Freigeist
Freigeist ist die vor allem im 18. Jahrhundert übliche und eher abwertende Bezeichnung für einen Menschen, der unabhängig von Moral, Religion und Gesetz denkt und handelt. Der lasterhafte Freigeist oder auch Libertin erscheint den damaligen Autoritäten zuweilen als moderne Verkörperung des Teufels.
Heute wird der Begriff Freigeist eher positiv gesehen und zuweilen auch (unrichtig) synonym zu Freidenker gebraucht. Die beiden Bezeichnungen sind dennoch deutlich voneinander abzugrenzen. Hauptvertreter in der Interpretation des Freigeistes dürfte wohl der Film Fight Club sein.
Einige literarische Freigeister mögen den Wandel der Auffassung im Laufe der Zeit verdeutlichen.
Das Bild des Freigeistes in der Literatur
Milder Spott
1747 verspottet der Dichter Christian Fürchtegott Gellert einen Freigeist als jemanden, der sich zeitlebens gegen die Religion wendet und im Sterben doch wieder fromm wird. Gotthold Ephraim Lessings Lustspiel Der Freigeist (1749) zeigt einen etwas lächerlichen Prinzipienreiter, der sich in seiner Sturheit nicht zu seiner Liebe bekennt, aber sich am Ende mit seinem scheinbaren Konkurrenten, einem jungen Geistlichen, durch dessen Initiative doch versöhnt.
Drastische Warnungen
Knapp 10 Jahre später gewinnt Joachim Wilhelm von Brawe mit seinem Trauerspiel Der Freigeist 1758 einen literarischen Wettbewerb. Sein Freigeist Henley begehrt Miss Granville, die jedoch Clerdon liebt. Aus Neid auf den tugendhaften und erfolgreichen Clerdon und durchaus auch aus Lust am Verderben anderer webt Henley ein Lügengespinst, was dazu führt, dass Clerdon den Bruder seiner Geliebten tötet und in der letzten Szene schließlich auch Henley und sich selbst erdolcht.
In seiner Schrift Was heißt: Sich im Denken orientieren bezeichnet Immanuel Kant 1786 die Freigeisterei als
- den Grundsatz, gar keine Pflicht mehr zu erkennen
und warnt:
- Und so zerstört Freiheit im Denken, wenn sie sogar unabhängig von Gesetzen der Vernunft verfahren will, endlich sich selbst.
Lob
Ein offen antichristlicher und freigeistiger Ansatz wird in seinen nachgelassenen Schriften von Friedrich Nietzsche gepriesen.
Gegenwart
In einer vielgelobten aktuellen Komödie Der Freigeist (Le Libertin) des französischen Autors Eric-Emmanuel Schmitt von 1997 stolpert der französische Philosoph Denis Diderot, während er am Artikel Moral für seine Encyclopédie schreibt, ständig über seine eigene Realität zwischen Seitensprüngen und ehelichen Diskussionen mit seiner Gattin. So gerät er mehr und mehr in Definitionsschwierigkeiten.
Literatur
- Christian Fürchtegott Gellert: Fabeln und Erzählungen: Der Freigeist (1746-1748)
- Immanuel Kant: Was heißt: Sich im Denken orientieren (1786)
- Friedrich Nietzsche: Der Antichrist (1888)