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Ourang Medan

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Bei der Ourang Medan handelte es sich um einen ca. 5.000 t großen Dampfer, dessen Besatzung 1947 auf offener See starb. Der "Ourang Medan"-Zwischenfall gilt als eines der eigentümlichsten Schiffsunglücke der modernen Seefahrtsgeschichte.

Verlauf des Unglücks

Die Ourang Medan sendete am 27. Juni 1947 in der Südsee einen SOS-Ruf und forderte gleichzeitig einen Arzt an. Diese Kombination zweier Notrufe galt als sehr ungewöhnlich. Dieser Notruf wurde sowohl von dem Dampfer "City of Baltimore" als auch von dem amerikanischen Dampfer "Silver Star" aufgefangen, der 1942 als "Santa Cecilia" vom Stapel gelaufen war und vermutlich zu diesem Zeitpunkt schon wieder für die in New York beheimatete Reederei Grace Line fuhr. Nach der Antwort der "Silver Star" gab die "Ourang Medan" in einem erneuten ihre Position mit 179 Grad West und 20 Grad Süd an und teilte außerdem mit, dass der Dritte Offizier tot auf der Brücke liege und der Kapitän und der Ingenieur des Schiffes ebenfalls tot seien sowie wahrscheinlich die gesamte Mannschaft des Maschinenpersonals. Während des Funkspruchs brach die Verbindung ab. Es gelang dem unbekannten Funker jedoch noch einmal, Kontakt zur "Silver Star" herzustellen mit den Worten "Ich sterbe".

Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die "Silver Star" gut 210 Seemeilen südöstlich der von der "Ourang Medan" gemeldeten Position, gut 19 Stunden Fahrtzeit von dem Havaristen entfernt, der nach eigenen Angaben treibt und keine Fahrt mehr macht. Die "Silver Star" nimmt sofort den neuen Kurs auf. Alle Versuche, neuen Funkkontakt herzustellen, scheitern. Die "City of Baltimore", die einen Arzt an Bord hat, setzt nach Absprache mit der "Silver Star" ihren Kurs fort, da sie über 800 Seeemeilen von der gemeldeten Position des Havaristen entfernt steht.

Am nächsten Tag, am 28. Juni 1947, gg. 09.00h, wird die "Ourang Medan" gesichtet. Der Schornstein zeigt keinen Rauch, auch verändert der Dampfer seine Position nicht. Eine Flagge ist nicht gesetzt. Die "Silver Star" umkreist nun den Havaristen in einer Entfernung von einigen hundert Metern und betätigt mehrmals die Schiffssirene, doch an Bord des anderen Schiffs sind keine Personen zu erkennen. Die "Ourang Medan" hat leichte Schlagseite nach Steuerbord, aber kein sichtbares Leck. Die Schiffsführung der "Silver Star" vermutet, dass die Schlagseite von schlecht gestauter Ladung oder ungleichmäßigen Kohlenverbrauch zurück zu führen ist. Beim Umrunden des Dampfers stellt man auf der "Silver Star" fest, dass auf der Steuerbordseite ein Rettungsboot fehlt. Die Taljen des fehlenden Boots mit den Leinen für die Kutterläufer hängen noch von der Bordwand des Havaristen, der einen absolut seetüchtigen Eindruck macht.

Da auch an Anruf mit einem Megaphon keine Reaktion hervor ruft, setzt die "Silver Star" ein Bord mit dem Ersten Offizier und neun Mann aus, die die "Ourang Medan" untersuchen sollen. Vier Mann entern über die Taljenläufer hoch und beginnen mit der Untersuchung des Schiffs. Aufgrund der Größe des Dampfers schätzen die Amerikaner, dass sich gut 40 Mann Besatzung auf dem Schiff befinden müssen. Schon auf dem Deck findet das Untersuchungskommando der "Silver Star" die ersten Leichen. Die Männer scheinen unter großen Qualen verstorben zu sein, weisen aber keine äußeren Verletzungen auf. Nirgendwo finden sich Blutspuren. Bei dem Personal scheint es sich sämtlich um Asiaten zu handeln. Im Funkraum finden sie den Funker, der mit ihnen den Kontakt hergestellt hatte, ebenfalls tot vor. Die Hoffnung, bei der Durchsuchung der Brücke und der Kapitänskajüte auf das Logbuch des Dampfers zu stoßen, erfüllt sich nicht. Sämtliche Schiffspapiere scheint die Besatzung des fehlenden Boots mitgenommen zu haben.

Schon frühzeitig haben vier Männer der "Silver Star" einen eigenartigen Geruch an Bord wahrgenommen. Plötzlich wird Rauch entdeckt, der auf ein Feuer im Schiff schließen lässt. Der Erste Offizier befiehlt sofort das Verlassen des Havaristen. Als das Ruderboot die Hälfte des Wegs zur "Silver Star" zurück gelegt hat, ereignen sich an Bord der "Ourang Medan" mehrere schwere Explosionen, die das Schiff jedoch nicht zerstören, sondern lediglich in Brand setzen. Die "Silver Star" beobachtet noch stundenlang den brennenden Dampfer, der sich schließlich auf die Seite legt und sinkt. Die Meerestiefe beträgt hier gut 5000 Meter.

Der Kapitän der "Silver Star" hat für den Vorfall keine Erklärung, vermutet aber, dass die "Ourang Medan" Chemikalien und Munition und/oder Sprengstoff geladen hatte. Er macht im Logbuch eine Eintragung über den Vorfall, um ihn bei der Rückkehr im Heimathafen den Behörden zu melden.

Am 12. Juli 1947, gut drei Wochen später, wird auf der Insel Taongi, die zur Gruppe der Marshall-Inseln gehört, ein Rettungsboot angeschwemmt. Von den sieben Passagieren sind sechs tot; der letzte lebende Insasse wird von einem Missionar wieder aufgepäppelt. Es handelt sich bei der Person angeblich um den Zweiten Offizier der "Ourang Medan", der sich Jerry Rabbit nennt. Danach habe der Dampfer am 7. Juni 1947 Shanghai in Ballast angelaufen, wo Rabbit angeworben wird. Die Schiffsführung des Dampfers will von ihm jedoch auffälligerweise keine Papiere sehen. Der nunmehrige Zweite Offizier vermutet, dass ein großer Teil der Besatzung auf ähnliche Weise angeworben wurde. Nach Rabbits Angaben handelt es sich um einen ursprünglich chinesischen Dampfer, der möglicherweise zum Kulitransport oder auch als Truppentransporter eingesetzt worden war.

Im Shanghai werden nachts angeblich 7000 Kisten mit unbekannten Materialien übernommen. Das Schiff läuft am Morgen des 9. Juni 1947 Richtung Süden aus. In einem kleinen Hafen, gut 80 Seemeilen südlich von Shanghai, werden noch einmal gut 8000 Kisten an Bord genommen. Rabbit vermutet, dass es sich bei der gesamten Ware um Schmuggelgut handelt. Zielort der "Ourang Medan" ist die Küste von Costa Rica, wo die Ladung auf See einem anderen Schiff übergeben werden soll. Die "Ourang Medan" soll anschließend in Panama City abgewrackt werden.

Der Kurs des Dampfers ist so angelegt, dass die üblichen Schifffahrtsrouten vermieden werden. Er führt durch die Marianen- und Karolinen-Inseln. Nach zehn Tagen, also vermutlich um den 21. Juni 1947 herum, beginnt zu erst das Heizerpersonal zu erkranken; ein Heizer stirbt sofort. Der Kapitän stellt als Todesursache Hitzschlag fest, was der Zweite Offizier für unwahrscheinlich hält, wenn auch im Maschinenraum angesichts des tropischen Klimas extreme Temperaturen herrschen. Wenige Tage später beginnt das gesamte Maschinenpersonal nach und nach zu erkranken und klagt über starke Magenschmerzen. Bei der Durchsicht der Schiffspapiere entdeckte Rabbit, dass die "Ourang Medan" 15.000 Kisten mit Schwefelsäure und Zyankali und 20 Kanister mit Nitroglyzerin geladen hatte. Rabbit vermutete, dass einige der Kisten undicht geworden waren und sich Blausäuredämpfe gebildet hatten. Da der Kapitän sich weigerte, einen Notruf abzusetzen, setzte Rabbit zusammen mit sechs Besatzungsmitgliedern auf eigene Faust ein Rettungsboot aus und entfernte sich von dem nun treibenden Dampfer, da das Heizerpersonal ausgefallen war.

Da das Beiboot weder mit Wasser noch Proviant ausgestattet war, verstarben die sechs anderen Bootsinsassen des Beiboots aufgrund der starken Hitze innerhalb weniger Tage. Auch Jerry Rabbit verstarb wenige Tage nach seiner Rettung an Erschöpfung.

Unklar ist bislang, ob und wie die "Silver Star" den Vorgang bei ihrer Rückkehr den Behörden oder der Reederei übermittelt. Sie wurde noch 1947 in "Santa Juana" umbenannt. Sie fuhr offenbar weiterhin für die Grace Line und wurde am 16. November 1970 abgewrackt. Da das Schiff offenbar nicht mehr registriert war, konnte selbst in dem Fall, dass die Schiffsführung der "Silver Star" amerikanischen Behörden den Vorfall korrekt gemeldet hatte, kein Seegerichtsverfahren eingeleitet werden. Der Vorgang scheint zum ersten Mal in einem nicht näher gekennzeichneten Artikel der Zeitschrift "We sailed together. Proceedings of the Merchant Marine Council (U.S. Coast Guard), 9 (5), im Mai 1952 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden zu sein.

Literatur

  • Otto Mielke: Dampfer „Ourang Medan“. Das Totenschiff in der Südsee. In: Anker-Hefte. Seefahrt in aller Welt, Nr. 1, Arthur Moewig-Verlag, München 1954.