria, Lund University. Q2: 'Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft'[1]. Q3: TITUS Uni Frankfurt Q4: 'Megrelian Verbal Inflection', Rostovtsev-Popiel, St. Petersburg State University. Q5: Unbekanntes Buch Q6: Exposé aus 'Grammaticalized Affirmativity in Kartvelian', Rostovtse-Popiel. Q7: 'Kartvelian Mophosyntax', Kevin Tuite, Université de Montréal. Q8: Unbekannter Titel, Kapitel 'Mingrelisch', Wolfgang Schulze

Einzelnachweise

  1. http://books.google.de/books?id=F-QtoUCa58kC&pg=PA88&lpg=PA88&dq=megrelisch&source=bl&ots=lC3G2JqEMg&sig=A_YTtW-k5DvUTlLQv2fZQfx5i0Q&hl=de&ei=x53OSafSF9aJsAbDqPidCA&sa=X&oi=book_result&resnum=6&ct=result#PPA119,M1