Exkommunikation
Exkommunikation ist der zeitlich begrenzte oder auch permanente Ausschluss aus einer religiösen Gemeinschaft oder von bestimmten Aktivitäten in einer religiösen Gemeinschaft. Sie wird als Beugestrafe angewandt, das heißt bis zur Beendigung bzw. Wiedergutmachung des Fehlverhaltens.
Neues Testament
Die Exkommunikation wurde bereits in neutestamentlicher Zeit praktiziert. Paulus selbst vollzog die „Übergabe an den Satan“ an Christen, die Gott mit ihren Worten und Taten gelästert haben:
„Schon manche haben die Stimme ihres Gewissens missachtet und haben im Glauben Schiffbruch erlitten, darunter Hymenäus und Alexander, die ich dem Satan übergeben habe, damit sie durch diese Strafe lernen, Gott nicht mehr zu lästern.“ (1 Tim 1,19-20 EU)
Daneben ruft er die Kirche auf, diejenigen mit einem Bann zu belegen („dem Satan zu übergeben“), die Unzucht treiben:
„Übrigens hört man von Unzucht unter euch, und zwar von Unzucht, wie sie nicht einmal unter den Heiden vorkommt, dass nämlich einer mit der Frau seines Vaters lebt. Und da macht ihr euch noch wichtig, statt traurig zu werden und den aus eurer Mitte zu stoßen, der so etwas getan hat. Was mich angeht, so habe ich - leiblich zwar abwesend, geistig aber anwesend - mein Urteil über den, der sich so vergangen hat, schon jetzt gefällt, als ob ich persönlich anwesend wäre: Im Namen Jesu, unseres Herrn, wollen wir uns versammeln, ihr und mein Geist, und zusammen mit der Kraft Jesu, unseres Herrn, diesen Menschen dem Satan übergeben zum Verderben seines Fleisches, damit sein Geist am Tag des Herrn gerettet wird.“ (1 Kor 5,1-5 EU)
Römisch-katholische Kirche
In der römisch-katholischen Kirche bedeutet Exkommunikation nicht den Ausschluss aus der Kirche (der kirchenrechtlich unmöglich ist), sondern den Verlust der Kirchengemeinschaft und damit gewisser Rechte innerhalb der Kirche.
Im Mittelalter hatte die Exkommunikation (der Kirchenbann) die weltliche Reichsacht zur Folge und damit oft den wirtschaftlichen oder politischen Ruin (jemanden „in Acht und Bann tun“ - aus der Gemeinschaft ausschließen).
Der Exkommunizierte ist nach dem CIC von 1983 nicht berechtigt, die Sakramente oder Sakramentalien zu spenden oder zu empfangen, außerdem darf er kein kirchliches Amt ausüben und keine kirchlichen Dienste oder Aufgaben ausüben.[1]
Nach römisch-katholischem Kirchenrecht wird unterschieden zwischen der
- Exkommunikation als Tatstrafe (excommunicatio latae sententiae), die mit dem Vergehen eintritt. Durch einen Akt des Unglaubens hat der Gläubige sich soweit von der Kirche entfernt, dass er nicht mehr als ihr zugehörig betrachtet werden kann. Exkommunikation als Tatstrafe erfolgt beispielsweise aufgrund von:
- Entweihung der Eucharistie (CIC Can. 1367);
- Gewalt gegenüber dem Papst (Can. 1370 § 1);
- für den Priester – Erteilung der (außer bei Todesgefahr wirkungslosen, Can. 977) Absolution des Mitschuldigen an einer Sünde gegen das sechste Gebot ("du sollst nicht ehebrechen") (Can. 1378 § 1; absolutio complicis). Dies dürfte so zu verstehen sein, dass der Priester selbst an der Sünde beteiligt war, er also auch Schuldiger ist, und er nun seiner oder seinem Geliebten (Mitschuldigen) die Absolution von der Sünde des Ehebruchs erteilt;
- einer Bischofsweihe ohne päpstliches Mandat – für beide Parteien (Can. 1382);
- Verletzung des Geheimnisses bei der Papstwahl durch das Hilfspersonal (Universi Dominici Gregis Art. 78);
- für die wählenden Kardinäle (Simonie bei der Papstwahl (Universi Dominici Gregis Art. 58) sowie andere Unregelmäßigkeiten bei Konklave): Sich-beeinflussen-Lassen durch die Dritten (ibidem Art. 80), Absprachen zwischen den Elektoren (ibidem Art. 81);
- Verletzung des Beichtgeheimnisses (Can. 1388 § 1);
- Schwangerschaftsabbruch (für alle aktiv Beteiligten), (Can. 1398);
- Apostasie (Can. 1364 § 1);
- Häresie (Can. 1364 § 1);
- Schisma (Can. 1364 § 1);
- Die Exkommunikation als Tatstrafe tritt aber nur in jenen Fällen ein, in denen sich der Betreffende bewusst war, dass der von ihm begangenen Akt kirchlicherseits eine Straftat ist. Da die Tatstrafe bereits bei Begehung der Handlung eintritt, ist es nicht erforderlich, dass sie durch einen Bischof oder den Papst bestätigt oder verkündet wird; dies kann allerdings unter Umständen geschehen, um den Vorgang unter den Gläubigen kund zu tun.
- Exkommunikation als Spruchstrafe (excommunicatio ferendae sententiae), die durch ausdrücklichen Urteilsspruch seitens des Bischofs oder des Papstes erfolgt. Diese erfolgt in dem Falle, dass der zu Exkommunizierende öffentliches Ärgernis erregt.
Die Exkommunikation bleibt solange bestehen, bis die Ursache beseitigt ist oder der Betroffene sein Vergehen wieder gut gemacht hat, vgl. Rekonziliation. Danach ist der lokale Ordinarius (z.B. Bischof) verpflichtet die Exkommunikation wieder aufzuheben. Der Bischof kann diese Berechtigung aber auch an einzelne Priester delegieren. In bestimmten Fällen kann die Exkommunikation nur vom Heiligen Stuhl aufgehoben werden (die ersten sechs unter den excommunicatio latae sententiae). Im Falle der Todesgefahr ist jedoch jeder Priester berechtigt, die Exkommunikation aufzuheben.
Deutschland
In Deutschland wird insbesondere die Erklärung des Kirchenaustritts bei der zuständigen staatlichen Stelle als Grund für die Exkommunikation gewertet. Diese Praxis wurde durch eine Stellungnahme des päpstlichen „Rat für die Gesetzestexte“ in Frage gestellt, die diese Erklärung alleine nicht als ausreichend ansieht. Wegen der Zuleitung der Erklärung an die Gemeinden und weil der Austritt durch den Wegfall der Kirchensteuerpflicht eine „Verweigerung der solidarischen Beitragspflicht“ darstelle, wollen die deutschen Bischöfe aber an der bisherigen Praxis festhalten.
Die sichtbaren Konsequenzen sind für Laien vor allem der Ausschluss von den Sakramenten der kirchlichen Eheschließung, der Eucharistie und der Krankensalbung sowie Sakramentalien wie dem kirchlichen Begräbnis.
Da die Exkommunikation keinen Ausschluss aus der Kirche bewirkt, behandelt auch das staatliche Recht den Exkommunizierten weiter als Kirchenmitglied. Die Pflicht zur Zahlung der Kirchensteuer erlischt deshalb nicht, falls der Exkommunizierte nicht seinen Kirchenaustritt selbst erklärt.
Östlich-orthodoxe Kirchen
In der orthodoxen Kirche ist die Exkommunikation ein Ausschluss von der Eucharistie. Sie ist kein Ausschluss aus der Kirche und hat nicht den gleichen schwerwiegenden Charakter wie in der Westkirche. Die Exkommunikation kann schon aus relativ geringfügigen Gründen ausgesprochen werden, etwa wenn jemand innerhalb des letzten Jahres nicht gebeichtet hat, oder als Exkommunikation auf Zeit als Teil einer Buße.
Neben der Exkommunikation gibt es auch den Ausschluss, indem jemand Anathema erklärt wird, aber das geschieht nur in Fällen von schwerwiegender und nicht bereuter Häresie. Auch in diesem Fall wird die Person nicht durch die Kirche verdammt, sondern außerhalb der Kirche sich selbst überlassen.
Erst 1965 wurde die gegenseitige Exkommunikation zwischen Ost- und Westkirche durch Papst Paul VI. und den Patriarchen Athenagoras aufgehoben.
Evangelische Kirche
In den meisten evangelischen Kirchen gibt es rechtlich die Möglichkeit, jemanden aus schwerwiegenden Gründen vom Abendmahl auszuschließen, die jedoch sehr selten in die Praxis umgesetzt wird.
Freikirchen
In Freikirchen gibt es die rechtliche Möglichkeit des Gemeindeausschlusses. Oft kommen in Ungnade gefallene Mitglieder dem Gemeindeausschluss durch Wechsel in eine andere Freikirche zuvor.
Islam
Der Islam kennt als nichtkirchlich organisierte Religion keine Exkommunikation. Es fehlt eine Institution, die dafür zuständig sein könnte.
Es gibt allerdings das Konzept der Meidung (siehe auch al-walā' wa-l-barā'a).
Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage
Innerhalb der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage steht eine Person unter Gemeinschaftsentzug, die zwar noch den Mitgliedstatus innehat, aber nur noch eingeschränkte Mitgliedsrechte besitzt. Diese Maßnahme wird für ernste Übertretungen der kirchlichen Gebote und Regeln ausgesprochen. Eine Person unter Gemeinschaftsentzug wird der sog. Tempelempfehlungsschein entzogen. Das bedeutet, dass dieses Mitglied nicht mehr den Tempel betreten darf. Weiter darf diese Person kein kirchliches Amt ausführen und Priestertumshandlungen vollziehen. Auch darf die Person keine öffentlichen Ansprachen oder öffentliche Gebete führen. Zum Gemeinschaftsentzug können auch zusätzliche Auflagen ausgesprochen werden, wie z.B. die Distanz zu pornografischen Schriften und anderen negativen Einflüssen im Sinne der Kirchenmoral. Weitere Auflagen können das Lesen von mormonischer Literatur und das regelmäßige Besuchen von Versammlungen sein. Mitglieder unter Gemeinschaftsentzug sollen aber weiter den „Zehnten" und das „Fastenopfer“ zahlen. Auch sollen sie, falls sie bereits das Endowment empfangen haben, die Tempelunterwäsche weiter tragen und danach streben, aufrichtig bereuend die Rückkehr in die kirchliche Gemeinschaft zu suchen.
Gemeinschaftsentzug ist ein vorübergehender Zustand. In der Regel wird er für die Dauer von mindestens einem Monat verhängt. Wenn ein Mitglied ehrliche Reue zeugt, kann der Disziplinarrat sich erneut zusammensetzen und darüber entscheiden, dem Mitglied wieder die vollen Mitgliedschaftsrechte einzuräumen. Sollte das Mitglied keine Reue zeigen, so kommt der Rat zusammen und beschließt entweder den Gemeinschaftsentzug fortzuführen oder das Mitglied auszuschließen.
Zeugen Jehovas
Bei Zeugen Jehovas wird die Exkommunikation Gemeinschaftsentzug genannt und soll als Meidung praktiziert werden. Einem Zeugen Jehovas wird die Gemeinschaft entzogen, wenn
- ein Mitglied selbst bekennt, gegen bestimmte sittlich-moralische oder auch doktrinale (z.B. Nicht-Anerkennung der Leitenden Körperschaft) Normen der Gemeinschaft verstoßen zu haben oder dies mindestens zwei Zeugen bezeugen können und
- ein Komitee von mindestens drei Ältesten der Zeugen Jehovas bei diesem Mitglied keine Reue erkennen kann und
- die Person keine Berufung gegen das Urteil der drei Ältesten eingelegt hat.
Der Gemeinschaftsentzug bedeutet, dass kein normaler sozialer Kontakt mehr mit dem Ausgeschlossen geführt werden soll.
Der Gemeinschaftsentzug bedeutet nicht den Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft (der kirchenrechtlich unmöglich ist), sondern den Verlust der religiösen Gemeinschaft an sich und damit gewisser Rechte innerhalb der Religionsgemeinschaft. Der Exkommunizierte ist nicht berechtigt, die Elemente beim Gedächtnismahl zu empfangen, außerdem darf er innerhalb der Religionsgemeinschaft kein religiöses Amt ausüben.
Die Exkommunikation bleibt solange bestehen, bis die Ursache beseitigt ist oder der Betroffene sein Vergehen wieder gut gemacht hat, vgl. Rekonziliation. Danach ist ein lokales Gremium zuständig, die Exkommunikation wieder aufzuheben.
Andere Gemeinschaften
Auch andere Gemeinschaften kennen Formen, die der Exkommunikation vergleichbar sind, oder diese übertreffen. Dazu zählt beispielsweise die Erklärung zur „Unterdrückerischen Person“ durch Scientology.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Can. 1331 § 1. Weiters ist ihm jeglicher Dienst bei der Feier des eucharistischen Opfers untersagt, sowie bei anderen gottesdienstlichen Feiern; auch darf er keine Akte der Leitungsgewalt setzen.
Literatur
- Daniel Fingerle: Das Recht der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Frankfurt a.M. 2000, ISBN 3-631-35692-7.