Assyrische Kirche des Ostens
Die Ostsyrische Kirche des Ostens ist eine alte christliche Kirche, die zu den altorientalischen Kirchen gezählt wird, aber zwei Naturen Christi bekennt. Deshalb gehört sie nicht zu den monophysitisch-orthodoxen. Auch wenn man als formellen Gründungsakt erst die Synode von Beth-Lapad (484) sehen muss, ist die ostsyrische Kirche hinsichtlich ihrer Lehre die älteste heute existente Kirche, die sich getrennt hat.
Synonyme und andere Sprachen
Der offizielle Name der Kirche ist "Assyrische Heilige Apostolische Katholische Kirche des Ostens". Andere Bezeichnungen sind "Chaldäische Kirche", ""Chaldäisch-syrische Kirche", "Persische Kirche", "Mesopotamisch-Persische Kirche" "Kirchen der Syrischen Tradition" oder "Ostsyrische Kirche". Die Bezeichnung "Nestorianer" wird nur von anderen Kirchen gebraucht und ist theologisch nicht korrekt.
Die Assyrischen Christen werden manchmal auch als "Protestanten der Orthodoxen Kirche" bezeichnet.
Sie darf nicht verwechselt werden mit der Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, die zu den Altorientalische Kirchen gehört. Die Syro-Malabarischen Kirche und Chaldäisch-katholische Kirche haben sich von der Assyrischen Kirche des Ostens abgespalten und sind heute mit Rom uniiert.
Verbreitung
Heute gehören etwa 400.000 Menschen im Iran, Irak, Syrien, der Türkei, den USA und Australien der Assyrischen Kirche an. Ihr Hauptsitz war lange Zeit im Iran, ist heute aber aus politischen Gründen in Chicago in den USA.
In Deutschland gibt es eine Kirche in Wiesbaden, in Österreich eine Mission in Wien.
Lehre
Die Assyrische Kirche hält sich in der Lehre streng an das, was in der Bibel steht und lehnt alle Lehren ab, die nicht in der Schrift stehen.
Die Beschlüsse der ökumenischen Konzilien von Nicäa 325 und Konstantinopel 381 werden voll anerkannt.
Das grundlegende Glaubensbekenntnis ist das Nicäno-Konstantinopolitanum. Die Mysterien der Trinität und der Inkarnation sind zentrale Punkte der Lehre. In der Christologie vertritt sie, dass Jesus Gott und Mensch war, und dass seine zwei Naturen unvermischt, unverändert, untrennbar und ungetrennt sind.
Sakramente sind die Eucharistie (Qurbana) und die Taufe.
Der Begriff Muttergottes oder Theotokos (Gottesgebärerin) für die Jungfrau Maria wird abgelehnt, der Begriff "Mutter Christi" wird bevorzugt.
Die Nestorius vorgeworfene Häresie dass in Jesus eine göttliche und menschliche Person gewesen seien, wurde von der Assyrischen Kirche nie vertreten.
Der Monophysitismus wird ebenfalls abgelehnt.
Ein Zölibat gibt es nur für Bischöfe und Mönche. Priester dürfen heiraten, im Gegensatz zu den übrigen orthodoxen Kirchen auch nach der Priesterweihe.
Gottesdienst und Praxis
Die Kirchensprache ist aramäisch und die Bräuche sind ähnlich wie in den anderen altorientalischen Kirchen. Ikonen werden allerdings abgelehnt.
Die Eucharistie wird als Qurbana (Opfer, vgl. Hebräisch Korban) bezeichnet und wird jeden Sonntag gefeiert. Es wird immer ein Teil des geweihten eucharistischen Brotes wieder in den neuen Brotteig gemischt; dieser Brauch geht nach dem Glauben der Kirche bis auf das allererste heilige Abendmahl zurück, das Jesus Christus selbst abhielt. Die Kirche verwendet in der Eucharistie heute noch eine Liturgie von Theodor von Mopsuestia aus dem 5. Jahrhundert. Die Gemeinde steht während des Gottesdienstes. Weihrauch gehört zur Liturgie.
In der siebenwöchigen Fastenzeit vor Ostern wird auf Fleisch, Eier und Milchprodukte verzichtet.
Kirchenfeste sind Christi Geburt, Epiphanias, Palmsonntag, Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten, Fest des Kreuzes, und Heiligung der Kirche.
Von Theodor von Mopsuestia hat die Assyrische Kirche, als einzige orthodoxe Kirche, das Konzept der Allversöhnung in die Liturgie aufgenommen.
Organisation
Das Oberhaupt der Assyrischen Kirche des Ostens ist der Katholikos-Patriarch. Gegenwärtiger Inhaber des Amts ist Seine Heiligkeit Mar Dinkha IV. Khanania (geb. 1935).
Ein Bischof muss durch mindestens zwei (oder mehr) Bischöfe geweiht werden, die ihrerseits in der Apostolischen Sukzession und vollen Kommunion mit der Kirche stehen. Er bleibt so lange legitimer Bischof, wie er selbst in der vollen Kommunion mit der Assyrischen Kirche des Ostens steht.
Geschichte
Die Assyrische Kirche des Ostens führt sich zurück auf den Apostel Thaddäus (aramäisch: Mar Addai), der zwischen den Jahren 37 und 65 in Mesopotamien predigte, rechnet sich also zu den apostolischen Kirchen und den ältesten Kirchen der Welt (nach Jerusalem und Antiochia).
Der erste syrisch-sprachige Bischofssitz war Edessa im heutigen Syrien, dann ab dem dritten Jahrhundert war der zentrale Bischofssitz für Persien Seleukia-Ktesiphon im heutigen Irak (siehe auch Sassaniden). Nach den pseudo-nicaenischen Konzilsakten wurde letzterer 325 den westlichen Patriarchatssitzen gleichgestellt, historisch ist die Errichtung des Katholikats wohl erst auf 334 mit der Wahl Mar Papas anzusetzen. Auf der Synode von Beth-Lapad (484) wurde die Lehre der Assyrischen Kirche verbindlich für das Patriarchat von Seleukia-Ktesiphon, der christlichen Kirche im persichen Reich.
Im der Rivalität der Lehre zwischen der Alexandrinischen Schule und der Antiochenische Schule hielt sich die Assyrische Kirche an Antiochia.
Im nestorianischen Streit des frühen 5. Jahrhunderts nahm die Assyrische Kirche Partei für Nestorius, weil Nestorius selbst in ihrer Sicht die ihm vorgeworfene Häresie nicht vertrat und ein orthodoxes Christentum lehrte, und folgerichtig weigerte sie sich daher, ihn zu exkommunizieren. Entgegen weitverbreiteter Annahmen wurde die Assyrische Kirche des Ostens nicht von Nestorius gegründet - Nestorius stammte aus Antiochia, gehörte nie der Assyrischen Kirche an und hatte nie irgendein Amt dort, geschweige denn Bischof oder Patriarch, sondern war Patriarch von Konstantinopel.
Sie gehörte jahrhundertelang zu den lebendigsten christlichen Kirchen, die in großen Teilen Asiens missionarisch tätig war. Im Perserreich der Sassaniden wurde sie seit dem 5. Jahrhundert als Kirche geduldet (teils sogar gefördert), da sie der oströmischen Reichskirche in Konstantinopel feindlich gegenüberstand und die Sassaniden so nicht eine römische "Unterwanderung" befürchten mussten. Es gab chaldäische Gemeinden entlang der ganzen Seidenstraße und vom 7. bis 9. Jahrhundert auch in China, nach Ansicht mancher Forscher sogar in Japan. Im 13. und 14. Jahrhundert fanden europäische Reisende an der indischen Südküste und in Ceylon alteingesessene christliche Kirchen, deren Kirchensprache das Syrische war. Im 13. Jahrhundert hatte der Patriarch der Nestorianer eine Hierarchie von 25 Metropoliten und etwa 250 Bischöfen (zum Vergleich: am etwa gleichzeitigen 4. Laterankonzil, einem der Höhepunkte der mittelalterlichen Papstkirche, nahmen 400 Bischöfe teil). Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit schrumpfte die Kirche aber unter dem ständigen Druck von Islam, Hinduismus und Buddhismus stark zusammen.
Im 15. Jahrhundert wurde das Katholikat innerhalb der Assyrischen Kirche für erblich erklärt. Dies führte zur Kirchenspaltung, wobei sich der Katholikos-Patriarch der nichterblichen Fraktion der römisch-katholischen Kirche annäherte und die Chaldäisch-Katholische Kirche begründete. Sitz des erblichen Katholikats war Alqosh im Nordirak, Sicht der unierten Kirche zunächst Diyarbakir, dann Bagdad. Diese Kirche spaltete sich 1662 in ein von Rom getrenntes Patriarchat und ein Patriarchat mit Sitz in Rom.
Die erbliche Linie starb 1803 aus, und die Assyrische Kirche akzeptierte die Hierarchie des von Rom getrennten Patriarchts der Chaldäischen Kirche. 1830 wurde Johannes Hormez, der zum Katholizismus konvertierte Neffe des nestorianischen Chaldäischen Patriarchen zum Patriarchen der Chaldäisch-Katholischen Kirche eingesetzt, während die Assyrische Kirche, einschliesslich des nestorianischen Teils der Chaldäischen Kirche von der russisch-orthodoxen Kirche und den Protestanten gefördert wurden.
Die indischen Christen standen seit dem 4. Jahrhundert unter ihrer Jurisdiktion, bis die Portugiesen im 16. Jahrhundert den Anschluss an die römisch-katholische Kirche mit Gewalt durchsetzten.
Kulturell spielte die Assyrische Kirche eine wichtige Rolle bei der Tradierung des Wissens der Antike: es waren chaldäische Christen, die am Hof der arabischen Kalifen die griechischen Philosophen, vor allem Aristoteles, übersetzten - die dann über diesen Umweg einige hundert Jahre später auch in Europa wieder bekannt wurden.
Ökumene
Die Assyrische Kirche des Ostens ist Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen.
Zwischen Mar Dinkha IV und dem römisch-katholischen Papst Johannes Paul II. gab es am 11. November 1994 ein historisches Treffen im Vatikan, bei dem auch eine gemeinsame Erklärung zur Christologie unterzeichnet worde.
Danach verbesserten sich auch die Beziehungen zur mit Rom uniierten Chaldäisch-katholischen Kirche, wo seit 2001 unter gewissen Bedingungen auch eine gegenseitige Teilnahme an der Eucharistie möglich ist.
Kontroversen
Anfang des 20. Jahrhunderts beschuldigten die Türken den assyrischen Patriarchen Simon XXI. der Kollaboration mit dem russischen Reich. Den darauffolgenden Massakern fiel 1918 auch der Patriarch zum Opfer. Vor der anhaltenden Verfolgung durch irakische und kurdische Truppen floh der Nachfolger 1933 zunächst nach England. Seit 1949 residiert er in Chicago. Die Annahme des gregorianischen Kalenders und Kritik an der weiterbestehenden Erblichkeit des Patriarchats führten seit 1964 zur Abspaltung zunächst unter Mar Thomas Darmo, dann unter Mar Addai II., Katholikos-Patriarch in Bagdad. Diese Kirche, die im Irak seit 1972 staatlicherseits anerkannt wurde, wird manchmal zur Unterscheidung Ancient Holy Apostolic Catholic Church of the East genannt.
Bedeutende Angehörige der Ostsyrischen Kirche
- Ephraem der Syrer, den auch die syrisch-orthodoxe Kirche zu ihren Angehörigen zählt
- Theodor von Mopsuestia
- Diodorus von Tarsus
Siehe auch: Liste der Patriarchen der Assyrischen Kirche des Ostens