5. Sinfonie (Beethoven)
Ludwig van Beethovens 5. Sinfonie (Opus 67) in c-moll gehört zu den berühmtesten von Beethovens Sinfonien, zu den berühmtesten Werken der europäischen Musik wie auch der weltweiten Tonkunst überhaupt.
Das viersätzige Werk beginnt mit dem prägnanten, eher unorthodoxen Anfangsmotiv, mit welchem vielfach die ganze Sinfonie identifiziert wird: Die drei markanten Achtel auf G, denen in derselben Tonstärke (fortissimo) ein düster-verheißungsvolles langgezogenes Es folgt.

Im Zuge der sogenannten romantischen Beethoven-Rezeption, die bis in das 20. Jahrhundert reichte, wurde Beethovens „Fünfte“ als eine musikalisch objektivierte Erzählung von Niederlage und Triumph, vom ewigen menschlichen Schicksalskampf, von Leid und Erlösung interpretiert (Schicksalsdrama). Ähnlich wie die 9. Sinfonie mit ihrer „Ode an die Freude“ behandele die 5. Sinfonie mit ihrem „per aspera ad astra“, ihrem Weg durch Nacht zum Licht, von c-Moll nach C-Dur einen grundlegenden Gedanken der europäischen Kultur. Auch wenn diese pathetische Deutung in der heutigen Zeit einer etwas objektiveren Sichtweise gewichen ist, kann trotzdem festgestellt werden, dass die 5.Sinfonie zusammen mit seiner 3. Sinfonie und mehr noch der 9. Sinfonie das sinfonische Schaffen des 19.Jahrhunderts (von Brahms, Tschaikowski, Bruckner bis hin zu Gustav Mahler) maßgeblich beeinflusst hat. Sie ist außerdem eines der Werke, die sowohl den Liebhaber klassischer Musik, als auch Menschen, die sonst kaum der klassischen Musik zugeneigt sind, immer wieder (nicht zuletzt durch ihre rhytmische Kraft) in ihren Bann zu ziehen vermag.
Daten zum Werk
Entstehungszeit: Erste Aufzeichnungen reichen in das Jahr 1800 zurück, direkte Niederschriften finden sich in Beethovens Skizzenbuch vom Februar und März 1804, die Fertigstellung erfolgte vom April 1807 bis zum Frühjahr 1808.
Uraufführung: 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien.
Orchester: 2 Flöten, 1 Piccoloflöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 1 Kontrafagott, 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streicher.
Aufbau und Analyse
Die musikalische Analyse eines Werkes bedingt naturgemäß einander teilweise widersprechende Interpretationen. Beispiel: Wo der eine Musikwissenschaftler mehrere Themen sieht, sieht ein anderer nur die Variation eines Themas. Deshalb stellt die folgende Analyse nur einen Versuch ohne absoluten Anspruch dar.
Erster Satz

Allegro con brio, 2/4 Takt, c-Moll
Der erste Satz ist eine klassische Sonatenhauptsatzform mit Exposition, Durchführung, Reprise und Coda. Er unterscheidet sich von der überkommenen Form aber dadurch, dass sich der Komponist anstatt eines aus mehreren Motiven gebauten Themas eines äußerst kurzen, dafür aber sehr prägnanten Motivs bedient (man könnte beinahe von einem „Haupt-Rhythmus“ anstelle eines Hauptthemas sprechen). Außerdem spielt das Seitenthema eine sehr untergeordnete Rolle: Es erscheint nur in der Exposition und Reprise und wird schon bei seinem ersten Auftreten vom Rhythmus des Hauptthemas in den Bässen begleitet. Der Satz hat also eine starke Tendenz zur Monothematik.
Die Exposition beginnt ohne langsame Einleitung direkt mit den 6 Takten des am Anfang des Artikels abgebildeten "Schiksalsmotivs" (einer unbelegten Anekdote zufolge soll Beethoven selbst diese Exposition mit den Worten „So klopft das Schicksal an die Pforte“ kommentiert haben), um dann das Motiv, das durch die Stimmen geht (
Hörbeispiel), in mitreißendem rhythmischen Achtel-Fluss seine Kraft entfalten zu lassen. Seine eigentliche Spannung bezieht das Motiv daraus, dass seine Tonart bis Takt 7 unentschieden ist. Der Hörer könnte genauso gut Es-Dur als Grundtonart vermuten. Erst ab Takt 7 wird mit dem Grundton C der Celli und Fagotte harmonische Eindeutigkeit geschaffen. Diese Spannung wird durch die beiden Fermaten noch verstärkt. Bratschen und 1. Violine greifen das Motiv auf, welches dann vom Orchester im Tutti auf der Dominanten beendet wird. Violinen und Bratschen führen es fort, um in ein akkordisches Tutti überzugehen, welches dann das Seitenthema einleitet.


Ein kurzes Hornmotiv (
Hörbeispiel), das mit der gleichen Rhythmik aber einer anderen Tonfolge beginnt, leitet über zum Seitenthema (Paralleltonart Es-Dur) in gleichmäßig fließenden Vierteln (
Hörbeispiel).
Eine abwärtsbewegte Achtelfigur (zuerst in den Streichern, dann in den Bläsern) und der erneut erklingende Haupt-Rhythmus beenden die Exposition.
Der erste Teil der Durchführung verarbeitet das Thema, harmonisch vielfach abgewandelt. Nach einer 17-taktigen Überleitung mit zweimalig absteigenden Vierteln in den Bässen, schließt sich eine Art Klangfläche in Halben an, die abwechselnd von Bläser- und Streichergruppe im Diminuendo gespielt wird (
Hörbeispiel).

Nach einem abermaligen Tutti beginnt die Reprise, welche von einem eingeschobenen "Oboenseufzer" abgesehen, eine Wiederholung der Exposition darstellt. Getreu der in klassischen Symphonien noch häufig angewandten Tradition der picardischen Terz führt Beethoven das Seitenthema nun in C-Dur aus, die anschließende sehr ausgedehnte Coda schließt den Satz aber wieder in Moll ab.
Zweiter Satz


Andante con moto, 3/8 Takt, As-Dur
Der zweite Satz steht, in der Tonart der 6. Stufe von c-Moll, in As-Dur. Er stellt in jeder Hinsicht einen scharfen Kontrast zum ersten Satz dar: dort ein extrem kurzes, rhythmisch prägnantes Motiv, hier ein weit ausholendes, geschwungenes, punktiertes, sangliches Thema (
Hörbeispiel).
Damit übernimmt es quasi die Aufgabe, die das Seitenthema des ersten Satzes aufgrund der Dominanz des Hauptthemas kaum wahrnehmen konnte. Der Satz lässt sich formal in vier Abschnitte gliedern: Thema und drei freie Variationen. Dabei übernimmt die zweite Variation die Funktion einer Durchführung, die vierte Variation die einer Reprise und Coda. Jeder der vier Abschnitte lässt sich wiederum in vier Teile gliedern: Nach dem Hauptthema wird das zweite Thema wird als harmonisch offene Überleitung eingeführt und im (ff) in C-Dur wiederholt, (
Hörbeispiel) und ein Rückführungsteil führt wieder nach As-Dur. Das erste Thema, welches zuerst punktiert auftritt, erscheint in den drei Variationen zuerst in fortlaufenden Sechzehnteln, dann in Zweiunddreißigsteln, und zum Abschluss schließlich als Kanon, auf den eine kurze Coda folgt.
Dritter Satz
Allegro, 3/4-Takt, c-Moll
Der 3.Satz – ein Scherzo, wie es seit Beethoven anstelle des überkommenen Menuetts typisch wird – steht wiederum in c-Moll. In der Beethoven-Literatur wird ihm vielfach der Charakter eines eigenständigen Satzes abgesprochen, und die Funktion einer spannungssteigernden Überleitung zum Finale zugeschrieben. (Walter Riezler, Ludwig van Beethoven, Zürich 1962). Beethoven hat den Satz auch erst zum Zeitpunkt der Partiturreinschrift fertig gestellt, und ihn nach der Uraufführung um die Hälfte gekürzt. Der Satz hat die Form: Scherzo - Trio - Verkürzte Scherzo-Reprise mit Überleitung zum Finale.

Das Scherzo besteht aus einem zweimal ansetzenden in Vierteln aufsteigenden Bassmotiv, welches einen Tonraum von fast zwei Oktaven aufreißt (
Hörbeispiel) und von den hohen Streichern beantwortet wird. Darauf folgt ein fanfarenartiges Viertonmotiv, zunächst in den Hörnern und danach im Tutti (drei Viertel, punktierte Halbe), das an den Beginn der Sinfonie erinnert. Das erste Thema (diesmal in b-Moll) und das Hornmotiv erscheinen in variierter Form noch einmal, bevor sie zum Abschluss des Scherzo miteinander kombiniert, in einer Art von Durchführung erklingen. Achtelfiguren in den Violinen und ein abschließendes Tutti (mit Pauken) leiten über zum Mittelteil. Beachtenswert ist, dass Beethoven im Scherzoteil auf die übliche Gliederung in zwei jeweils wiederholte Teile verzichtet.
Das Trio ist ein Fugato, welches in den Streichern beginnt und an dem sich danach die Blasinstrumente beteiligen. Der zweite Teil beginnt mit einem von Zögern unterbrochenen Einsatz, seine Wiederholung erklingt nicht vollständig, sondern endet mit einer von den Flöten bis in die Fagotte durch drei Oktaven fallenden Linie im Pianissimo. Darauf folgt eine verkürzte Reprise des Scherzo mit "reduzierten Mitteln" (die Streicher spielen Pizzicato). Nach einem fünfzehn Takte im Pianissimo durchgehaltenen Orgelpunkt As im Bass ertönt kurz das Anfangsmotiv. Die Pauken treiben die Musik voran, indem sie rhythmisch das Hauptmotiv andeuten, dann Viertel, Achtel und schließlich einen Paukenwirbel spielen. Mit dieser gewaltigen Steigerung setzt das Finale fast übergangslos ein. Eine formale Trennung der Sätze unterbleibt, was in der Musik dieser Zeit sehr selten vorkommt.
Vierter Satz
Allegro, 4/4-Takt, C-Dur
Im Schlusssatz zeigt sich deutlich die Tendenz zur Verlagerung des Schwergewichts der Sinfonie vom Anfangssatz weg zum Schlusssatz, wie es sich in der 9. Sinfonie später noch deutlicher zeigt. Der "heiter-problemlose" Charakter, wie er zum Teil noch in Beethovens früheren Sinfonien üblich war, wird nicht mehr angewandt. Der Gegensatz zwischen dem "dramatisch, düsteren" c-Moll des ersten Satzes und dem "jubelnden" C-Dur des Schluss-Satzes hat die Beethoven-Literatur zu den bekannten Bildern („Durch Nacht zum Licht“, „per aspera ad astra“, etc.) animiert. Zur Steigerung des jubelnd-triumphierenden Charakters bedient sich Beethoven, wie später auch in der 9. Sinfonie der Form des Marsches. Außerdem wird das Orchester um Piccoloflöte, Kontrafagott und Posaunen erweitert. Der 4. Satz ist ebenso wie der erste Satz in der Sonatenhauptsatzform gebaut, wobei das Schwergewicht ebenso wie in der Gesamtanlage der Symphonie zum Ende hin verlagert ist (Exposition: 85 Takte, Durchführung: 66 Takte, dagegen: Reprise: 110 Takte, Coda: 126 Takte).

Der Satz beginnt mit dem aufsteigenden Motiv c-e-g und der Komplementär-Figur f-e-d-c-d-c (
Hörbeispiel). Nach einem Überleitungsteil in durchlaufenden Achteln und einem zweiten Thema folgt der Seitensatz in G-Dur, welcher durch Triolen rhythmisch abgehoben ist. Die darauf folgende Durchführung arbeitet hauptsächlich mit dem Triolenmotiv des Seitensatzes, darauf folgt eine kühne Wiederaufnahme des Scherzos, die, ähnlich wie zu Beginn des Satzes, die Reprise einleitet. Diese ist durch zwei Einschübe länger als die Exposition. Die sehr ausgedehnte Coda beginnt mit einem neuen, dem Hauptthema verwandten Motiv (G-C-G-E-D-C-G2), das nach zweimaligem Ansetzen zum letzten Presto überleitet.
Diskographie
Es existieren inzwischen über 150 Aufnahmen des Werkes. Deshalb können nur wenige Aufnahmen gesondert erwähnt werden. Die erste Aufnahme stammt von den Berliner Philharmonikern unter Arthur Nikisch aus dem Jahr 1913. Es lassen sich in der Folgezeit zwei verschiedene Interpretationsansätze verfolgen: zum einen die romantische Beethoven-Interpretation, repräsentiert durch Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer und Bruno Walter. Die Tempi sind getragen und deutlich langsamer als vom Komponisten angegeben (bis zu 40 Minuten Gesamtspielzeit), die einzelnen Abschnitte innerhalb eines Satzes sind zusätzlich im Tempo voneinander abgehoben, die Oberstimmen sind gegenüber den Gegenstimmen hervorgehoben. Der andere Ansatz (zuerst vertreten durch Arturo Toscanini) befolgt die schnellen Metronomzahlen (27 Minuten Gesamtspielzeit), ist im Klangbild schlanker und versucht eher die Satzstruktur herrauszuarbeiten. Ferner ist die Klavierfassung von Franz Liszt (in Aufnahmen von Glenn Gould, Paul Badura-Skoda, Cyprien Katsaris und Konstantin Scherbakov) zu erwähnen. Von Ernst-Erich Stender existiert eine Bearbeitung für Orgel.
Weblinks
- Dokumente zur 5. Symphonie in der Sammlung des Beethoven-Hauses Bonn
- Die komplette Partitur in einer älteren Ausgabe
Literatur
- Gülke, Peter: Zur Neuausgabe der Sinfonie Nr. 5 von Ludwig van Beethoven, Peters, Leipzig 1978.
- Wulf Konold: Ludwig van Beethoven. 5. Symphonie, : Schott, Mainz 1979.
- Max Chop: Ludwig van Beethovens Symphonien (Nr. 4-6), geschichtlich und musikalisch analysiert, mit zahlreichen Notenbeispielen von Max Chop, Reclam, Leipzig.
- Renate Ulm: Die 9 Symphonien Beethovens, Bärenreiter Verlag, Oktober 2002.
- Dieter Rexroth: Beethoven, Schott, Mainz Juni 2001.
- Eliot Forbes: Beethoven. Symphony No.5 in C minor, Norton, New York 1971.