Hartmut Mehdorn

Hartmut Mehdorn (* 31. Juli 1942 in Warschau) ist ein deutscher Industriemanager und Maschinenbauingenieur. Seit Dezember 1999 ist er Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn.
Leben
Kindheit, Jugend und Studium
Mehdorn wurde 1942 als Sohn des Diplom-Ingenieurs Wolfgang Mehdorn und der Hausfrau Erika Mehdorn geboren.[1][2] Er kam während eines Besuches seiner Mutter aus Berlin bei seinem Vater in Warschau zur Welt, der dort als Soldat diente. Standesamtlich gemeldet wurde er in Berlin; der Geburtsort laut Geburtsurkunde ist Warschau.[3] Er ist das jüngste von vier Kindern. Seine Eltern waren Inhaber eines Betriebes für Kunststoff-Spritzguss- und Pressteile.[4]
Im Jahr 1944 wurde die Familie Mehdorn von Berlin nach Kipfenberg (Bayern) evakuiert.[5][1] Bedingt durch eine Anstellung seines Vaters zog die Familie 1947 nach Karlsruhe, wo Mehdorn eingeschult wurde. 1949 folgte ein Umzug nach Nürnberg, 1953 nach Berlin, wo Mehdorn die Oberschule besuchte.[6][1]
Mehdorn studierte von 1961 (andere Quelle: 1960[1]) bis 1966 Leichtbau[7] an der Ingenieurschule Beuth[8] in Berlin.[1] Seine Diplomarbeit schrieb er über Turbinentechnik.[7] Während seines Studiums wurde er Mitglied der Burschenschaft Frankonia Berlin.[9] Er betrieb in seinen Ferien Rudern als Leistungssport und trat bei den Berliner sowie, einmal, bei den Deutschen Meisterschaften (im Jungmann-Zweier) an.[1][9]
Berufsleben
Nach Abschluss des Studiums trat Mehdorn 1966 eine Stelle als Planungsingenieur bei den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW, ehemals Focke-Wulf) in Bremen an. 1968 wurde er Assistent des Betriebsleiters im VFW-Werk Lemwerder, zuständig für die Organisation der Endmontage. Er wirkte in dieser Funktion anderthalb Jahre in der Termin- und Produktionsplanung der Transall-Flugzeuge mit. Anschließend arbeitete er rund zwei Jahre in der Konstruktion.[1] Als die Bundeswehr zur Einführung der Transall technische Offiziere suchte, trat Mehdorn – der als West-Berliner nicht zum Wehrdienst herangezogen wurde – in den Militärdienst. In dieser Funktion wurde er für vier etwa fünfwöchige Wehrübungen herangezogen. Er ist heute Luftwaffenhauptmann der Reserve.[7]
1972 wurde er zum Programmleiter der Airbus-Serie bei VFW in Bremen, dabei führten ihn seine Aufgaben auch nach Toulouse. Ab 1977 arbeitete Mehdorn als Werksleiter in Bremen (etwa 1400 Mitarbeiter). Mit der Übernahme der VFW durch Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) im Jahre 1981 wurde Mehdorn Produktionschef der Nordwerke von MBB (Bremen, Lemwerder, Einswarden und Varel). Im Alter von 37 Jahren wurde er Vorstand für Produktionskoordination, Einkauf und Qualitätskontrolle von Airbus Industrie.[1] In dieser Funktion wirkte er an der Entwicklung erster Airbus-Prototypen mit.[10]
In den Jahren 1984–1989 war Mehdorn Bereichsleiter Transport- und Verkehrsflugzeuge bei MBB. Seit 1986 war er zusätzlich Mitglied der Geschäftsführung von MBB, zuständig für zivile Luftfahrt.[1]
Von 1989 bis 1992 war Mehdorn Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Airbus GmbH in Hamburg. In den Jahren 1992–1995 war Mehdorn Vorstandsmitglied der Deutschen Aerospace AG (DASA) in München. Im Zerwürfnis mit Jürgen Schrempp verließ er das Unternehmen zum 30. September 1995 ohne Abfindung.[11][12] Im Oktober 1995 wechselte er als Vorstandsvorsitzender zur Heidelberger Druckmaschinen AG[13], die er zum 8. Dezember 1997 an die Börse brachte.[1][14][15] In den vier Jahren an der Spitze des Unternehmens baute Mehdorn den Druckmaschinen-Hersteller durch zahlreiche Zukäufe und Erweiterungen des Produktsortiments, insbesondere im Bereich des Zeitungsdrucks, aus. In dieser Zeit verdoppelten sich Umsatz, Mitarbeiterzahl und Gewinn.[16][17]
Ab 1. Oktober 1998 bis Ende 1999 war er im Vorstand RWE AG zuständig für Nicht-Energie-Beteiligungen.[1][18][19] Er ist heute Aufsichtsratsmitglied der RWE AG und der SAP AG.
Im Jahr 1997 war Mehdorn für den neu zu besetzenden Vorstandsvorsitz von Airbus im Gespräch.[20]
Vorstandsvorsitz der Deutschen Bahn AG

Mehdorn wurde von Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 gebeten, Johannes Ludewig als Bahnchef abzulösen. Bundesregierung und Aufsichtsrat einigten sich Mitte September 1999 auf die vorzeitige Ablösung Ludewigs sowie des Fernverkehrs-Vorstandes Axel Nawrocki zum 30. September 1999; der Aufsichtsrat stimmte diesem Schritt am 25. September 1999 zu.[21][22][23] Seit dem 16. Dezember 1999 ist Mehdorn Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG;[24] Finanzvorstand Diethelm Sack hatte die Funktion zeitweilig kommissarisch übernommen.[23] Bereits 1998 war er als Nachfolger von Ludewig gehandelt worden.[25]
Sein Vertrag wurde im Juni 2007 um drei Jahre bis Mai 2011 verlängert;[26] einen Wechsel in den Aufsichtsrat des Unternehmens nach dieser Zeit schließt er aus.[27] Die Vorstandsbezüge Mehdorns im Geschäftsjahr 2007 lagen bei 2,975 Mio. Euro, darunter 750.000 Euro Fixgehalt und 2,215 Mio. Euro variables Gehalt[28] (2006: 3,184 Millionen Euro, darunter 750.000 Euro Fixgehalt sowie 2,41 Mio. Euro variables Gehalt[29]).
Im Januar 2007 wurde Mehdorn einstimmig zum europäischen Präsidenten der UIC gewählt.[30] Im Oktober 2007 erschien unter dem Titel Diplomat wollte ich nie werden Mehdorns Biografie (ISBN 3455500471), die aus mehrtägigen Gesprächen mit dem Publizisten Hugo Müller-Vogg hervorging.
Privatleben
Der passionierte Ruderer ist seit 1973 mit einer Französin verheiratet. Mehdorn ist Vater zweier Söhne und einer Tochter. Er gilt als Liebhaber französischer Kultur und Lebensart.[31] Zu seinen Hobbys zählen die Philatelie und das Schmieden von Metall.[21] Er ist konfessionslos.[32]
Mehdorn ist Vorstandsmitglied der Stiftung Lesen, Alter Herr der vertagten[33] Burschenschaft Frankonia Berlin[9] und Schirmherr der Stiftung Off Road Kids, die sich für Straßenkinder einsetzt.
Ehrungen
Mehdorn erhielt 1982 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Er ist seit 2001 Offizier, seit 2004 Kommandeur der Französischen Ehrenlegion wegen seiner Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft.
Im Jahr 1996 wurde Mehdorn die Ehrendoktorwürde der Staatlichen Akademie für Druckwesen in Moskau verliehen, im Jahr 2000 die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Außerdem ist Mehdorn Ehrensenator der Universität Heidelberg.
Mehdorn ist Ökomanager des Jahres 2000 (andere Quelle: 1999[34]), Ex-Raucher des Jahres 2002 und Träger des Aeronautique Français, einer französischen Medaille für verdiente Luftfahrtingenieure.[35]
Am 24. Juni 2008 erhielt er den Osgar für sein Engagement für die Neuen Bundesländer.[36]
Kritik
Hartmut Mehdorn zählt zu den umstrittensten deutschen Industriemanagern. Zahllose Male wurde Mehdorns Rücktritt gefordert.[37] In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag einer Zeitschrift sprachen sich Mitte Februar 2009 drei Viertel der Befragten für den Rücktritt Mehdorns aus.[38]
Mehdorns als direkt („hemdsärmlig“) geltender Führungsstil wird häufig kritisiert.[21] Sein Verhalten wird oftmals als taktlos und undiplomatisch wahrgenommen. Ihm wird häufig vorgeworfen, auf andere Meinungen keine Rücksicht nehmend, seine Meinung kompromisslos durchzudrücken. So stieß seine Haltung im elfmonatigen Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer auf breite Kritik. Für die zeitweise geplante Einführung eines „Bedienzuschlages“ für Fahrkartenverkäufe am Schalter zum Dezember 2008 wurde er kritisiert.
Vielfältig kritisiert wurde auch die Unternehmensstrategie, insbesondere zahlreiche Maßnahmen zur Rationalisierung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der DB AG, insbesondere im Hinblick auf die geplante teilweise Kapitalprivatisierung. Häufig wird kritisiert, das Unternehmen würde Investitionen in das Schienennetz vernachlässigen, um das Ergebnis für Investoren aufzupolieren. Teils wird berichtet, Mehdorn wolle das Unternehmen unbedingt an den Kapitalmarkt bringen, um seine Berufslaufbahn damit krönend abzuschließen. In seiner Zeit als Bahn-Vorstandsvorsitzender wurde die Zahl der DB-Mitarbeiter um rund ein Viertel von rund 320.000 (Geschäftsjahr 1999) auf etwa 237.000 (Geschäftsjahr 2007) reduziert.
Weitere Kritikpunkte waren und sind unter anderem die Einführung eines neuen Preissystems (2002) und die Einstellung des InterRegio. Ferner wird die „Abkopplung“ von Großstädten (z. B. Bremerhaven oder Gera) und des Bahnhofs Zoo in Berlin vom ICE/IC-Verkehr kritisiert. Meinhard von Gerkan verklagte die Deutsche Bahn, nachdem Mehdorn architektonische Änderungen am neuen Berliner Hauptbahnhof angeordnet hatte, die erheblich in den Architektenentwurf eingriffen. Der Verein Deutsche Sprache verlieh 2007 Mehdorn den Titel „Sprachpanscher des Jahres“ [39] für den gehäuften Gebrauch von Anglizismen durch die Deutsche Bahn. Auch nachdem Anfang 2009 die Überprüfung der Stammdaten des Großteils der DB-Mitarbeiter („Screening“) bekannt wurde, kamen zahlreiche Rücktrittsforderungen auf.[40]
Mehdorn wird dabei zur Zielscheibe für Kritik, die sich gegen das gesamte Unternehmen Deutsche Bahn richtet.[41] Zum Teil wird er für bahnpolitische Entscheidungen der öffentlichen Hand verantwortlich gemacht, beispielsweise über Entscheidungen über den (Nicht-)Ausbau von Strecken oder die Reduzierung oder Einstellung von Regionalverkehren durch die Länder (Regionalisierungsgesetz). Täglich erreichen mehr als einhundert Beschwerden sein Büro.[42]
2006 erhielt Mehdorn die Verschlossene Auster für die restriktive Informationspolitik der Bahn.[43]
In einer repräsentativen Umfrage, bei der das Ansehen und die Leistung der 20 im Jahr 2007 von der Deutschen Presseagentur meisterwähnten Deutschen bewertet wurde, erhielt Mehdorn die schlechteste Bewertung.[44] In einer Umfrage zum Ansehen deutscher Spitzen-Manager unter 1.000 deutschen Führungskräften erreichte Mehdorn Ende 2008 dagegen den zweiten Platz.[45]
Literatur
- Hartmut Mehdorn, Hugo Müller-Vogg: „Diplomat wollte ich nie werden“. Ein Gespräch mit Hugo Müller-Vogg. 1. Aufl., Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, ISBN 978-3-455-50047-9.
Weblinks
- Mehdorns Lebenslauf auf den Seiten der Deutschen Bahn
- Ausführliche Biografie auf whoswho.de
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i j k Mehdorn u. a. (2007), S. 214–216.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. I.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 53.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 51 f.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 54.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 55.
- ↑ a b c Mehdorn u. a. (2007), S. 58 f.
- ↑ Ohne Quelle. Siehe Diskussion
- ↑ a b c Mehdorn u. a. (2007), S. 63.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 64 ff.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. VI.
- ↑ Dasa besetzt Luftfahrt-Vorstand neu. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 164, 1995, ISSN 0174-4917, S. 30.
- ↑ Im Profil: Hartmut Mehdorn designierter Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 213, 1999, ISSN 0174-4917, S. 4.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. XII.
- ↑ Heideldruck geht am 8. Dezember an die Börse. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 32, 1997, ISSN 0174-4917, S. 37.
- ↑ Zugkraft wie eine Lokomotive. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 214, 1999, ISSN 0174-4917, S. 3.
- ↑ Neuer Chef soll Bahn reformieren. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 213, 1999, ISSN 0174-4917, S. 25.
- ↑ Personalien. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 222, 1998, ISSN 0174-4917, S. 24.
- ↑ RWE verkleinert Vorstand deutlich. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 208, 1999, ISSN 0174-4917, S. 26.
- ↑ Ein Flugzeugbauer bei der Bahn. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 290, 1990, ISSN 0174-4917, S. 32.
- ↑ a b c Mehdorn bleibt am Zug. In: Berliner Morgenpost vom 28. Juni 2007
- ↑ Ludewig muss vorzeitig gehen. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 213, 1999, ISSN 0174-4917, S. 1.
- ↑ a b Wechsel von Ludewig zu Mehdorn gebilligt. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 222, 1999, ISSN 0174-4917, S. 26.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 149
- ↑ Bahnchef will im Amt bleiben. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 229, 1998, ISSN 0174-4917, S. 6.
- ↑ Deutsche Bahn AG: DB-Aufsichtsrat verlängert Vertrag für Mehdorn bis 2011. Presseinformation vom 27. Juni 2007
- ↑ „Eine Igelpolitik führt zu nichts“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Juli 2007
- ↑ Deutsche Bahn AG: Geschäftsbericht 2007, S. 220
- ↑ Deutsche Bahn AG: Geschäftsbericht 2006, Seite 194
- ↑ Mehdorn zum Europa-Präsidenten des Weltverbandes der Eisenbahnen gewählt Presseinformation der Deutschen Bahn AG vom 1. Februar 2007
- ↑ Führen wie Gott in Frankreich Portrait des Frankreich-Liebhabers Mehdorn im Handelsblatt vom 18. November 2006
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 33.
- ↑ Burschenschaft Frankonia Berlin, Gr. 11/40-008. In: Hartmut H. Jess: Specimen corporationum cognitarum 2000, Köln, 2000, ISBN 3-89498-092-3
- ↑ Mehdorn Ökomanager des Jahres. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 246, 1999, ISSN 0174-4917, S. 31.
- ↑ Mehdorn u. a. (2007), S. 37
- ↑ Mehdorn mit „Bild Osgar“ geehrt. In: DB Welt, Ausgabe Juli/August 2008, S. 2
- ↑ Zug um Zug in die Zwickmühle. In: Süddeutsche Zeitung
- ↑ Mehdorn sollte zurücktreten.
- ↑ Bahn-Chef Mehdorn ist „Sprachpanscher 2007“. In: Spiegel online vom 31. August 2007
- ↑ Datenskandal bei der Bahn - Mehdorn bald auf Jobsuche?. Tagesschau, 3. Februar 2009
- ↑ Hartmut Mehdorn: Die Bahn gleich Bahn-Chef gleich Mehdorn. In: Die Welt, 8. Juni 2006
- ↑ Pünktlich auf Bahn eins. In: Die Zeit, 22. Juni 2006
- ↑ „Verschlossene Auster“ für Bahnchef Mehdorn. Tagesschau, 21. Mai 2006
- ↑ Deutsche finden Mehdorn unsympathisch. In: Spiegel online, 30. November 2007
- ↑ Schlechte Noten für Josef Ackermann. In: Die Welt (Onlineausgabe), 20. Dezember 2008
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Personendaten | |
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NAME | Mehdorn, Hartmut |
KURZBESCHREIBUNG | Maschinenbauingenieur und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1942 |
GEBURTSORT | Berlin |