Anthony Blunt
Anthony Blunt (* 26. September 1907 in Bournemouth, Hampshire, † 26. März 1983 in London) war ein englischer Kunsthistoriker, der nicht nur als Verwalter der königlichen Bildersammlung und als Direktor des Londoner Courtauld Institutes wirkte, sondern auch als britischer MI5-Agent agierte und 1979 als sowjetischer Spion enttarnt wurde.
Biographie
Anthony Blunt wurde 1907 als Sohn eines im diplomatischen Dienst tätigen anglikanischen Pfarrers in Bournemouth, Hampshire, geboren. Einen großen Teil seiner Jugend verbrachte er in Paris. Er erhielt seine Ausbildung an der Marlborough School und am Trinity College in Cambridge. Dort wurde er unter dem Einfluss seines Freundes Guy Burgess zum Kommunist. Ostern 1936 reiste er nach Spanien, wo er wie viele andere britische und amerikanische Intelektuelle die passive Haltung seines Landes angesichts des drohenden Faschismus in Europa und Asien kritisiert.
Kunstwissenschaftler
Zwischen 1935 und 1940 veröffentlichte er zahllose kunstwissenschaftliche Artikel, in denen er sich zum Verhältnis Kapitalismus, Kommunismus und Kunst äußerte. Er schrieb Bücher über Nicolas Poussin, über französische und italienische Kunst und über die Zeichnungen alter Meister. Er war ein entfernter Cousin der Queen Mum, als Kunsthistoriker hoch angesehen, Mitglied der Britischen Akademie der Künste, Professor für Kunstgeschichte an den Universitäten London und Oxford und gehörte in seiner Eigenschaft als Direktor der "Queen's Gallery" seit 1945 formal zum königlichen Haushalt. Für seine Verdienste wurde er 1956 von der Queen zum Ritter geschlagen.
Spion
Gleichzeitig aber wirkte er seit den 30er Jahren als Spion für Moskau. Blunt führte zeitlebens ein Doppelleben. Zusammen mit Freunden aus seinem ehemaligen studentischen Debattierclubs, alle Angehörige der "ruling class" wendeten sie sich der "working class" zu, die sie als einzige für fähig hielten, der lähmenden Dekadenz der Vorkriegs- und Kriegsgeneration die ordnungs- und strukturgebende Lebensreformansätze der Arbeiterklasse entgegenzusetzen. Aus dem Leitbild des "Gentleman" entwickelten sie das Selbstverständnis des "ehrlichen Intellektuellen", der sich paternalistisch-harmoniestiftend dem Kampf der Arbeiterklasse anschließt und sich als didaktische Avantgarde ihr zur Verfügung stellt. Bald war Blunt der "talent-spotter" seiner sowjetischen Führungsagenten.
Seine ersten Bemühungen 1939, in den britischen Geheimdienst aufgenommen zu werden, scheiterten. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er auf Vermittlung seines Freundes Victor Rothschild schließlich doch im militärischen Abschirmdienst MI5 aufgenommen, wo er kurze Zeit als Sicherheitsrisiko galt, bis er 1940 eine Studie zur Ästhetischen Theorie in Italien 1450 - 1600 publizierte, in der er scheinbar mit seiner marxistischen Vergangenheit brach. Im MI5 leitete er die Kontrolle der diplomatischen Post in Großbritannien akkreditierter neutraler Staaten, wurde zuständig für strategische Ablenkungsmannöver, rückt zum Mitglied im Joint Intelligence Committee der Regierung auf, das die Arbeit der Nachrichtendienste koordinierte und ihm somit Einblick in die Geheimdiensttätigkeit seines Landes über den MI5 hinaus ermöglichte. Schließlich wurde er Vertreter des MI5 im Hauptquartier der alliierten Expeditionsstreitkräfte, das sich u.a. mit den Invasionen nach Italien und Frankreich beschäftigte. Für König George VI. reiste er kurz nach Kriegsende nach Deutschland, wo er politisch kompromittierende Briefe von Mitgliedern des englischen Hofes aus den 1930er Jahren an deutsche Verwandte heimlich sicherzustellen hatte. Im Einverständnis mit seinen sowjetischen Führungsoffizieren verließ er 1945 den MI5.
Für seine sowjetischen Auftraggeber beschaffte er, die den Cambridge-Absolventen immer wieder mißtrauten, insgesamt 327 Filmrollen und Kopien von 1771 klassifizierten Dokumenten. Zwischen 1939 und 1940 hatte Blunt fast ein Jahr keinen Kontakt zu seinen Führungsagenten, weil diese durch Kursänderungen Stalins in Moskau in Ungnade fielen und den stalinistischen Säuberungswellen zum Opfer fielen. Nach seinem Rückzug aus dem MI5 widmete er sich öffentlich wieder ganz der Kunst, gab aber seine Kontakte nicht ganz auf und warnte seine Freunde Guy Burgess und David MacLean vor ihrer drohenden Verhaftung und vernichtete unter den Augen von MI5 und Scotland Yard ihn belastende Dokumente. Aufgrund belastender Aussagen des von Blunt angeworbenen Michael Straight bei der CIA und sowjetischer Überläufer setzte die britische Gegenspionage ihn in den frühen 1960er Jahren unter Zusicherung der Straffreiheit, seiner Stellung bei Hofe soweit unter Druck, daß er schließlich ein Geständnis seiner Aktivitäten bis 1945 ablegte. Durch die Buchveröffentlichung des Journalist Andrew Boyle "Climate of Treason" 1979 brach Margret Thatcher das bis dahin fast zwei Jahrzehnte währende öffentliche Schweigen von Regierung und Justiz, um ihre Kritik an der Unfähigkeit der traditionellen englischen Oberschicht, die sich aus den Public Schools und Oxford oder Cambridge rekrutierte, zu markieren. Erst jetzt wurde Blunt öffentlich neben seinen Freunden Kim Philby, Burgess und MacLean als der vierte Mann der fünfköpfigen so genannten Cambridge-Connection und sowjetischer Spion enttarnt. Daraufhin wurde ihm die Ritterschaft aberkannt. Die Britische Akademie der Künste und Wissenschaft legte ihm den Austritt nahe, sein Professorentitel und die Lehrerlaubnis für britische Universitäten wurde ihm entzogen. Neben der Cambridge-Connection dürfte wohl auch eine Oxford-Connection bestanden haben, aber bislang wurden den KGB-Archiven nur die Decknamen "Bunny" und des Chefrekrutierers "Scott" entlockt. Die genaue Zahl der Agenten dieses Oxford-Rings ist unbekannt.
Trivial
Die Spionageromane von John le Carré spielen immer wieder auf die Suche nach "Maulwürfen" im britischen Geheimdienst, insbesondere auf die Cambridge-Connection an. Ohne Kenntnis der Cambridge Five sind diese Anspielungen gar nicht richtig zu deuten.
siehe auch
Kim Philby, Guy Burgess, David MacLean, George Blake, Profumo-Affäre
Publikationen
- François Mansart and the Origins of French Classical Architecture, A. Blunt
- Baroque and Rococo Architecture and Decoration, A. Blunt
- Borromini, A. Blunt
- esthetical theorie in Italy 1450 - 1600, A. Blunt
- Art and Architecture in France 1500-1700 (1953), R. Beresford, A. Blunt
- Sicilian Baroque, 1968
- From Bloomsbury to Marxism in: Studio International - Journal of Modern Art, 1973
- Rubens and architecture in Burlington magazine, 1977,894, A. Blunt, p. 609 - 621
- Picasso's 'Guernica', Oxford University Press, 1969, A. Blunt
- Roman Baroque architecture: the other side of the medal in Art history, 1/1980, A. Blunt, p. 61 - 80, includes bibliographical references.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Blunt, Anthony |
KURZBESCHREIBUNG | britischer Kunsthistoriker und Spion |
GEBURTSDATUM | 26. September 1907 |
GEBURTSORT | Bournemouth, Hampshire |
STERBEDATUM | 26. März 1983 |
STERBEORT | London |