Zum Inhalt springen

Günter Nimtz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. März 2009 um 17:21 Uhr durch 134.95.66.244 (Diskussion) (linkfix). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Günter Nimtz (* 1936) ist ein deutscher Physiker, der vor allem durch seine Versuche zum superluminalen (überlichtschnellen) Tunneln bekannt geworden ist.

Leben

Datei:Guenter Nimtz 1.jpg
Prof. Nimtz vor dem Versuchsaufbau seines Doppelprisma-Experiments im Physiklabor der Universität Koblenz-Landau.

Günter Nimtz erwarb zunächst ein Diplom in Elek­tro­tech­nik, promovierte ansch­ließend an der Universität Wien und habi­litierte 1974 in Köln. 2001 emeritierte er und zog sich aus dem regulären Lehr- und For­schungs­betrieb des II. Physikalischen Instituts zurück. Er hat heute einen Lehrauftrag an der Universität in Koblenz. Seine For­schungs­gebie­te sind Nanotechnologie, Photonik und Biophysik. Neben seinen spek­takulären Tunnel-Expe­rimen­ten war er auch an praxisnahen Forschungen für die Industrie beteiligt.

Forschung am Tunneleffekt

Nimtz zweifelte 1992 an den Messergebnissen eines Tunnelexperiments in Florenz. Die italienischen Physiker hatten für die Photonen beim Tunneln subluminale Geschwindigkeit (Unterlichtgeschwindigkeit) ermittelt. Zusammen mit seinem Habilitanden Achim Enders maß Nimtz die Tunnelungsgeschwindigkeit mittels Mikrowellen in einem verengten Hohlleiter, in dem eine Ausbreitung klassisch verboten war. Ihr Ergebnis war eine unendlich große Ausbreitungsgeschwindigkeit im Tunnel.[1] Lediglich beim Eintritt in die Engstelle vergeht eine konstante, sehr kleine Zeitspanne. Folgerichtig - und später auch nachgewiesen - hat die Länge des Tunnels keinen Einfluss auf die Tunnelzeit. Die Wellen werden allerdings gedämpft, bzw. bei Betrachtung als Teilchen gelangen weniger Teilchen durch den „Tunnel“.

1994 führte Nimtz zusammen mit Horst Aichmann im Labor von Hewlett-Packard ein spektakuläres Experiment durch, bei dem den Mikrowellen mit Frequenzmodulation die 40. Sinfonie von Mozart aufgeprägt wurden. Diese Musiksignale wurden durch den verengten Teil des Hohlleiters übertragen. Dabei stellten sie fest, dass sich Teile des verwendeten Lichtes 4,7 mal schneller ausbreiteten, als die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum (siehe Überlichtgeschwindigkeit).

Doppelprisma-Experiment zum Tunneleffekt. Die beiden Prismen können bis zu einem Meter auseinander stehen bis die Mikrowellen am rechten Prisma nicht mehr zu detektieren sind.

Später führten Nimtz und Professor Alfons Stahlhofen von der Universität Koblenz präzise Messungen der Tunnelgeschwindigkeit an einem Plexiglas Doppelprisma (siehe Bild oben) durch. Es wird mit Mikrowellen in einem Einfallswinkel von 45° bestrahlt. Erwartungsgemäß wird der größte Teil der Strahlung reflektiert und tritt auf der angrenzenden Seite des Prismas aus. Ein sehr kleiner Teil der Strahlung tritt als „verhinderte (frustrierte) Totalreflektion“ aus dem Prisma aus, durchtunnelt den Zwischenraum und tritt in das zweite Prisma wieder ein.

Der Effekt ist auch als evaneszenter Mode bekannt: Ein elektromagnetisches Feld kann nicht instantan auf die Stärke Null zurückgefahren werden. Das ist eine zwingende Folge der heisenbergschen Unschärferelation. Tritt nun ein zweites Prisma in dieses evaneszente Feld ein, so verbreitet sich das Feld normal weiter. Bei Betrachtung als Teilchen kann man davon sprechen, dass die Teilchen über den Spalt zwischen den Prismen hinweg getunnelt sind. Günter Nimtz und Alfons Stahlhofen betrachten die Ergebnisse als die bisher einzig nachgewiesene Verletzung der speziellen Relativitätstheorie (SRT) von Albert Einstein, da nach ihrer Auffassung die einsteinsche Kausalität durch superluminales Tunneln verletzt wird (danach kann sich Kausalität nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten). Die beiden Physiker betonen, dass die SRT nicht im Tunnel gilt, der ein „Raum ohne Zeit“ (und kein Inertialsystem) darstellt. Die einfache Kausalität würde jedoch nach Nimtz nicht verletzt[2], weil in Folge der zeitlichen Ausdehnung eines jeden Signals niemals Information in die Vergangenheit übertragen werden kann. Nach Nimtz und Stahlhofen lässt sich, den Voraussagen Richard P. Feynmans folgend, der Tunneleffekt mit virtuellen Photonen erklären, die sich am Ende der Tunnelbarriere wieder in reale Photonen zurückverwandeln.

Kritik

Nach einer Untersuchung des Tunnel-Experiments zeichnen Physiker wie Raymond Chiao (Berkeley) und Aephraim Steinberg (Toronto) ein grundsätzlich anderes Bild als Günter Nimtz. Laut ihrer Analyse wird der hintere Teil eines Pulses stärker gedämpft als der vordere. Durch diese Verformung des Pulses empfängt der Detektor früher ein Maximum, als wenn der Puls auf ganzer Länge gleichmäßig abgeschwächt würde. Wenn man nur das Maximum des Pulses vor und nach der Tunnelstrecke betrachtet, ergibt sich daraus eine Geschwindigkeit, die höher ist als die Ausbreitung der elektromagnetischen Welle. Anders ausgedrückt, die Gruppengeschwindigkeit ist höher als die Signalgeschwindigkeit. Man könnte auch sagen, der Detektor sieht lediglich den ersten Teil des auf die Tunnelstrecke geschickten Puls. Eine Informationsübertragung schneller als die Lichtgeschwindigkeit ist auf diese Weise prinzipiell nicht möglich. Eine Verletzung der Kausalität durch Tunneln ist ausgeschlossen.

Industrieforschung

Günter Nimtz und Achim Enders patentierten 1993 einen Absorbertyp für elektromagnetische Wellen. Er besteht aus einem sehr dünnen Aluminium-Film mit etwa 10 nm Dicke, auf pyramidenförmigen Trägern. Der Träger kann aus einem nicht brennbaren Material bestehen. Im Vergleich zu Absorbern aus karbornierten Schaumstoff vermindert der patentierte Absorbertyp damit die Brandgefahr in Anlagen zur EMV-Messung.

Literatur

  • Günter Nimtz und Astrid Haibel: Tun­nel­effekt. Räume ohne Zeit: Vom Urknall zum Wurmloch, ISBN 3527404406
  • Günter Nimtz ( et al.): Zero time space - how quantum tunneling broke the light speed barrier. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-40735-4

Vorlage:PND

Anmerkungen

  1. Nimtz, Enders On superluminal barrier traversal, Journal de Physique I, Bd.2, 1992, S.1693, Nimtz Instantanes Tunneln, Tunnelexperimente und elektromagnetische Wellen, Physikalische Blätter Bd.49, 1993, S.1119, Nimtz Schneller als das Licht ?, Physik in unserer Zeit, Bd.28, 1997, S.214
  2. In der speziellen Relativitätstheorie hätte eine Ausbreitung von Signalen mit Überlichtgeschwindigkeit nach gängiger Interpretation zur Folge, dass Signale in die Vergangenheit übertragen werden könnten