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Vernichtung durch Arbeit

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Mit Vernichtung durch Arbeit bezeichnet man das planmäßige und vorsätzliche Töten von Häftlingen durch zuviel Schwerarbeit.

Vernichtung im Nationalsozialismus

In den nationalsozialistischen Arbeitslagern (siehe auch Konzentrationslager) geschah dies vor allem durch

  • überlange Arbeitszeiten, zum Beispiel zehn oder zwölf Stunden Arbeit ohne angemessene Erholung;
  • mangelnde Ruhepausen
  • schwere körperliche Arbeit, wie Holzfällen, Straßenbau, Feldarbeit, Arbeit in der Fabrik;
  • unangemessen dünne Bekleidung der Häftlinge, wie dünner Drillichanzug, Holzschuhe;
  • mangelnde medizinische Versorgung, wie fehlendes medizinisches Fachpersonal, keine Medikamente;
  • schlechte hygienische Bedingungen, wie zu wenig Toiletten, Unsauberkeit, keine Duschwannen;
  • systematische Misshandlungen, wie Schläge, Erhängen, Erschießungen;
  • qualvolle Bestrafungen, wie Hinrichtungen, Nahrungsentzug, Haft in der Arrestzelle ("Bunker");
  • Drohungen mit schlechteren Arbeitsbedingungen oder Misshandlungen, Anschreien, Beleidigungen

Schon die Aufnahme der frisch eingelieferten "Schutzhäftlinge" im Konzentrationslager erfolgte unter Demütigungen und Schikanen. Zum Beispiel stundenlanges Stehen, Kniebeugen in sengender Sonne, stundenlanges Hocken in unbequemer Körperhaltung, Entkleiden vor den SS-Wachmannschaften, Beschimpfungen und höhnisches Grinsen, Kahlscheren des Kopfhaars, Duschen und Desinfektion unter Beobachtung der SS-Wachmannschaften, Einkleiden in den einheitlichen Häftlingsanzug. Zudem trieben die SS-Wachmannschaften mit den Eingelieferten oft "Sport", d. h., sie jagten sie bis zur totalen Erschöpfung quer über den Appellplatz und befahlen ihnen, sich in den Dreck zu werfen. Bei diesen Maßnahmen ging es den SS-Wachmannschaften nicht darum, die Eingelieferten "umzuerziehen", sondern sie in ihrem Stolz und in ihrer Selbstachtung zu brechen.

Die Vernichtung durch Arbeit ging weiter mit dem Tagesablauf im Konzentrationslager: Wecken mit einer schrillen Klingel am frühen Morgen, Schläge und Stöße und Püffe, Anschreien und Beleidigungen, Wassersuppe und Brot als Frühstück, harte körperliche Arbeit, kaum Ruhepausen.

Besonders sarkastisch erscheint in diesem Zusammenhang der in einigen Konzentrationslagern des Dritten Reiches vorzufindende Schriftzug "Arbeit macht frei", z. B. an den Eingangstoren der Lager. (Das Konzentrationslager Buchenwald war das einzige KZ mit dem Spruch "Jedem das Seine" am Eingangstor.)

Opfer

Opfer der Vernichtung durch Arbeit waren vor allem Juden aus fast allen Staaten Europas, Sinti und Roma, Angehörige slawischer Völker, politische Gegner, Homosexuelle, so genannte "Asoziale", auch entschiedene Christen.

Schätzungsweise kamen insgesamt sechs Millionen Juden, 80.000 Kranke und Behinderte deutscher Staatsangehörigkeit, 500.000 Sinti und Roma und sieben Millionen sowjetische Kriegsgefangene und russische Zivilisten in den Konzentrationslagern um. Genaue Zahlen sind nicht möglich, weil die Nationalsozialisten über ihre Opfer oft keine Listen führten.

Hintergrund

Die nationalsozialistische Ideologie forderte die "Reinhaltung" der "arischen Rasse" und des "deutschen Blutes" von "Fremdrassigen". Zu diesen "Fremdrassigen" wurden neben Juden auch die Sinti und Roma gezählt. Außerdem forderte die Nazi-Ideologie die Ausrottung von "lebensunwertem Leben" und "nutzlosen Essern", nämlich Homosexuelle, Bettler, "Asoziale", "Arbeitsscheue", Kranke, Alte und Behinderte. Wer sich dem "Aufbruch" ins "Tausendjährige Reich" und dem "nationalen Erwachen" entgegen stellte, wie zum Beispiel Sozialdemokraten und Kommunisten, aber auch entschiedene Christen sowie Kriegsdienstverweigerer, wurde ebenfalls inhaftiert.

Vernichtung im Sozialismus und Kommunismus

Ähnliches geschah auch in kommunistischen Staaten wie zum Beispiel in der Sowjetunion unter Stalin, in Rumänien unter Ceausescu oder im kommunistischen Nordkorea. Allerdings stand hier weniger die wirtschaftliche Produktion oder die Arbeit in Betrieben im Vordergrund, sondern hauptsächlich die Vernichtung von politischen Gegnern und anderen Missliebigen. Alexander Solschenizyn schrieb in seinem Buch Der Archipel Gulag: "Für Gaskammern hatten wir kein Gas".

Also setzte Stalin zur Vernichtung seiner Gegner kein Giftgas ein, sondern ließ sie als Häftlinge auf großen Baustellen (beispielsweise Kanäle oder im Städtebau) arbeiten. Die Haftbedingungen waren geprägt von

Opfer

Die Anzahl der Opfer des Stalinismus kann nur geschätzt werden. Viele Historiker gehen von bis zu 50 Millionen Toten im Archipel Gulag aus. Es waren Angehörige von Völkern der Sowjetunion, tatsächliche und angebliche politische Gegner, Geistliche, Kriminelle und auch Jugendliche.

Der berüchtigte § 58 stellte "konterrevolutionäre" Tätigkeiten und "antisowjetische Agitation" unter Strafe, was sehr weit ausgelegt wurde. Unter diesen Strafparagraphen fielen auch kritische Äußerungen gegen die Politik oder die kommunistische Partei oder "Hoffnungen auf eine Wiederherstellung des kapitalistischen Systems". Unter solchen Vorwänden wurden teilweise auch ganz unpolitische Menschen, die keine Kriminellen waren, verhaftet.

Hintergrund

Die Ausrottung von "Kapitalisten", Angehörigen der "Bourgeoisie" und Kritikern des Systems wurde mit der stalinistischen Ideologie begründet. Der Sozialismus bzw. Kommunismus wollte die Klassen- und Standesunterschiede überwinden und die "Diktatur des Proletariats" errichten. Dies konnte nur auf Kosten der früheren Gutsbesitzer und der Fabrikanten gehen. Da der Sozialismus eine Ideologie war, die keine anderen oder abweichenden Meinungen oder Strömungen zuließ, wollten die kommunistischen Machthaber auch die Kritiker zum Schweigen bringen.