Thematischer Auffassungstest
Der Thematische Auffassungstest (Thematischer Apperzeptionstest) ist ein 1935 von Henry A. Murray und Christiana D. Morgan entwickelter projektiver Test, der als Persönlichkeitstest oder, in der Motivationspsychologie, zur Messung von Motiven eingesetzt wird.
Testmaterial
In dem von der Psychoanalyse inspirierten psychodiagnostischen Verfahren legt man dem Probanden schwarz/weiße Bildtafeln vor, die überwiegend Menschen in alltäglichen Situationen zeigen. Es sind insgesamt 31 Karten. Auf der Rückseite sind die Karten in der zu präsentierenden Reihenfolge nummeriert. Manche tragen zusätzlich Buchstaben, die angeben für welche Personengruppe sie bestimmt sind. Es gibt dabei folgende Gruppen:
- B-(Boys), d. h. Jungen
- G-(Girls), d. h. Mädchen
- M-(Males), d. h. Männer über 14 Jahre
- F-(Females), d. h. Frauen über 14 Jahre
Somit werden dem Probanden von den verbleibenden 20 Tafeln in der ersten Sitzung 10 gezeigt. In der zweiten Sitzung die restlichen 10, wobei diese, wie Murray (1943) schreibt, absichtlich ungewöhnlicher, dramatischer und bizarrer seien. Außerdem ist Tafel 16 vollständig weiß.
Testung
Laut Murray (1943) soll man in der ersten Sitzung den Probanden auffordern, zu jeder der 10 Tafeln, die man ihm nacheinander zeigt, eine Geschichte zu erzählen, so dramatisch, wie er kann. Er soll dabei folgendes erzählen:
- Was führte zu der gezeigten Situation?
- Was geschieht gerade?
- Was fühlen und denken die Personen?
- Wie ist der Ausgang der Geschichte?
Für die 10 Tafeln seien 50 Minuten Zeit. Man habe also für jedes Bild etwa 5 Minuten.
In einer zweiten Sitzung soll der Proband, wie in der ersten Sitzung, zu weiteren 10 Tafeln Geschichten erzählen. Die Instruktion kann dabei etwas kürzer sein. Allerdings soll dem Probanden bei der ersten Sitzung nicht erzählt werden, dass er in der zweiten wieder Geschichten erzählen soll, da er sonst vielleicht Geschichten aus Büchern oder Filmen sammelt. Zwischen erster und zweiter Sitzung sollte mindestens ein Tag liegen.
Zusätzlich soll noch ein anschließendes Interview geführt werden, um den zur Interpretation wichtigen biografischen Hintergrund zu den Geschichten kennenzulernen. Dieses Interview könne sofort im Anschluß geführt werden oder um wenige Tage aufgeschoben werden.
Auswertung
Aus den Inhalten der Geschichten schließt der Untersucher auf das innere Erleben und die persönliche Wahrnehmung des Probanden zurück. Die Auswertung erfolgt entweder über einen Auszählungsmechanismus nach relativ objektiven Kriterien - auch EDV-gestützt - oder durch eine intuitiv-ganzheitliche Betrachtung.
Im Manual des Tests von Murray (1943) macht der Autor Vorschläge für die Auswertung, jeder einzelnen Geschichte:
1. Feststellen, wer der literarische Held der Geschichte ist.
2. Feststellen, welche Motive, Bestrebungen und Gefühle der Held hat, sprich "needs".
3. Feststellen, welchen Einfluss die Umwelt des Helden hat, sprich "presses".
4. Feststellen, welchen Ausgang die Geschichte hat.
5. Feststellen, welches Thema die "need"-"press"-Kombination in Verbindung mit dem Ausgang bildet.
6. Feststellen, welche Interessen und Gefühle der Erzähler damit ausdrückt.
Wichtig für die Auswertung sei auch, die biografischen Daten die im anschließenden Interview gesammelt wurden mit einzubeziehen.
Validität
Die Validität des TAT wird angezweifelt, da weder die Kriterien der Retest-Reliabilität, noch der internen Konsistenz ausreichend erfüllt werden.
Gegen diese Kritik wird angeführt, dass jene Testgütekriterien zur Validitätseinschätzung des TAT nicht geeignet seien. Die geringe Retest-Reliabilität beruhe darauf, dass den Teilnehmern aufgetragen werde, fantasievolle, originelle Geschichten zu erfinden. Folge-Testungen dürften deshalb zwangsläufig kaum Übereinstimmung liefern. Gestützt wird diese These dadurch, dass die Retest-Reliabilität steigt, sobald man die Probanden darauf hinweist, dass sie bei der zweiten Testung ähnliche Geschichten erzählen dürfen wie bei der ersten Teilnahme (Winter 1996). Die geringe interne Konsistenz wird auf zwei Ursachen zurückgeführt:
- Motivationale Prozesse zeigen eine sequentielle Dynamik, d. h. Bedürfnisse lassen für einige Zeit nach, nachdem sie befriedigt wurden. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Proband eine leistungsbezogene Geschichte schreibt, ist geringer, wenn er gerade eine solche geschrieben hat.
- Kognitive Prozesse zeigen eine generelle Tendenz, Wiederholungen zu vermeiden (negativer Rezenzeffekt, bekannt aus der Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsforschung)
In der empirischen Forschung hat sich der TAT bewährt, auch wenn er keine verlässlichen Aussagen über die Motive von Individuen, sondern nur über Gruppenunterschiede machen kann.
Quellen
Murray, Henry A. (1943): Thematic Apperception Test. Harvard University Press: Cambridge
Seifert, Werner: Der Charakter und seine Geschichten. München 1984
Literatur
- Heckhausen, Jutta und Heinz: Motivation und Handeln. Heidelberg 2006.
Siehe auch: Persönlichkeits- und Differentielle Psychologie, Motiv (Psychologie), Operanter Motivtest, Columbus-Test