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Der Herr ist kein Hirte

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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet (engl. God Is Not Great: How Religion Poisons Everything) ist ein 2007 in den USA erschienenes religionskritisches Buch des Autors und Journalisten Christopher Hitchens.

Inhalt

Hitchens vertritt die Thesen, dass Religion gewalttätig, irrational und intolerant sei, dass sie dem Rassismus, dem Tribalismus und der Bigotterie nahe stehe, sich in Unwissenheit hülle, dem Freidenkertum feindlich gegenüber stehe und sich Frauen gegenüber verächtlich und Kindern gegenüber nötigend verhalte.
Er untermauert seine Thesen mit einer Mischung aus dokumentierten geschichtlichen Fakten, kritischer Analyse religiöser Texte und persönlichen Anekdoten - besonders in letzteren überspitzt er oft das Gesagte, benutzt eine drastische Wortwahl und unterlegt es oft mit ironischem Unterton und Wortneuschöpfungen. Sein Kommentar bezieht sich hauptsächlich auf die Abrahamitischen Religionen, obwohl er auch andere Religionen wie Hinduismus und Buddhismus einbezieht.

Nach Ansicht von Hitchens bleiben vier Einwände gegen den religiösen Glauben ohne Einschränkungen bestehen:[1]

  • Religiöser Glaube stelle die Ursprünge des Menschen und des Universums völlig falsch dar,
  • er verbinde infolge dieses Irrtums ein Höchstmaß an Unterwürfigkeit mit einem Höchstmaß an Solipsismus,
  • er sei sowohl Folge als auch Ursache einer gefährlichen sexuellen Repression,
  • und er fuße letzten Endes auf Wunschdenken.

Das Buch enthält die folgenden 19 Kapitel, Referenzlisten für jedes Kapitel, und ein generelles Stichwortverzeichnis.

Kapitel 1: Gelinde gesagt

Engl. Putting It Mildly.
Hitchens beschreibt seine eigene Bewusstwerdung als 9-Jähriger, als er die ersten Widersprüche in den Aussagen seiner freundlichen Naturkunde- und Religionslehrerin und in denen der anderen Lehrer bemerkte. Deren zum Teil textanalytische Lehrmethoden (z. B. Bibelstellen finden) – und nicht etwa traumatische Erfahrungen mit Religion – brachten Hitchens zur rationalen Hinterfragung religiöser Aussagen. Er weitet diesen Gedanken auf andere Menschen (Ungläubige) aus. Ob sie nie gläubig waren oder ob sie einen religiösen Glauben leicht (oder nach einem Kampf) hinter sich gelassen haben: Sie mögen unterschiedlicher Meinung sein, aber ihnen ist gemeinsam, dass sie der Irrationalität des religiösen Glaubens oder dem nicht Nachvollziehbaren von Dogmen bei ihren Entscheidungen keinen Wert beimessen und trotzdem moralisch handeln und ein ethisches Leben führen können, ohne die Arroganz und ohne den dummen Stolz, zu wissen, was ein Schöpfer will oder gar denkt, oder was dieser von uns verlangt – von der Ernmährung über religiöse Riten bin hin zur Sexualmoral.[2]. Das Ziel der Ungläubigen sei nicht das Niederbrennen von Andachtsgebäuden – dies würden die Religiösen schon selber untereinander durchführen – sondern in allen Bereichen des Lebens Freiheit von religiösen Verpflichtungen, Verhaltensweisen und Drohungen zu erreichen.

Kapitel 2: Religion tötet

Engl. Religion Kills.
Eine Woche vor dem 11. September 2001 wurde Hitchens während einer Podiumsdiskussion mit folgender Frage konfrontiert: Wenn er (Hitchens) sich alleine und nachts in einer fremden Stadt befinden würde und sähe mehrere Männer auf sich zukommen, würde er sich sicherer oder weniger sicher fühlen, wenn er wüsste, dass diese Männer gerade aus einer Gebetsversammlung kämen? Hitchens zählte daraufhin einige „unbekannte Städte“ auf – Belfast, Beirut, Bombay, Belgrad, Bethlehem, und Bagdad („... und das sind nur die mit dem Buchstaben ‚B’...“), die er selber bereits besucht hatte und in denen er sich in einer solchen Situation tatsächlich bedroht gefühlt hätte[3]. Er gibt daraufhin eine detailgenaue Beschreibung der dortigen sozialen und politischen Spannungen, die er den dort praktizierten Religionen zuschreibt und „die die dortige Situation vergiften würden[4].“
Auch diskutiert er die 1989 von Ayatollah Khomeini gegen seinen Freund, den Autor Salman Rushdie, ausgesprochene Fatwa, die als Reaktion auf dessen Buch Die satanischen Verse erfolgte[5] und er kritisiert Personen des öffentlichen Lebens, die äußerten, dass Rushdie doch daran selber Schuld sei.
Hitchens schreibt auch über die Ereignisse, die auf die Anschläge vom 11. September 2001 folgten, und wie insbesondere bedeutende religiöse Persönlichkeiten – Pat Robertson, Jerry Falwell und Billy Graham – die Situation für ihre eigenen Ziele vereinnahmt hätten[6].

Kapitel 3: Ein kurzer Abstecher zum Schwein

...oder: Warum der Schöpfer Schinken nicht ausstehen kann.
Engl. Short Digression On The Pig or Why Heaven Hates Ham.
Hitchens diskutiert religiös-dogmatische Verbote bestimmter Nahrungsmittel am Beispiel des Schweins, in seinen Worten "porcophobia". Ob Rind (im Hinduismus), ob Schwein (im Islam und Judentum), ob Schnecken (im Judentum): Es gebe keinen biologischen Grund, diese Tiere nicht als Nahrungsmittel anzusehen (Hitchens macht dabei für die nicht-religiösen, ethischen Varianten des Vegetarismus und des Veganismus eine Ausnahme). Trichinose sei auch kein Argument, da Fadenwurmbefall in allen Klimazonen vorkomme. Er spekuliert, dass die Ähnlichkeit des Schweins mit dem Menschen eine Kannibalismus-Angst hervorgerufen haben könnte; diese könnte in die Religion eingeflossen sein und bis heute dogmatisch beibehalten worden sein. Fanatische Muslime verlangen erfolgreich, dass Kinderbücher und -spielzeuge (Die drei kleinen Schweinchen, Miss Piggy, Piglet von Winnie der Pu) und andere Gegenstände, die mit Schweinen zu tun haben, aus dem öffentlichen Leben entfernt werden[7].

Kapitel 4: Eine Anmerkung zur Gesundheit und ihre Gefährdung durch die Religion

Engl. A Note On Health, To Which Religion May Be Hazardous.
Hitchens untermauert seine Meinung, dass das Verhältnis der Religion zur Medizin „schwierig und häufig von Feindschaft geprägt“ sei[8], mit seiner Erfahrung als Ausschussmitglied in Bengalen, um dort die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung vorzubereiten, als Muslime das Gerücht streuten, dass dies eine Verschwörung des Westens sei, um Impotenz und Diarrhoe auszulösen[9]. Dasselbe Verhalten – durch eine Fatwa unterstützt – brachte die Kinderlähmung 2005 zurück nach Nigeria und wurde zusätzlich durch Pilger in bereits poliofreie Gebiete weiter verbreitet.
Die Römisch-katholische Kirche – mit der Stimme von Kardinal Alfonso López Trujillo, Präsident des Pontifikalen Rates für die Familie – ließ verlauten, dass Kondome keinen Schutz gegen AIDS bieten würden, was in Afrika den Schutz vor dieser Krankheit vermindern und auf anderen Kontinenten, z.B. Südamerika, der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten Vorschub leisten könnte[10]. Hitchens vertritt die Meinung, dass sowohl in katholischen wie auch in muslimischen Glaubensgemeinschaften die Meinung herrschen könne, dass AIDS eine Strafe für sexuelle Sünden sei – speziell bei homosexuellem Verhalten[11].
Weitere Beispiele sind die Entfernung der beschnittenen Vorhaut mit dem Mund durch konservative Rabbiner (noch heute in New York erlaubt)[12], Verweigerung von Bluttransfusionen bei Zeugen Jehovas [13], körperliche Selbstkasteiung und Jerusalem-Syndrom, sowie und Massenselbsttötungen extremer Sekten.
Das Kapitel schließt mit dem Hinweis auf die ultimative Gesundheitsbedrohung durch religiösen Glauben: Die fatalistische Akzeptanz oder sogar die gewollte Herbeiführung einer prophezeiten Apokalypse in der Endzeit.[14].

Kapitel 5: Die metaphysischen Behauptungen der Religion sind falsch

Engl. The Metaphysical Claims of Religion Are False.
Hitchens behauptet, dass die Zeiten lange vorbei seien, in denen der dominierende Glaube jeder Form von logischem Denken Einhalt gebieten konnte. Er vergleicht das, was ein Schulkind heute über die Welt weiß, mit dem Gemeinwissen der Welt in der Zeit von Thomas von Aquin und wie „Väter des Glaubens“ (nicht etwa „Mütter“[15]) mit ihrem Weltunverständnis diese Welt erklärten und sich ein Limbo für ungetaufte Kinder ausdachten[16].
Er verwendet das Beispiel von Laplace ("Je n'ai pas besoin de cette hypothèse" [Ich benötige diese Hypothese [Gott] nicht)[17], um zu zeigen, dass bereits Laplace keinen Gott benötigte, um seine Erkenntnisse der Himmelsmechanik zu erklären. Hitchens würdigt die Methodik des Franziskaners William von Ockham, der das Sparsamkeitsprinzip einführte, mit seinem Skalpell der Logik Unnötiges entfernte und dafür der Häresie beschuldigt wurde.
Hitchens fordert auch, dass heute die gelegentlich ausgestreckten Hände von Religionsführern in Richtung auf aufgeklärtes Denken nicht ergriffen werden müssten, da eben diese Religionen diesen Handschlag über Jahrhunderte hinweg barbarisch verweigert hätten[18].

Kapitel 6: Gott als Gestalter

Engl. Arguments From Design.
Nach Hitchens lehren die Abrahamitische Religionen den Menschen, sich als „elende und schuldige Sünder einem verärgerten und eifersüchtigen Gott zu Füßen (zu) werfen“ und ihr Leben als erbärmlich anzusehen, als „eine Zeitspanne, in der man sich auf das Jenseits oder auf die Ankunft – oder Wiederkehr – des Messias vorbereitet.“ Andererseits, so Hitchens, lehren diese Religionen, dieser Gott habe das Universum speziell für eben dieses arme Wesen geschaffen und kümmere sich persönlich um jeden Einzelnen.[19]. Hitchens zeigt an Beispielen (Busunglück in Sri Lanka, Grubenunglück in West Virginia), wie religiöses Denken in bestimmten Situationen Muster von göttlicher Wirkung („ein Wunder“) zu erkennen glaubt.
Ein göttliches, intelligentes Design – oder die Abwesenheit eines solchen – diskutiert Hitchens am (menschlichen) Ohr, dem Auge, den Eigenschaften der Erde, an der Tatsache, dass etwa 98 % aller Arten, die je auf der Erde lebten, auch wieder ausgestorben sind, und an der “Richtungslosigkeit” der Evolution, die seit 30 Jahren an Finken auf den Galapagos-Inseln im Detail studiert wird und auch beim Menschen bestätigt werden kann (Laktose(in)toleranz)[20].

Kapitel 7: Die Offenbarung: Der Albtraum des »Alten« Testaments

Engl. The Nightmare Of The Old Testament.
Hitchens erwähnt Anachronismen und Inkonsistenzen im Text des Alten Testaments. Er erläutert an den Zehn Geboten (und deren verschiedenen Übersetzungen und Auslegungen) seine Sicht, dass diese von Menschen geschrieben wurden ("man-made") und nicht von einem Gott[21] (Beispiel: die göttlichen Regeln für den Besitz und die Haltung von Sklaven in Exod. 21). In Folge diskutiert er die von Moses (oder Gott) angeordneten Tötungen von Männnern, Frauen und Kindern durch Schwert oder Stein. „Mit Erleichterung“ stellt er dazu fest, das keines der im 2. Buch Mose beschriebenen „schaurigen und geistesgestörten Ereignisse“ je stattgefunden habe [22], und weist auf Forschungsergebnisse von Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman hin sowie auf Ungereimtheiten im Text der Bibel selbst.

Kapitel 8: Das »Neue« Testament stellt das »Alte« mit seiner Bösartigkeit in den Schatten

Engl. The "New" Testament Exceeds The Evil Of The "Old" One.
Hitchens verfolgt, wie Prophetien im Text des Alten Testaments im Neuen Testament fortgeführt werden, und kommt zu dem Schluss, dass das Neue Testament „eine recht grobe Flickarbeit [sei], die lange nach den beschriebenen Ereignissen zusammengeschustert wurde und in der immerzu improvisiert wird, damit am Ende alles zusammenpasst.“[23]. Während H. L. Mencken geglaubt habe, dass einige Ereignisse des Neuen Testaments historisch belegt werden könnten, meine er (Mencken) doch, „dass die meisten [...] unzweifelhafte Anzeichen dafür aufweisen, dass nachträglich Änderungen vorgenommen wurden.“[24]. Hitchens weist auf weitere Inkonsistenzen bezüglich der historischen Umstände um den Zeitpunkt von Jesu Geburt hin (Lukasevangelium) und auf Inkonsistenzen zwischen den Evangelien (zum Beispiel bei der Beschreibung der Kreuzigung Jesu). Die „Ungereimtheiten“ des Neuen Testamentes seien, „abgesehen von Ausflüchten wie der von der »Metapher« und dem »Christus des Glaubens«, noch von keiner christlichen Autorität hinreichend erklärt“ worden.[25]
Nach weiteren Beispielen und dem Hinweis auf Textanalysen des Johannesevangeliums durch Prof. Bart D. Ehrman, die Inhomogenitäten der Wortwahl und des Schreibstiles zeigen, fordert Hitchens die Vertreter der Religion auf, mutig genug zu sein und zuzugeben, dass sie sich in Bezug auf den Text der Bibel nur auf den Glauben verlassen würden.

Kapitel 9: Der Koran ist jüdischen und christlichen Mythen entlehnt

Engl. The Koran Is Borrowed From Both Jewish und Christian Myths.
Hitchens listet Argumente, dass der Koran ein plagiiertes[26] Werk ist, das aus frühen Fragmenten jüdischer und christlicher Schriften entstand und erst 120 Jahre nach dem Tod Mohammeds die erste Niederschrift durch Ibn Ishaq erfuhr und dann - nach Diversifizierung in mehrere Versionen - unter dem Kalifen Uthman ibn Affan authoritativ vereinigt wurde. Dies erscheint Hitchens als ein bemerkenswerter Vorgang, das unabänderbare und endgültige Wort Gottes zu erhalten[27]. Zur Kritik an den islamischen Überlieferungen (Hadith) zitiert er eine Studie von Reza Aslan und dessen Bewertung des Orientalisten Ignaz Goldziher. Hitchens bemerkt ironisch, dass, wenn der Koran nur auf Arabisch richtig verstanden werden könne, Gott selber die Absicht gehabt haben müsste, dass Menschen anderer Sprachen sein Wort (in Form des Korans) nicht verstehen sollten. Den starken Widerstand gegen eine allseits akzeptierte Reform (einschließlich offizieller (gleichwertiger) Übersetzung für nichtarabische Muslime) legt Hitchens als tiefe Unsicherheit dieser noch vergleichsweise jungen Religion aus.

Kapitel 12: Eine Koda: Wie Religionen enden

Engl. A Coda: How Religions End.
Religionen haben einen Beginn und enden auch wieder, ob sie ein knappes Jahrzehnt bestehen wie die Milleriten, einige Jahrhunderte wie die Verehrung des Hirtengottes Pan, oder Jahrtausende wie der Osiris-Kult von etwa 2400 v. Chr. bis in die griechisch-römische Zeit.
Am Beispiel von Shabbetaj Zvi beschreibt Hitchens, wie eine religiöse Bewegung eine Eigendynamik entwickelt, wie Anhänger dieser Bewegung Ereignisse ausschmücken und wie – nach dem Verschwinden des Messias – neue Strömungen entstehen, die sich ausweiten, verzweigen, oder in Form kleiner Sekten (im Fall von Shabbetaj Zvi die Dönme) weiterbestehen.

Kapitel 13: Sorgt die Religion für besseres Benehmen?

Engl. Does Religion Make People Behave Better?.
Hitchens Antwort ist nein. Am historischen Beispiel der Sklaverei und der Rassendiskriminierung erläutert Hitchens den unterstützenden und rechtfertigenden Einfluss des Christentums und des Islam. Selbst als Martin Luther King, dessen Worte „selbst bei einem Atheisten [...] tiefe Gefühle [...] und echte Tränen hervorbringen können“[28], die Aufhebung der Rassentrennung forderte, wurde er von weißen christlichen Führern aufgefordert, sich zurückzuhalten und sich zu gedulden.
Als zweites Beispiel dient Hitchens der Freiheitskampf in Indien. Er kritisiert die Rolle von Gandhi, der Indien im Sinne seiner Religion in eine „primitive, spirituelle Gesellschaft zurückführen wollte“[29] (symbolisch: das handbetriebene Spinnrad). Religiöse Interessen des Hinduismus und des Islam verhinderten die nationale Einheit, und auch Nehru konnte die Abspaltung von Teilen des Punjab und Bengalens nicht verhindern.
Hitchens streitet ab, dass religiöser Glaube „den Menschen besser mache“[30], da die Geschichte zeige, dass religiöse Orientierungen oft mit Gewalt und Zwang eingeführt wurden, wodurch sich der Glaube an Gott als Bereitwilligkeit erweise, einfach alles zu glauben, wenn es nur verlangt werde[31]. Er erläutert mit konkreten Erlebnissen in verschiedenen Teilen der Welt, dass moralisch akzeptiertes Verhalten kein Privileg religiöser Menschen ist. Und dass es andererseits auch da, wo religiöser Glaube eine wichtige Rolle spielt, zu den schlimmsten Verbrechen kommen könne. So begann in Ruanda (65 % Katholiken und 15 % protestantische Sekten[32]) 1987 der Völkermord an der Tutsi-Minderheit, in dem alle religiösen Gruppen verwickelt waren. Hitchens erwähnt speziell den Bischof von Gikongoro, Augustin Misango.

Kapitel 14: Es gibt keine »fernöstliche« Lösung

Engl. There Is No "Eastern" Solution.
Um die Kapitelüberschrift zu belegen, führt Hitchens zuerst Ereignisse (zum Teil aus eigener Erfahrung) um den Bhagwan Shree Rajneesh in Pune und später in Antelope (Oregon) aus. Er geht über zum Bürgerkrieg in Sri Lanka, der brutal zwischen Tamilen (Hindu) und Singhalesen (Buddhisten) ausgetragen wird und schließt ab mit dem japanischen Buddhismus, der sich im Zweiten Weltkrieg als "loyaler Diener und sogar als Fürsprecher des Imperialismus'"[33] und dessen Massenmorden erwies und dessen Priester in kreuzzugartiger Manier Selbstmordkämpfer (Kamikaze) ausbildeten. Hitchens hält dem Buddhismus zugute, dass man ihn auch eher als Philosophie denn als Religion ansehen könne.

Kapitel 16: Ist Religion Kindesmisshandlung?

Engl. Is Religion Child Abuse?.
Hitchens unterscheidet und kommentiert folgende Arten der religiös motivierten oder durch religiös-autoritären Glauben erleichterten Kindesmisshandlung:

  • Psychische „irreparable Schäden“ infolge der „Zwangsindoktrination durch den Glauben“[34], die in frühem Alter, meist wenn Kinder noch nicht die Fähigkeit zu logischem Denken erworben haben, durchgeführt werde. Diesem Vorgehen stellt er die Situation eines Erwachsenen gegenüber, der sich nach eigenem Willen für eine Religion entscheidet.
  • Lebenslange körperliche Verstümmelung durch Zirkumzision bei Jungen oder Beschneidung weiblicher Genitalien bei Mädchen, die an wehrlosen Kindern – im religiösen Umfeld zumeist von Nicht-Medizinern – durchgeführt werde und weder medizinisch notwendig sei, noch aus Sicht des Intelligent Design verständlich sei[35], und die in dokumentierten Fällen zum Tode der Kinder geführt habe[36]. Speziell die weibliche Genitalverstümmelung sei ein Ausdruck der Sexualfeindlichkeit und bewirke einen lebenslangen Verlust an natürlicher sexueller Befriedigung.
  • Psychologische (Strafen, Drohungen), physische (Schläge) sowie sexuelle Misshandlung (Missbrauch, Vergewaltigung) von Kindern und Jugendlichen durch religiöse Vertrauenspersonen. Solche Fälle von Kindesmisshandlungen wurden in den USA für Mitglieder der Römisch-Katholischen Kirche dokumentiert und vor Gericht verhandelt.[37]

Kapitel 17: Einen Widerspruch vorweggenommen

Der letzte verzweifelte Einwand gegen den Säkularismus.
Engl. An Objection Anticipated.
Als letztes pro-Religion-Argument könnte verbleiben: Totalitäre Systeme können noch schlimmer sein als jede Religion.
Hitchens listet die Gemeinsamkeiten zwischen Religion und Totalitarismus: Gottgleicher Status (Allmacht) des Herrschers; Kontrolle der Privatsphäre; Gedankenbeeinflussung des Einzelnen; Verteufelung anders Denkender und Buchverbrennungen; absoluter Gehorsam (glauben statt denken); Heilsprojektion auf die Zukunft; „höhere“ und nicht für jeden verständliche Werte und Ziele; Mumifizierung oder Ikonisierung verstorbener Herrscher/Heiliger; Endsiege/Endzeiten/Paradise, „Jede Kritik am System ist per definitionem profan“[38]. Durch diese Ähnlichkeit könnten totalitäre Systeme relativ einfach existierende religiöse Systeme ersetzen[39]. Wer der totalitären Denkart anhänge, müsse nicht unbedingt eine Uniform tragen und eine Keule oder eine Peitsche bei sich führen. Er müsse nur seine eigene Unterwerfung wollen und sich an der Unterwerfung anderer erfreuen.[40]
Hitchens erläutert, wie das Auftreten des Faschismus in Ländern mit katholischer Bevölkerung auf fruchtbaren Boden fiel[41]: (1929) Lateran Pakt zwischen Mussolini und dem Vatikan; La Crujada (Kreuzzug) von Franco, Admiral Horty in Ungarn, Hitler und die Katholische Kirche (Absprachen mit dem Vatikan, einschließlich der offiziellen Feiern zu Hitlers Geburtstag; Rolle von Pius XII.; dazu paralleles Verhalten deutscher Protestanten[42]), Maurras's Action Française und Croix de Feu in Frankreich, die Blue Shirts in Irland).
Dieses Schema überdauerte den Krieg, als der Vatikan ehemaligen Nazionalsozialisten half, in südamerikanische, katholische, faschistische Länder zu entkommen. Hitchens erkennt das Verdienst der Katholischen Kirche in Deutschland an, dass sie sich gegen Hitlers Euthanasie-Pläne wendete. Die Christen, die sich vor und im Krieg nicht konform verhielten, taten dies nicht auf Weisung ihrer Kirche, sondern aus eigenem Antrieb.
Im imperialistischen Japan war - noch deutlicher - das Staatsoberhaupt Hirohito gleichzeitig als Gott-Kaiser angesehen. Hitchens macht ähnliche Analysen für kommunistische Systeme und zieht Parallelen zwischen den Werken von George Orwell, der sagte „Ein totalitäres Staatssystem ist praktisch eine Theokratie...[43]. Allein das Vorliegen eines „Gedankenverbrechens“ ("Thoughtcrime") sei schon strafenswert (wie höllisch das Ganze sei, habe Orwell schon in seiner von „christlichen Sadisten“ geführten Schule erkannt.[44]). Sein Roman 1984 sei praktisch eine Gebrauchsanweisung für die „Nekrokratie“ von Kim Il Sung und seinem Sohn in Nordkorea[45].

Kapitel 18: Eine edlere Tradition: Die Vernunft setzt sich zur Wehr

Engl. A Finer Tradition: The Resistance Of The Rational.
Hitchens vermutet, dass es Unglauben und ungläubige Menschen schon immer gegeben habe, und dass angesichts der Strafen, die dafür drohten, das Verschweigen dieses Unglaubens zur Überlebensstrategie wurde. Das Argument sei wertlos, dass christlichem oder islamischem Glauben der Ruhm für Architektur oder Wissenschaft gebühre, da auch andere mehr oder weniger ungläubige Menschen zu diesen zivilisatorischen Fortschritten beigetragen hätten[46].
Er diskutiert die Situation rationaler Denker, die Gegebenes in Frage stellten und nur ihrer eigenen inneren Führung folgten und deren individuelle Gedanken und Schriften jeweils von folgenden Generationen weitergetragen wurden: Sokrates[47], Demokrit (dessen Atomismus Jahrhunderte vom Christentum verfolgt wurde[48]), Epikur, Aristophanes, Lucretius, Galileo, im 17. Jahrhundert im toleranten Holland mit Bayle, Descartes, Spinoza (der von der jüdischen Gemeinde in Amsterdam mehrfach verflucht wurde, unter dem Applaus des Papstes[49]), Payne, Montesquieu, Diderot, Voltaire, Matteo de Vincenti, Kant, Priestley, Gibbon, Hume, die Gründerväter der USA (die die Verfassung als säkulares Dokument ohne Gottesbezug schrieben), Darwin später im Leben, Einstein, der mehrfach seinen Unglauben erwähnte[50] und seine Ablehnung gegenüber dem Zionismus äußerte[51].

Kapitel 19: Fazit: Die Notwendigkeit einer neuen Aufklärung

Engl. In Conclusion: The Need for a New Enlightenment.

Im letzten Kapitel deutet Hitchens auf die Gefahr, dass Politiker mit Zugang zu Massenvernichtungswaffen sich durch ihren religiösen Glauben berechtigt - oder sogar berufen - fühlen könnten, Andersgläubigen ihren eigenen Glauben aufzuzwingen oder ein Harmagedon herbeizuführen. Er schließt mit den Worten:

„Above all, we are in need of a renewed Enlightenment, which will base itself on the proposition that the proper study of mankind is man, and woman. [...] The pursuit of unfettered scientific inquiry, and the availibility of new findings to masses of people by easy electronic means, will revolutionize our concepts of research and development. [...] "Know yourself," said the Greeks, gently suggesting the consolations of philosophy. To clear the mind for this project, it has become necessary to know the enemy, and to prepare to fight it.[52]

„Was wir vor allem brauchen, ist eine neue Aufklärung, die als zentrale Forschungsgebiete der Menschheit den Menschen anerkennt, Mann und Frau. [...] Die ungehinderte wissenschaftliche Forschung und die breite Verfügbarkeit neuer Erkenntnisse mittels einfacher elektronischer Hilfsmittel wird Wissenschaft und Entwicklung revolutionieren. [...] ‚Erkenne dich selbst’ wiesen die Griechen sanft auf die tröstende Wirkung der Philosophie hin. Um den Geist dafür frei zu bekommen, müssen wir den Feind erkennen und bereit sein, gegen ihn zu kämpfen.[53]

Publikation und öffentliche Aufnahme

Das Buch wurde am 1. Mai 2007 in den USA veröffentlicht und erreichte innerhalb einer Woche die Position 2 in der Amazon-Bestseller-Liste und am 3. Juni die Position 1 der Bestseller-Liste der New York Times[54].
God Is Not Great wurde am 10. Oktober 2007 in der Kategorie Sachbuch (Non-Fiction) in die Liste der Kandidaten für den amerikanischen National Book Award 2007 aufgenommen[55].

Die deutsche Ausgabe wurde am 11. Oktober 2007 im Karl Blessing Verlag veröffentlicht (ISBN-10: 3896673556, ISBN-13: 978-3896673558). Die beste Platzierung des Buches war Rang 21 der Bestseller-Liste am 15. Oktober 2007[56].

Kritik

  • Eine Zusammenstellung von Kritiken aus dem englischsprachigen Raum findet sich in der englischsprachigen Wikipedia[57].
  • "Die heutigen Bestsellerautoren wie Richard Dawkins oder Christopher Hitchens bieten im Grunde nicht viel Anderes als Uraltklischees einer veralteten Vulgäraufklärung. Wir erleben gegenwärtig eine ganze Welle von fundamentalistischen Atheismen, die wir als solche durchschauen müssen." Bischof Dr. Kurt Koch, Bistum Basel[58]
  • "Die Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff wird also ganz und gar auf dem Missverständnis eines „Lückenbüßergottes“ („God of the gaps“) aufgebaut. Dafür sind Kreationismus und „Intelligent Design“ willkommene Gegner; Richard Dawkins überhöht deren Vertreter deshalb zu den maßgeblichen Repräsentanten des Christentums, ja der Religion überhaupt. Er verbindet – ebenso wie Hitchens – das zugleich mit einer maßlosen Polemik, die religiöse Erziehung mit Kindesmisshandlung gleichsetzt und das alttestamentliche Gottesbild in einer Weise beschimpft, die historischen Sinn und moralische Proportion in gleicher Weise vermissen lässt." Bericht des Rates der EKD[59]
  • "Im Gegensatz zu „Der Gotteswahn" verübt Hitchens nicht in erster Linie eine philosophische und naturwissenschaftliche Religionskritik, sondern er klagt die Religion aus historischer, kultureller und literaturwissenschaftlicher Perspektive an. [...] All diese Thesen begründet Hitchens in den folgenden Kapiteln auführlich und überzeugend. Man erfährt von der stetigen Unterdrückung von Freidenkern durch sämtliche Religionen, von der Geschichte des skeptischen Denkens und erhält eine Antwort auf die Fragen, ob Religion für besseres Benehmen sorgt und ob fernöstliche Religionen eine brauchbare Alternative darstellen. [...] Wenn Hitchens über das gestörte Verhältnis der Religion zur Sexualität redet, wird er besonders bösartig." Humanistischer Pressedienst[60]
  • "In "Der Herr ist kein Hirte" von Christopher Hitchens - das in den USA und Großbritannien wochenlang die Bestsellerlisten anführte - wird der Religion der Garaus gemacht. Man muss zugeben, dass Hitchens als Henker seine Sache sehr gründlich erledigt: Zunächst legt er der Frömmigkeit den Strick der naturwissenschaftlichen Vernunft um den Hals. Dann lässt er sie von ihren eigenen Widersprüchen vierteilen und siedet die Teile ein wenig im Öl seines gerechten Zorns. Anschließend durchsiebt er sie mit den Kugeln der Logik, und um ganz sicherzugehen, lässt er zu guter Letzt noch das Fallbeil der Ironie auf ihr Genick niedersausen. Wohlgemerkt - hier geht es nicht dem religiösen Fundamentalismus oder Fanatismus an den Kragen, sondern der Religion an und für sich." Die Welt[61]

Einzelnachweise

  1. Christopher Hitchens, God Is Not Great, Hachette Book Group, New York, 2007, S. 4; Der Herr ist kein Hirte, Karl Blessing Verlag, München, ISBN 978-3-89667-355-8, S. 15
  2. God Is Not Great, S. 10-11; Der Herr ist kein Hirte, u. a. S. 22
  3. God Is Not Great, S. 18; Der Herr ist kein Hirte, S. 30
  4. God Is Not Great, S. 27; Der Herr ist kein Hirte, S. 36, S. 38
  5. God Is Not Great, S. 28-30; Der Herr ist kein Hirte, S. 43-46
  6. God Is Not Great, S. 32; Der Herr ist kein Hirte, S. 47
  7. The Sun, 1. Okt. 2005 (in Engl.)
  8. Der Herr ist kein Hirte, S. 63
  9. God Is Not Great, S. 44-45; Der Herr ist kein Hirte, S. 60
  10. God Is Not Great, S. 47; Der Herr ist kein Hirte, S. 61
  11. God Is Not Great, S. 49; Der Herr ist kein Hirte, S. 66
  12. Der Herr ist kein Hirte, S. 67
  13. Der Herr ist kein Hirte, S. 68
  14. God Is Not Great, S. 59-61
  15. God Is Not Great, S. 63-64; Der Herr ist kein Hirte, S. 83-85
  16. God Is Not Great, S. 64; Der Herr ist kein Hirte, S. 84
  17. God Is Not Great, S. 67; Der Herr ist kein Hirte, S. 87
  18. God Is Not Great, S. 67; Der Herr ist kein Hirte, S. 88
  19. God Is Not Great, S. 73-74; Der Herr ist kein Hirte, S. 95-96
  20. God Is Not Great, S. 77-89; Der Herr ist kein Hirte, S. 100 ff
  21. God Is Not Great, S. 99-100; Der Herr ist kein Hirte, S. 124 ff
  22. Der Herr ist kein Hirte, S. 128
  23. God Is Not Great, S. 110; Der Herr ist kein Hirte, S. 137
  24. God Is Not Great, S. 110; Der Herr ist kein Hirte, S. 138
  25. Der Herr ist kein Hirte, S. 144
  26. God is not Great, S. 129
  27. God is not Great, S. 131
  28. God Is Not Great, S. 173; Der Herr ist kein Hirte, S. 213
  29. God Is Not Great, S. 182; Der Herr ist kein Hirte, S. 223
  30. God Is Not Great, S. 184; Der Herr ist kein Hirte, S. 226
  31. God Is Not Great, S. 185; Der Herr ist kein Hirte, S. 227
  32. God Is Not Great, S. 190; Der Herr ist kein Hirte, S. 232
  33. God Is Not Great, S. 201; Der Herr ist kein Hirte, S. 244
  34. God Is Not Great, S. 217; Der Herr ist kein Hirte, S. 263
  35. God Is Not Great, S. 223; Der Herr ist kein Hirte, S. 270
  36. God Is Not Great, S. 226; Der Herr ist kein Hirte, S. 273
  37. Katholische Nachrichtenagentur, 27. Sep. 2002
  38. God Is Not Great, S. 231; Der Herr ist kein Hirte, S. 279
  39. God Is Not Great, S. 246
  40. Der Herr ist kein Hirte, S. 280
  41. God Is Not Great, S. 235; Der Herr ist kein Hirte, S. 284
  42. God Is Not Great, S. 238-239; Der Herr ist kein Hirte, S. 288
  43. God Is Not Great, S. 232; Der Herr ist kein Hirte, S. 280
  44. God Is Not Great, S. 233: Der Herr ist kein Hirte, S. 281
  45. God Is Not Great, S. 248; Der Herr ist kein Hirte, S. 299
  46. God Is Not Great, S. 254; Der Herr ist kein Hirte, S. 307
  47. Der Herr ist kein Hirte, S. 307 ff
  48. God Is Not Great, S. 259; Der Herr ist kein Hirte, S. 313
  49. God Is Not Great, S. 261-262; Der Herr ist kein Hirte, S. 314 ff
  50. God Is Not Great, S. 271; Der Herr ist kein Hirte, S. 325 f
  51. God Is Not Great, S. 272; Der Herr ist kein Hirte, S. 326
  52. God Is Not Great, S. 283
  53. Der Herr ist kein Hirte, S. 338
  54. New York Times Bestseller-Liste vom 3. Juni 2007
  55. Liste der Kandidaten aller Kategorien des National Book Award 2007
  56. Buchreport Bestseller-Archiv
  57. Kritiken zu "God Is Not Great" in der englischsprachigen Wikipedia
  58. Interview mit Dr. Kurt Koch, Basel
  59. Evangelische Kirche in Deutschland
  60. Humanistischer Pressedienst (27. Sep. 2007)
  61. Welt-Online: Operation gelungen. Gott tot. (22. Sep. 2007)