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Emil Warburg

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Datei:Emil Gabriel Warburg.jpg
Emil Warburg

Emil Gabriel Warburg (* 9. März 1846 in Altona, † 28. Juli 1931 in Grunau (heute zu Bayreuth) war ein deutscher Physiker. Der Biochemiker und Nobelpreisträger Otto Warburg ist sein Sohn.

Herkunft

Die Vorfahren Warburgs stammen ursprünglich aus Bologna. Über das westfälische Warburg hatten sie sich schließlich in Altona niedergelassen, da dort Glaubensfreiheit herrschte und auch Juden Handel und Schiffbau betreiben durften. Emil Warburg konvertierte später zum evangelischen Glauben.

Studium

1863 nahm Warburg zunächst das Studium der Chemie in Heidelberg auf und hörte Vorlesungen bei Bunsen, Helmholtz und Kirchhoff. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der klaren und durchdachten Vorlesungen Kirchhoffs wechselte Warburg zur Physik, da dieses Fach seinen mathematischen Interessen mehr entsprach. 1865 setzte er sein Studium in Berlin fort. Das dort ansässige Laboratorium von Gustav Magnus gehörte zu jener Zeit zu den wenigen in Deutschland, die den Studierenden die Möglichkeit zum selbstständigen Experimentieren boten. Unter Anleitung des Laboratoriumsassistenten August Kundt befasste er sich zunächst mit akustischen Fragestellungen. 1867 promovierte Warburg mit der damals noch in lateinisch abzufassenden Dissertation De systematis corporum vibrantium. Diese behandelt ein spezielles Schwingungssystem mit einer Differentialgleichung vierter Ordnung.

Im Mai 1870 habilitierte Emil Warburg. Aufgrund der allgemeinen Mobilmachung wurde er im Juli einberufen und nahm als Offizier am Deutsch-Französischen Krieg teil.

Straßburg

Frankreich musste als Verlierer Elsass-Lothringen an Preussen abtreten. In der Folge wurde 1872 die Universität von Straßburg neu gegründet. Sie sollte der Verbreitung der deutschen Kultur auf ehemals französischem Gebiet dienen und wurde daher mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet. August Kundt hatte den Aufbau der Physikalischen Fakultät übernommen. Zu seiner Entlastung beim Aufbau des Instituts konnte er eine zusätzliche Stelle für die theoretischen Aspekte der Physik durchsetzen, die, seinem Wunsch entsprechend, Warburg zum Wintersemester 1872/73 erhielt. (Eine Trennung zwischen experimental- und theoretischer Physik gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Emil Warburg gilt als einer der letzten Physiker, die beide Aspekte der Physik beherrschten und lehrten.)

Die Zusammenarbeit in den folgenden vier Jahren war außerordentlich fruchtbar. Sie veröffentlichten zwei bedeutende Arbeiten zur kinetischen Gastheorie. Nach dieser, damals noch umstrittenen Theorie, sind innere Reibung (Viskosität) und Wärmeleitfähigkeit von Gasen bis zu einem Grenzdruck konstant, d.h. druckunabhängig. Dies konnten sie bis zu einem Druck von 10-2 Torr experimentell verifizieren. Die von Warburg berechnete Abweichung bei noch kleinerem Druck konnte er 24 Jahre später durch die Fortschritte in der Vakuumtechnik auch experimentell bestätigen.

Eine weitere Bestätigung der kinetischen Gastheorie lieferten Kundt und Warburg durch die Messsung des Adiabatenexponenten κ = cp/cv von verdünntem Quecksilbergas mit Hilfe der von Kundt entwickelten Staubfigurenmethode. (cp bzw. cv ist die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck respektive konstantem Volumen). Der experimentell bestimmte Wert von 5/3 entspricht genau dem theoretischen Wert, der von punktförmigen Gasteilchen ausgeht. Messungen u.a. an Sauerstoff und Stickstoff hatten bislang den von der Theorie abweichenden Wert von 1,4 ergeben. Die Abweichung ist, wie wir heute wissen, auf die Molekülstruktur zurückzuführen. Nicht zuletzt durch Kundts und Warburgs Messungen wurde trotz dieser Widersprüche am Konzept der kinetischen Gastheorie festgehalten und diese weiterentwickelt.

Freiburg

1876 übernahm Warburg mit nur 29 Jahren in Freiburg, einer Universität von damals untergeordneter Bedeutung, das Ordinariat für Physik. Hier widmete er sich elektromagnetischen Phänomenen. Die Entdeckung und theoretische Deutung der magnetischen Hysterese (1880) gehört zu den wissenschaftlichlich bedeutendsten Leistungen Warburgs.

Hysterese, aus: Annalen der Physik und Chemie, 20, S. 814 - 835, 1881, Fig. 5

Die Abbildung stammt aus der Veröffentlichung der Ergebnisse in den Annalen der Physik und Chemie von 1881 und zeigt das magnetische Moment als Funktion der magnetisierenden Kraft. Die Fläche der Kurve ist ein Maß für die Arbeit, die bei der Ummagnetisierung geleistet und in Wärme umgesetzt wird. Der Begriff Hysteresekurve wurde erst später geprägt. In den heute üblichen Darstellungen der Hysteresekurve wird das magnetische Moment M als Funktion der magnetischen Feldstärke H dargestellt.

Berlin

Nach dem frühen Tod von August Kundt erhielt der 48jährige Warburg 1894 einen Ruf nach Berlin. Zuvor hatte der für diesen Posten favorisierte F.W. Kohlrausch den Ruf wegen der zu erwartenden Arbeitsbelastung abgelehnt. Warburg konnte sich gegen seine Mitbewerber Walther Nernst und Otto Wiener durchsetzen. Auch gab es antisemitische Ressentiments zu überwinden. Deutsch-nationale Kräfte vertraten die Ansicht, dass nicht nur die Religionszugehörigkeit, sondern auch die rassische Herkunft ein wichtiges Einstellungskriterium seien. So stellte der Chemiker H. Landholt Erkundungen an, ob bei Warburg "gewisse jüdische Eigenschaften" nicht zu sehr zur Geltung kämen. Im gleichen Jahr wurde Warburg Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1897 wurde er Vorsitzender der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin, die 1889 in der neu gegründeten Deutschen Physikalischen Gesellschaft aufging. Bis 1905 blieb er deren Vorsitzender.

Nachdem er 1905 sein Amt als Ordinarius an der Berliner Universität niedergelegt hatte, übernahm er die Leitung der Physikalisch-Technischen-Reichsanstalt, die er bis 1922 inne hatte. Unter seiner Führung wurde die Trennung von technischer und wissenschaftlicher Abteilung aufgehoben. Statt dessen wurden Einzelinstitute für Optik, Elektrizität und Magnetismus sowie für Wärme und Druck gegründet. Wichtige wissenschaftliche Arbeiten aus dieser Zeit sind Messungen zur Strahlung schwarzer Körper sowie zur Photochemie. So nahm er 1911 an der ersten Solvay Konferenz teil, auf der die damals führenden Physiker über Strahlungstheorie und Quanten diskutierten.

Mit 76 Jahren trat Warburg am 1. April 1922 in den Ruhestand. Bis zu seinem Lebensende machte er von seinem Vorschlagsrecht für den Nobelpreis für Physik Gebrauch. Zu den von ihm vorgeschlagenen Kandidaten gehörten F. W. Kohlrausch (1905 /06 /07 / 09), Lummer, Wien und Planck (1910 /11) sowie Einstein (1917-1923). Im Alter von 85 Jahren starb Warbug am 28. Juli 1931.


Literatur

  • A. Einstein, Emil Warburg als Forscher, Die Naturwissenschaften 10 (1922), S. 823-828
  • E. Gerke, Warburg als Physiker, Zeitschrift für technische Physik 3 (1922), S. 186 - 192. Die Arbeit enthält eine Aufstellung der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Warburgs.
  • G. Gehlhoff, E. Warburg als Lehrer, Zeitschrift für technische Physik 3 (1922), S. 193 - 194
  • E. Grüneisen, Emil Warburg zum achtzigsten Geburtstag, Die Naturwissenschaften 14 (1926), 203 - 207
  • H. Schering, Emil Warburg und die Technik, Die Naturwissenschaften 14 (1926), 208 - 211
  • J. Franck, Emil Warburg zum Gedächtnis, Die Naturwissenschaften 19 (1931), 993 - 997
  • F. Paschen, Gedächtnisrede auf Emil Warburg, gehalten in der Akademie der Wisssenschaften am 30.6.1932, abgedruckt in: C. Kirsten u. H. G. Körber (Hrsg.) Physiker über Physiker, Band 2, Berlin 1979, 185 - 191
  • S. L. Wolf, Emil Warburg - mehr als ein halbes Jahrhundert Physik, Physikalische Blätter. 48 (1992), Nr. 4, S. 275 - 279