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Geschichte des Kosovo

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Die Geschichte des Kosovo wird von Serben und Albanern gewissermaßen als geistiges Schlachtfeld angesehen, auf dem der Kampf um dieses Gebiet mit intellektuellen Mitteln (weiter)geführt wird. Im Wesentlichen geht es dabei um vier Streitfragen:

  1. Wer siedelte zuerst im Kosovo? Die Beantwortung dieser Frage soll das historische Recht auf die heutigen Besitzansprüche untermauern.
  2. Wer hatte wann die Bevölkerungsmehrheit? Auch die Beantwortung dieser Frage wird zur Begründung eigener Besitzansprüche herangezogen.
  3. Wer hat im Laufe der Geschichte ein wie auch immer geartetes Recht auf den Besitz des Kosovo erworben – etwa durch Errichtung von Kulturdenkmälern oder den Kampf gegen fremde Besatzer wie Türken und Deutsche?
  4. Wer hat wann an wem welche Gräueltaten, Massaker und Vertreibungen begangen? Dies dient zur moralischen Untermauerung der eigenen Ansprüche. Und die Geschichte des Kosovo bietet reiche Beispiele für beide Seiten.

Kriterien westlicher Geschichtswissenschaft werden bei Antworten auf diese Fragen von Serben und Albanern in der Regel nicht angelegt. Oft werden nationale Mythen verbreitet, die der Nachprüfung durch Historiker nicht standhalten. Geschichtliche Fakten, die den Anspruch der jeweiligen Gegenseite untermauern könnten, werden bestritten bzw. verschwiegen, Fakten, die eigene Ansprüche zu stützen scheinen, übermäßig hervorgehoben.

Die Schlacht auf dem Amselfeld (serb. Kosovo polje)

Vorgeschichte und Antike

  • 1000 v. Chr.: Verschiedene Stämme der Illyrer bewohnen die westliche Hälfte der Balkanhalbinsel vom Norden des heutigen Griechenlands bis nach Pannonien. Die Dardaner, die von manchen Forschern den Illyrern zugerechnet werden, von anderen den Thrakern, siedeln im Gebiet des heutigen Kosovo.

Die albanische Forschung sieht überwiegend die Albaner als Nachfahren der alten Illyrer, was vor allem auf sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten gestützt wird. Die albanischen Ansprüche auf das Gebiet stützen sich fast ausschließlich auf diese umstrittene Abstammung. Westliche Forscher gehen größtenteils davon aus, dass die Albaner aus einem altbalkanischen Volk hervorgingen, welches die Romanisierung im unzugänglichen Berggebiet Nordalbaniens überdauerte.

  • 2. Jahrhundert v. Chr. – 1. Jahrhundert: Integration der illyrischen Siedlungsgebiete in das Römische Reich. Seit der Kaiserzeit gehört das heutige Kosovo zur Provinz Moesia superior. Kaiser Diocletian teilt Ende des 3. Jahrhunderts die Provinzen neu ein. Kosovo und Teile des heutigen Mazedonien bilden nun die Provinz Dardania in der Diözese Moesia. Die wichtigste römische Ansiedlung auf dem Gebiet des Kosovo war das zur Zeit Kaiser Trajans gegründete Municipium Ulpiana. Seine Ruinen liegen nahe der Stadt Lipjan. Ansonsten war das Gebiet des heutigen Kosovo zu römischer Zeit eine städtearme Landschaft. Archäologisch nachgewiesen sind vor allem spätantike Siedlungen.
  • 6. Jahrhundert: Einzug und die Verbreitung der Slawen über den ganzen Balkan. Die Slawen plündern und zerstören viele byzantinische Städte.

Mittelalter und erster serbischer Staat

siehe auch: Geschichte Serbiens

Nach der Völkerwanderung und der Landnahme der Slawen auf den Balkan konnte sich das Byzantinische Reich im 7. Jahrhundert wieder stabilisieren. Obwohl die Balkanhalbinsel nun zum großen Teil von Slawen bewohnt war, herrschten die griechischen Kaiser bis Anfang des 9. Jahrhunderts über das Gebiet des heutigen Kosovo. 814 wurde die Region vom bulgarischen Zarenreich erobert. Nordwestlich des Kosovo begann im 10. Jahrhundert die Entstehung der ältesten serbischen Fürstentümer (Raszien). Im 11. Jahrhundert folgt eine letzte Periode der byzantinischen Herrschaft über Kosovo. In diesem Jahrhundert erwähnt auch ein byzantinischer Autor erstmals die Albaner als siedelndes Volk in der Region Albanien, Kosovo und Mazedonien.

Um 1200 begründen die Serben unter der Dynastie der Nemanjiden einen mittelalterlichen Staat mit einem serbischen König und einer serbisch-orthodoxen Nationalkirche. Zwischen dem Ende des 12. Jahrhunderts (Eroberung des östlichen Kosovo) und den ersten zwei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts (spätestens 1216 wurde die Stadt Prizren erobert) wird das Kosovo Teil des serbischen Königreiches der Nemanjiden. Das serbische Reich wird im 13. und 14. Jahrhundert aufgrund der Schwäche des Byzantinischen Reiches zur Hegemonialmacht auf dem Balkan.

Der erste König Stefan Nemanjić, auch Stephan II. genannt (1196–1227), wird 1217 gekrönt, sein Bruder, der Mönch Sava von Serbien (1169–1236) begründet als erster serbischer Erzbischof (1219–1233) die selbständige (autokephale) Serbisch-orthodoxe Kirche. 1345 lässt sich der serbische König Stefan Uroš IV. Dušan (1331–1355) zum „Zaren der Serben und Rhomäer“ krönen und erhebt so den Anspruch, als Nachfolger des Oströmischen (Byzantinischen) Reiches zu gelten. 1346 wird der serbische Erzbischof zum Patriarchen erhoben. Er nimmt seinen Amtssitz im Dreifaltigkeitskloster in Peć. Prizren in der Region Metochien (serb. Metohija) wird in dieser Zeit als Handelsstadt eines der Zentren des mittelalterlichen serbischen Staates. Das Kosovo ist auch die wirtschaftliche Basis dieses Reiches: es ist Kornkammer, Weinanbaugebiet und Weideland; dort werden Eisenerz, Blei, Silber und Gold gefördert.

Im serbischen Mittelalter lebten bereits Albaner als Minderheit im Kosovo. In vielen serbischen schriftlichen Überlieferungen aus dieser Zeit werden sie als Hirten bezeichnet.

Die serbischen Ansprüche werden primär vor dem Hintergrund des Serbischen Reichs des Mittelalters geltend gemacht: Kosovo ist im serbischen Selbstverständnis die Geburtsstätte der nationalen Kultur. Das Kloster von Peć war – von 1346 bis 1463 und von 1557 bis zur Aufhebung des Patriarchats durch die Türken im Jahre 1766 – Sitz des serbischen Patriarchen. Auch heute noch trägt der Patriarch der Serbischen-Orthodoxen Kirche – obwohl er seit 1920 in Belgrad residiert – den Titel des Erzbischofs von Peć. Charakteristisch ist die enge Verflechtung zwischen serbischer Nationalbewegung und eigener Nationalkirche: Die Kirche selbst versteht sich als Träger nationaler Kultur und Staatlichkeit.

Eroberung durch die Osmanen

Nach seiner größten Machtentfaltung unter Stefan Uroš IV. Dušan zerfiel das serbische Reich sehr schnell in eine Reihe mehr oder weniger miteinander rivalisierender Teilfürstentümer, diese teilten auch das Kosovo. Diese Entwicklung, verbunden mit der Rivalität benachbarter christlicher Staaten, begünstigte die Niederlage der Reste des orthodoxen serbischen Reiches und die Expansion des muslimischen Osmanischen Reiches.

Nach dem Einfall der Osmanen (1385) kommt es 1389 zur Schlacht auf dem Amselfeld . Die Bedeutung dieser Schlacht für die Realgeschichte ist eher gering (sie endete vermutlich unentschieden), für die Geistesgeschichte jedoch sehr groß: Die Berichte über die Schlacht begründen den im 19. Jahrhundert geprägten serbischen Mythos vom Opfertod bei der Verteidigung der Christenheit und prägen die serbische nationale Identität bis heute. Nach der Schlacht wurden die serbischen Fürsten, die das Kosovo beherrschten, zu osmanischen Vasallen. Mit der Einnahme von Konstantinopel 1453 gingen die Osmanen dazu über, das Kosovo direkt zu regieren. Seit 1455 ist das Kosovo ganz unter osmanischer Herrschaft.

In der Folge kehren sich die Siedlungsbewegungen der Serben um: Während der Expansion des Serbischen Reiches hatten sie sich von Norden nach Süden ausgebreitet, nun wanderten – bedingt durch die Ausbreitung des Osmanischen Reiches – die Zentren der serbischen Siedlung aus dem Kosovo Richtung Norden.

Osmanenherrschaft

Während eines Großteils der Osmanenherrschaft, einige Jahrhunderte lang, existierte Serbien als politische Einheit nicht.[1] Gleichzeitig begannen die Albaner sich immer stärker auf dem Balkan auszubreiten. Begünstigt wurde dieser Prozess in den nächsten Jahrhunderten durch mehrere Faktoren:

  • Die Übernahme des Islam durch die Albaner machte diese zu bevorrechtigten Bürgern im Osmanischen Reich.
  • Aus den vergleichsweise kargen Gegenden des heutigen Nordalbanien wanderten die Albaner aus wirtschaftlichen Gründen in die weitaus fruchtbareren Gebiete des Kosovo aus, was von den türkischen Behörden teilweise gefördert wird.
  • Ein Teil der Serben nahm ebenfalls islamischen Glauben an und wurden albanisiert; eine ähnliche Tendenz ließ sich bei den Bosniaken bzw bei Tscherkessen, die im 19. Jahrhundert in das Kosovo einwanderten, beobachten.

Gleichzeitig kam es zu massiven Auswanderungen der Serben nach Norden, vorrangig in das von den Habsburgern beherrschte Königreich Ungarn. 1686 eroberten die Habsburger Budapest von den Türken, 1689 Belgrad. In einem nachfolgenden Feldzug drangen habsburgische Truppen bis in das Kosovo und nach Mazedonien vor. Die Osmanen konnten sie jedoch wieder aus dieser Region vertreiben. Die Serben des Kosovos, welche die habsburgischen Truppen als Befreier begrüßten, flohen 1690 vor der Rache der Osmanen. Etwa 40.000 Christen, meist Serben, zogen mit dem Patriarchen von Peć in die habsburgisch beherrschte Vojvodina. Dies war ein erheblicher Anteil der damaligen Bevölkerung: die größte Stadt des Kosovo, Prizren, hatte in der Mitte des 17. Jahrhunderts nur 13.000 Einwohner.

Zerfall des Osmanischen Reiches und Balkankriege

Mit der Gründung der unabhängigen Staaten Serbien, Bulgarien, Griechenland und Rumänien im Verlauf des 19. Jahrhunderts und dem absehbaren Zerfall des Osmanenreiches stellte sich die Frage, was mit den noch unter osmanischer Herrschaft stehenden Gebieten auf dem Balkan werden sollte. Die balkanischen Kleinstaaten stritten darum erbittert, zudem verfolgten die rivalisierenden Großmächte Österreich-Ungarn und Russland ihre eigenen Interessen in Südosteuropa, wodurch die Lage noch komplizierter wurde. An die Gründung eines albanischen Staates dachte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts niemand, auch die Albaner nicht. Mehrheitlich muslimischen Glaubens sahen sie ihre Zukunft weiterhin unter der Herrschaft des Sultans. Sie wollten Reformen im Osmanischen Reich, das albanische Sprachgebiet sollte in einem Vilayet vereinigt und Albanisch Unterrichtssprache werden. Diese Forderungen vertrat die Liga von Prizren, die sich 1878 gebildet hatte, um die Abtretung albanisch besiedelter Gebiete des Osmanischen Reiches an die slawischen Nachbarstaaten zu verhindern.

Mitte der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts begannen die Osmanen ihre europäischen Provinzen verkehrstechnisch zu erschließen. Europäische Gesellschaften wurden mit dem Eisenbahnbau beauftragt. Eine wichtige Strecke sollte von Thessaloniki über Skopje und das Kosovo nach Sarajewo führen. Die Planung folgte der traditionellen Hauptroute des Balkanhandels, die über das Amselfeld verlief. Bis zum Ausbruch des Serbisch-Türkischen Krieges (1876), war nur die Strecke bis nach Kosovska Mitrovica fertiggestellt. Nach dem Verlust Bosniens 1878 wurde nicht mehr weitergebaut. Später (1885) wurde die Strecke von Skopje über Vranje mit der serbischen Eisenbahn verbunden. Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung auf dem Balkan verlief nun von Thessaloniki über das Vardar- und das Moravatal nach Niš und Belgrad. Kosovo war damit von der zentralen Verkehrsader abgeschnitten und wurde zu einer Randprovinz. Dies sollte sich später auch unter der serbischen Herrschaft nicht mehr ändern.

Die durch den Berliner Kongress beschlossene Okkupation Bosnien-Herzegowinas durch die Donaumonarchie im Jahr 1878 verärgerte Serbien, da man dieses Land als von Serben bewohntes Territorium für sich oder einen südslawischen Gesamtstaat beanspruchte. Seit dieser Zeit wuchsen die Gegensätze zwischen Österreich-Ungarn und Serbien. Serbien bekam auf dem Berliner Kongress nur das Gebiet zwischen Niš und Vranje zugesprochen. Die in der Gegend von Vranje lebenden Albaner wurden in das noch unter osmanischer Herrschaft stehende Kosovo vertrieben, womit dort der albanische Bevölkerungsanteil deutlich anwuchs.

Die serbische Regierung bemühte sich in den folgenden Jahrzehnten, ihr Territorium auf Kosten des Osmanischen Reiches nach Süden auszudehnen. Im Ergebnis des ersten Balkankriegs 1912 verlor das Osmanische Reich, abgesehen von Ostthrakien, seine restlichen europäischen Besitzungen. Kosovo (das damals bereits eine nicht-serbische Bevölkerungsmehrheit aufzuweisen hatte[2]) und Mazedonien fielen an das Königreich Serbien.

Österreich-Ungarn versuchte seinerseits die Ausdehnung Serbiens zu begrenzen und erreichte, dass den Serben von der Botschafterkonferenz der Großmächte ein Zugang zur Adria in der Nähe der albanischen Stadt Shkodra verwehrt wurde. Gleichzeitig unterstützte man die Bildung eines albanischen Staates.

Eine schmale politische Elite der Albaner hatte sich erst seit etwa 1910 mit der Frage befasst, was aus den Albanern werden soll, wenn die osmanische Herrschaft vom Balkan verschwindet. Als die Sieger des ersten Balkankriegs begannen, die eroberten Gebiete aufzuteilen, entschlossen sich deren politische Führer im November 1912 zur Ausrufung des unabhängigen Staates Albanien. An der Deklaration in Vlora waren auch Kosovaren, z.B. Isa Boletini, beteiligt. Die künftigen Grenzen waren völlig unklar und die provisorische Regierung Albaniens hatte keinerlei Macht, erstrebte aber trotzdem die Vereinigung aller albanischen Siedlungsgebiete im albanischen Staat. Kosovo und das nordwestliche Mazedonien fielen jedoch an Serbien, Ioannina und Umgebung an Griechenland. Freilich waren all jene Regionen gemischt besiedelt und die Albaner stellten noch nicht einmal in allen Gebieten eine Mehrheit. Dies galt vor allem für Epirus aber auch für weite Teile des Kosovo, in denen mehrheitlich Serben wohnten. (Vgl. auch Geschichte Albaniens)

Seit 1912 jedenfalls verlief die Geschichte der Albaner in Albanien und im Kosovo in sehr unterschiedlichen Bahnen: Schon die bei der Eroberung des Kosovo von der serbischen Armee verübten Grausamkeiten - etwa 10.000 Zivilisten sind dabei umgekommen - haben das Verhältnis der Albaner zu den neuen Machthabern von Anfang an schwer belastet. Die serbische Regierung hatte geplant, die neu gewonnenen Gebiete möglichst schnell dem restlichen Staatsgebiet anzugleichen. Dazu gehörte auch, dass überall die serbische Staatssprache und das serbische Schulwesen durchgesetzt wurde. Nicht nur bei den Albanern, sondern auch bei den Mazedoniern und anderen betroffenen Minderheiten waren diese Maßnahmen nicht sehr populär. Schon in den ersten Jahren der serbischen Herrschaft hatte die Auswanderung von Türken, Albanern und slawischen Muslimen in die Türkei eingesetzt, weil diese Muslime nicht unter christlicher Herrschaft leben wollten und teilweise auch schon unter Repressionen der neuen Herren zu leiden hatten. Diese Abwanderung setzte sich auch in der Zwischenkriegszeit in mehr oder weniger starken Schüben fort.

Erster Weltkrieg

Angriff der Mittelmächte auf Serbien im Ersten Weltkrieg 1914–1915

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914) und die Besetzung Serbiens (1915) verhinderte jedoch, dass die Pläne zur Serbisierung des Kosovo schnell in die Tat umgesetzt werden konnten. Als die Österreicher den Krieg gegen Serbien begannen, kam es im Kosovo zu Aufständen gegen die serbische Herrschaft. Die österreichisch-ungarische Armee wurde von den Albanern 1915 als Befreier begrüßt. Die Besatzungsmacht übergab die lokale Verwaltung in die Hände der Einheimischen und investierte in die Infrastruktur. Neben kriegswichtigen Straßen haben die Österreicher auch zahlreiche Grundschulen eingerichtet, in denen erstmals Unterricht in albanischer Sprache erteilt wurde. Nach dem Abzug der Österreicher im Herbst 1918 kam es zu Racheakten der zurückkehrenden serbischen Truppen an der kosovarischen Bevölkerung, weil diese mit dem Feind kollaboriert hatte.

Bei Kriegsende formierte sich um Hasan Bej Priština und Bajram Curri eine Widerstandsbewegung der albanischen Kosvaren, die gegen die wieder ins Kosovo einrückenden Serben kämpften und einen Anschluss der Provinz an Albanien erreichen wollten. Im Oktober 1919 ging Hasan Priština mit einer kosovarischen Delegation nach Paris, um bei der Friedenskonferenz für den Anschluss des Kosovo an Albanien zu sprechen. Die kosovarische Delegation durfte aber an keiner offiziellen Sitzung teilnehmen und ihr Anliegen wurde nicht debattiert.

Noch bis Anfang der zwanziger Jahre wurde die Provinz von Aufständen der Albaner erschüttert, die sich der serbischen Herrschaft nicht unterwerfen wollten. Zehntausende flohen zwischen 1918 und 1920 vor den Aufständen nach Albanien, wo die Versorgung der Flüchtlinge lange Zeit nicht gewährleistet werden konnte.

1919–1941

1919 verzichtete das Ökumenische Patriarchat zu Gunsten der Serbisch-Orthodoxen Kirche auf die Kirchenhoheit über die Eparchien in Kosovo und Mazedonien.

Schon 1921 sprach eine Delegation der Kosovo-Albaner beim Völkerbund in Genf vor, um sich über die Missachtung ihrer Menschen- und Minderheitenrechte zu beklagen. Ihre Beschwerde wurde dort aber ignoriert.

Nach dem Ersten Weltkrieg begann die serbisch dominierte Regierung des SHS-Staats mit der Serbisierung des Kosovo. Ideologisches Leitmotiv war dabei, dass die ethnische Struktur wiederhergestellt werden müsse, die im Kosovo vor der türkischen Eroberung im 15. Jahrhundert bestanden hat. Die gesamte Verwaltung wurde mit serbischen Beamten besetzt, Serbisch war die einzige Amtssprache und auch in allen staatlichen Schulen wurde nur in dieser Sprache unterrichtet. Mit der Vergabe von Land an Zuzügler aus Serbien und Montenegro versuchte die Regierung in den zwanziger Jahren den slawischen Bevölkerungsanteil zu erhöhen. Dafür wurde der Grundbesitz ausgewanderter Türken und Albaner beschlagnahmt, darüber hinaus enteignete man einige muslimische Großgrundbesitzer. Das ganze Programm war wenig erfolgreich. Kurzfristig stieg zwar der serbische Bevölkerungsanteil, aber schon zu Beginn der dreißiger Jahre wanderten mehr Slawen aus, als neu ins Kosovo kamen. Mancher serbische Neubauer verkaufte das von der Regierung erhaltene Land sogar an Albaner, was das besondere Missfallen der Regierung erregte. Grund für die serbische Auswanderung war die katastrophale wirtschaftliche Lage des Kosovo. Im Gegensatz zu den Albanern hatten die Angehörigen der Staatsnation bessere Chancen, in den nördlichen Regionen Jugoslawiens Arbeit zu finden. Deshalb neigten sie eher zur Abwanderung.

Die Regierung Jugoslawiens hatte vor dem Zweiten Weltkrieg weder ein schlüssiges Konzept noch die finanziellen Mittel, die Wirtschaft der armen südlichen Gebiete zu entwickeln. Sie blieben Auswanderungsländer.

1937: Die Vertreibung der Albaner als Planspiel

Die Enttäuschung über die fehlgeschlagene Serbisierung des Kosovo spiegelt sich auch in der 1937 von dem serbischen Nationalisten Vaso Čubrilović verfassten Denkschrift, die sich mit dem weiteren Vorgehen im Kosovo auseinandersetzt. In Die Aussiedlung der Albaner vertrat der Historiker die Überzeugung, dass das Albanerproblem nur mit Gewalt zur Zufriedenheit der Serben gelöst werden könne. Er plädierte für eine vollständige Vertreibung der muslimischen Kosovaren in die Türkei und nach Albanien. Die albanische Regierung wollte Čubrilović durch Finanzhilfen und durch Bestechung einzelner Politiker für den Plan gewinnen. Außenpolitische Probleme, so meinte Čubrilović, würde die „Aussiedlung“ nicht auslösen: Wenn Deutschland Zehntausende von Juden vertreibt und Russland Millionen von Menschen von einem Teil des Kontinents zum anderen verlegen konnte, so wird die Vertreibung von einigen Hunderttausend Albanern schon nicht zum Ausbruch eines Weltkrieges führen. (Zitat) Im Gegensatz zu den vorherigen wenig erfolgreichen Kolonisationsprojekten würde die nachfolgende Wiederbesiedelung erfolgreich sein, weil man den Kolonisten nun die Häuser und den beweglichen Besitz, den die Albaner auch zurücklassen müssten, zur Verfügung stellen könne. Zusätzlich plädierte Čubrilović für die Etablierung eines Zwangsdienstes jugoslawischer Jugendlicher zur Unterstützung der Neusiedler. Ausdrücklich nannte er den Reichsarbeitsdienst Hitlers als Vorbild.

Čubrilovićs Schrift blieb der Öffentlichkeit über Jahrzehnte verborgen. Sie war vom Verfasser auch nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen, sondern sollte die Politik der jugoslawischen Regierung beeinflussen. Dazu ist es aufgrund des deutschen Überfalls auf Jugoslawien im Jahr 1941 nicht mehr gekommen. Dušan Bataković, ein serbischer Historiker, berichtet, dass die Denkschrift erst im Januar 1988 durch die Veröffentlichung in einer Artikelserie der jugoslawischen Zeitung „Borba“ einem breiteren Personenkreis bekannt wurde.

Das Kosovo im Zweiten Weltkrieg

Der deutsche Überfall auf Jugoslawien im April 1941 führt schnell zur Niederlage und zum Zusammenbruch des jugoslawischen Staates. Wie die Kroaten beteiligten sich auch die Albaner kaum an der Verteidigung des ungeliebten Staates. An der Aufteilung des eroberten Landes nahmen auch Deutschlands Verbündete Italien und Bulgarien teil. Kosovo und Teile Mazedoniens wurden mit dem bereits unter der Herrschaft des faschistischen Italien stehenden Albanien vereinigt. Die Zivilverwaltung lag in der Hand der Albaner, die nun ihrerseits als Rache die serbische Minderheit unterdrückten.

Die Achsenmächte nutzten die Feindschaft zwischen den Balkanvölkern geschickt, um ihre Herrschaft in Südosteuropa zu stabilisieren. Die meisten Opfer hatten dabei die Serben zu beklagen, die dem Hass ihrer albanischen, kroatischen und bulgarischen Nachbarn ausgeliefert waren. Nach dem Ausscheiden Italiens aus dem Krieg im Sommer 1943 besetzten die Deutschen das Kosovo. Elastisch modifizierten die Nazis ihre Rassenideologie, indem sie die Albaner zur höherwertigen Rasse im Vergleich zu den Slawen erklärten. Auf diese Weise gewannen sie einen großen Teil der Albaner für den Kampf gegen die jugoslawischen Partisanen.

Seit 1943 war Kosovo zunehmend zum Aktionsgebiet jugoslawischer Partisanenverbände geworden. Ihre Angriffe auf die deutschen Truppen und die albanische Polizei wurde mehrfach durch die Ermordung serbischer Zivilisten vergolten. Personen die im Verdacht standen, die Partisanen zu unterstützen, wurden auch in das kroatische KZ Jasenovac verschleppt. 1944 wurde die kosovo-albanische SS-Division Skanderbeg aufgestellt. Ihr Standort war Prizren, ihr hauptsächliches Operationsgebiet das Kosovo. In ihrem brutalen Vorgehen unterschied sie sich nicht von den deutschen Verbänden. So tötete sie am 28. Juli 1944 im Dorf Veliko 380 Ortsansässige (darunter 120 Kinder) und steckte 300 Häuser in Brand. Im April 1944 deportierte sie 300 Juden.

In Titos Partisanenverbänden kämpften auch Albaner und es gab schon während des Krieges eine eigene kommunistische Parteiorganisation im Kosovo. In deren Führungsgremium waren die Albaner bis 1945 in der Mehrheit. Tito hatte den albanischen Kommunisten das Recht auf nationale Selbstbestimmung zugesagt, nur müsste Jugoslawien erst von den Faschisten befreit sein. Allerdings ist nie genau definiert worden, was mit dem Recht auf Selbstbestimmung gemeint war, und ob auch die Lostrennung des Kosovo von Jugoslawien darunter fallen würde. Unter den albanischen Kommunisten war diese Hoffnung jedenfalls weit verbreitet.

Neben den Partisanen Titos operierten im Kosovo auch albanische Partisanenverbände die der Befehlsgewalt der albanischen KP Enver Hoxhas unterstanden. Es kam zum Streit zwischen den kommunistischen Parteien beider Länder, denn man war sich nicht einig, wem das Kosovo nach dem Krieg zufallen sollte. Vor die Wahl gestellt, alleine das Kosovo Jugoslawien zu überlassen oder es zusammen mit Albanien dem jugoslawischen Staat anzugliedern verzichtete die KP Albaniens im Frühjahr 1944 auf jegliche Ansprüche im Kosovo. Tito und Hoxha kamen überein, dass die Vorkriegsgrenzen zwischen Albanien und Jugoslawien wiederhergestellt werden sollen.

Ende 1944 zogen sich die Achsenmächte aus dem Kosovo zurück und die kommunistischen Partisanen übernahmen die Kontrolle.

In Titos kommunistischem Jugoslawien

Die autonomen Provinzen Serbiens

1945–1966

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kosovo in das föderal organisierte Jugoslawien Josip Broz Titos integriert. Der Akt der Annektierung fand im April 1945 unter Kriegsrecht durch eine nicht gewählte „Regionale Volksversammlung von Kosovo und Metohija“ statt. Die Zustimmung fand damals durch Akklamation, ohne Abstimmung und vorherige Debatte statt. Die Volksversammlung war nicht repräsentativ: Unter 142 Abgeordneten fanden sich lediglich 33 Kosovo-Albaner. Das Gebiet wurde in der Folge der Teilrepublik Serbien zugesprochen. Von Selbstbestimmungsrecht für die Albaner war keine Rede mehr. In der regionalen KP-Führung wurde auf bürokratischem Weg die albanische Mehrheit gekippt. Man verkleinerte das Führungsgremium mittels einer Weisung aus Belgrad und ab 1945 waren nur mehr sechs Serben und fünf Albaner darin vertreten, was in etwa dem damaligen Bevölkerungsanteil der beiden Ethnien entsprach.

1945 kam es zu unorganisierten Aufständen verschiedener albanischer Gruppen gegen die neuerliche slawische Dominanz im Kosovo. Sie konnten von jugoslawischen Armee- und Polizeiverbänden ohne Schwierigkeiten niedergeschlagen werden. Die kommunistische Regierung Albaniens hielt sich aus diesen inneren Auseinandersetzungen beim damaligen Bündnispartner komplett heraus.

Ende der vierziger Jahre kehrten die jugoslawische und die serbische Regierung vollends zu den Vorkriegstraditionen der Kosovo-Politik zurück. Minderheitenrechte für die Albaner gab es im sozialistischen Staat der Südslawen vorerst nicht. Die gewährte man 1950 nur der kleinen türkischen Minderheit. Über 30.000 muslimische Albaner bekannten sich bei der Volkszählung von 1951 zur türkischen Nationalität, denn damit war die Möglichkeit zur Ausreise in die Türkei verbunden. Albanien weigerte sich, Flüchtlinge aus dem Kosovo aufzunehmen, zudem bot das Wenige was man im Kosovo über die Terrorherrschaft Enver Hoxhas in Albanien wusste, kaum einen Anreiz in das Mutterland auszuwandern. Bis 1966 sind mehr als 200.000 Albaner in die Türkei ausgewandert.

Wie vor dem Krieg bekamen serbische Neusiedler im Kosovo staatliche Unterstützungen. Entscheidend für den Zuzug in den Kosovo war aber, dass man hier leicht verhältnismäßig gut dotierte Stellen in der staatlichen Verwaltung bekommen konnte, die bis in die sechziger Jahre zum größten Teil mit Serben besetzt wurden. Den meisten Albanern fehlten dafür die notwendigen Qualifikationen und sie konnten diese auch nur unter Schwierigkeiten erwerben, weil es ihnen an Kenntnissen in der Staatssprache Serbokroatisch mangelte. Dies änderte sich erst in den fünfziger und sechziger Jahren, als eine Generation von Albanern heranwuchs, die serbische Schulen absolviert hatte. Auch der Militärdienst in anderen Teilen Jugoslawiens trug zur Verbreitung des Serbokroatischen unter den Albanern bei.

Wirtschaftliche Probleme

Anders als in der Zwischenkriegszeit bemühte sich die jugoslawische Regierung nach 1945 viel intensiver um die wirtschaftliche Entwicklung des Kosovo. Es wurde viel in die Infrastruktur, in den Bergbau und die Schwerindustrie investiert. Bezahlt wurde das mit Transferleistungen, die aus den nördlichen Teilrepubliken in die Kasse des Bundes flossen. Zu keiner Zeit jedoch konnte die kommunistische Wirtschaftspolitik im Kosovo eine selbsttragende Ökonomie und genügend Arbeitsplätze für die stark wachsende Bevölkerung schaffen. Viele Jugoslawen bekamen den Eindruck, dass ihr Geld in der Albanerprovinz sinnlos verschwendet wurde, während viele Albaner meinten, dass die Zentralregierung nicht genug für den Kosovo tun würde.

1966–1974

Zu einer Wende in der jugoslawischen Kosovo-Politik kam es durch machtpolitische Auseinandersetzungen im Politbüro des Bundes der Kommunisten. Während Tito allgemeine Reformen einleiten wollte, der die föderalen Elemente in den politischen Strukturen Jugoslawiens stärken sollte, opponierte Innenminister Aleksandar Ranković gegen jede derartige Veränderung. Dieser war als Befehlshaber der politischen Polizei UDBA maßgeblich für staatliche Gewaltmaßnahmen gegen die albanische Bevölkerung verantwortlich. Ranković wurde 1966 mit dem Vorwurf, die UDBA zu einem Staat im Staate ausgebaut zu haben, aus dem Politbüro entfernt und musste seinen Ministerposten abgeben. Tito verbesserte nun schrittweise die Lage der Albaner und gestand ihnen mehr Autonomie zu. In der neuen jugoslawischen Bundesverfassung von 1974 wurde das Kosovo (wie auch die Vojvodina) als autonome Provinz und Föderationssubjekt etabliert. In der Regierung und im Parteiapparat der Provinz dominierten fortan die Albaner. Albanisch wurde zweite Amts- und Unterrichtssprache, albanische Kultur wurde gefördert und es kam zur Einrichtung der Universität Priština. Aus ihr ging in den folgenden 15 Jahren eine große Zahl albanischer Akademiker hervor.

Verfassungsrechtlicher Status 1974

Zur Autonomieregelung, die 1974 festgelegt wurde, ist auf die genaue Definition einer „Nationalität“ hinzuweisen. Gemäß sowjetisch-kommunistischer Rechtsdoktrin war eine Nation (bosn./kroat./serb. narod) eine potentiell staatsbildende Einheit, zumindest durfte die Arbeiterschaft diesen darstellen. Nationen behielten daher ein ultimatives Recht auf Abspaltung, wenn diese eine Republik innerhalb einer Föderation bildeten. Eine Nationalität (bosn./kroat./serb. narodnost), hingegen war ein dislozierter Teil einer Nation, dessen größerer Teil in einer anderen Gegend beheimatet war: Nationalitäten konnten nicht zu einer konstitutiven Nation innerhalb einer Föderation erklärt werden und ebenfalls nicht eine eigene föderale Einheit erhalten.[3]

Das Problem der nicht-slawischen Bevölkerung innerhalb eines jugoslawischen („südslawischen“) Staates wurde bereits beim Treffen der kommunistischen Führung 1943 in Jajce erörtert. Insbesondere der Status der bevölkerungsreichsten Minderheiten, der Kosovo-Albaner und der Magyaren war zunächst unklar. Es wurde gemäß sowjetischer Doktrin festgelegt, dass Republiken Entitäten von Nationen darstellen sollten, im Gegensatz zu „Nationalitäten“. Die Kosovo-Albaner stellten im ehemaligen Jugoslawien eine „Nationalität“ dar, da die „Nation“ der Albaner einen eigenen Staat Albanien besaß; dasselbe galt für die Magyaren (Ungarn) in der Vojvodina. Die Autonome Provinz Kosovo, ebenso wie die Autonome Provinz Vojvodina, wurde daher auch in der jugoslawischen Verfassung von 1974 nicht als „Sozialistische Republiken“ betrachtet, obwohl diese Einheiten nach verfassungsrechtlichen Kriterien seitdem weitestgehend Bundeseinheiten entsprachen (Sie besaßen eigene Parlamente, jeweils einen Sitz im föderalen Präsidentschaftsrat mit Vetorecht, usw.).[3] Tito gelang es durch diesen Kunstgriff, zwei weitere Stimmen im Präsidentschaftsrat zu schaffen und so seinen Einfluss zu festigen.

1974–1989

In den 1970er Jahren kam es zur Albanisierung des öffentlichen Lebens im Kosovo. Spätestens nach Titos Tod (1980) begannen die Serben im Kosovo und auch andernorts, ihren Unmut darüber zu äußeren. Zur selben Zeit wanderte eine große Anzahl Serben aus dem Kosovo ab (ca. 50.000 bis 1981). Ein Grund dafür mag das Gefühl gewesen sein, dass man sich nun fremd im eigenen Land fühlte, wozu Nationalistische Propaganda beider Seiten beitrug. Eine wichtige Ursache – so haben serbische Demographen 1991 herausgefunden – war aber die nach wie vor schlechte wirtschaftliche Lage. Hinzu kam, dass die Serben ihre Privilegien aus der Zeit vor 1966 verloren hatten und nun mit den Albanern um die Jobs im Verwaltungsapparat konkurrieren mussten. Dadurch hatte sich die ökonomische Situation der serbischen Bevölkerung, die inzwischen nur noch eine Minderheit darstellte, in kurzer Zeit sehr verschlechtert.

Die albanische Führung der Provinz konnte die wirtschaftlichen Probleme ebenso wenig lösen wie die serbische zuvor. Misswirtschaft, Arbeitslosigkeit und Korruption kennzeichneten die Situation zu Beginn der achtziger Jahre. Die Schuld schob man der Regierung in Belgrad zu. Damit wurde der mühsam zwischen den Volksgruppen hergestellte Frieden gefährdet. Soziale Unruhen unter den Albanern hatten daher in den achtziger Jahren oft eine nationale, antiserbische Komponente. Dadurch wuchs unter den Kosovo-Serben das Gefühl der Bedrohung durch die Mehrheit.

Im März und April 1981 kam es zu gewalttätigen Demonstrationen der albanischen Studenten in Priština, die gegen die schlechten Lebensbedingungen und die Perspektivlosigkeit – die meisten erwartete nach dem Abschluss die Arbeitslosigkeit – aufbegehrten. Auch wurden Forderungen nach der Anerkennung als eigenständige Republik innerhalb Jugoslawiens laut. Als es so aussah, als ob die Kosovo-Regierung des Aufstandes nicht Herr werden könnte, wurde der Ausnahmezustand ausgerufen und Polizisten aus dem engeren Serbien rückten in Priština ein und knüppelten den Aufstand brutal nieder. Die Führung des Kosovo wurde auf Befehl Belgrads ausgewechselt. Seitdem nahmen die Spannungen zwischen Albanern und Serben stetig zu, und die Regierungsorgane auf Bundes- wie auch auf Provinzebene waren nicht in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Vielmehr heizten sie den Nationalitätenkonflikt durch gegenseitige Schuldzuweisungen weiter an.

Nach den Unruhen im Kosovo bildete sich ein „Komitee der Serben und Montenegriner“, das mit Petitionen und Protestversammlungen versuchte, auf die von ihnen als schlecht empfundene Lage ihrer Volksgruppe im Kosovo aufmerksam zu machen. Seine Mitglieder waren neben ansässigen Serben auch pensionierte Militärs, entlassene Polizisten und Geheimdienstler aus der Ranković-Ära sowie Kriminelle. Für seine erste Petition sammelte es zwar nur 76 Unterschriften, nach vier Jahren war die Zahl der Unterstützer jedoch auf 50.000 angewachsen. Slobodan Milošević, damals Chef des BdK Serbiens, besuchte am 24. April 1987 das Kulturhaus in Kosovo Polje, nachdem er sich vier Tage zuvor mit den Anführern dieses Komitees abgesprochen haben soll und eine landesweite Fernsehübertragung sichergestellt hatte. Während seiner Rede inszenierten Mitglieder des Komitees vor dem Kulturhaus eine Schlägerei mit der mehrheitlich albanischen Polizei. Vor laufenden Kameras beschwerten sich Serben bei Milošević, daß sie von der albanischen Polizei geschlagen würden, worauf Milošević vor die Menge trat und rief: „Niemand darf euch schlagen!“ Dieser Auftritt wurde in den folgenden Wochen ständig im Fernsehen wiederholt und begründete Miloševićs weiteren politischen Aufstieg.

Der Zerfall Jugoslawiens

Karte des Kosovo

Mit dem Tod Titos war die föderale Verfassungskonstruktion von 1974 in eine Krise geraten. Zuerst zeigte sich dies im Kosovo. Mit dem Argument, sie seien nach den Serben und den Kroaten die drittgrößte Nation in Jugoslawien verlangten einige Albaner den Status eines Staatsvolks und die Loslösung Kosovos von Serbien. Die Provinz sollte gleichberechtigte Republik innerhalb der jugoslawischen Föderation werden. Die übrigen Teilrepubliken sowie die jugoslawische Bundesregierung verweigerten dies und Serbien setzte die kosovarische Provinzregierung ab. Das Zusammenleben zwischen Serben und Albanern verschlechterte sich zusehends. 1987 wurde Slobodan Milošević Präsident der SR Serbien. Zwei Jahre später, am 28. Juni 1989, hielt er im Kosovo die bekannte Amselfeld-Rede, die gerne als Vorbote des Krieges im ehemaligen Jugoslawien dargestellt wird.

Serbische Machtausdehnung im Kosovo

Am 28. März 1989 hob das serbische Parlament einstimmig den Status des Kosovo als autonome Provinz auf und machte damit die jugoslawische Bundesverfassung von 1974 de facto unwirksam. Bei den darauffolgenden Demonstrationen im Kosovo wurden nach offiziellen Angaben 29 Demonstranten und zwei Polizisten getötet. Über das Kosovo wurde der Ausnahmezustand verhängt, wozu auch willkürliche Verhaftungen ohne juristische Basis oder Beistand gehörten. Über 200 Albaner wurden in Isolationshaft gebracht und dort teilweise misshandelt. Dieses Vorgehen machte Serbien zur Region mit der schlechtesten Menschenrechtsbilanz in Europa.

In Serbien gab es jedoch auch Kritik an der staatlichen Kosovo-Politik. Der serbische Soziologe und Oppositionspolitiker Zoran Đinđić schrieb 1988: „Es wäre falsch, zu glauben, das Konstitutionsproblem Serbiens (werde) durch eine Rückkehr des Kosovo unter seine (Serbiens) staatliche politische Obhut gelöst. Dann... (wird) der Kosovo in jedem künftigen serbischen Staat eine permanente Quelle der Repression sein. Serbien kann sich als politische Gemeinschaft nur konstituieren, wenn seine Grenzen durch den Willen seiner (faktischen und potentiellen) Einwohner festgelegt sind“.

Gewaltfreier Widerstand und Schattenstaat der Albaner

Nach der Verfassungsänderung wurde die Autonomie des Kosovo durch mehrere serbische Gesetzgebungsakte faktisch beseitigt. Gesetzgebung und Rechtsprechung im Kosovo wurden serbischen Behörden übertragen, der albanischsprachige Unterricht an Schulen und Universitäten wurde mit einem eigens für das Kosovo formulierten Zusatz zum serbischen Universitätsgesetz verboten. Die Polizei wurde dem serbischen Innenministerium unterstellt, albanische Polizisten wurden entlassen. Grundstücksverkäufe von Serben an Albaner wurden verboten. Mit einem weiteren Ausnahmegesetz wurde im Juni 1990 den serbischen Behörden der direkte Eingriff in die Verwaltung des Kosovo erlaubt. Die albanischen Abgeordneten des Kosovo-Parlaments reagierten zunächst mit der Ausrufung ihrer Provinz zur siebten Republik im jugoslawischen Staatsverband, daraufhin löste Serbien das Parlament am 5. Juli 1990 auf. Anschließend wurden sämtliche albanischen Führungskräfte entlassen. Jeder Albaner musste eine Loyalitätserklärung zum serbischen Staat unterschreiben, wer sich weigerte, wurde entlassen. Mindestens 80.000 Albaner, die die Unterschrift verweigerten, verloren daraufhin ihre Arbeit. Im September 1990 rief das kosovarische Parlament mit der „Kaçanik-Verfassung“, in der großzügige Minderheitenrechte gewährt wurden, die „Republik Kosova“ aus und wählte Ibrahim Rugova zu ihrem ersten „Präsidenten“. Im September 1991 stimmten über 90% der Kosovo-Albaner bei einem Referendum für die völlige Unabhängigkeit ihrer Provinz, diese wurde jedoch nur von Albanien mit Einschränkungen anerkannt. Im Mai 1992 wurden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten, aus denen Rugova und die LDK als Sieger hervorgingen.

In der Folgezeit begann unter der Führung von Rugovas LDK, der inzwischen die meisten albanischen früheren BdKJ-Mitglieder beigetreten waren, der Aufbau eines Parallelstaats („Schattenstaat“). Weil serbische Institutionen boykottiert wurden, organisierte der Schattenstaat albanische Schulen für ca. 400.000 Schüler, medizinische Versorgung, öffentlichen Nahverkehr und Hilfe für Bedürftige. Finanziert wurde er durch Abgaben der kosovo-albanischen Diaspora. Die etwa 500.000 kosovo-albanischen Arbeitsmigranten in Europa führten mindestens 3% ihres Einkommens an die LDK ab. Im Jahr 1997 wurden 28 Mio. DM offiziell als Einnahmen verbucht.

Insbesondere slowenische Politiker wie der im Jahr 1989 amtierende jugoslawische Staatschef Janez Drnovšek sahen in der serbischen Kosovo-Politik ein zunehmendes Hindernis für die von ihnen gewünschte Integration Jugoslawiens in europäische Organisationen. Dadurch wurde der Zerfall Jugoslawiens beschleunigt.

Die serbische Polizei schikanierte zwar einzelne Albaner, vor allem mit dem schon in den 50er Jahren angewandten Mittel der „Waffenkontrolle“: Albaner wurden auf ein Polizeirevier zitiert, wo sie ihre Waffe abgeben sollten. Gaben sie die Waffe ab, wurden sie verprügelt und wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt, gaben sie keine Waffe ab, wurden sie ebenfalls verprügelt und ihr Haus wurde mehrmals durchsucht. Im übrigen tolerierten die serbischen Behörden jedoch den Schattenstaat, auch die unter serbischen Polizisten weit verbreitete Korruption schwächte die serbischen Staatsorgane. Der Wahlboykott der Albaner ermöglichte den nationalistischen und sozialistischen Parteiführern Serbiens (Slobodan Milošević, Vojislav Šešelj, Željko Ražnatović) den Gewinn von Parlamentssitzen im Kosovo mit nur wenigen Stimmen und minderte die Wahlchancen der demokratischen serbischen Opposition. Diese stimmte zwar in der Kosovo-Frage weitgehend mit der Regierungspolitik überein, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit wurde aber von Rugova und der LDK niemals ausgelotet. Kosovo-albanische Kritiker der LDK wie Veton Surroi und Adem Demaçi warfen Rugova zunehmend eine passive, starre und erfolglose Politik vor.

Vom Dayton-Vertrag zum Kosovo-Krieg

An der Den Haager Jugoslawien-Konferenz waren keine Vertreter des Kosovo beteiligt. Nachdem mit dem Dayton-Vertrag die serbischen und kroatischen Eroberungen in Bosnien faktisch anerkannt wurden, wuchs bei den Albanern die Unzufriedenheit mit der gewaltfreien Politik Rugovas. Zunächst kam es im Winter 1996 und 1997 zu Studentendemonstrationen in Priština, die ohne die Einwilligung Rugovas stattfanden. Die Studenten verlangten die Rückgabe der Universitätsgebäude. 1996 verübte eine Splittergruppe, die LKÇK, mehrere Bombenanschläge auf Lager für serbische Flüchtlinge aus Bosnien. Auch die UÇK trat mit Bekennerschreiben zu Bombenanschlägen zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Die Ursprünge der militanten Gruppen liegen im Dunkeln, wahrscheinlich gehen sie auf albanische Widerstandszellen der frühen 80er Jahre zurück, die ideologisch an Enver Hoxhas albanischem Marxismus-Leninismus orientiert waren und formierten sich zu Beginn der 90er Jahre. Mit dem Zusammenbruch der Staatsautorität in Albanien 1997 („Lotterieaufstand“) erhielten sie die Chance, sich zu bewaffnen und im Norden Albaniens, an der Grenze zum Kosovo, Trainingslager und Rückzugsräume einzurichten. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen serbischen Staatsorganen und den zunächst schlecht organisierten und bewaffneten albanischen Guerilleros nahmen daraufhin zu. Am 28. November 1997, dem albanischen Nationalfeiertag, trat die UÇK auf dem Begräbnis eines im Polizeigewahrsam gestorbenen albanischen Lehrers zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf. Im Februar 1998 griff die serbische Sonderpolizei MUP mehrere Dörfer in der Region Drenica mit dem Ziel an, Adem Jashari, einen UÇK-Führer, zu töten. Bei den Angriffen auf die Dörfer Donji Prekaz und Qirez wurden 87 Albaner, darunter 29 Frauen, Kinder und Alte, getötet. Nach diesem sogenannten „Massaker von Drenica“ schalteten sich internationale Organisationen in den Konflikt ein.

Die Balkan-Kontaktgruppe und die OSZE verurteilten die Gewaltanwendung und riefen beide Seiten zum Dialog auf. Das serbische politische Spektrum war den Albanern gegenüber zu dieser Zeit grundsätzlich feindlich gestimmt (bis auf die kleine Partei der zivilen Allianz). Ein typisches Beispiel für die öffentliche Stimmungsmache war etwa ein Kommentar zur Kosovo-Debatte von Aleksa Djilas (der im Westen sogar als liberaler Intellektueller bezeichnet wurde). Dessen Kommentar in der Aprilausgabe des nationalistischen belgrader Magazins Argument trug den Titel: „Was auch immer Israel den Palästinensern antun kann, dürfen auch die Serben gegenüber den Albanern“. Ein im April 1998 abgehaltenes Referendum über die Frage, ob ausländische Vertreter im Kosovokonflikt vermitteln dürften, sprach sich die Mehrheit, wie bereits abzusehen war, dagegen aus.[4] Die im darauffolgenden Monat stattgefundenen Gespräche zwischen Rugova und Milošević in Belgrad wurden demzufolge bald abgebrochen.

Die Kampfhandlungen im Kosovo gingen weiter, bereits Ende August gab es nach Angaben von UNHCR und IKRK 160.000 Binnenflüchtlinge. Im September 1998 forderte der UNO-Sicherheitsrat den Rückzug der serbischen Einheiten (Resolution 1199), gleichzeitig drohte die NATO Serbien erstmals mit Luftschlägen (ACTWARN-Erlass). Im Oktober wurde das „Holbrooke-Milošević-Abkommen“ unterzeichnet, in dem die Entsendung einer OSZE-Beobachtermission vereinbart wurde, es trat aber keine Entspannung der Situation ein. Nachdem am 15. Januar 1999 bei dem Dorf Račak 45 albanische Leichen mit Schusswunden, die von serbischer Armeemunition stammten, gefunden wurden, warf der Leiter der OSZE-Mission, der US-Amerikaner William Walker, den serbischen Truppen vor, ein Massaker an Zivilisten begangen zu haben. Zweifel an der These eines Massakers kamen auf, weil die Toten eindeutig nicht aus Nahdistanz erschossen wurden. Eine Untersuchung durch das ICTY ließ Belgrad nicht zu. Der Druck auf die Konfliktparteien wurde verstärkt, am 6. Februar 1999 wurde die Konferenz von Rambouillet als letzte Chance für eine friedliche Lösung einberufen. Das dort am 23.2. vorgelegte Friedensabkommen sah eine weitgehende Selbstverwaltung des Kosovo bei Verbleib im serbisch-jugoslawischen Staatsverband vor. Nach drei Jahren sollte eine internationale Konferenz endgültig über seinen Status entscheiden. Die Einhaltung des Abkommens sollte, wie im Dayton-Vertrag, durch NATO-Truppen überwacht werden. Die kosovo-albanische Delegation unterzeichnete das Abkommen am 18. März 1999, obwohl ihrer Forderung nach einer Volksabstimmung über die staatliche Zukunft Kosovos nicht stattgegeben wurde. Die serbische Seite verweigerte die Unterschrift, da der Vertrag nach ihrer Ansicht die für sie nicht akzeptable Besetzung des Landes durch NATO-Truppen bedeutet hätte. Am 24. März begannen daraufhin die Luftangriffe der NATO auf Serbien.

Die Intervention der NATO

Karte der UNMIK-Stützpunkte

Die NATO-Luftangriffe zwangen Slobodan Milošević schließlich zum Einlenken. Da bei den NATO-Luftangriffen nicht nur serbische militärische Ziele angegriffen wurden, sondern auch serbische Kraftwerke, Fabriken, Brücken, Bürogebäude sowie durch Fehlabwürfe auch Wohnhäuser und Flüchtlingskonvois, kamen dadurch nach einer Untersuchung des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag etwa 500 Serben und Albaner ums Leben.

Der Rückzug der serbischen Armee beendete vorerst die blutigen Auseinandersetzungen im Kosovo. Am 10. Juni 1999 beschloss der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1244 die Einsetzung einer zivilen Übergangsverwaltung (UNMIK) und die Entsendung einer NATO-geführten Friedenstruppe (KFOR), zu deren Aufgaben die Gewährleistung der Rückkehr der Flüchtlinge, die Entwaffnung der Konfliktparteien und der Aufbau von Institutionen zur Selbstverwaltung des Kosovo gehörten. Das Kosovo wurde somit vorläufig eine Art Protektorat der UNO.

Laut Informationen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit Juni 1999 rund 250.000 Menschen aus dem Kosovo vertrieben worden, wohingegen die Schätzungen des jugoslawischen Außenministeriums sogar eine Zahl von ca. 350.000 nennen. Die Mehrzahl der Vertriebenen bestand aus Serben sowie Roma, Juden, Türken und anderen Minderheitengruppen.[5]

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Pristina, Cedomir Prlincevic, wurde ebenfalls 1999 von der UÇK vertrieben. In einem Interview berichtete später, "als zwei Dutzend bewaffnete Männer in unsere Familienwohnung stürmten, erlitt meine 80 Jahre alte Mutter einen Herzanfall, weil es sie an Hitlers SS erinnerte, die 1943 auf die gleiche Weise ihre Wohnung gestürmt hatte". Mit der Vertreibung des Vorsitzenden sowie der übrigen Juden erlosch das alte jüdische Leben in dieser Region.[6]

Schätzungen über die Zahl der während des Konfliktes 1998/1999 Getöteten schwanken zwischen 9000 und 15000. Es gelten bis heute 4000 Menschen als vermisst, davon etwa 1500 Albaner. Es ist aber anzunehmen, dass eine Vielzahl davon verstreut in Massengräbern im Kosovo liegt. Das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag befasst sich zurzeit mit den Geschehnissen. Seit dem Jahr 2000 wurden insgesamt 65 mutmaßliche Massengräber im Kosovo von den Kfor-Truppen gefunden, allein 42 davon im britischen Sektor. Dabei wurde festgestellt, dass in einem beträchtlichen Anteil der Massengräber serbische Tote vergraben sind. Ein Teil der identifizierten serbischen Toten galten schon seit 1997/1998 als vermisst.

März-Unruhen 2004

Am 17. und 18. März 2004 kam es im Kosovo zu einem erneuten Ausbruch ethnischer Gewalt. Nachdem drei Jungen in einem Fluss nahe der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica ertranken, heizten – einem Bericht der OSZE[7] zufolge – albanische Medien mit Sensationsberichten die Stimmung an. Sie suggerierten, dass ein von Serben begangenes ethnisch motiviertes Verbrechen vorlag. Diese Behauptungen waren – beispielsweise nach Einschätzungen der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group (ICG) – haltlos. In der Folge kam es zu landesweiten Aufständen der Albaner, die sich im Wesentlichen gegen die noch im Kosovo verbliebenen Serben richteten. Es gab 19 Tote (11 Kosovo-Albaner und 8 Serben) und rund 900 Verletzte. 700 Häuser von Serben, Aschkali und Roma, zehn Verwaltungsgebäude sowie rund 30 serbische Kirchen und zwei Klöster wurden beschädigt oder zerstört. Rund 4.000 Menschen wurden vertrieben, 82 % davon waren Kosovo-Serben, die übrigen Roma, Ashkali, Kosovo-Ägypter und Albaner. Die Aufstände waren, nach Einschätzungen der ICG, eher spontan als organisiert. Die Täter waren Jugendliche, politische Extremisten sowie einfache Kriminelle.

Am 19. März 2004 gab der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck bekannt, dass die Bundeswehr 600 zusätzliche Soldaten in die Region entsenden werde. Damit erhöhte sich das deutsche Kontingent im Kosovo auf etwa 3.800 Soldaten. Die NATO entsandte weitere 1.100 Soldaten zur Sicherung der Ordnung.

Wahlen

Die zweiten Parlamentswahlen im Kosovo konnte am 23. Oktober 2004 wiederum die LDK unter Präsident Rugova gewinnen. Sie kam bei einer Wahlbeteiligung von nur 53 % auf einen Stimmenanteil von über 45 %. Sämtliche ins Parlament eingezogenen albanischen Parteien sprachen sich für die baldige Unabhängigkeit des Kosovos aus. Die Mehrheit der Serben boykottierte die Wahlen.

Im Dezember 2004 wählte das Parlament den ehemaligen UÇK-Führer Ramush Haradinaj von der „Allianz für die Zukunft des Kosovo“ (AAK) zum Ministerpräsidenten. Im März 2005 musste er zurücktreten, da der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) gegen ihn Anklage erhob. Haradinaj soll vor und während des Kosovo-Krieges schwere Verbrechen überwiegend an serbischen, aber auch an albanischen Zivilisten verübt haben. Zu seinem Nachfolger wurde Bajram Kosumi (ebenfalls AAK) gewählt. Dessen Koalitionsregierung gehörten außer zwei neuen Ministern alle aus dem alten Haradinaj-Kabinett an.

Mit dem Tod des kosovo-albanischen Präsidenten Ibrahim Rugova am 21. Januar 2006, kurz vor dem Beginn der Verhandlungen über den künftigen völkerrechtlichen Status des Kosovos, starb der einzige weltweit bekannte und anerkannte Politiker des Kosovos.

Zum neuen Präsidenten wurde am 10. Februar 2006 der als moderat geltende Politiker Fatmir Sejdiu, ein langjähriger Vertrauter des verstorbenen Amtsvorgängers gewählt. Sejdiu ist Jura-Professor an der Universität von Priština. Er leitet seit Anfang der 90er Jahre die Partei Demokratisches Bündnis des Kosovos (LDK).

Am 1. März 2006 erklärte Ministerpräsident Bajram Kosumi seinen Rücktritt. Kosumis Rücktritt wird von örtlichen Beobachtern damit erklärt, dass er in seiner eigenen Partei „Allianz für die Zukunft des Kosovos“ (AAK) unter Druck geriet. An seiner Stelle wurde am 10. März der frühere Chef des Kosovo-Schutzkorps (TMK), Agim Çeku zum Ministerpräsidenten gewählt. Das TMK wurde als Auffangorganisation für die UÇK geschaffen. Çeku war seit 1999 Generalstabschef der Befreiungsarmee UÇK. Die AAK gilt als eine der Parteigründungen ehemaliger UÇK-Aktivisten.

Statusverhandlungen

Der Bericht von Kai Eide

Britische und US-Diplomaten machten deutlich, dass die Statusverhandlungen zur Unabhängigkeit des Kosovos führen sollten. Selbst Albert Rohan gestand in einem Interview ein, dass die Staatengemeinschaft eine Tendenz in Richtung eines souveränen Kosovos erkennen lässt. Nach Anton Bebler wirkte sich die Schaffung neuer Staatsgrenzen in Mittel- und Osteuropa auf die allgemeine Sicherheitslage in Europa positiv aus. Selbiges könnte man auch im Kosovo erwarten, sobald die Beziehungen zu Serbien sich normalisieren würden.[8] Bei einem Besuch der deutschen KFOR-Soldaten im Feldlager Prizren am 15. Juli 2005 erteilte die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel dagegen einer Loslösung des Kosovos von Serbien eine klare Absage. Bei den Statusverhandlungen müssten in jedem Fall die Interessen Belgrads Berücksichtigung finden.

Bis Oktober 2005 verfolgte die UNMIK eine Politik des „standards before status“. Dadurch sollten bestimmte Mindestanforderungen in Politik, Verwaltung und insbesondere bei der Behandlung ethnischer Fragen gesichert werden, bevor eine Entscheidung über den künftigen Status des Kosovos fällt.

Ende September 2005 stellte der norwegische Diplomat Kai Eide im Auftrag von UN-Generalsekretär Kofi Annan einen Bericht über die Entwicklung des Protektorats fertig. Ausschlaggebendes Kriterium für die besonders von der albanischen Mehrheit geforderten Verhandlungen über den künftigen Status der Provinz sind die seitens UNMIK und der PISG definierten und vom UN-Sicherheitsrat Ende 2003 verabschiedeten Standards zu Menschenrechten, Sicherheit, Gesetz und Demokratie im Kosovo.

Trotz erheblicher Mängel empfahl Kai Eide in seinem Bericht „den nächsten Schritt in der politischen Entwicklung des Kosovos zu nehmen“. Am 24. Oktober 2005 beschloss der UN-Sicherheitsrat, dass Verhandlungen über die Statusfrage des Kosovos aufgenommen werden können.

Die Kosovo-Troika

Am 20. Februar 2006 begannen unter Vermittlung der sogenannten Kosovo-Troika aus EU, Russland und den Vereinigten Staaten die Status-Verhandlungen in Wien. Verhandlungsführer ist von Seite der Kosovo-Albaner der Präsident des Kosovos, Fatmir Sejdiu. Zweiter Verhandlungsführer der Albaner in Wien war Hashim Thaçi, Oppositionsführer und ehemaliger UÇK-Führer. Der ehemalige finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari leitete die Verhandlungen. Während die Kosovo-Albaner die volle staatliche Unabhängigkeit der Provinz forderten, lehnte Belgrad dies ab und wollte lediglich eine weitreichende Autonomie zugestehen.

Bei den Gesprächen über die Dezentralisierung und Gründung neuer Gemeinden, in denen die nicht albanische Bevölkerung einen Autonomiestatus erhalten soll, gab es keine Einigungen. Belgrad wollte 17 neue Gemeinden mit serbischer Mehrheit bilden, die Albaner wollten maximal fünf anerkennen. Außerdem schlugen die Kosovo-Albaner die Bildung einer ethnisch neutralen Kommunalregierung vor. Die Serben verlangten dagegen, dass sie ihre Gemeinden selbstständig verwalten und besondere Beziehungen zu Belgrad unterhalten dürfen. Außerdem forderten sie Sicherheitsgarantien, Bewegungsfreiheit und ein Rückkehrrecht für serbische Flüchtlinge. Weiterer Streitpunkt blieb die Zukunft der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica. Die Serben wollten die Teilung besiegeln, die Albaner lehnten dies ab.

Der serbische Regierungschef Vojislav Koštunica betonte, dass Serbien nie auf den Kosovo verzichten werde: „Nicht mal wegen eines schnelleren Weges in die Europäische Union würde Serbien dies tun“. Keinem Staat sei der Verzicht auf einen Teil seines Staatsgebietes als Bedingung für eine EU-Mitgliedschaft gestellt worden. Dies könne auch mit Serbien nicht der Fall sein, sagte Koštunica in einem Interview. Er bot der abtrünnigen Provinz erneut eine weitgehende Autonomie an. Dies lehnt die albanische Seite ab und fordert die Unabhängigkeit.

Der Ahtisaari-Plan

Am 2. Februar 2007 stellt Martti Ahtisaari in Priština und Belgrad die Vorschläge vor.[9] Nach diesen soll dem Kosovo erlaubt werden, eigene nationale Symbole zu führen und auch eigenständiges Mitglied in internationalen Organisationen zu werden. Es soll sich um eine international überwachte Unabhängigkeit handeln, wobei der Begriff Unabhängigkeit im Vorschlag nicht explizit verwendet wird. Während es von Seiten der USA und der Mehrheit der EU-Länder Zustimmung zum Ahtisaari-Plan gibt, äußerten einige Staaten Vorbehalte – darunter Russland, China, Spanien, Griechenland, Italien, die Slowakei, Zypern, Rumänien und Österreich. Im April 2007 äußerte der US-Außenstaatssekretär Nicholas Burns im Kongress-Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, dass die USA in jedem Fall die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen werden, auch wenn es nicht zu einer entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrates kommen sollte.[10]

Während von Seiten der Regierung des Kosovos Zustimmung zum Plan gibt, gibt es sowohl von serbischer als auch von kosovoalbanischer Seite Proteste mit jeweils entgegengesetzter Zielrichtung. So demonstrierten am 9. Februar Serben, die gegen wie auch immer geartete Unabhängigkeit des Kosovos sind, in Mitrovica gegen die Vorschläge von Marthi Ahtisaari. Einen Tag später, am 10. Februar, versammelten sich rund 3.000 Albaner in der Hauptstadt zu einer Demonstration, zu der die Organisation Vetëvendosje (Selbstbestimmung) aufgerufen hatte. Diese verlief teilweise gewalttätig. Die Auseinandersetzungen mit der Polizei forderten zwei Tote und über 70 Verletzte. Der Vetëvendosje-Führer Albin Kurti wurde noch während der Proteste verhaftet. Als Reaktion auf diese Auseinandersetzungen gab der Innenminister Fatmir Rexhepi am 13. Februar seinen Rücktritt bekannt.

Bei den von den Serben boykottierten Parlamentswahlen vom 17. November 2007 wurde die Demokratische Partei des Kosovos (PDK) des Oppositionsführeres Hashim Thaçi stärkste Partei. Eine Woche später begann die letzte Verhandlungsrunde zwischen Serben und Kosovo-Albanern in Baden bei Wien. Diese endete am 28. November 2007 ohne eine Einigung[11], woraufhin Präsident Sejdiu eine Fortsetzung der Verhandlungen mit Serbien ausschloss und statt dessen eine sehr schnelle Unabhängigkeitserklärung des Kosovos ankündigte.[12]

Nach der Stichwahl der serbischen Präsidentschaftswahlen Anfang Februar 2008, bei der der Nationalist Nikolić Amtsinhaber Tadić unterlag, rückte ein Termin für die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo immer näher.

Unabhängigkeit von Serbien

Enthüllung des Denkmals NEWBORN' während der Feier zur Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar 2008 in Priština
Anerkennung der Republik Kosovo
    erkennen Republik Kosovo an
    erkennen Republik Kosovo nicht an

Am 17. Februar 2008 beschloss das kosovarische Parlament die Ausrufung der Republik Kosovo als unabhängigen Staat. Zuvor hatte die Europäische Union den Start der EULEX-Mission gebilligt, bei der 1800 Polizisten und Juristen die Aufgaben der bisherigen UN-Verwaltung des Kosovo übernehmen sollen.[13] Umgehend erklärte Serbien mit Verweis auf die gültige Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates, die Unabhängigkeit nicht zu akzeptieren. Mit dieser Resolution aus dem Jahr 1999 war die UN-Verwaltung des Gebiets festgelegt, gleichzeitig aber die Zugehörigkeit des Kosovo zur Bundesrepublik Jugoslawien bestätigt worden. Eine mögliche neue Resolution als Völkerrechtsgrundlage für die Unabhängigkeit scheiterte bisher an der Ankündigung eines Vetos durch Russland.

Noch am Tag der Unabhängigkeitserklärung erkannte Costa Rica als erster Staat die Unabhängigkeit an. In den nächsten Tagen folgten andere Staaten, darunter die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.[14] Andere EU-Staaten wie Spanien oder Rumänien haben dagegen erklärt, die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennen zu wollen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Überlegung, dass die Anerkennung des Kosovo einen Präzedenzfall für weitere Sezessionsbestrebungen darstellen könnte.

Am 28. Juni 2008 wurde durch die am 11. Mai 2008 bei den Kommunalwahlen Serbiens gewählten politischen Vertreter der im Kosovo ansässigen serbischen Staatsbürger das Parlament der Gemeinschaft der Gemeinden der Autonomen Provinz Kosovo und Metochien gegründet.

Am 8. Oktober 2008 nahm die UN-Vollversammlung den serbischen Antrag an, die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) prüfen zu lassen.

Einzelnachweise

  1. Malcolm, Noel (1998). Kosovo. A Short History. Introduction xlix.
  2. Malcolm, Noel (1998). Kosovo. A Short History. S. 356.
  3. a b Malcolm, Noel (1998). Kosovo. A Short History. S. 327–8.
  4. Malcolm, Noel (1998). Kosovo. A Short History. Preface xxxi
  5. Human Right Watch Report - August 1999: Abuses against Serbs and Roma in Kosovo
  6. Antisemitismus in Albanien und Kosovo
  7. The Role of the Media in the March 2004 Events in Kosovo – Bericht des OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit
  8. Anton Bebler, "The Western Balkans and the International Community"
  9. Arthisaari-Vorschläge zum zukünftigen Status des Kosovos (englisch)
  10. USA werden Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen auf www.tirol.com vom 17. April 2007
  11. Kurier: Kein Kompromiss bei Kosovo-Konferenz vom 28. November 2007
  12. Der Tagesspiegel: Kosovo-Verhandlungen gescheitert vom 28. November 2007
  13. Die Welt: EU-Polizisten schützen serbische Minderheit vom 16. Februar 2008.
  14. USA erkennen Kosovo an - Meiste EU-Staaten vor Zustimmung, Reuters Deutschland, 18. Februar 2008

Literatur

  • Wolfgang Petritsch, Robert Pichler, Karl Kaser: Kosovo/Kosova. Mythen, Daten, Fakten. Klagenfurt/Celovec 1999, ISBN 3-85129-304-5 (mit Darstellung der Verhandlungen in Rambouillet)
  • Jens Reuter/Konrad Clewing (Hrsg.): Der Kosovo Konflikt – Ursachen, Verlauf, Perspektiven.Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Klagenfurt 2000, ISBN 3-85129-329-0
  • Jens Reuter: Die Albaner in Jugoslawien. Oldenbourg, München 1982. ISBN 3-486-51281-1
  • Noel Malcolm: Kosovo. A short History. London 1998 ISBN 0-333-66612-7
  • Tim Judah: Kosovo. War and Revenge. New Heaven/London 2000 ISBN 0-300-08313-0
  • Miranda Vickers: Between Serb and Albanian. A History of Kosovo. London 1998 ISBN 1-85065-278-3
  • John Julius Norwich: Byzanz. Band 1 bis 3 Bechtermünz-Verlag 2000. ISBN 3-8289-0374-6
  • Steven W. Sowards: Moderne Geschichte des Balkans. Der Balkan im Zeitalter des Nationalismus, BoD 2004, ISBN 3-8334-0977-0
  • Bartl, Peter: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995 ISBN 3-7917-1451-1
  • Hösch, Edgar: Geschichte der Balkanländer. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart. (4. erw. Aufl. München 2002) ISBN 3-406-49019-0
  • Stadtmüller, Georg: Forschungen zur albanischen Frühgeschichte. (= Albanische Forschungen.2) Wiesbaden 1966 (2. Aufl.)
  • Michael Weithmann (Hrsg.): Der ruhelose Balkan. München 1993, 2. Aufl. 1994 ISBN 3-423-04612-0
  • Tucović, Dimitrij: Srbija i Arbanija. Jedan prilog kritiće zavojevacke politike srpske burzoazije. Beograd 1914. (dt.: Serbien und Albanien. Ein kritischer Beitrag zur Unterdrückungspolitik der serbischen Bourgeoisie. Wien 1999 ISBN 3-901831-11-8). Eine etwas holprige Übersetzung im Netz findet man hier.
  • Gjon Bisaku, Shtjefën Kurti u. Luigj Gashi: La Situation de la minorité albanaise en Yougoslavie. (Albanisches Memorandum an den Völkerbund, Genf 1930) engl. Übersetzung, Webarchiv.
  • Dusan T. Batakovic: The Kosovo Chronicles. Plato, Belgrad 1992. ISBN 86-447-0006-5
  • Alex N. Dragnich, Slavko Todorovich: The Saga of Kosovo. Columbia University Press, New York 1984. ISBN 0-88033-062-7
  • Howard Clark: Civil Resistance in Kosovo Pluto Press 2000 ISBN 0-7453-1569-0 Publikation des Albert-Einstein-Instituts über den zivilen Widerstand im Kosovo in den 90er Jahren, soll auch auf Deutsch erhältlich sein
  • Rafael Biermann: Lehrjahre im Kosovo. Das Scheitern der internationalen Prävention vor Kriegsausbruch. (Mit ausführlicher Darstellung der Konfliktgeschichte). Paderborn 2006. ISBN 3-506-71356-6
  • Oliver Jens Schmitt: Kosovo. Kurze Geschichte einer zentralbalkanischen Landschaft. Böhlau-Verlag (UTB). Wien-Köln-Weimar 2008. ISBN 978-3-205-77836-3 (struktur- und sozialgeschichtlich orientierte Darstellung der Region vom früheren Mittelalter bis zur Unabhängigkeitserklärung)