Adrien de Gerlache de Gomery
Adrien de Gerlache de Gomery (* 2. August 1866 in Hasselt (Belgien); † 4. Dezember 1934 in Brüssel; war ein belgischer Offizier und Polarforscher.
Jugend und Militärdienst
Adrien de Gerlache de Gomery wird als ältester Sohn eines adligen Offiziers geboren. Obwohl die Militärlaufbahn in der Familie Tradition hat, tritt er gegen den Willen seines Vaters 1886 in die belgische Marine ein. Mit zweiundzwanzig Jahren wird de Gerlache de Gomery in den Rang eines "Zweiten Leutnants auf großer Fahrt" und im Oktober 1890 zum Leutnant befördert. Er verrichtet Dienst auf Schiffen der belgischen Fischereiaufsicht, der Küstenwache und der Fährlinie Oostende - Dover, wünscht sich insgeheim jedoch ein abenteuerlicheres Leben.
1895 nimmt de Gerlache de Gomery an einer Fahrt nach Jan Mayen und Ostgrönland teil, die ihn bestärkt, sein Leben der Polarforschung zu widmen. Zudem bekommt er Kunde vom geplanten Vorhaben des berühmten schwedischen Entdeckers Adolf Erik Nordenskiöld, das noch unerforschte Grahamland zu erkunden und das Wagnis einer Überwinterung einzugehen. Als Nordenskiöld seine Pläne wegen mangelnder Finanzierbarkeit aufgibt, entwickelt de Gerlache de Gomery darauf basierend ein eigenes Expeditionsprojekt. Er informiert den Schweden vorab, um sich nicht dem Verdacht des geistigen Diebstahls auszusetzen, doch Nordenskiöld hält ihn einer Antwort nicht für würdig.
Auch die belgische Expedition droht an Geldmangel zu scheitern. Erst als König Leopold II. interveniert und die einheimische Geographische Gesellschaft anweist, de Gerlache de Gomery zu unterstützen, fließen erste Mittel. Eine Sammlung der Gesellschaft erzielt einen Erlös von 200.000 belgischen Franc, weitere 25.000 kommen durch eine Spende des Soda-Produzenten Ernest Solvay hinzu. Obwohl die wissenschaftlichen Ziele der Expedition gegenüber der Öffentlichkeit betont werden (so soll angeblich die Lage des magnetischen Südpols genau bestimmt werden), geht es freilich auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Durch geologische und kartographische Untersuchungen sollen neue Rohstofflagerstätten erschlossen und der belgische Kolonialbesitz durch die zu dieser Zeit übliche Landnahme durch den Entdecker vergrößert werden.
Die "Belgica"-Expedition 1897-1899
Für die Hälfte des eingesammelten Geldes wird in Norwegen ein ausgedientes Robbenfängerschiff mit dem Namen "Patria" angeschafft, neu gestrichen und auf den Namen "Belgica" getauft. Das Schiff ist mit Segeln und einer 150 PS starken Dampfmaschine ausgerüstet, 30 Meter lang, 7 Meter breit und besitzt einen Tiefgang von 5 Metern. Ein Umbau, um das Schiff eismeertüchtig zu machen, unterbleibt aus finanziellen Gründen. Vor dem Beginn der Reise besucht der berühmte Polarforscher Fridtjof Nansen das Schiff und wünscht der Besatzung, die aus Belgiern, Rumänen, Polen und Norwegern besteht, alles Gute. Keiner von ihnen, außer dem Kapitän de Gerlache de Gomery hat Erfahrung im Eismeer. Als Zweiter Offizier fungiert der noch völlig unbekannte Roald Amundsen, der 1912 als erster Mensch den geographischen Südpol erreichen wird.
Am 16. August 1897 verlässt die "Belgica" den Hafen von Antwerpen. Da der Schiffsarzt in letzter Minute das Schiff verlassen hat, stößt in Rio de Janeiro der deutschstämmige Amerikaner Frederick A. Cook als neuer Mediziner zur Mannschaft, der später behaupten wird, als Erster den geographischen Nordpol erreicht zu haben.
Die "Belgica"-Expedition scheint von Beginn an unter keinem guten Stern zu stehen, Stürme und Riffe beschädigen das Schiff, Teile der Besatzung fallen aus und müssen in Chile zurückgelassen werden. Zum Beginn des Jahres 1898 erreicht die "Belgica" antarktische Gewässer, doch die Unglücksserie setzt sich fort. Am 22. Januar geht der norwegische Matrose Carl-August Wiencke über Bord und ertrinkt trotz Rettungsversuchen. Ihm zu Ehren wird eine der zahlreichen im Palmer-Archipel neu entdeckten Inseln mit seinem Namen bedacht.
Im März 1898 passiert die "Belgica" die südlichste bis zu diesem Zeitpunkt jemals erreichte Breitenposition, im Überschwang der erreichten Leistung und der getätigten Entdeckungen versäumt es Adrien de Gerlache de Gomery rechtzeitig einen Überwinterungsplatz für die ausgewählten Männer zu suchen und das Schiff in eisfreie Gewässer zurückzuschicken. Somit ist die "Belgica" wenige Tage darauf im Packeis gefangen und am 21. März beginnt für 186 Tage die Polarnacht. Während dieser Zeit registriert Dr. Cook die allmählich auftretenden Symptome einer Anämie, seiner Ansicht nach bedingt durch den langen Lichtmangel und die unzureichende Ernährung. Am 05. Juni stirbt der Physiker Emile Danco an der vom Arzt benannten "Polaranämie", während der Matrose Adam Tollefsen an Wahnvorstellungen leidet. Mit der Bezeichnung "Danco-Land" für einen Küstenabschnitt der Antarktischen Halbinsel wird auch dem verstorbenen Belgier ein würdiges Denkmal gesetzt.
Das Schiff driftet währenddessen mit dem umgebenden Packeis in verschiedene Richtungen, selbst nach Ende der Polarnacht kommt die "Belgica" monatelang nicht frei. Die Zeit drängt, da nach dem Anbruch des Jahres 1899 bereits die nächsten sonnenlosen Monate und damit der sichere Tod drohen. Die Besatzung versucht mit Sägen und Sprengstoff einen Kanal zum am Horizont sichtbaren freien Fahrwasser zu schaffen, doch erst nach über einem Jahr, am 14. März 1899 sind die verbleibenden 17 Personen an Bord des wider Erwarten sehr robusten Schiffes gerettet. Am 5. November 1899 erreicht die "Belgica" wieder den Hafen von Antwerpen.
Mannschaft der "Belgica"
- Adrien de Gerlache de Gomery (1866-1934): Belgien - Leiter der Expedition, Kapitän
- Georges Lecointe (1869-1929): Belgien - Geophysischer Beobachter, Erster Offizier
- Roald Amundsen (1872-1928): Norwegen - Zweiter Offizier
- Henryk Arctowski (1871-1958): Polen - Geologe, Ozeanograph und Meteorologe
- Emile Danco (1869-1898): Belgien - Geophysischer Beobachter
- Emile-G. Racovitza (1868-1947): Rumänien - Zoologe und Botaniker
- Frederick A. Cook (1865-1940): USA - Arzt und Fotograf
- Antoine Dobrowolski (1872-1954): Polen – Assistenz-Meteorologe
- Jules Melaerts (1876-?): Belgien - Dritter Offizier
- Henri Somers (1863-?): Belgien – Chefmaschinist
- Max van Rysselberghe (1878-?): Belgien - Maschinist
- Louis Michotte (1868-1926): Belgien - Koch
- Adam Tollefsen (1866-?): Norwegen - Matrose
- Ludvig-Hjalmar Johansen (1872-?): Norwegen - Matrose
- Engelbret Knudsen (1876-1900): Norwegen - Matrose
- Gustave-Gaston Dufour (1876-1940): Belgien - Matrose
- Jean Van Mirlo (1877-1964): Belgien - Matrose
- Carl-August Wiencke (1877-1898): Norwegen - Matrose
- Johan Koren (1877-1919): Norwegen - Matrose und Assistenz-Zoologe
Biografie der Jahre 1899-1934
In den kommenden jahren unternimmt Adrien de Gerlache de Gomery weitere Forschungsfahrten. 1901 soll ihn eine Fahrt zu den zu Frankreich gehörenden Kerguelen führen, doch da die französische Kolonialbehörde noch während der Reise ihre Genehmigung für das Unternehmen zurückzieht, endet die Fahrt im Persischen Golf, wo sich die Bestzung des Fangens von Perlaustern widmet.
Im Jahre 1902 schließt sich de Gerlache de Gomery einer französischen Antarktisexpedition unter Jean-Baptiste Charcot an, verlässt aber im brasilianischen Pernambuco wegen Meinungsverscheidenheiten das Schiff. 1904 heiratet Adrien de Gerlache de Gomery die Französin Suzanne Poulet. Aus der Ehe gehen ein Sohn und eine Tochter hervor.
1905 folgt de Gerlache de Gomery einer Einladung Prinz Philipps von Orléans und begleitet ihn auf seinem alten Schiff, der "Belgica", nach Nordostgrönland. Mit dem Herzog, der die "Belgica" inzwischen gekauft hat, werden noch Fahrten in die Karasee (1907) sowie nach Spitzbergen und Franz-Joseph-Land (1909) unternommen.
1913 lassen sich de Gerlache de Gomery und seine Frau scheiden. Als ein Jahr später der Erste Weltkrieg ausbricht, engagiert sich de Gerlache de Gomery bei der Planung von Evakuierungen, der Verteidigung von Oostende und anderer Küstenstädte sowie der Inspektion von Verteidigungsanlagen. 1915 erschein sein Buch "Le pays qui ne veut pas mourir" (Ein Land, das nicht sterben will), das sich insbesondere in Skandinavien zum Bestseller entwickelt. De Gerlache de Gomery reist nach Norwegen um auf die Lage der unter den Kriegshandlungen leidenenden belgischen Zivilbevölkerung aufmerksam zu machen. Diese Kampagne wiederholt er 1916 in Schweden aus.
Am 28. Dezember heiratet Adrien de Gerlache de Gomery in zweiter Ehe Elisabeth Höger, am 17. November 1919 wird der Sohn Gaston geboren, benannt nach de Gerlache de Gomerys 1915 gefallenem Bruder.
Nach dem Krieg arbeitet Adrien de Gerlache de Gomery als Berater der Regierung. 1926 wird er zum Generalinspekteur der belgischen Marine berufen, 1928 zum Generaldirektor befördert.
Adrien de Gerlache de Gomery stirbt am 4. Dezember 1934 in Brüssel an Paratyphus.
Literatur
- Adrien de Gerlache de Gomery: Le Voyage de la 'Belgica'. Brüssel, 1902
- Frederick A. Cook: Die erste Südpolarnacht 1898-1899. Kempten, Verlag d. Jos. Kösel'schen Buchhandlung, 1903
- Georges Lecointe: In Penguin Country. Société Belges de Librarie, Oscar Schepens & Cie, Editeurs, Brüssel, 1904
- Hugo Decleir (red.): Roald Amundsens Belgica-dagboek. De eerste Belgische zuidpoolexpeditie, Hadewijch, Antwerpen/Baarn, 1998
Weblinks
- [1] Ausführliche Schilderung der "Belgica"-Expedition (engl.)
Personendaten | |
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NAME | de Gerlache de Gomery, Adrien |
KURZBESCHREIBUNG | Polarforscher |
GEBURTSDATUM | 2. August 1866 |
GEBURTSORT | Hasselt (Belgien) |
STERBEDATUM | 4. Dezember 1934 |
STERBEORT | Brüssel |