Geldpolitik
Als Geldpolitik bezeichnet man zusammenfassend alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die die Zentralbank ergreift, um ihre Ziele zu verwirklichen. In der EWU wird die Geldpolitik von der Europäischen Zentralbank wahrgenommen.
Bei den Zielen muss man zwischen dem wirtschaftspolitischen Ziel und dem Ziel der Zentralbankpolitik unterscheiden.
- Ersteres ergibt sich in der Regel aus den Zentralbankstatuten. Bei der Deutschen Bundesbank wie auch bei der Europäischen Zentralbank ist das die Preisstabilität. Die Zentralbank der USA (das Federal Reserve System (Fed)) hat daneben ein Wachstums- und Beschäftigungsziel. Aber auch Bundesbank und EZB haben das Nebenziel, die allgemeine Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Bisweilen verfolgen Zentralbanken auch Wechselkursziele.
- Das unmittelbare geldpolitische Ziel der Zentralbankpolitik ergibt sich aus dem Zwischenziel, welches sie bei der Erfüllung ihres wirtschaftspolitischen Ziels im Auge hat. Das Zwischenziel erfüllt somit die Rolle eines Indikator, ob das wirtschaftspolitische Ziel eingehalten wird. Dies kann z.B. die Geldmenge, der Zins, die Inflationsrate, das Wirtschaftswachstum oder eine Kombination aus mehreren Zielen sein.
Wirtschaftspolitische Ziele der Geldpolitik
Theoretische Grundlagen
Die Rolle des Geldes im Wirtschaftsgeschehen und damit auch die Bedeutung der Geldpolitik war im Laufe der Zeit umstritten und sie ist es immer noch zwischen den volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen.
Die Klassiker unterstellten in der Regel Neutralität des Geldes, d.h. sie sahen in Geld zwar ein wichtiges Transaktionsmedium, gingen aber davon aus dass Geld nur als "Gleitmittel" dient, aber keine Rückwirkungen auf die reale Wirtschaft hat. Mit anderen Worten: Ob und wieviel produziert wird unabhängig davon entschieden, wie das Preisniveau in einer Volkswirtschaft ist.
Der Keynesianismus erkennt zwar realwirtschaftliche Konesequenzen der Geldversorgung an, räumt aber der Geldpolitik nur eine unterstützende Funktion an. Während eine Ausweitung der Geldmenge in einer Rezession die Nachfrage nicht stimulieren kann, weil sich die Wirtschaft in der Liquiditätsfalle befindet, ergeben sich nur indirekte Wirkungen über den Zins, der bei Keynes eine wichtige Determinate der Investitionstätigkeit ist. Insofern präferierte der Keynesianismus eine Geldpolitik im Sinne einer Zinspolitik.
Für die Monetaristen spielt hingegen die Geldpolitik eine zentrale Rolle. Da sie davon ausgehen, dass eine Politik, die auf kurzfristige Interventionen verzichtet und sich stattdessen für vorhersehbare, stetige Bedingungen für die Wirtschaft aussprechen, stellen sie die Preisniveaustabilität in den Mittelpunkt ihrer Politik. Um diese zu gewährleisten empfehlen sie eine regelgebundene Geldpolitik, die auf eine stetige Ausweitung der Geldmenge ausgerichtet ist.
Preisniveaustabilität wird wegen der negativen Wirkungen der Inflation auf die Kapitalbildung und das Wachstum als das wichtigste Ziel der Geldpolitik angesehen. Da Inflation Geldvermögen entwertet und Schuldner begünstigt, sind die Wirtschaftssubjekte bei hoher Inflation nicht bereit, zu Sparen, deshalb steht kein Geldkapital für Investitionen zur Verfügung, es wird nicht genügend Sachkapital gebildet und damit das Wachstum behindert. Außerdem überdeckt eine hohe Inflationsrate die Signale, die von Preisen auf das Marktgeschehen ausgehen: Wird ein Produkt teurer, ist unklar, ob dies nur eine Folge der allgemeinen Inflation ist, oder ob dieses Produkt teurer wird weil es knapp ist, so dass sich Unternehmen der Produktion dieses Gutes zuwenden sollten.
Ziele in der Praxis
Ausgehend von den unterschiedlichen theoretischen Positionen kann man folgern, dass in Ländern, in denen eine eher keynesianische Politik betrieben wird, die Notenbank eher Wachstums- und Beschäftigungsziele verfolgt, während in Ländern mit monetaristischer Politikausrichtung eher die Preisniveaustabilität im Mittelpunkt steht. So einfach ist die Unterscheidung aber nicht. So spielen bei der Ableitung von Zielen auch historische Erfahrungen eine wichtige Rolle. In Deutschland war nach zwei Hyperinflationen Preisniveaustabilität stets ein wichtiges Ziel, unabhängig von der generellen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik.
Kritik
Die generelle Zuordnung der Geldpolitik zum Ziel der Preisniveaustabilität (z.B. im Magischen Viereck) ist wenig umstritten. Es gibt aber Kontroversen darüber, welche Inflationsrate einer Volkswirtschaft zuträglich ist, und ab wann Inflation schädlich wird. Es gibt international vergleichende Untersuchungen, die zu dem Ergebnis gelangen, dass erst relativ hohe Inflationsraten (über 10%) das Wachstum wirklich behindern. Insofern kann man darüber streiten, ob beispielsweise das Ziel der EZB, eine Inflationsrate im Euro-Raum von 2% anzustreben, angemessen ist, oder ob nicht eine Inflationsrate von 3% oder gar etwas darüber zu rechtfertigen wäre.
Allgemein anerkannt wird heute, dass wegen der Gefahr eines Abgleitens in die Deflation das Optimum keineswegs bei einer Inflatiosrate von Null liegt. Hauptsächlich ist auch eine Senkung der Inflationsrate (Disinflationierung) mit volkswirtschaftlichen Kosten, z.B. mit einem Verlust an Wachstum, verbunden.
Zwischenziele der Geldpolitik
Um ihre jeweiligen wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen, nehmen die Notenbanken auf die Geldversorgung und die Zinsen und damit auf die Finanzierungsbedingungen in der Volkswirtschaft Einfluss. Sie orientieren sich dabei an Zwischenzielen, die idealer Weise gut und kurzfristig beobachtbar sind und gleichzeitig in einem hinreichend engen Zusammenhang zum wirtschaftspolitischen Ziel stehen. Gebräuchliche Zwischenziele sind die Geldmenge, die Zinsen, die Inflationsrate selbst, bisweilen auch der Wechselkurs.
Eine Geldmengensteuerung, wie sie z.B. die Deutsche Bundesbank ab 1975 bis zur Übergabe der geldpolitischen Kompetenz an die EZB betrieb, basiert auf der Annahme des Monetarismus, dass die Geldnachfrage in einer Volkswirtschaft langfristig stabil ist. Unter dieser Annahme lässt sich aus der Quantitätsgleichung eine einfache Regel für ein Geldmengwachstum ableiten, dass einerseits genügenden Spielraum für das Wirtschaftswachstum bietet, andererseits keine Inflation aufkommen lässt: Wächst die Wirtschaft z.B. mit einer durchschnittlichen Rate von 3 % und hält die Notenbank eine Inflationsrate von 2 % für akzeptabel (oder unvermeidbar), so muss die Geldmenge langfristig mit einer Rate von 5 % ausgeweitet werden, um einerseits die Wirtschaft nicht am Wachsen zu hindern, andererseits keine unakzeptabel hohe Inflation entstehen zu lassen.
Bei einer Zinspolitik versucht die Notenbank die Zinsen am Kapitalmarkt, die für die Finanzierungsbedingungen von Unternehmen und Konsumenten entscheidend sind, zu beeinflussen. Die Kapitalmarktzinsen sind das Ergebnis von Angebot und Nachfrage und können daher von der Notenbank nur indirekt beeinflusst werden, indem diese durch ihre geldpolitischen Instrumente das Angebot am Kapitalmarkt beeinflusst. Es gibt aber insbesondere bei offenen Kapitalmärkten und internationaler Kapitalmobilität Situationen, in denen die Notenbank die Kapitalmarktzinsen nur unzureichend beeinflussen kann.
Eine dritte Möglichkeit besteht in einer Inflationssteuerung (inflation targeting): Notenbanken legen ein Inflationsziel fest und beobachten die gegenwärtige Preissteigerung und Faktoren, die die künftige Preissteigerung bestimmen (z.B. das Wirtschaftswachstum). Sehen sie eine Gefährdung ihres Inflationszieles, gestalten sie ihre Geldpolitik restriktiver, d.h. sie ergreifen Maßnahmen, um den Geldumlauf einzuschränken.
Insbesondere für kleine Länder mit einem großen außenwirtschaftlichen Sektor kann es sinnvoll sein, die Geldpolitik einem Wechselkursziel unterzuordnen. Vollständig ist diese Unterordnung in einem Currency board, bei dem die Notenbank nur so viel Geld in Umlauf bringen darf, wie sie Devisenreserven besitzt.
Die Europäische Zentzralbank verfolgt eine Mischstrategie (Zwei-Säulen-Strategie). Sie verfolgt einerseits ein Inflationsziel, achtet andererseits aber auch auf die Geldmenge, die ihr langfristige Inflationsgefahren anzeigt.
Instrumente der Geldpolitik
Geld entsteht in modernen Volkswirtschaften in erster Linie durch Kreditbeziehungen zwischen Privaten Haushalten, Unternehmen und Banken. Bargeld trägt nur in geringerem Umfang zur Geldmenge bei. Da sich die Zahl der ausgegebenen Banknoten und Münzen eher danach richtet, dass ein reibungsloser Geschäftablauf gewährleistet ist, spielt Bargeld bei der Geldpolitik eine untergeordnete Rolle, wenn es theoretisch durchaus auch die Möglichkeit einer Einziehung gibt. In der Praxis beeinflussen Zentralbanken die Geldschöpfung im Bankensystem. Dafür stehen ihnen im Prinzip drei Einflusskanäle zur Verfügung:
- Sie können von Geschäftsbanken verlangen, einen Teil ihrer Einlagen bei der Zentralbank zu hinterlegen (Mindestreserve). Geld das bei der Notenbank hinterlegt ist, kann nicht mehr für eine Kreditvergabe verwendet werden.
- Sie beeinflussen die Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken, verändern also die Konditionen, zu denen sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können, das sie als Kredite an ihre Kunden weiter verleihen.
- Sie bieten Banken mehr oder weniger lukrative Möglichkeiten an, Geld bei der Notenbank zinsbringend anzulegen (Offenmarktpolitik). Bei der Notenbank angelegtes Geld kann nicht als Kredit vergeben werden.
Die Zentralbank kann inländische Banken zwingen, einen Teil der Guthaben ihrer Kunden an die Zentralbank selbst statt an andere Kreditnehmer zu verleihen. Der Mindestreservesatz bestimmt dabei, wie hoch der Anteil des Guthabens ist, der an die Zentralbank ohne Sicherheiten verliehen werden muss. Bei der Deutschen Bundesbank gab es zweitweise bis zu 27 Mindestreservesätze, die differenziert nach Bankengröße und Einlageform galten. Bei der EZB liegt der Mindestreservesatz niedrig bei 2% des Guthabens und wurde bisher noch nicht verändert, also für die Geldpolitik eingesetzt.
Refinanzierungspolitik
Klassische Instrumente, um den Banken Refinanzierungsmöglichkeiten einzuräumen sind die Diskontpolitik (Verpfändung von Wechseln bei der Notenbank) und die Lombardpolitik (Verpfändung von Wertpapieren). Die EZB verzichtet auf eine Diskontpolitik, an Stelle der Lombardpolitik traten die Spitzenrefinanzierungsfazilitäten.
Offenmarktgeschäfte bilden heute das Rückgrat der Notenbankpolitik. Die EZB betreibt sie mittels ihres Hauptrefinanzierungsinstruments und der Einlagefazilität. Die Federal Reserve in den USA bedient sich dazu der federal funds rate.
Wirkung der Instrumente auf die Ziele
Eine Erhöhung (Senkung) des Mindestreservesatzes löst idealtypisch folgende Reaktionen aus:
- Die Banken können von ihren Einlagen einen geringeren (größeren) Teil als Kredite an Unternehmen und Privatpersonen vergeben.
- Der Geldumlauf sinkt (steigt) dadurch.
- Ein geringerer (höherer) Geldumlauf dämpft (erhöht) die Inflation.
- Da weniger (mehr) Geld für Ausleihungen zur Verfügung steht steigt (sinkt) der Zins.
- Höhere (niedrigere) Zinsen dämpfen das Wirtschaftswachstum (kurbeln die Wirtschaft an).
- Höhere (niedrigere) Zinsen führen zu Kapitalimporten (exporten) und damit zu einer Aufwertung (Abwertung) der eigenen Währung.
- Aufwertungen (Abwertungen) dämpfen (steigern) Inflation und Wirtschaftswachstum zusätzlich.
Eine Erhöhung (Senkung) des Refinanzierungssatzes hat Folgendes zur Folge:
- Es wird für die Banken teurer (billiger), sich bei der Notenbank mit Geld zu versorgen
- Sie geben die gestiegenen (gesunkenen) Kosten an ihre Kunden weiter.
- Es werden weniger (mehr) Kredite vergeben.
- Der Geldumlauf sinkt (steigt) dadurch.
- Ein geringerer (höherer) Geldumlauf dämpft (erhöht) die Inflation.
- Höhere (niedrigere) Zinsen führen zu Kapitalimporten (exporten) und damit zu einer Aufwertung (Abwertung) der eigenen Währung.
- Aufwertungen (Abwertungen) dämpfen (steigern) Inflation und Wirtschaftswachstum zusätzlich.
Eine Erhöhung (Senkung) der Zinsen auf Offenmarktpapiere bewirkt Folgendes:
- Es wird für Banken lukrativer (weniger lukrativ), Offenmarktpapiere zu kaufen.
- Deshalb kaufen sie mehr (weniger) Offenmarktpapier und vergeben weniger (mehr) Kredite.
- Der Geldumlauf sinkt (steigt) dadurch.
- Ein geringerer (höherer) Geldumlauf dämpft (erhöht) die Inflation.
- Da weniger (mehr) Geld für Ausleihungen zur Verfügung steht steigt (sinkt) der Zins.
- Höhere (niedrigere) Zinsen dämpfen das Wirtschaftswachstum (kurbeln die Wirtschaft an).
- Höhere (niedrigere) Zinsen führen zu Kapitalimporten (exporten) und damit zu einer Aufwertung (Abwertung) der eigenen Währung.
- Aufwertungen (Abwertungen) dämpfen (steigern) Inflation und Wirtschaftswachstum zusätzlich.