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Tur Abdin

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Der Tur Abdin ist ein Gebirgszug am Oberlauf des Tigris, der vom 4.-7. Jahrhundert die Grenze zwischen dem oströmischen (byzantinischen) Reich und dem neupersischen Reich der Sassaniden bildete und bezeichnet ein Gebiet im heutigen Südosten der Türkei.

Seine ursprünglichen Bewohner sind die Aramäer, auch Syrer genannt. Tur Abdin hieß früher Kischyari und Mosch. Die meisten ihrer Dörfer existierten bereits vor unserer Zeitrechnung und haben aramäische Namen. Die Türken haben, seitdem sie über den Tur Abdin herrschen, alle Namen in den 30er-Jahren in türkische Ortsnamen umbenannt. Die Aramäer lehnen die türkischen Bezeichnungen ab und protestieren dagegen.

Die aramäischen Bewohner vom Tur Abdin wurden schon im 1. Jahrhundert von den Aposteln missioniert. Zu den ältesten noch heute bestehenden Klöstern gehört Mor Gabriel (Quartmin), eine Gründung des 4. Jahrhunderts sowie das Ananiaskloster ("Deyrulzafaran") mit der der Kirche aus dem 6. Jahrhundert, das für Jahrhunderte auch Sitz des Patriarchen bzw. Gegenpatriarchen der Jakobiten war. Beide Klöster sind bis heute Bischofssitze der sich jetzt "orthodoxe Kirche Syriens" nennenden Jakobiten, andere alte Klöster sind Mor Malke und Mor Jakub von Salah.

Der Bischofssitz der ersten Diözese vom Tur Abdin war Hah, damals die Metropole vom Tur Abdin und Königsstadt. Hier ist auch die älteste christliche Kirche (Mutter-Gottes-Kirche), die nach aramäischen Bewohnern von Hah von den aus Betlehem zurückkehrenden Königen gebaut wurde.

Das älteste heute noch existierende und bewohnte Kloster ist das Kloster Mor Jakub in Salih. Schon vor Christus gab es diese Klosteranlage, welches ein Ort der Götzenanbetung war. Erst um 419 n. Chr. wurde das Gebäude zu einem Kloster gebaut.

Während die Eroberung durch die Araber um 640 zunächst die Befreiung von der Verfolgung der byzantinischen Reichskirche zur Folge hatte, verschlechterte sich die Lage der Christen durch die Eroberung des Gebietes durch die Türken seit 1071 zusehends. Der Tur Abdin wurde von Timur Lenk, einem türkischen Tyrannen aus der Mongolei, um 1400 massiv geplündert und zerstört. Tur Abdin war früher ein rein aramäisches und christliches Gebiet. Seine aramäische Bewohner sind syrisch-orthodox und gehören zum syrisch-orthodoxen Patriarchat von Antiochia. Bis zum Jahr 1500 gab es hier keine anderen Völker.

Besonders im 19. und 20. Jahrhundert kam es zu Massakern an den Christen, die vor allem von den Kurden durchgeführt, von den türkischen Behörden aber geduldet und gefördert wurden. 1915 kam es angesichts der Massaker an den Christen in der Türkei zu Belagerungen und zum Verteidigungskampf der Christen in den belagerten Orten Inwardo und Hah sowie im Kloster Mor Malke. Angesichts der ständigen Verletzung der Menschenrechte durch die türkische Armee und die PKK kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem Exodus der Christen nach Syrien, Libanon, Nordamerika, Europa oder Australien. Heute leben dort etwa 2500 Aramäer.

Trotz aller Massaker und Zerstörungen blieben einige wertvolle Handschriften erhalten, die sich z. T. in den west- und mitteleuropäischen Bibliotheken befinden. Der Mor Gabriel-Verein in Reinbek und die Initiative Christlicher Orient (ICO) bemühen sich um die Erhaltung dieser letzten christlichen Dörfer und Klöster in der heutigen Türkei.

Die noch von Aramäern bewohnten Dörfer sind Hah, Bequsyone, Dayro da-Slibo, Kfarze, Salah, Medyad oder Midyat, Aynwardo, Mzizah, Anhel, Kafro, Arkah, Beth Sbirino, Middo oder Midun und Azagh. In Mardin, das eigentlich nicht zum Tur Abdin gehört, leben ebenfalls noch Aramäer. Im Kloster Mor Gabriel residiert Mor Timotheus Samuel Aktas, der Metropolit der Syrisch-Orthodoxen Diözese von Tur Abdin und im Ananiaskloster (Deyrulzafaran) residiert Mor Philuxinus Saliba Özmen, der Metropolit von Mardin.

Weitere bewohnte Klöster sind Mor Malke, Mor Yakob in Salah, Mutter-Gottes in Hah, Mor Hananyo oder Dayr Za'faran.

Literatur

  • Helga Anschütz: Die syrischen Christen vom Turabdin. Eine altchristliche Bevölkerungsgruppe zwischen Beharrung, Stagnation und Auflösung, Würzburg 1984
  • Andrew Palmer: Monk and Mason on the Tigris Frontier. The Early History of Turabdin, Cambridge 1990
  • Hans Hollerweger: Turabdin. Lebendiges Kulturerbe, Linz 1999