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Technikdidaktik

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Technikdidaktik ist diejenige Fachdidaktik, also Fachunterrichtswissenschaft, die sich mit dem auf den Gegenstandsbereich Technik bezogenen Lehren und Lernen befasst. Zu unterscheiden ist zwischen Technikdidaktik in der allgemeinen und in der beruflichen Bildung

Allgemeinbildende Technikdidaktik

Aufgaben der Allgemeinen Technikdidaktik

Klärung des Gegenstandsbereichs

Bestimmung des Technikbegriffs unter Bildungsperspektive

Verbreitet ist die Bezugnahme auf den Ropohlschen Technikbegriff. Technik wird also verstanden, als

  • die Menge der nutzenorientierten, künstlichen, gegenständlichen Gebilde (Artefakte, Sachsysteme);
  • die Menge menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Sachsysteme entstehen und
  • die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme verwendet werden.[1]

Dieser Technikbegriff ist einerseits umfassend, indem er nicht nur Sachtechnik, sondern auch herstellendes und verwendendes technisches Denken und Handeln einbezieht, bleibt aber andererseits doch noch handhabbar und präzise genug. Es ist für den Nachweis der Berechtigung und Notwendigkeit einer technischen Allgemeinbildung unabdingbar, Technik nicht reduziert etwa auf handwerkliche Praxis oder als Anwendung (natur- oder technik-)wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verstehen, sondern Technik als einen spezifischen Kulturbereich aufzufassen, der weltgestaltende Wirkung ausübt. Erst damit läßt sich Technik als Gegenstandsbereich einer allgemeinen Bildung legitimieren.

Bestimmung der Bezugswissenschaft(en)

Die Inhalte des Technikunterrichts lassen sich nicht einfach von den technischen Wissenschaften als Bezugsdisziplinen der Technikdidaktik ableiten. Dies hat seinen Grund zum einen im hohen Maß an Spezialisierung und Differenzierung dieser Wissenschaften, wodurch das Ganze, die allgemeinen Strukturen und Charakteristika der Technik aus dem Blick geraten, also gerade diejenigen Aspekte, die eine allgemeine Bildung ins Zentrum stellen sollte. Zum anderen sind die Technikwissenschaften bei der Bestimmung und Auswahl ihrer Forschungs- und Lehrgegenstände an der wirtschaftlichen Nachfrage- und Verwertungsseite und nicht an den Erfordernissen einer allgemeinen Bildung orientiert.

Trotz dieser Einschränkungen sind die fachlichen Bezugswissenschaften keinesfalls entbehrlich: Sie stellen fachtypische Methoden zur Verfügung, und fungieren, dem didaktischen Grundsatz entsprechend, daß nichts unterrichtet werden darf, was wissenschaftlich unhaltbar ist, als Kontrollinstanzen für die fachliche Richtigkeit von Aussagen.

Besondere Bedeutung kommt Ansätzen der Allgemeinen Technologie zu, weil hier die allgemeinen Gesetze, Prinzipien und Invarianten der Technik modelliert und systematisiert werden und dies nicht nur in Bezug auf technische Sachsysteme und technische Verfahren, sondern ebenso unter Einbeziehung der soziotechnischen Handlungskontexte, in denen technische Produkte entstehen und verwendet werden. Genuin didaktische Kategorien allerdings kann auch diese Wissenschaft nicht zur Geltung bringen, so dass auch die Allgemeine Technologie die Bestimmung der Unterrichtsinhaltsbereiche nicht leisten kann.

Als Bezugsdisziplinen sind insbesondere wichtig:

  • Allgemeine Technologie
  • Spezielle Technologien/ Technikwissenschaften
  • Wirtschaftswissenschaften
  • Technikphilosophie
  • Techniksoziologie
  • Technikfolgenabschätzung/ Technology Assessment
  • Arbeitswissenschaft, Ergonomie
  • Geschichtswissenschaften / Technikgeschichte

Klärung fachgeschichtlicher Entwicklungslinien

Frühe (meist weitgehend unbekannt gebliebene) Ansätze einer allgemeinen technischen Bildung finden sich etwa schon in Schulplänen und Projekten des 17. Jahrhunderts, dann in aufklärerischen Realschulansätzen (etwa C. Semler 1709, oder in der Realschule von J.J. Hecker), in philanthropischen Schulmodellen (etwa bei J.B. Basedow und J.H.G.Heusinger), in Bürgerschulkonzepten des 19. Jahrhunderts (bei C.Ch. Schmieder, G.J.C. Kunth oder A.G. Spilleke). Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Ansätze des Knabenhandfertigkeits-, Werk- und Arbeitsunterrichts entwickelt, die wertvolle Elemente einer umfassenden technischen Bildung bereits enthielten, so etwa bei W. Götze, H. Scherer, G. Kerschensteiner und H. Gaudig. Johannes Kühnel legte umfangreiche technikdiaktische Grundlegungen vor. Sein Buch ‚Technischer Vorkurs’ stammt von 1912 und erschien in der zweiten Auflage (v. 1927) unter dem Titel ‚Technische Bildung’![2]

Seit Ende der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts wurden (in der damaligen BRD) Bestrebungen deutlich, die bis dahin bestehenden Formen eines eher kulturkritischen und technikpessimistischen Werkunterrichts in Frage zu stellen und sie in Richtung auf eine allgemeine technische Bildung zu reformieren. In den 60er- und 70er-Jahren wurde dieser Prozess vor allem auch durch die Werkpädagogischen Kongresse in Heidelberg (1966), Weinheim (1968), Ludwigsburg (1970), Hannover (1972), Nürnberg (1974) und Hannover (1977) vorangetrieben, wobei sich auch die neue Fachbezeichnung ‚Technik’ herausbildete. In der ehemaligen DDR wurde unter ganz anderen (nämlich marxistisch-leninistischen) politisch-ideologischen Rahmenbedingungen Polytechnischer Unterricht konzipiert und und im gesamten Schulwesen verbindlich eingeführt (Polytechnische Oberschule seit 1959). Im Gegensatz zu den in Westdeutschland eingeführten Formen technikbezogenen Unterrichts (Technik, Arbeitslehre, Arbeit-Wirtschaft-Technik usw.) genoß der Polytechnische Unterricht in der DDR eine herausragende Bedeutung und Wertschätzung.[3]

Unterscheidung fachdidaktischer Richtungen und Ansätze

Mit Blick auf die technikdidaktische Entwicklung der letzten Jahrzehnte lassen sich vor allem drei unterschiedliche didaktische Richtungen unterscheiden:

  • der allgemeintechnologischen Ansatz (Primat der Fachwissenschaft)
  • der mehrperspektivische Ansatz (Fokus auf das lerndende Subjekt; pädagogischer Primat)
  • der arbeitsorientierte Ansatz (Fokus auf die gesellschaftliche Dimension der Technik)[4]

Ordnung, Klärung, Erforschung bedeutsamer Faktoren und Strukturmomente technik-bezogenen Unterrichts

Insbesondere geht es um

Ziele

Ausgehend von einem mehrperspektivischen Technikdidaktikansatz sind zu unterscheiden:

  • die Perspektive technikbezogener Fähigkeiten und Fertigkeiten (Handlungsperspektive)
  • die Perspektive technischer Kenntnisse und sachstruktureller Einsichten (Kenntnis- und Strukturperspektive)
  • die Perspektive der Bedeutung und Bewertung der Technik (Bedeutungs- und Bewer-tungssperspektive)
  • die Perspektive vorberuflicher Erfahrungen und Orientierung (vorberufliche Orientierungs-perspektive).[5]

Diese Zielstrukturierung ist bis heute weitgehend unangefochten gültig und findet sich z.B. auch in aktuellen Bildungsplänen für das Fach Technik wieder. Bildungsplan Technik Realschule Baden-Württemberg

Inhalte

Die Themen und Inhalte des Technikunterrichts lassen sich weder von einer oder mehreren fachwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen ableiten (siehe oben), noch ergeben sie sich aus den lebensweltlichen Situationen, wie häufig vermutet wird, denn im Technikunterricht sollen die Schülerinnen und Schüler ja allererst die Kategorien und Dispositionen erwerben, um die Lebenswelt verstehen, meistern und kritisch beurteilen zu können. “Das zu führende Leben ist das Bewährungsfeld der Bildung, nicht ihre Quelle.“ [*** Quelle Schmayl] Für die Bestimmung der Unterrichtsinhaltsbereiche wurde das Instrumentarium der Problem- und Handlungsfelderstruktur geschaffen. Es handelt sich um ein im prinzipiell veränderungs- und erweiterungsfähiges heuristisches Modell, das sich in den letzten Jahrzehnten vielfach (auch bei der Erstellung von Bildungsplänen) bewährt hat. Es werden dabei Bereiche aufgeführt, die sich nicht nur aus fachlicher Sicht sinnvoll von ein-ander abgrenzen lassen, sondern die gerade auch aus Sicht der Lernenden kognitiv kohärente Sinneinheiten darstellen und insofern genau das repräsentieren, was die Expertisefor-schung als Domänen des Wissens und Handelns bezeichnet.

Problem- und Handlungsfelder

  • Arbeit und Produktion
  • Bauen und Wohnen
  • Transport und Verkehr
  • Versorgung und Entsorgung
  • Information und Kommunikation
  • Haushalt und Freizeit (der letzte hier genannte Bereich entstammt der Diskussion um Bil-dungsstandards; s.u.)

Kompetenzmodelle/ Bildungsstandards

Die aktuellen Bildungspläne/ Lehrpläne der verschiedenen Bundesländer wurden und wer-den Zug um Zug (insbesondere seit Veröffentlichung nationaler Bildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz Bildungsstandards der KMK von eher inhaltsori-entierten zu kompetenzori-entierten Strukturen umgestellt. Für den Bereich technischer Bildung gibt es zwar noch keine offiziellen Bildungsstandards der KMK, wohl aber liegen vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) Bildungsstandards für den Mittleren Bildungsabschluss vor (VDI-Bildungsstandards)

Unterrichtsmethoden

Als Methoden sind insbesondere eingeführt und werden unterschieden [*** Quelle Schmayl tu] Experiment, Konstruktionsaufgabe, Fertigungsaufgabe, Instandhaltungs-/ Reparaturaufgabe, Recyclingaufgabe, Lehrgang, Technische Analyse (z.B. Produktanalyse, Demontage-Analyse, Bildanalyse…), Warentest, Projekt, Fallaufgabe, Planspiel, Erkundung, Technikstu-die.

Unterrichtsmedien

Das Medienspektrum reicht von Realsituationen und -objekten über Funktionsmodelle und Computersimulationen und -animationen bis hin zu symbolhaften Darstellungen in Form von Diagrammen, Schaltplänen, Formeln.

Didaktische Prinzipien

Eine Fülle von didaktischen Prinzipien wird diskutiert. Besondere Bedeutung hat Problemori-entierung und Handlungsorientierung. Diese entsprechen zum einen den Erkenntnissen der Lehr-Lernforschung, zum anderen macht das problemlösende technische Handeln den Kern des Gegenstandsbereichs aus, und muss schon aus diesem Grund an didaktisch zentraler Stelle berücksichtigt werden.

Lernorte / Fachraum

In erster Linie geht es hier um das Fachraumsystem, das als räumlich-sächliche Lernumge-bung anzusehen ist. Hier soll eine effiziente, wahrnehmungs- und handlungsorientierte Erschließung technischer Inhalte (Sachverhalte, Verfahren, Methoden) stattfinden. Dazu muss es eine Vielfalt an Lernmöglichkeiten bieten und insbesondere einen unkomplizierten Wech-sel von unterschiedlicher Handlungs- und Lernformen erlauben, also etwa ebenso das Pro-rammieren am PC, wie das Durchführen von Messungen, die Erstellung technischer Zeich-nungen oder auch die Demontage von Verbrennungsmotoren. Den verschiedenen Hand-lungsformen und Kompetenzbereichen (Technik konstruieren, herstellen, nutzen, kommunizi-ren usw.… kann nur ein differenziertes Fachraumsystem mit Universaltechnikräumen als Zentrum entsprechen. Eine traditionelle, etwa auf einen bestimmten Werkstoff ausgerichtete Werkstatt (Metall-, Holz-, Keramik-…) ist hier keinesfalls hilfreich.

Erforschung realisierten Technikunterrichts: Bedingungen, Strukturen, Ergebnisse

Es ist zu klären, wie die tatsächlichen Bedingungen, Strukturen und Ergebnisse des technikbezogenen Unterrichts in den verschiedenen Fachzuordnungen und bundeslandspezifisch unterschiedlichen curricularen Gegebenheiten sich darstellen.

Entwicklung von Modellen zur Planung, Durchführung und Evaluation von Technikunterricht und Bereitstellung von Hilfen für die Unterrichtsgestaltung

Diesbezüglich sind insbesondere fachdidaktisch-technikunterrichtsbezogene Periodika von großer Bedeutung (siehe Fachzeitschriften). Hier finden sich vielfältige inhaltliche und unterrichtsstrukturelle Vorschläge mit unterschiedlichem Verallgemeinerungsgrad. Eine Liste mit Beiträgen der Zeitschriften ‚Die Technikstunde’ und ‚tu - Zeitschrift für Technik im Unterricht’ ist hier zu finden. PH-Freiburg, Abteil. Technik, Literatur

Quellen Schmayl, Winfried (2004): Arbeits- und Techniklehre auf der Basis einer allgemeinen Technologie? Eine Auseinandersetzung mit den fachdidaktischen Vorstellungen Günter Ropohls. In: tu - Zeitschrift für Technik im Unter-richt, Jg. 29, H. 114, S. 7

Literatur [Bearbeiten]

Weiterführende Information

Literatur

  • Bienia, Daniel (2004): Technikgeschichte als Gegenstand allgemeiner technischer Bildung. Didaktische und methodische Aspekte für den Technikunterricht. Hamburg: Dr. Kovac.
  • Boehm, Laetitia; Schönbeck, Charlotte (Hg.) (1989): Technik und Bildung. Reihe: Technik und Kultur. Bd.V. Düsseldorf: VDI Verlag.
  • Buhr, Regina; Hartmann, Ernst A. (Hg.) (2008): Technische Bildung für Alle. Ein vernach-lässigtes Schlüsselelement der Innovationspolitik. Berlin: VDI/VDE Innovation + Technik GmbH
  • Fast Ludger (1999): Leistungsbewertung im allgemeinbildenden Technikunterricht. Ham-burg.
  • Henseler, Kurt; Höpken, Gerd (1996): Methodik des Technikunterrichts, Bad Heilbrunn
  • Kosack, Walter (1994): Mädchen und Technikunterricht. Frankfurt 1994
  • Sachs, Burkhard (1979): Skizzen und Anmerkungen zur Didaktik eines mehrperspektivi-schen Technikunterrichts. In: Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (Hg.): Technik - Ansätze für eine Didaktik des Lernbereichs Technik. Fernstudienlehrgang Arbeitslehre. Studienbrief zum Fachgebiet Technik, S. 41-80, Tübingen
  • Sachs, Burkhard; Fies, Helmuth (1977): Baukästen im Technikunterricht. Grundlagen und Beispiele. Ravensburg: Otto Maier
  • Schlagenhauf, Wilfried (1997): Historische Entwicklungslinien des Verhältnisses von Real-schule und technischer Bildung. Von den Anfängen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Lang
  • Schmayl, Winfried (1982): Das Experiment im Technikunterricht. Methodologische didakti-sche Studien zur Grundlegung einer Unterrichtsmethode. Bad Salzdetfurth
  • Schmayl, Winfried (1989): Pädagogik und Technik. Untersuchungen zum Problem techni-scher Bildung, Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt
  • Schmayl, Winfried; Wilkening, Fritz (1995): Technikunterricht, Bad Heilbrunn: Julius Klink-hardt
  • Schulte, Hans (Hg.) (1996): Beiträge zur Technischen Bildung, Deutsches Symposium All-gemeine Technische Bildung 1995 Flensburg, Bad Salzdetfurth
  • Traebert, Wolf Ekkehard (Hg) (1979-1987): Technik als Schulfach. Bde. 1 - 6 , Düsseldorf
  • Wiesmüller, Christian: (2006): Schule und Technik. Die Technik im schultheoretischen Den-ken. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren
  • Wilkening, Fritz (1994): Unterrichtsverfahren im Lernbereich Arbeit und Technik, 4. Aufl., Vil-lingen-Schwenningen

Fachzeitschriften

Fachgesellschaften

Einzelnachweise

  1. Ropohl, Günter (1999): Allgemeine Technologie. Eine Systemtheorie der Technik. 2. Aufl. München; Wien: Hanser, S.31
  2. Schlagenhauf 1997
  3. Schmayl/ Wilkening 1995, S. 27 ff.
  4. Sachs, Burkhard (1992): Ansätze allgemeiner technischer Bildung in Deutschland. In: tu - Zeitschrift für Technik im Unterricht, H. 63, S. 5–14; Schmayl, Winfried (2003): Ansätze allgemeinbildenden Technikunterrichts. In: Bonz, Bernhard; Ott, Bernd (Hg.): Allgemeine Technikdidaktik - Theorieansätze und Praxisbezüge Hohengehren: Schneider, S. 131 ff.
  5. Sachs 1979; Sachs, Burkhard (2001): Technikunterricht: Bedingungen und Perspektiven. In: tu - Zeitschrift für Technik im Unterricht, Jg. 26, H. 100, S. 5–12