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Edelweißpiraten

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Als Edelweißpiraten werden waren oppositionelle Jugendgruppen während der deutschen NS-Diktatur bezeichnet, die vor allem in der Rhein-Ruhr-Region aus der Bündischen Jugend entstanden. Selbst bezeichneten sich die Edelweißpiraten je nach Ort unterschiedlich als Meuten, Navajos, Fahrtenjungs oder Ruhrpiraten.

Die Gruppen hatten zusammen mehrere Tausend Mitglieder. Allein die Kölner Gestapo legte z.B. etwa 3.000 Akten nur über die Kölner Gruppen an. Auch in anderen deutschen Städten gab es derartige Jugendgruppen, dazu gehörten z.B. die Städte Dresden, Leipzig ("Meuten"), Düsseldorf, Essen, Dortmund, Wuppertal und Duisburg.

Die von der nationalsozialistischen Propaganda verwendete Bezeichnung "Edelweißpiraten" wurde von den illegalen Bündischen ursprünglich als Schimpfwort verstanden und deshalb abgelehnt. Als Selbstbezeichnung wählten sie klassische Begriffe wie die Bezeichnungen unterschiedlicher verbotener oder neugegründeter Jugendbünde oder den zusammenfassenden Ausdruck "Bündische Jugend". Neben fortbestehenden Gruppen bildeten sich neue Gruppen, zum Teil aus ehemaligen Angehörigen verschiedenster inzwischen verbotener Bünde. Zu großen Einschnitt in den Bereich kam es um 1942/43, als eine große Verhaftungswelle unter den illegalen Bündischen durchgeführt wurde, die für die meisten dieser Gruppen das Aus bedeutete.

Gleichzeitig bildeten sich während des Krieges neue regimekritische Jugendgruppen, die manche Lieder und äußere Formen von den Bündischen übernahmen. Mit dem Bündischen Gedankengut und der jugendbewegten Tradition verband diese neuen Gruppen allerdings kaum etwas. Anders als die Bündischen sangen sie auch -zum Teil allerdings umgedichtete- HJ-Lieder. Beachtlich ist, daß die neuentstandenen Gruppen anders als die Bündischen vor 1942/43 den von den Nationalsozialisten geprägten Ausdruck "Edelweißpiraten" als Selbstbezeichnung übernahmen.


Ursprung und Merkmale

Die illegalen Bündischen, die von den Nationalsozialisten als Edelweißpiraten bezeichnet wurden, versuchten in einer frühen Phase des Dritten Reiches ihr Gruppenleben aufrechtzuerhalten. Um dies zu er ermöglichen, wandten sie sich zuerst gegen die Hitler-Jugend (HJ), weil deren Anspruch auf die ganze deutsche Jugend die Freiheit der einzelnen bündischen Gruppen in Frage stellte. Nach vielfältigen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und der Einschränkung der Freiheit der illegalen Gruppen wandelte sich diese Resistenz in einen Widerstand gegen das NS-Regime. Sie sangen Lieder aus der Bündischen Jugend. Manche von ihnen dichteten diese Lieder im regimekritischen Sinn um, ebenso entstanden neue Lieder, zum Teil auch mit politischem Inhalt.

Von den Einheitsuniformen der Hitlerjugend hoben sich die als Edelweißpiraten bezeichneten Bündischen durch einen eigenen Stil - oft Skihemden, Wanderschuhe, Halstuch und kurze Lederhosen - ab. Ihr Erkennungszeichen war zum Teil ein Edelweiß unter dem linken Rockaufschlag. Oft trug man auch Fantasiekluften, Totenkopfringe, Nägeln beschlagene Gürtel, Jungenschaftsjacken und benutzte die Kohte. Im Gegensatz zur HJ waren sie zum Teil auch koedukativ.

Inwieweit die nach 1942/43 neu entstandenen Gruppen diese Tradition übernahmen, ist nicht bekannt.

Aktionen

Auf ihren Wochenendausflügen, Fahrten und Wanderungen in das Umland der Großstädte kam es nicht selten zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend. In verschiedenen Städten sind Straßenschlachten mit der HJ belegt. Sie klebten Plakate gegen Hitler und für die Freiheit, und verübten wohl auch in bescheidenem Rahmen Sabotage. Einzelne Gruppen gingen so weit, Attentate auf nationalsozialistische Funktionäre durchzuführen, insbesondere auf die verhassten HJ-Führer, in der Spätphase des Krieges auch auf Angehörige der Wehrmacht.

Ehrenfelder Gruppe

Besonders entschiedener Widerstand kam von der Ehrenfelder Gruppe, die über 100 Mitglieder umfasste. Es handelte sich hier um Edelweißpiraten aus dem Kölner Arbeiterstadtteil Ehrenfeld, um geflohene Häftlinge, Zwangsarbeiter, Russen, Juden, Deserteuren und Jugendlichen.

Bartholomäus Schink, einer der Edelweißpiraten, war am 10. November 1944 erst 16 Jahre alt, aber er wurde öffentlich zusammen mit fünf Kameraden im Kölner Stadtteil Ehrenfeld gehängt. Zusammen mit anderen Edelweißpiraten hatte er einen Sprengstoffanschlag auf das Kölner Gestapo-Hauptquartier (das "EL-DE-Haus") vorbereitet.

Hinrichtung vom 10. November 1944

Ohne Gerichtsurteil wurden an diesem Tag 13 Menschen (darunter fünf Jugendliche der Ehrenfelder Gruppe) in der Hüttenstraße in Köln von der Gestapo hingerichtet. Die Hinrichtung erfolgte öffentlich. Über 400 Menschen schauten bei der Hinrichtung zu.

Hingerichtet wurden:

  • Hans Steinbrück, * 12. April 1921
  • Günther Schwarz, * 26. August 1928
  • Gustav Bermel, * 11. August 1927
  • Johann Müller, * 29. Januar 1928
  • Franz Rheinberger, * 22. Februar 1927
  • Adolf Schütz, * 3. Januar 1926
  • Bartholomäus Schink, * 25. November 1927
  • Roland Lorent, * 12. März 1920
  • Peter Hüppeler, * 9. Januar 1913
  • Josef Moll, * 17. Juli 1903
  • Wilhelm Kratz, * 6. Januar 1902
  • Heinrich Kratina, * 15. Januar 1906
  • Johann Krausen, * 10. Januar 1887

Nach 1945

Bruno Bachler, einer der überlebenden Edelweißpiraten, erzählt, wie er nach Verbüßung einer Haft im Konzentrationslager einer Strafkompanie an der Ostfront zugeteilt wurde, die zum Räumen von Minenfeldern benutzt wurde. Das geschah so, dass die Sträflinge Hand in Hand über ein Minenfeld marschieren mussten, wobei einige von ihnen das Leben verloren.

Kurt Piehl ist ein überlebender Edelweißpirat aus Dortmund, der in seinem Buch "Latscher, Pimpfe und Gestapo" ausführlich das Leben eines Edelweißpiraten beschrieben hat. Die Kölner Edelweißpiraten werden zum Beispiel im Buch "Edelweißpiraten" von Fritz Theilen beschrieben. Jean Jülich, ein weiteres Mitglied der Kölner Gruppe, wurde 1984 in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt.

Datei:Ehrenfeld Gedenktafel.jpg
Gedenktafel für Opfer des NS-Regimes

In Köln-Ehrenfeld erinnert seit dem 9. November 2003 eine Gedenktafel an die gehängten Edelweißpiraten. Die Tafel ist an den Bögen der Bahnunterführung in der Schönsteinstraße, Nähe Venloer Straße, angebracht - in der Nähe, in der heutigen Bartolomäus-Schink-Straße, hat die Hinrichtung stattgefunden. Die Tafel war schon Jahre vorher fertiggestellt worden, aber auf Druck der CDU wieder abgenommen worden. Die CDU hat seit Kriegsende die Anerkennung der Edelweißpiraten als Widerstandskämpfer zu verhindern versucht, teilweise mit Argumenten, die direkt aus Gestapo-Verhörprotokollen zitiert wurden.

Die Inschrift der Gedanktafel in der Schönsteinstraße lautet:

Hier wurden am 25. 10. 1944 elf vom NS-Regime zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppte Bürger Polens und der UdSSR und am 10. 11. 1944 dreizehn Deutsche – unter ihnen jugendliche Edelweißpiraten aus Ehrenfeld sowie andere Kämpfer gegen Krieg und Terror – ohne Gerichtsurteil öffentlich durch Gestapo und SS gehenkt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff Edelweißpiraten von einigen nationalsozialistisch geprägten Jugendlichen weiter verwendet, die in der sowjetischen Besatzungszone teilweise gewaltsamen und bewaffneten Widerstand gegen die Besatzer leisteten. Die Edelweißpiraten an Rhein und Ruhr existierten noch bis etwa 1947.

Referenzen

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Goeb: Er war sechzehn, als man ihn hängte. Das kurze Leben des Widerstandskämpfers Bartholomäus Schink. ISBN 3-499-23026-7
  • Paulus Buscher: Das Stigma „Edelweiß-Pirat“ ISBN 3-926584-01-7
  • Jean Jülich: Kohldampf, Knast und Kamelle. Ein Edelweißpirat erzählt sein Leben. Mit einem Vorwort von Wolfgang Niedecken. ISBN 3-462035-40-1
  • Arno Klönne (1996): Jugendliche Opposition im „Dritten Reich“. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. [1]
  • Wilfried Breyvogel (Hrsg.): Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus ISBN 3-8012-3039-2
  • Matthias von Hellfeld: Edelweißpiraten in Köln. Jugendrebellion gegen das 3. Reich. ISBN 3-760907873
  • Kurt Piehl: Latscher, Pimpfe und Gestapo. ISBN 3-925798870
  • Fritz Theilen: Edelweißpiraten ISBN 3897052725

Filme

Der Film, der eine wahre Begebenheit aus dem Köln der letzten Kriegsjahre erzählt, wird vom ehemaligen Edelweißpiraten Jean Jülich eingeleitet. Es sind Erinnerungen. Von seinen damaligen Jugendkameraden hat keiner den Krieg überlebt. (...) Edelweißpiraten zeigt dagegen einen sehr elementaren Widerstand von unten, roh, unkultiviert und unkontrolliert. Die Edelweißpiraten waren keine Humanisten der Gewaltfreiheit, organisierten sich illegal Waffen und benutzten sie. Stern.de über diesen Film