Diskussion:Währungsreform
Die Änderungen zwischen der momentan vorletzten und letzten Version sind gravierend, weshalb ich sie erläutern will: Währungsreform bezeichnet die vollständige Umordnung des Geldsystems eines Staates. Die bisherigen Währungsreformen waren fast nie vollständig im Sinne der Aufhebung, Neueinführung oder Änderung aller Eigenschaften einer Währung bzw. des Geldes. Sie betrafen meist den Nominalwert von Schulden und Guthaben, von Bargeld sowie zwangsläufig die nominelle Menge des umlaufenden Bargeldbestandes. Meist wurde auch der Name der Währung geändert. Dies sind teilweise Umordnungen, keine vollständigen. Hinsichtlich eines Staates mag das bisher so gegolten haben. Wenn der Euro einmal reformiert wird, bezieht sich die Währungsreform nicht auf einen Staat, sondern — und das gilt auch jetzt schon — auf einen Währungsraum.
In der Regel wird in einer Währungsreform eine neue Währung geschaffen, während Forderungen (manchmal Dauerschuldverhältnisse ausgenommen), die auf die alte Währung lauten, fast vollständig oder ganz vollständig offiziell entwertet werden. Wenn man etwas reformiert, formt man etwas um. Der Begriff „schaffen“ steht dazu im Widerspruch, auch wenn die Nutzer des alten und des neuen Geldes die alte Währung verschwinden und die neue kommen sehen. Besteht man auf dem Begriff „schaffen“, sollte man auf den Begriff „Reform“ verzichten, aber genau der ist ja hier zu erläutern. Also ist „Umgestalten“ wohl angebrachter. Schulden des Einen sind Vermögen des anderen, also müssen auch Vermögen so behandelt - und hier erwähnt - werden.
Währungsreformen markieren damit Geburt der neuen und Tod der alten Währung. Die Schaffung und Abschaffung oder Reformierung von Währungen sind ein administrativer Akt, kein biologischer Vorgang. Die hier gewählte Form erscheint mir poetisch.
Währungsreformen werden in der Regel dann vorgenommen, wenn sich die Wertlosigkeit einer Währung, die in der Regel durch Aufblähung der Geldmenge entsteht, herauszustellen droht oder sich bereits herausgestellt hat. Die „Aufblähung der Geldmenge“ ist mehrdeutig. Inflation wäre besser, denn es ist zwischen der emittierten und der umlaufenden Geldmenge zu unterscheiden. Die umlaufende Geldmenge bestimmt den Wert einer Währung, nicht die emittierte. Der Anteil der ruhenden Gelder kann nicht unmittelbar durch die Notenbank beeinflusst werden und ist daher ein Unsicherheitsfaktor für den Wert einer Währung und damit für die Preisstabilität. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die aufgeblähte und bisher stehende Geldmenge versucht nachzufragen, sich also "in Bewegung" setzt. Die Geldmenge versucht nicht nachzufragen; es sind Menschen, die das tun. Erst dann wird den meisten Wirtschaftsteilnehmern klar, dass für diese große Geldmenge gar nicht genügend Waren vorhanden oder kurzfristig produzierbar sind, womit der Markt in aller Regel mit gehörigen Preissteigerungen reagiert. (galoppierende Inflation) Preissteigerungen sind individuelle (oder natürlich Kartell-)Entscheidungen, die sich aus dem positiven Testen des Marktes ergeben. Fiele der Test negativ aus, ließe sich die Preissteigerung nicht durchhalten. Das geschieht fortwährend und nicht als kollektive Entscheidung der „meisten Wirtschaftsteilnehmer“. Galoppierend: Kein schöner Begriff, aber etabliert. Jedoch: Ab wann ist eine Inflation galoppierend oder gehörig (oder ungehörig)?
Währungsreformen werden demnach benutzt,
- um einen bevorstehenden Zeitraum galoppierender Inflation von mehreren Monaten bis Jahre auf wenige Tage zu verkürzen und somit die Dauer der Wirkung der Nachteile von Wirtschaftssystemen im Inflations-Zustand erheblich zu beschränken oder Umständliche Formulierung. Und: Wo ist das schon mal prophylaktisch („bevorstehend“) gemacht worden?
- um eine bereits stattgefundene galoppierende Inflation staatlich zu bestätigen und durch die neue Währung die galoppierende Inflation auf die alte Währung zu beschränken. Wo die Notenbank vom Staat unabhängig ist, spielt eine staatliche Bestätigung keine Rolle.
Währungsreformen sind daher einem Computerneustart, nachdem ein Programm "abgestürzt" war oder sich "aufgehängt" hat, nicht unähnlich. Erstens ist das sachlich nicht richtig, denn wenn ein Computer „abgestürzt“ ist, hört er für gewöhnlich an einer Stelle nicht mehr auf, in einer Schleife zu rechnen — er tut also sehr wohl noch etwas, aber es ist nicht sichtbar und nicht sinnvoll. Und zweitens: Mal angenommen, der Computer täte wirklich nichts mehr — der naheliegende Vergleich ist eine nicht stattfindender Geldumlauf. Der ist aber nicht charakteristisch für eine Inflation. Dort wird im Gegenteil immer gleich alles Geld ausgegeben, bevor es wertlos geworden ist. Ein stehender Computer ist dann eher mit einem stehenden Geld, also einem nicht funktionierenden Geldumlauf, vergleichbar.
Soweit das Wachstum der Geldmenge eines Wirtschaftsraums das Wachstum der Wirtschaftskraft dieses Wirtschaftsraums längerfristig überschreitet (Aufblähung der Geldmenge), sind Währungsreformen als Folge einer verspäteten Marktreaktion auf eben diese Aufblähung unvermeidlich, zumindest ist dies bei jeder Währung der Vergangenheit, über die überhaupt Erkenntnisse über deren Wert, Geldmenge und Wirtschaftskraft vorliegen, nachweisbar. Für so gut wie alle derzeitigen Währungen, so auch Euro oder US-Dollar, trifft eine solche Aufblähungs-Eigenschaft zu. Der ganze Absatz ist teilweise bereits abgedeckt (Wiederholung), teilweise paradox: Das Wachstum der (Bargeld-)Geldmenge hat bislang noch in fast jeder Währung - derzeit mal den japanischen Yen ausgenommen - fast immer das wirtschaftliche Wachstum überschritten. Das hat die D-Mark im Laufe ihrer Geschichte um gut zwei Drittel entwertet. Gemäß diesem Absatz hätte sie daher währungsreformiert werden müssen. Das ist aber nicht geschehen, jedenfalls nicht im hier beschriebenen Sinne, wonach es sich bei der Euro-Einführung nur um eine Währungsumstellung handelte. (Ich betrachte eine Währungsumstellung als eine "kleine Währungsreform", denn immerhin werden Name und Nominalwert geändert, bei der französischen Währungsreform von 1960 war es, abgesehen von den Attributen "neu" und "alt" sogar nur der Nominalwert.) Mir ist übrigens kein Beispiel bekannt, bei dem ein Markt verspätet auf eine Inflation reagiert hätte. Verzögert ist diese Reaktion immer ein bisschen, aber die Reaktionszeit des Marktes ist nicht bedenklich; die Inflationsrate dagegen ist es.
Anders als bei einer bloßen Währungsumstellung (wie zum Beispiel von der D-Mark auf den Euro), bei der lediglich zu einem festgesetzten Kurs die alte Währung in eine neue Währung umgetauscht wird, wird das Währungssystem vollständig neugeordnet, indem die Geldmenge begrenzt wird durch eine Limitierung der neu ausgegebenen oder umgetauschten Gelder.
Viel Mühe
Hi, viel Mühe, viele Gedanken, viel Schreiben hast du hier investiert. Zieh doch eine Essenz aus deinem Disku-Beitrag heraus und mach sie den WP-Lesern im Artikel greifbar. Als Historiker würde ich mir aber etwas mehr Fleisch um das Skelett der Jahre 23, 48 und 90 wünschen. Insbesondere die gewagte agrarische Konstruktion der Rentenmark ist doch ein spannendes Thema, oder? --alex 23:58, 29. Okt 2004 (CEST)
Hallo, super soweit. gab es vor 1923 noch weitere wichtige währungsreformen ? m.
Überarbeitung
Einige Bestandteile des Artikels sind so m. E. nicht richtig:
- Es ist im Artikel oft die Rede davon, dass eine Währung wertlos (geworden) ist. Das ist m. E. zu unspezifisch. "Wertlos" bedeutet in meinen Augen entweder eine hohe Inflation und/oder eine unrpraktische Preisdenominierung (auf gut Deutsch: Alle Preise haben viele Nullen hinten dran), was zu zunehmenden Transaktionskosten führt.
- Ein großer Teil des Artikels hat direkt nichts mit der Währungsreform an sich zu tun. Die gesamte Einteilung in ruhende und umlaufende Geldmenge sowie das Bananenbeispiel ist doch nichts Währungsreform-spezifisches - das gehört m. E. eher in einen Artikel zum Thema Inflation. Daher habe ich es entfernt, ebenso die Betrachtungen zu Umlaufgeschwindigkeit und Umlaufsicherung.
- Der Satz In den meisten Volkswirtschaften sinkt frisch nach einer Währungsreform die Umlaufgeschwindigkeit langsam aber stetig, um nach mehreren Jahrzehnten verhältnismäßig plötzlich zu steigen (Hyperinflation). ist praktisch nach meinen Erfahrungen nicht belegbar.
- Um zukünftige Währungsreformen und ihre negativen Folgen wirksam zu verhindern, wird vorgeschlagen, sicherzustellen, dass die Umlaufgeschwindigkeit dauerhaft konstant bleibt, sodass sie nicht sinken und wegen einer natürlichen oberen Schranke auch nicht mehr plötzlich steigen kann. Solche Maßnahmen heißen Umlaufsicherung. Wieso sollte die Umlaufgeschwindigkeit nicht sinken dürfen? Zur Inflationsvermeidung gibt es nichts Besseres!
- Währungsreformen können demnach benutzt werden, um einen bevorstehenden Zeitraum galoppierender Inflation von mehreren Monaten bis Jahre auf wenige Tage zu verkürzen. Gab es Währungsreformen, die ex ante durchgeführt wurden, um eine Hyperinflation zu verhindern? Ich bin kein Wirtschaftshistoriker - aber das erscheint mir nicht des Pudels Kern zu sein. Vielmehr geht es bei Währunsreformen doch wie gesagt darum, a) aktuell hohe Inflation über den psychologischen Weg eines Neuanfangs zu stoppen und/oder b) die negativen Auswirkungen früherer Inflationen (nämlich unhandliche Preise) zu beseitigen.
- Die Bezeichnung "deutschlandlastig" finde ich unsinnig, wenn Währungsreformen in anderen Ländern explizit in andere Artikel ausgelagert worden sind.
Auch ich finde, dass noch Infos zu den verschiedenen historischen Währungsreformen eingebaut werden sollen - da bin ich aber leider kein Fachmann. Entschuldigung fürs viele Löschen - aber wie gesagt: Das hat alles mit dem Thema direkt wenig zu tun. Stattdessen habe ich versucht, einen Absatz "Gründe für Währungsreformen" auszuarbeiten.
Viele Grüße Kai (Benutzer:Geisslr) 09:23, 28. Apr 2005 (CEST)
Anmerkung zur letzten Überarbeitung durch Geisslr|Kai
zu 2.: Die "Bananen" waren mir auch schon die ganze Zeit über unpassend erschienen. Danke für's Löschen (obwohl ich viel Sympathie für anschauliche Beispiele habe)!
Nicht zustimmen kann ich dagegen dem Löschen von Betrachtungen zur Umlaufsicherung. Eine Umlaufsicherung an sich ist natürlich keine Währungsreform, aber die Einführung einer solchen sehr wohl. Rufen wir uns abseits aller politischen Abgenutztheit des Wortes "Reform" doch einmal ins Bewusstsein, was es bedeutet: Eine Umformung, eine Änderung der Randbedingungen, der Konditioniertheit einer Sache, in diesem Falle des Geldes. Abgesehen davon, dass die Meinungen über Sinn und Unsinn, erwünschte Effekte und möglicherweise unbedachte Auswirkungen einer Geldumlaufsicherung weit auseinander gehen, ist wohl ein Konsens darüber zu erzielen, dass eine Umlaufsicherung das Geld an sich ändern würde -- sonst wären die Diskussionen darüber nicht teilweise so hitzig. Wenn das aber so ist, dann muss die Einführung einer Umlaufsicherung als eine Reform angesehen werden. Ich würde Währungsreform nicht darauf reduzieren, dass eine alte Währung für ungültig erklärt und als Ersatz dafür eine neue eingesetzt wird.
zu 4.: Die Formulierung "wird vorgeschlagen, sicherzustellen, dass die Umlaufgeschwindigkeit dauerhaft konstant bleibt, sodass sie nicht sinken und ... nicht ... steigen kann" ist ein wenig tautologisch, aber wenn man den Teil ab "sodass" streicht, passt sie. Die Frage, wieso eine Umlaufgeschwindigkeit nicht sinken dürfe, mutet angesichts der depressiven Wirtschaftslage in Deutschland ein wenig außerirdisch an. Jeglicher wirtschaftliche und sogar Kapitalertrag ist an den Umlauf des Geldes gebunden. Ansonsten fielen wir in die Naturalwirtschaft zurück; das hätte auch das Finanzamt nicht so gerne.
Die ultima ratio gegen Inflation (also gegen eine Erhöhung der umlaufenden Geldmenge) ist m.E. eine Stabilisierung der umlaufenden Geldmenge. Das kriegt die EZB ganz einfach hin, indem sie die Leitzinsen so weit erhöht, bis sich die Geschäftsbanken von ihr kein weiteres Bargeld mehr leihen. Und falls die umlaufende Geldmenge dann immer noch zunimmt, so ist das auf die Mobilisierung bis dahin ruhender Geldbeträge oder auf Blüten zurückzuführen. Dann müssen die Leitzinsen so lange und so weit zusätzlich erhöht werden, bis ausreichend viel Bargeld an die EZB zurückgeflossen ist.