Theologie
Die Theologie (griechisch θεολογία, von θεός, theós - der Gott bzw. θεά, theá - die Göttin und λόγος, lógos - hier im Sinne von die Lehre) ist wörtlich die Lehre von Gott, allgemeiner die Lehre von Glaubenssystemen und Glaubensdokumenten. Oft ist konkret die christliche Theologie gemeint.
Die (christliche) Theologie versteht sich als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Quellen des Glaubens (Biblische Theologie und Historische Theologie), der systematischen Analyse und Darstellung des Glaubens (Systematische Theologie, besonders Fundamentaltheologie und Dogmatik) und der Glaubenspraxis (Praktische Theologie). Anders als manche Vertreter der Naturwissenschaft geht die Theologie jedoch gleichzeitig von der Unmöglichkeit eines rein objektiven, neutralen Standpunktes in der Gottesfrage aus. Aus diesem Grund bekennen sich die meisten Theologen zu einer konkreten Konfession.
Methodik
Viele der in der Theologie üblichen Analysesysteme und Methodiken werden auch im Bereich der Linguistik, der Philosophie oder der Geschichtswissenschaft verwendet. Dies ermöglicht den wissenschaftlichen Diskurs zwischen evangelischen, katholischen, orthodoxen, jüdischen, atheistischen und andersgläubigen Wissenschaftlern, wie er zum Beispiel in der Religionsgeschichte und in der Biblischen Wissenschaft (Exegese) üblich ist. Dennoch hat jede Theologie ihr Spezifikum in der Art und Weise, wie sie ihren "Gegenstand" (Materialobjekt) und ihren methodischen Zugang (Formalobjekt) definiert. Beispielsweise ist für die christliche Theologie primär der (dreieinige Gott) selber das "Materialobjekt", während der spezifische Zugang zu ihm durch Offenbarung in die Bestimmung des Formalobjekts eingeht.
Historische Entwicklung des Begriffs
Der Begriff theologia hat seinen Ursprung nicht in der christlichen Religion, sondern tritt erstmals in der griechischen Antike auf. Dort bezeichnete Theologie (=Rede von Gott) das Singen und Erzählen (gr. mythein) von Götteregschichten. Der älteste Beleg für dieses mythische Verständnis von Theologie findet sich in Platons "Staat" (379a). Platon legt an die Göttermythen der kritisierten Theologie den kritischen Maßstab der Frage nach der Wahrheit als dem Einen, Guten und Unveränderlichen an. Bei Aristoteles zeigt sich dann eine Umprägung des Theologiebegriffs: Theologie als die oberste der theoretischen Wissenschaften richtet sich hier nun auf das Göttliche als dem ersten und eigentlichen Prinzip (Metaphysik 1064a/b). Die Theologie hat sich damit von der Mythik hin zur Metaphysik gewandelt.
Bereits im zweiten Jahrhundert wird der Begriff von christlichen Autoren aufgegriffen, die ihn nun im Kontrast zur mythologia (Erzälen von Göttergeschichten) der polytheistischen heidnischen Autoren verwendeten. Bei Eusebius bedeutet der Begriff dann etwas wie "das christliche Verständnis von Gott". Bei allen patristischen Autoren bezog sich der Begriff jedoch nicht auf die christliche Lehre im Allgemeinen sondern nur auf die Aspekte von ihr, die sich direkt auf Gott bezogen. So wurden als einzige frühchristliche Autoren der Autor des Johannesevangeliums und Gregor von Nazianz spezifisch als Theologen bezeichnet, weil Gott bei ihrer Lehre im Mittelpunkt stand.
Im Hochmittelalter, als die ersten Universitäten theologische Fakultäten hatten, bekam der Begriff dann bei Peter Abaelard und Bonaventura erstmals die allgemeinere Bedeutung das Gebiet des heiligen Wissens, das die gesamte christliche Lehre umfasste. Zum feststehenden Begriff in diesem Sinn wurde Theologie dann insbesondere aufgrund der Summa Theologia von Thomas von Aquin, der Theologie in erster Linie als spekulatives und theoretisches Gebiet sah.
Erst die Reformatoren versuchten, die praktischen Aspekte der Theologie wiederzufinden. So waren viele frühe protestantische Akademien und Seminarien speziell auf die Ausbildung von Pastoren ausgerichtet. Spätere protestantische Autoren, die an Universitäten unterrichteten, kamen wieder zum mittelalterlichen Verständnis der Theologie als theoretischem Gebiet zurück, auch wenn sie deutlich machten, dass sie bestimmte praktische Implikationen auf dem Gebiet der Spiritualität und der Ethik hatte.
Christliche Theologen in der Alten Kirche waren in der Regel Bischöfe, im Mittelalter in der Regel Mönche, und seit der Reformation sind sie an den Universitäten zu finden.
Theologie und religiöse Praxis
Die theologische Beschäftigung mit dem Glauben ist vor allem für das Christentum sowie für das Judentum eigentümlich, da die theoretische Reflexion des Glaubens in der Tradition dieser Religionen stark verankert ist. Diese Reflexion ist aus christlicher und jüdischer Sicht nicht nur Selbstzweck, sondern notwendig für die religiöse Praxis der Kirche beziehungsweise der einzelnen Gemeinden.
Eine Übertragung des Begriffs auf andere Religionen ist möglich, jedoch wegen des Selbstverständnisses der Theologie als Wissenschaft nicht immer unproblematisch. So lehnt beispielsweise die große Mehrheit der Muslime den Versuch ab, die Entstehungsgeschichte ihrer Heiligen Schriften anhand von linguistischen und archäologischen Beobachtungen zu rekonstruieren, auch wenn es in der Forschung Ansätze hierzu gibt. Auch in Teilen des Christentums gibt es Vertreter jener Ansicht, die den wissenschaftlichen Anspruch der Theologie aufgrund ihres Bibelverständnisses ablehnen. Auch im Judentum ist die Bezeichnung jüdische Theologie umstritten. Manche sprechen lieber von jüdischer Philosophie oder jüdischer Rechtsauslegung (Kasuistik).
Theologie an den Universitäten
Christliche Universitätstheologie
Die christliche Universitätstheologie in Deutschland, Österreich und in der Schweiz gliedert sich in evangelische, katholische, orthodoxe und altkatholische staatliche Fakultäten und kirchliche Hochschulen. Diese bieten Studiengänge zur Ausbildung von Religionslehrern und Geistlichen für die Evangelische Kirche in Deutschland, die Römisch-katholische Kirche, die orthodoxen Kirchen und die Altkatholische Kirche. Die Hochschulen weisen zum Teil deutliche unterschiedliche Ausprägungen auf. Durch den Dozententausch - beispielsweise im Rahmen einer Gastvorlesung - gibt es hier jedoch befruchtenden Austausch. Traditionell eher lutherisch beziehungsweise reformiert orientierte Hochschulen oder auch einzelne Lehrstühle sind vorhanden. Es gibt auch Hochschulen, die sich einem eher pietistischen Erbe verpflichtet wissen. Daneben gibt es im nichtstaatlichen und freikirchlichen Bereich eine Reihe von unabhängigen theologischen Hochschulen oder auch Instituten, die ein Theologiestudium auf Hochschulniveau anbieten. Dazu gehören beispielsweise die evangelikale Freie Theologische Akademie (FTA) Gießen, die ein Studium auf Hochschulniveau anbietet (Abschluss: M.Div.-Äquivalent), die ebenfalls evangelikale Staatsunabhängige Theologische Hochschule (STH) Basel (Abschluss: M. Th.; Möglichkeit zur Promovierung). Beide Institute sind konfessionell unabhängig und offen. Daneben gibt es auch Institute, die konfessionell gebunden sind. Dazu gehören beispielsweise das methodistische Theologische Seminar Reutlingen und die adventistische Theologische Hochschule Friedensau. Im freikirchlichen Sektor findet die Ausbildung der Pastoren und Prediger im ganz überwiegenden Masse auf Bibelschulen statt. Dazu gehören beispielsweise das dem Bund FEG Deutschland zugehörige Theologische Seminar in Ewersbach oder das Theologische Seminar Beröa des Bundes freikirchlicher Pfingstgemeinden in Erzhausen bei Darmstadt und das Theologische Seminar des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden / Baptisten in Wustermark-Elstal bei Berlin. Als freies Werk innerhalb der Evangelischen Landeskirche bietet das Theologische Seminar Adelshofen ein Masterstudium in Praktischer Theologie in Verbidung mit der University of South Africa an (Abschluss: MTh).
Eine Darstellung der Teildisziplinen christlicher Universitätstheologie findet sich unter dem Stichwort Christliche Theologie.
Judaistik
In Heidelberg gibt es eine staatliche Hochschule für Jüdische Studien. Auch gibt es an mehreren Universitäten Studiengänge für Judaistik, die Juden und Nichtjuden offen stehen.
Islamwissenschaft
Die islamwissenschaftlichen Institute und Seminare der Universitäten beschäftigen sich mit der Geschichte und Praxis des Islams.
Andere Religionen
Für die anderen Religionen gibt es an den Universitäten keine konfessionell gebundenen Fakultäten und Seminare. Es findet zwar im Rahmen der Vergleichenden Religionswissenschaft eine wissenschaftliche Beschäftigung mit vielen Religionen und ihren Inhalten statt, jedoch ist die Perspektive und Methodik hierbei deutlich von einer theologischen Heransgehensweise unterschieden.
Welche Theologie?
Drei Konzeptionen der Theologie sind wohl unzureichend:
1. Theologie als verlängerter Arm des kirchlichen Lehramtes; z.B. (im Falle der röm.-kath. Theologie) als "Sprachrohr des Papstes". In diesem Falle würde sie eine rein ideologische Funktion ausüben.
2. Theologie als Thematisierung der Erlebnisse einer bestimmten Gruppierung/Bewegung. Diese Theologie wäre auch ideologisch und zudem provinzialistisch.
3. Theologie als die Wissenschaft, die die ewig gültige Lehre in eine angepasstere Sprache übersetzt. Es geht tatsächlich um mehr als um ein Übersetzungsproblem. Es kann nicht nur darum gehen, die guten alten traditionellen Lösungen in eine neue Sprache zu fassen. Es stellen sich ganz neue Probleme, die beantwortet werden müssen.
Insofern ist es am sinnvollsten, die Theologie zu verstehen als eine Mittlerin zwischen Vergangenheit und Zukunft sowie zwischen Lehramt und Gottesvolk, und dies in zwei Richtungen: Einerseits bemühen sich die Theologen um einen reflektierten Ausdruck des Glaubenslebens der christlichen Gemeinschaft. Andererseits bemühen sich die Theologen, die offizielle Lehre der Kirche zu erklären und zu interpretieren, so dass es in den Herzen und in der Vernunft der Gläubigen angenommen werden kann. Gegenstand der Theologie ist der Glaube.
Die Theologie ist kritische und konstruktive Reflexion der christlichen Botschaft. Dafür braucht der Theologe einen gewissen Freiheitsraum, damit er dieser schwierigen Mittlerfunktion nachkommen kann. Der Theologe fühlt sich persönlich verantwortlich für die Zukunft des Glaubens vor der kritischen Instanz der menschlichen Vernunft. Und er weiß, dass er nicht nur die progressiven Häresien, sondern auch - und vielleicht insbesondere - die konservativen Häresien kritisieren muss.
Fremdverständnis
Die Theologie wird von Kritikern als eine der zahlreichen an Universitäten und anderswo verbreiteten Halb- und Pseudowissenschaften angesehen, siehe dazu z.B. diese Kurzfassung. Dies erregt natürlich Widerspruch; dessen detaillierte Diskussion ist regelmäßig nur noch den Streitenden verständlich (Nein! - Doch!). Bemängelt werden vor allem:
- die fehlende Ergebnisoffenheit: "Gott", "der Glaube", "die Offenbarung" und dergleichen werden vorausgesetzt;
- die fehlende Ergebnisoffenheit: Theologische "Lehrstühle" werden im Einvernehmen mit der Kirche besetzt und zumindest bei den Katholiken ist eine Lehrerlaubnis erforderlich; tatsächlich ist das Fach als solches auf die sog. "Glaubenspraxis" ausgerichtet und würde ohne aktive Bejahung dieses sog. "Glaubens" in Philologie, Hebräistik, Geschichte und Religionswissenschaft aufgehen;
- das Fehlen von Falsifizierbarkeit, insbesondere bei den Grundlagen des sogenannten Glaubens; Teildisziplinen können durchaus falsifizierbar sein und überschneiden sich typischerweise dann mit anderen Fächern;
- das Fehlen eines universellen Wahrheitsanspruches: so wie es keine Deutsche Physik oder Chilenische Physik gibt, sollte es auch nur eine Theologie geben; es gibt aber (sich widersprechende!) katholische, evangelische, islamische usf. "Theologien".
- die Inklusion als antisozial angesehener Teildisziplinen wie "Missionswissenschaft", die formal die Wissenschaftskriterien, z.B. die Falsifizierbarkeit, erfüllen können, aber für Kritiker aus ethischen Gründen unakzeptabel sind. Dieser Vorwurf wird auch gegen die Theologie als Ganzes erhoben: während die Wissenschaften das Ziel hätten, Wahres von Unwahrem zu trennen, habe die Theologie das Ziel, den "Glauben" unabhängig von seiner Wahrheit auszudeuten (sog. "Exegese"), zu verbreiten ("Missionswissenschaft") und zu rechtfertigen ("Apologetik"). Demzufolge sei die Theologie im Kern unwissenschaftlich, egal in welche wissenschaftlichen Mäntelchen sie sich kleide und welche Methoden sie benutze, ähnlich der Astrologie, die auch nicht deshalb zur Wissenschaft werde, weil ein Astrologe eine korrekte Planetenberechnung vornehme. Einer der klassischen Vorwürfe gegen die Theologie war historisch immer der der mangelnden Wahrheitsliebe und intellektuellen Redlichkeit; nicht jeder drückte es allerdings so krass aus wie Friedrich Nietzsche: "Was ein Theologe als wahr empfindet, daß muß falsch sein: man hat daran beinahe ein Kriterium der Wahrheit." (Der Antichrist)
Literatur
- Oswald Bayer, Theologie, Handbuch Systematisch Theologie Bd. 1, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1994
- Alf Christophersen, Stefan Jordan: Lexikon Theologie. 1. Aufl. Reclam, Ditzingen 2004 ISBN 3150105455
- Erwin Fahlbusch (Hrsg.): Taschenlexikon Religion und Theologie, 5 Bde, Vandenhoeck & Ruprecht, 1983, ISBN 3-525-50123-4
- Giovanni Sala: Kontroverse Theologie, Bonn 2005.
Weblinks
- katholische Kirche in Deutschland: Theologie
- katholische Kirche in Deutschland: Theologiestudium
- theology.de - Die Info-Website für Theologie u. Kirche. Kostenloser NEWSletter
- LLEK - Verzeichnisse zu Theologie und Religionswissenschaften
- Fachportal Religion und Theologie - von der Bibliothek der TU Braunschweig
- theologie-links.de - von Marcus Heydecke (Schwerpunkt christliche Theologie)
- Theologie Forum - Theologie allgemein und einzelne Disziplinen
- Theologie-Systematisch Aktuelle Literatur zur Theologie
- Münsteraner Forum für Theologie und Kirche Auswahl aktueller theologischer Aufsätze u.Ä.
- Einführung in das Theologiestudium kleiner Aufsatz mit Informationen über die theologischen Teildisziplinen
Siehe auch
- Christliche Theologie; Dialektische Theologie; Erfahrungstheologie; Erlanger Theologie; Erweckungstheologie; Katholische Theologie; Konfessionelle Theologie;Liberale Theologie; Luthertum; Natürliche Theologie; Negative Theologie; Neologie; Neuluthertum; Orthodoxie; Pantheismus; Panentheismus; Pietismus; Protestantismus; Physikotheologie; Spekulative Theologie; Supranaturalismus; Theologischer Rationalismus; Übergangstheologie; Vermittlungstheologie; Wolffianismus
- Systematische Theologie; Fundamentaltheologie; Dogmatik; Christologie; Ekklesiologie; Eschatologie; Gnadenlehre; Gotteslehre; Soteriologie; Theologische Ethik
- alphabetische Liste von Theologen; Kategorie Theologen; chronologische Liste deutscher Theologen
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