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Deutsche Bundesakte

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Die Deutsche Bundesakte war das Grundgesetz des Deutschen Bundes. Sie wurde am 8. Juni 1815 während des Wiener Kongresses verabschiedet. Gemäß der Präambel der Bundesakte sollten sich "die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands ... welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europas hervorgehen würden, zu einem beständigen Bunde zu vereinigen". In den Artikeln 53 bis 63 war sie ein offizieller Bestandteil der Wiener Kongressakte. Erst mit der Auflösung des Deutschen Bundes 1866 ist die Deutsche Bundesakte außer Kraft getreten.


Geschichte

  • Entstehungsgeschichte

Im Frühjahr 1814 wurde zwischen den Großmächten der Anti-Napoleon-Koalition vereinbart, dass Deutschland künftig ein Staatenbund sein sollte laut Artikel 6 des 1. Friedenvertrages von Paris vom 30. Mai 1814. Erste Verhandlungen scheiterten jedoch an dem starren Partikularismus von Bayern und Württemberg. Die Verhandlungen über eine künftige Gestaltung Deutschlands auf dem Wiener Kongress gerieten in eine Sackgasse, aus der erst die vorübergehende Rückkehr Napoleons heraus führte. Preußen und Österreich einigten sich auf ein staatenbündisches Konzept, das Metternich am 23. Mai 1815 der Versammlung der deutschen Einzelstaaten zuleitete.

  • Verabschiedung

Ein überarbeiteter Entwurf vom 2. Juni 1815 wurde als Bundesakte am 8. Juni 1815 mit Mehrheit angenommen, wobei Württemberg und Baden nicht teilnahmen, Bayern und Sachsen keine Stimme abgaben. Jedoch trat Sachsen dann am 6. Juni und Bayern am 8. Juni bei, so dass an diesem Tag die Bundesakte verabschiedet und unterzeichnet werden konnte. Baden folgte am 26. Juli und Württemberg am 1. September 1815. Diese Deutsche Bundesakte war ein Teil der Schlussakte des Wiener Kongresses, die am 9. Juni 1815 unterzeichnet wurde. Die Signatarmächte des Wiener Kongresses - neben den deutschen Mächten Österreich und Preußen nämlich Großbritannien, Frankreich, Schweden, Portugal, Spanien und Rußland - wurden somit zu Garantiemächten des Deutschen Bundes.

  • Revolution 1848

Als Folge der Märzrevolution wurde am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche die Nationalversammlung eröffnet. Die Abgeordneten sollten mit der Ausarbeitung einer neuen Reichsverfassungdie Grundlage für ein einiges, freiheitliches Deutschland scchaffen. Durch Beschluß der Bundesversammlung vom 12. Juli 1848 wurden deren Befugnisse auf den Reichsverweser des Deutschen Reiches übertragen und die Tätigkeit der Bundesversammlung eingestellt. Die Bundesakte trat hiermit faktisch außer Kraft, wurde jedoch nach dem Scheitern der Revolution, der Ablehnung der Reichsverfassung und der Erfurter Union durch die Olmützer Punktation (Übereinkunft zwischen Österreich und Preußen) vom 29. November 1850 wieder hergestellt und die Bundesversammlung nahm ihre Tätigkeit wieder auf.

  • Außerkrafttretung

Der Deutsche Bund endete mit dem preußisch - österreichischen Krieg von 1866. Durch Artikel 2 des Vorfriedens von Nikolsburg vom 26.Juli 1866 anerkannte der Kaiser von Österreich ausdrücklich die Auflösung des Bundes. Der Friedenvertrag von Prag vom 23. August 1866 bestätigte diese Auflösung de jure in seinem Artikel 6. Die Bundesversammlung hielt am 24. August 1866 in Augsburg unter Beteiligung von 7 Bevollmächtigten seine letzte Sitzung ab. Damit verlor auch die Deutsche Bundesakte ihre Gültigkeit.


Inhalt (Auszüge)

Die in 20 Artikeln verfaßte Bundesakte schaffte die vertragliche Grundlage für den Deutschen Bund. Mitglieder des Deutschen Bundes sind gemäß der Präambel der Bundesakte alle "souveränen Fürsten und freien Städte". Das sind 41 deutsche Staaten, davon vier freie Städte. Es wurde unter anderem vertraglich vereinbahrt:

  • Artikel I

Der König von Großbritannien und Irland gehört als König von Hannover (bis 1837), der König von Dänemark als Herzog von Holstein und Lauenburg (bis 1864) und der König der Niederlande als Großherzog von Luxemburg (bis 1866) dem Bund an. Sie sind Bundesfürsten wie alle anderen auch.

Der Kaiser von Österreich und der König von Preußen gehören dem Deutschen Bund mit allen ihren vormals zum Deutschen Reich zählenden Besitzungen an: Österreich ohne die polnischen, ungarischen und italienischen Gebietsteile; Preußen ohne Westpreußen und Ostpreußen, Posen und Neuenburg.

Die Bundesbeschlüsse gelten nicht für diese Territorien, und es ergibt sich aus der Bundesakte auch keinerlei militärische Beistandspflicht für den Fall eines Angriffes Dritter auf diese Gebiete.
  • Artikel IV,V& IX

Einziges Bundesorgan ist die Bundesversammlung - auch Bundestag genannt - mit dem Tagungsort Frankfurt am Main. Zuständig für die Bundesangelegenheiten im allgemeinen ist der "Engere Rat", in dem elf größere Staaten jeweils eine Stimme und die übrigen insgesamt sechs haben. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet der österreichische Vertreter, weil Österreich die Präsidialmacht des Bundes ist.

- Stimmenverteilung im Engeren Rat:

1. Österreich – 1 Stimme 2. Preußen - 1 Stimme 3. Bayern - 1 Stimme 4. Sachsen - 1 Stimme 5. Hannover - 1 Stimme 6. Württemberg - 1 Stimme 7. Baden - 1 Stimme 8. Kurhessen - 1 Stimme 9. Großherzogtum Hessen - 1 Stimme 10. Dänemark wegen Holstein - 1 Stimme 11. Niederlande wegen des Großherzogtums Luxemburg - 1 Stimme 12. Die Großherzoglich und Herzoglich Sächsischen Häuser - 1 Stimme 13. Braunschweig und Nassau - 1 Stimme 14. Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz - 1 Stimme 15. Holstein-Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg - 1 Stimme 16. Hohenzollern, Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck - 1 Stimme 17. Die freien Städte: Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg - 1 Stimme.

  • Artikel VI & VII

Für bestimmte Bundesangelegenheiten ist das Plenum zuständig. Hier hat jedes Mitglied - mit Ausnahme von drei Fürstentümern - mindestens eine Stimme, die größeren Staaten bis zu vier.

- Stimmenverteilung im Plenum:

1. Österreich - 4 Stimmen 2. Preußen - 4 Stimmen 3. Sachsen - 4 Stimmen 4. Bayern - 4 Stimmen 5. Hannover - 4 Stimmen 6. Württemberg - 4 Stimmen 7. Baden - 3 Stimmen 8. Kurhessen - 3 Stimmen 9. Großherzogtum Hessen - 3 Stimmen 10. Holstein - 3 Stimmen 11. Luxemburg - 3 Stimmen 12. Braunschweig - 2 Stimmen 13. Mecklenburg-Schwerin - 2 Stimmen 14. Nassau - 2 Stimmen 15. Sachsen-Weimar - 1 Stimme 16. Sachsen-Gotha - 1 Stimme 17. Sachsen-Coburg - 1 Stimme 18. Sachsen-Meiningen - 1 Stimme 19. Sachsen-Hildburghausen - 1 Stimme 20. Mecklenburg-Strelitz - 1 Stimme 21. Holstein-Oldenburg - 1 Stimme 22. Anhalt-Dessau - 1 Stimme 23. Anhalt-Bernburg - 1 Stimme 24. Anhalt-Köthen - 1 Stimme 25. Schwarzburg-Sondershausen - 1 Stimme 26. Schwarzburg-Rudolstadt - 1 Stimme 27. Hohenzollern-Hechingen - 1 Stimme 28. Liechtenstein -1 Stimme 29. Hohenzollern-Sigmaringen - 1 Stimme 30.Waldeck - 1 Stimme 31. Reuß ältere Linie - 1 Stimme 32. Reuß jüngere Linie (Reuß-Lobenstein, Reuß-Schleiz, Reuß-Ebersdorf) - 1 Stimme 33. Schaumburg-Lippe - 1 Stimme 34. Lippe - 1 Stimme 35. Die freie Stadt Lübeck - 1 Stimme 36. Die freie Stadt Frankfurt - 1 Stimme 37. Die freie Stadt Bremen - 1 Stimme 38. Die freie Stadt Hamburg - 1 Stimme.

Anders als ursprünglich von ihnen beabsichtigt, können die Großmächte Österreich und Preußen die Mittel- und Kleinstaaten nicht vollständig majorisieren: Im Engeren Rat haben selbst die sechs größeren Staaten nur 6 von 17 Stimmen, im Plenum, wo für Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, nur 24 von 69. Rein formal vermeidet damit die Konstruktion des Deutschen Bundes jede hegemoniale Vormachtstellung.
  • Artikel XI

Alle Mitglieder des Bundes versichern, sowohl ganz Deutschland als auch jeden einzelnen Bundesstaat gegen Angriffe zu schützen und garantieren sich gegenseitig ihre sämtlichen zum Deutschen Bund gehörenden Besitzungen zu. Bei einem einmal erklärtem Bundeskrieg darf kein Mitglied einseitige Unterhandlungen mit dem Feinde eingehen oder Waffenstillstand und Frieden schließen.

Zur Ausführung und Ergänzung dieses Artikels wurde am 3. August 1820 die Bundesexekutionsordnung verabschiedet.
  • Artikel XIII

In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung statt finden.

Dieser „unverbindliche“ Artikel, ohne zeitliche oder inhaltliche Vorgaben, führte zu einer unterschiedlichen Verfassungsentwicklungen in den Einzelstaaten des Deutschen Bundes. Schon 1816 verabschiedeten das Fürstentum Schaumburg-Lippe und das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Landständische Verfassungen. Das Großherzogtum Baden folgte 1818 und das Königreich Württemberg 1819.Die beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich waren noch bis zum Jahr 1848 ohne gültige Verfassungen.
  • Artikel XVI

Die Verschiedenheit der christlichen Religionen darf in den Ländern des deutschen Bundes keinen Unterschied in der Wahrnehmung der bürgerlichen und politischen Rechte begründen. Die Bundesversammlung wird darüber beraten, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sei.

  • Artikel XVIII

Vertraglich fixiert wird der Erwerb und Besitz von Eigentum an Grund und Boden für das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes, so wie die freie Wahl des Wohnortes. Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Pressefreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.

Schon 1819 erfolgt im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse eine Wiedereinführung der Zensur. Sämtliche Schriften bis zu einem Umfang von 20 Bögen waren vorzensurpflichtig.
  • Artikel XIX

Eine nur sehr „vage“ Absichtserklärung wird in Bezug auf den freien Handel und Verkehr zwischen den verschiedenen Bundesstaaten erlassen.

Erst mit der Verabschiedung des Deutschen Zollvereinsvertrages vom 22. März 1832, der am 1. Januar 1834 in Kraft trat, wurde ein einheitlicher Handels- und Verkehrsraum geschaffen. Der Zollverein löste den Zollvertrag zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt, den Mitteldeutschen Handelsverein und die Süddeutsche Zollvereinigung ab.


Wiener Schlussakte

Da die Bundesakte nur eine Rahmenvereinbarung war, musste sie ergänzt werden. Diese Ergänzung, zu deren Ausarbeitung es immerhin vier Jahre bedurfte, wurden von der Wiener Ministerkonferenz am 25. November 1819 beschlossen und am 8. Juni 1820 von der Bundesversammlung in Frankfurt einstimmig angenommen: die Wiener Schlussakte trat in Kraft, der Deutsche Bund unter österreichischer Leitung hatte seine endgültige Rechtsgrundlage erhalten. Die einzelnen deutschen Territorialstaaten waren mit der Wiener Schlussakte nicht nur tatsächlich, wie schon seit dem Westfälischen Frieden 1648, sondern auch völkerrechtlich souverän geworden.


Literatur

  • Karl Binding: Deutsche Staatsgrundgesetze. Verlag Felix Meiner, Leipzig 1913
  • Udo Sauter: Deutsche Geschichte seit 1815: Daten, Fakten, Dokumente. Bd.2. UTB, Stuttgart 2004 ISBN 3825225445
  • Helmut Rumpler: Deutscher Bund und deutsche Frage 1815-1866. Oldenbourg, München 1990 ISBN 3486556711