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Bundeskriminalamtgesetz

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Basisdaten
Titel: Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten
Kurztitel: BKA-Gesetz
Abkürzung: BKAG (1997)
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht
Fundstellennachweis: 2190-2
Ursprüngliche Fassung vom: 8. März 1951 (BGBl. I S. 165)
Inkrafttreten am:
Letzte Neufassung vom: 7. Juli 1997 (BGBl. I S. 1650)
Inkrafttreten der
Neufassung am:
1. August 1997
Letzte Änderung durch: Art. 1 G v. 25. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3083)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. Januar 2009
GESTA: B073, B074
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, kurz BKA-Gesetz (bzw. BKAG 1997), vom 1. August 1997 regelt in drei Abschnitten die Aufgaben des Bundeskriminalamtes.

  1. Zentrale Einrichtungen zur Zusammenarbeit in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, Aufgaben des Bundeskriminalamtes
  2. Befugnisse des Bundeskriminalamtes
  3. Gemeinsame Bestimmungen

Fassungen

Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes stammt vom 20. März 1951. Die letzte Reform wurde im Dezember 2008 vorgenommen. Dabei wurden dem Bundeskriminalamt weitere Befugnisse eingeräumt, die üblicherweise Länderpolizeien und Geheimdiensten zustehen. Neben der umstrittenen Online-Durchsuchung haben die neuen §§ 20a bis 20x des Gesetzes[1] unter anderem folgende Befugnisse im Gefahrenabwehrbereich geregelt:

Damit wird das BKA im Bereich der präventiven Befugnisse den Polizeien der Bundesländer gleichgestellt.

Einer vorherigen Änderung des Artikels 13 des Grundgesetzes bedurfte es nach Ansicht des Bundesjustizministeriums nicht; Art. 13 Abs.4 GG gestatteten derartige Maßnahmen.

Außerdem hat das BKA das Recht erhalten, präventive Ermittlungen ohne konkreten Tatverdacht in eigener Regie durchzuführen. Im Rahmen so genannter "Vorfeldermittlungen" unterliegt das BKA nicht der Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft. Erst wenn die Ermittler des BKA meinen, dass die Erkenntnisse ausreichend sind, muss die Bundesanwaltschaft informiert werden. Abhörmaßnahmen dürfen auch gegen Berufsgeheimnisträger (§ 53 StPO), mit Ausnahme der Verteidiger, Abgeordneten und Geistlichen, durchgeführt werden (§ 20u BKAG).

Nach Einschätzung des MdB Wolfgang Wieland (Grüne) wird es dem BKA damit in einem gewissen Grad möglich sein, sich der justiziellen und parlamentarischen Kontrolle zu entziehen.[2]

Die Neufassung des BKA-Gesetzes (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt) wurde vom Deutschen Bundestag am 12. November 2008 mit der Mehrheit der Stimmen von CDU und SPD verabschiedet.[3] Für das zustimmungspflichtige Gesetz fand sich jedoch im Bundesrat am 28. November keine Mehrheit. Nachdem das Gesetz den Vermittlungsausschuss nach einigen Änderungen passierte und der Bundesrat den geänderten Entwurf am 19. Dezember 2008 akzeptierte, ist das Gesetz zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten.

Am 27. Januar 2009 hat die Bürgerrechtlerin und Journalistin Bettina Winsemann Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht.[4]. Winsemann hatte zuvor erfolgreich gegen die Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen geklagt.[5]

Diskussion der Neufassung von 2008

Die Neufassung des BKA-Gesetz von 2008 war Gegenstand intensiver politischer Diskussionen. Aspekte, die kontrovers diskutiert wurden waren:

  • Richtervorbehalt: Die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung, dass in Eilfällen kein Richtervorbehalt notwendig sei, wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geändert. Der Richtervorbehalt gilt nach der am 19. Dezember 2008 von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Fassung nun auch in Eilfällen. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung soll sichergestellt werden, indem die Durchsicht der erlangten Informationen unter die "Sachleitung des anordnenden Gerichts" gestellt wird (§ 20k Abs. 7 S. 3 BKAG(neu).
  • Angleichung der Befugnisse von Landes- und Bundespolizeibehörden: Befürworter der Neufassung weisen darauf hin, dass die neuen Fahndungsinstrumente den Landespolizeien bereits seit Jahrzehnten zur Verfügung stünden. Dem wird entgegnet, dass keine der Landespolizeien die konzentrierte Macht einer bundesweit agierenden Behörde habe, die präventiv im Vorfeld beobachtet (2006 wurde zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus' das Grundgesetz bereits dahingehend geändert) und erhobene Daten an Polizei, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst weiterleite.[6]
  • Notwendigkeit: Bundesregierung und Polizeibehörden begründen die Notwendigkeit mit der Nutzung moderner Techniken durch Straftäter. In der Anhörung im Innenausschuss des Bundestages erklärte der Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, "Die Online-Durchsuchung ist ein für die Verhinderung terroristischer Anschläge unverzichtbares Instrument."[7]
  • Angemessenheit: In ihren Stellungnahmen zu dem Entwurf der Novelle des Gesetzes warnen Journalisten- und Medienverbände[8], der Datenschutzbeauftragte des Bundes Peter Schaar, Sachverständige wie der Verfassungsrechtler Hansjörg Geiger und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vor unverhältnismäßigen Befugnissen der Ermittlungsbehörden.[9] Mehrere Staatsrechtler hingegen bezeichnen den Entwurf als verfassungskonform.[10]. So erklärte der Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy in seinem Gutachten für den Innenausschuss: "Der vorgelegte Entwurf enthält keine grundsätzliche Verschiebung des Koordinatensystems von Freiheit und Sicherheit zu Lasten der Freiheit."[11]
  • Zeugnisverweigerungsrecht: Der Entwurf der Novelle des BKA-Gesetzes wurde auch von Medienfreiheitsorganisation das International Press Institute im Oktober 2008 kritisiert[12], aufgrund der Abschwächung des in § 53 der deutschen Strafprozessordnung enthaltenen Rechts auf das Berufsgeheimnis von Ärzten, Anwälten und Journalisten. Der Deutsche Fachjournalisten-Verband appelliert Ende November 2008 an die Mitglieder des Bundesrates, dem Gesetz ihre Zustimmung zu verweigern. Das BKA-Gesetz stelle eine weitere Aushöhlung der Pressefreiheit dar.[13]

Einzelnachweise

  1. Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25. Dezember 2008
  2. Das BKA wird sich der Kontrolle entziehen (Word-Dokument) vom 14. Februar 2008
  3. Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 12. November 2008 (PDF)
  4. Verfassungsbeschwerde gegen BKA- Gesetz, Pressemitteilung der Humanistischen Union, 27. Januar 2009
  5. Heise Newsticker: Neues „Computer-Grundrecht“ schützt auch Laptops und Daten im Arbeitsspeicher
  6. taz.de: Die letzten Kompromisse. 7. November 2008, abgerufen am 17. Dezember 2008.
  7. Anhörung im Innenausschuss des Bundestages
  8. Gemeinsame Stellungnahme vom DJV, vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien, vom Deutschen Presserat, von ver.di sowie von ARD und ZDF., Abgerufen am 13. September 2008
  9. Deutscher Bundestag, Innenausschuss: Öffentliche Anhörung von Sachverständigen, Abgerufen am 8. September 2008
  10. tagesschau.de: Mehrheit der Experten ohne Bedenken Abgerufen am 15. September 2008
  11. Anhörung im Innenausschuss des Bundestages
  12. IPI Concerned at Draft Legal Amendments that Threaten Protection of Sources in Germany, Abgerufen am 27. November 2008
  13. DFJV appelliert an Bundesrat: Keine Zustimmung zu BKA-Gesetz, Abgerufen am 27. November 2008